Ich bin allerdings Christ und werde es bleiben bis an mein Ende.«
Bis jetzt hatte der »Vater der vier Augen« dem Konflikte der beiden mit stillem Behagen zugehört. Sie schienen sich in den Haaren zu liegen und doch die besten Freunde zu sein. Jetzt aber wurde er plötzlich ernst, und es lag eine tiefe Betonung auf seinen Worten, als er sagte:
»Daran thust du ganz recht. Kein Christ soll seinen Glauben aus irgend einem Grunde verleugnen. Das wäre eine Sünde wider den heiligen Geist, von welcher das Kitab el mukkadas sagt, daß sie nicht vergeben werden könne.«
»Sünde wider den heiligen Geist?« fragte der Dschelabi erstaunt. »Davon hast du gehört?«
»Jawohl.«
»Und die heilige Schrift kennst du also auch?«
»Ein wenig.«
»Und als Moslem rätst du mir, fest an meinem Glauben zu halten!«
»Ich bin kein Moslem, sondern auch ein Christ.«
»Auch ein Christ! Wohl ein koptischer?«
»Nein.«
»Aber was sonst für einer? Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß ein Beni Homr ein Christ sein könne.«
»Ich bin kein Homr, auch kein Araber, überhaupt kein Orientale, sondern ein Europäer.«
»Mein Gott, ist's möglich! Ich auch, ich auch!«
»Aus welchem Lande?«
»Aus Ungarn. Ich bin Magyar. Und –«
»Davon später. Meine Begleiter sind mir weit voran und ich habe alle Veranlassung, ihnen nicht zu trauen. Ich muß ihnen schnell nach. Nun du gehört hast, daß ich auch ein Europäer bin, wirst du wohl bereit sein, bei mir zu lagern?«
»Von ganzem Herzen gern! Welch eine Freude, welch eine Wonne für mich, dich hier getroffen zu haben! Nun können wir von der Heimat sprechen. Laßt uns schnell reiten, damit wir die Homr einholen und den Brunnen schnell erreichen!«
Es ging vorwärts, so schnell die Esel laufen konnten, und sie liefen sehr gut. Diese Tiere sind in südlichen Gegenden ganz andre Geschöpfe als bei uns. Ein ägyptischer Esel trägt den stärksten Mann und galoppiert mit ihm so lange Zeit, als ob er gar keine Last zu tragen habe. Nach einer Viertelstunde waren die Araber erreicht. Sie sagten zu den Dschelabi kein Wort, nicht einmal eine Silbe der Begrüßung. Da diese acht Männer jetzt zugegen waren, war es unmöglich, den Fremden niederzuschießen, wie man vorher gewillt gewesen war.
Still ging es weiter. Der kleine Ungar machte keinen Versuch, sich mit dem »Vater der vier Augen« zu unterhalten. Es wäre das nicht gut gegangen, da der eine auf dem hohen Hedschin und der andre auf dem kleinen Esel saß.
Die Sterne des Äquators waren aufgegangen, und ihr intensives Licht leuchtete fast so hell wie der Mond, welcher jetzt nicht zu sehen war, da er in der Phase der Verdunkelung stand.
Nach einiger Zeit sah man eine Bodenerhebung liegen, welche schroff aus der Erde stieg. Der Sternenschimmer verlieh ihr ein gespenstiges Aussehen.
»Dort ist der Bir Aslan,« sagte der Ungar. »In fünf Minuten werden wir dort sein.«
»Schweig, Dschelabi!« fuhr der Schech ihn an. »Wann du dort sein willst, das kommt allein auf uns an. Noch haben wir dich nicht eingeladen, uns zu begleiten!«
»Dessen bedarf es gar nicht. Wir gehen ohne Einladung hin.«
»Wenn wir es euch erlauben!«
»Ihr habt gar nichts zu erlauben. Der Brunnen ist für alle da, und übrigens befindet ihr euch in Feindes Land.«
»Allah iharkilik – Gott verbrenne dich!« murmelte der Homr, sagte aber weiter nichts.
Der Dschelabi schien von Haus aus kein furchtsames Kerlchen zu sein, und seit er wußte, daß der erst für einen mohammedanischen Schech gehaltene Fremde ein europäischet Christ sei, fühlte er sich noch weniger geneigt, sich von den Arabern bevormunden zu lassen.
Sie langten bei dem Felsen an, an dessen Fuß sich der Bir befand. Dieser war kein laufendes Wasser; er bestand in einem kleinen, von dichtem Mimosengebüsch umgebenen Weiher, welchen eine nicht sichtbare Wasserader speiste. Man stieg ab. Während einige die von ihren Lasten befreiten Tiere tränkten, sammelten die andern dürres Geäst, um ein Feuer zu machen. Als es brannte, setzten sich die Homr so um dasselbe, daß für die Dschelabi kein Platz blieb. Der Ungar verlor kein Wort darüber.
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