Gaben und Gnaden? Und er melkt mich wie ich die geraubten Kamele, er macht Käse aus meiner Knechtschaft, Labe aus meinem Lob, Butter aus meinem Dank . . . danach müßte ich forschen, ob es ungeschickt ist zu denken, daß der Sohn von der Art des Vaters sei – frei wie er – Herr wie er – gerecht und gut wie er – groß und mächtig aus der Gewalt seiner Herrlichkeit entsprossen – – sonst müßte ich glauben, ich wäre das gestohlene Kind eines unbekannten Gottes, schlecht gehalten und seines Vaters unwert.

Chus kommt gelaufen.

Chus: Herr . . .

Calan: Warum sprichst du nicht?

Chus: Der Schreck, der Schreck –

Calan: Sprich ohne Furcht, Chus, sprich.

Chus: Ein zorniger Flug großer Hornisse stieß auf die Kamele, stürzte ihnen Stiche über Nüstern und Augen, über Beine und Bäuche, bohrte ihnen Gift in Ohren und After, und . . .

Calan: Und?

Chus: Töte mich nicht Herr, wir rangen mit dem flüchtigen Vieh, aber wir waren selbst gestochen . . . 16

Calan: So sind sie auseinandergesprengt?

Chus: Alles in der Wüste zerstreut und die meisten Knechte verliefen sich aus Furcht. Nur ich, Herr, wagte zu bleiben, töte mich nicht.

Calan: Ich will es machen, wie Noahs unsichtbarer Herr; dienst du mir gut, so rechne auf meine Güte. Sei treu, du Tropf, denn Treue ist deinVorteil.

Chus: Ich weiß nicht was du meinst. Ich hätte mich, als sich die Gelegenheit zeigte, wie die meisten andern beritten machen können, Vieh und Frauen rauben. Ich tat es nicht und diene dir in Freundschaft, wahrhaftig Herr, freiwillig blieb ich. (ab.)

Reisender: Hörtest du, er bleibt aus Liebe, obgleich du ein harter Herr bist.

Calan: Wie kommt das? Vielleicht sagt es ihm zu bei mir. Ich kann ihn gut leiden, er ist nicht wie die andern, ja er könnte mein Sohn sein, wenn er nicht mein Knecht wäre. Die Weiber geraubt? Doch wohl nicht die eine, sie teilte von einem Vollmond zum andern mit mir das Zelt, Awah! (will gehen.)

Reisender: Vergiß nicht zu danken, wenn Gott dein Eigentum wieder in deine Hände legt; opfere, schenke Noah einen Teil des Guts, Gottes Freund und Gottes Knecht. Und sage: sieh, so belohnt Gott seine Kinder.

Calan: (lachend) Er soll das Weib haben, wenn ich die Kamele wieder bekomme, wirklich er solls!

17 2.

Raum zwischen Noahs Zelten, im Hintergrunde ein Hain.

Der Aussätzige schleicht vorüber, lungert nach allen Seiten. Noah mit seinen drei Söhnen kommt und verscheucht ihn.

Noah: Der Morgen ist voll von Freundlichkeit und Dank wie ein Beter, und wir – wir sind in ihm und er um uns. Bringt mir ein Böcklein, eins der jüngsten.

Japhet: Man braucht wohl nicht das ganze Tier, die Eingeweide taugen gut zum täglichen Opferbrand.

Sem: Nimm eins von den vielen Ferkeln; es riecht so gut und brennt so gern wie ein Böcklein.

Ham: Ich habe diese Nacht auf der Weide Wölfe gescheucht, ich bin müde und will schlafen. (ab ins nächste Zelt)

Noah: Da ist mein Herz voll Dankbarkeit, wirklich, ich fühle am frischen Morgen so viel Freude, als ob die Fettigkeit des Landes von den Füßen aufwärts durch alle Glieder bis in Brust und Kopf hinauftriebe und nun in linder leiser Lust zerflösse – – und ihr, ihr zieht eure Mäuler dazu und erkältet mit widerhaariger Kunst den aufgekeimten Dank. Wer mag für Segen und um Segen mit saurem Mut opfern. Wascht wenigstens eure Hände, Kinder, wenn ihr euren dürren Dank darbringt.

Sem: Ham hast du eine Frau gegeben und wir beide dürfen in der Nachbarschaft herumlaufen und uns von wütenden Vätern Prügel verschaffen. 18

Japhet: Arbeiten sollen wir, danken sollen wir auch! Ich für mein Teil, wenn ich von Herzen faullenze, fühle dabei auch eine Art von Dankbarkeit, das ist meine Art zu opfern.

Noah: Ihr sollt Frauen haben, Frauen werden euch die Faulheit austreiben. Glaubt mir, ich habe euch lieb – ach, ich lebte auch leicht hin, bis die Sorgen kamen und mit ihnen der Segen. Es bekümmert mich, daß ihr unzufrieden seid.

Sem: Ei ja, es bekümmert ihn! Ich habe ihn zu unserer Mutter sagen hören: ich will keine Verschwägerung mit den Gottlosen. Er will gottgefällige Töchter, als ob es nicht vielmehr darauf ankäme, was für Frauen wir haben wollen.

Japhet: Mich bekümmert sein Kummer. Aber darum sollen unsere Kinder nicht kümmerlich geraten. Ich will eine Frau mit festem Fleisch, sonst ist alle Mühe umsonst – gottgefällig, nein, gottgefällig sind sie nicht, die da auf der andern Flußseite, aber mir genügt es, daß sie mir gefallen.

Noah: Gottlose Buben seid ihr fürwahr. Aber getrost, Gott hat gewaltige Sicheln für eure Sünden.

Ahire mit einem Krug auf der Schulter, sie ist ältlich und dick.

Ahire (hält im vorübergehen an, legt die Hand auf den Kopf) Der volle Mond hat diese Nacht auf meinen Kopf geschienen, es war taghell als ich die Augen auftat und ich konnte nicht wieder schlafen – irgendwo im Norden ist Krieg, ich sah Rauch schleppen und roch Brand, Gott behüte uns vor Feinden.

Noah: Gott behüte uns, unsere Knechte liegen mit den 19 Herden auf den Bergen, Gott behüte uns, wehrlos wie wir sind.

Sem: Sollte nicht ein Bock geschlachtet und dargebracht werden?

Japhet: Laß uns gehen, Sem, suchen wir ein schönes Tier zum Opfer.

(Beide ab.)

Noah: Es sind doch gute Kinder, zu Zeiten wählerisch und unbequem wie eben Kinder sind. Guter Gott, Japhet hat einen falschen Blick mitbekommen, der Arme, man muß ihm doppelt gut sein dafür. Gott wollte es so und so soll er gelobt sein. (er faßt den Krug und trägt ihn einige Schritte.)

Ahire: Aber er hat es schwerer darum als der schöne Ham und der stämmige Sem.

Noah (setzt den Krug ab): Ja, meinst du? (wischt sich den Schweiß ab.) Wie die Sonne brennt. Worin denkst du, daß er Nachteil hat?

Ahire: Etwa bei den Frauen.

Noah: Ach bei den Frauen! Mancher Mann nahm eine schielende Frau und am Ende wird des schielenden Japhet Frau so schön wie die eines andern Mannes, und gut dazu, was will er mehr. Dann ist es, wenn er von ihrer großen Liebseligkeit gepeinigt ist, besser, er hat den falschen Blick als sie. Da, da – es kommen Nachbarn zu mir, laß mich sie empfangen, ich trüge den Krug gerne länger.