Die Kleider des Toten lagen im Nebenzimmer.
»Da, das Hemd, Sir -«, sagte der eine Beamte, »ich kann mir die blauen Flecken auf der Brust nicht erklären.«
Larry breitete das zusammengewickelte Hemd unter der Lampe auseinander. Ein Frackhemd, kaum getrocknet, auf der Brust, deutlich sichtbar, blaurote Flecken.
»Tintenstiftflecken.« Der verschwundene Bleistift fiel ihm ein. Was sollten aber diese drei unregelmäßigen Reihen von Krähenfüßen und Haken bedeuten?
Da kam ihm eine Idee. Rasch drehte er das Hemd um. Auf die hintere Innenseite des Hemdes waren drei Zeilen geschrieben worden - mit Tintenstift. Die Schrift hatte auf die Vorderseite des nassen Hemdes abgefärbt und die Flecken verursacht.
Die Buchstaben waren etwas verlaufen, aber man konnte noch deutlich lesen:
›Den Tod vor Augen vermache ich, Gordon Stuart aus Calgary, Merryhill Ranch, mein ganzes Vermögen meiner Tochter Clarissa und bitte die Gerichte, dies als meinen letzten Willen und mein Testament anerkennen zu wollen. - Gordon Stuart.‹
Darunter stand noch eine fast unleserliche, abgebrochene Zeile:
›O... hat mich in eine Falle...‹
»Das ist das merkwürdigste Testament, das mir je unter die Augen gekommen ist.«
Larry legte das Hemd weg, ging in die Leichenkammer zurück und untersuchte den Toten noch einmal. Eine Hand war zusammengekrampft, was die Ärzte offenbar übersehen hatten. Als er mit größter Anstrengung die Finger auseinanderbog, fiel mit leichtern Klingen etwas auf den Steinfußboden. Er bückte sich danach, es war ein zerbrochener Manschettenknopf mit eigenartigem Muster - ein Kranz kleiner Diamanten auf schwarzem Emaillegrund. Er suchte noch einmal gründlich, ohne jedoch etwas Neues finden zu können.
Mit gerunzelter Stirn überlegte er krampfhaft. Welche Verbindung hatten alle die Einzelheiten miteinander? Ein Zusammenhang bestand, das wußte er - das Zusammentreffen Flimmer-Freds mit Dr. Judd, das Testament auf dem Frackhemd, und jetzt - der Manschettenknopf.
Mord! Er wußte, fühlte es - Mord!
6
Als er in sein Büro kam, setzte Miss Ward auf dem elektrischen Kocher Wasser für den Tee auf. Er stutzte.
»Hallo! Ich hatte Sie tatsächlich vergessen. Sagen Sie - hat Stuart keine Manschetten knöpfe getragen?«
Sie nahm ein kleines Päckchen vom Tisch.
»Sie wurden gebracht, als Sie eben gegangen waren. Der Kommissar hatte sie vorher vergessen.«
Er öffnete das Papier und fand zwei einfache, goldene Knöpfe ohne Muster oder Monogramm. Larry holte den halben Manschettenknopf aus seiner Tasche und hielt ihn daneben.
»Was ist das?« fragte Diana. »Haben Sie das in seiner . . .« Sie zögerte.
»Ja - in seiner Hand.«
»Sie glauben also, es ist Mord?«
»Ich bin davon überzeugt.«
Er nahm die Schale aus dem Wandschrank und legte die beiden goldenen Manschettenknöpfe und den halben zu dem übrigen. Es fiel ihm ein, daß er die braune Papierrolle noch nicht näher untersucht hatte. Er wickelte sie auseinander und legte das Papier flach auf den Tisch. Miss Ward schaute ihm zu, wie er den ungefähr zehn Zentimeter langen und kaum halb so breiten Papierstreifen glättete.
»Nichts. Rein gar nichts.« Er drehte das Papier um. »Auf dieser Seite auch nichts. Ich lasse es morgen fotografieren.«
»Einen Augenblick, bitte -« Diana nahm ihm das Papier aus der Hand und fuhr mit den Fingerspitzen über die Oberfläche. »Ich habe es mir gedacht«, murmelte sie, »ich war ziemlich sicher, als ich die Erhöhungen sah.«
»Was meinen Sie?«
»Es ist Braille - einige Worte in Blindenschrift.«
Sie ließ die Fingerspitzen langsam auf dem Papier hin und her gleiten.
»Ich habe es in der Blindenanstalt gelernt. Einiges ist beschädigt, wahrscheinlich durch das Wasser. Wollen Sie aufschreiben, was ich entziffern kann?«
Er riß ein Blatt vom Notizblock, nahm einen Bleistift und wartete.
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