»Gegen Gottes weisen Ratschluß darf man nichts sagen … Treten Sie sie mir doch ab, Nastasja Petrowna!«
»Wen, Väterchen?«
»Nun, diese alle, die da gestorben sind.«
»Aber wie soll ich Ihnen denn die abtreten?«
»Nun, ganz einfach. Oder meinetwegen verkaufen Sie sie mir! Ich will Ihnen Geld dafür geben.«
»Aber wie denn das? Ich werde wirklich nicht daraus klug. Wollen Sie sie denn etwa aus der Erde ausgraben?«
Tschitschikow sah, daß die Alte absurde Vorstellungen hatte, und daß er ihr klarmachen mußte, um was es sich handelte. In wenigen Worten setzte er ihr auseinander, daß die Übertragung oder der Verkauf nur auf dem Papier vor sich gehen solle und die Seelen da verzeichnet werden sollten, als ob sie noch lebten.
»Aber was wollen Sie denn damit anfangen?« fragte die Alte, ihn mit weitgeöffneten Augen anblickend.
»Das ist ja dann meine Sache.«
»Aber sie sind ja tot.«
»Wer sagt denn auch, daß sie lebendig wären? Darin besteht ja eben Ihr Schade, daß sie tot sind: Sie bezahlen für sie, und jetzt will ich Sie von aller Mühe und allen Zahlungen befreien. Verstehen Sie wohl? Und ich will Sie nicht nur davon befreien, sondern Ihnen noch obendrein fünfzehn Rubel geben. Nun, ist es Ihnen jetzt klar?«
»Ich weiß wirklich nicht«, sagte die Wirtin stockend. »Ich habe noch niemals Tote verkauft.«
»Wie sollten Sie auch! Das wäre ja auch geradezu wunderbar, wenn Sie solche an jemand verkauft hätten. Oder glauben Sie, daß die wirklich irgendwelchen Nutzen bringen?«
»Nein, das glaube ich nicht. Was könnten die für Nutzen bringen? Nutzen bringen die keinen. Eben das macht mich stutzig, daß sie schon tot sind.«
»Na, das scheint ein stumpfsinniges Frauenzimmer zu sein!« dachte Tschitschikow bei sich. »Hören Sie, Mütterchen! Überlegen Sie sich das doch nur ordentlich: Sie richten sich ja zugrunde; Sie bezahlen für die Leute die Abgabe wie für Lebende …«
»Ach, Väterchen, reden Sie nur gar nicht davon!« fiel ihm die Gutsbesitzerin ins Wort. »Erst vor vierzehn Tagen habe ich über hundertfünfzig Rubel bezahlt, und den Kreisassessor habe ich auch noch schmieren müssen.«
»Na also, sehen Sie, Mütterchen! Und jetzt wollen Sie, bitte, auch nur das eine erwägen, daß Sie den Kreisassessor nicht mehr werden zu schmieren brauchen, da ich jetzt für Sie bezahlen werde, ich und nicht Sie; ich nehme alle Lasten auf mich; ich werde sogar den Kaufkontrakt für mein Geld aufstellen lassen; ist Ihnen das auch klar?«
Die Alte dachte nach. Sie sah, daß das Ding wirklich vorteilhaft zu sein schien; aber es war doch gar zu neu und unerhört, und darum begann sie stark zu fürchten, dieser Aufkäufer könne sie irgendwie übers Ohr hauen; er war ja Gott weiß woher gekommen, und noch dazu zur Nachtzeit.
»Also wie steht’s, Mütterchen? Wollen Sie einschlagen, wie?« fragte Tschitschikow.
»Wirklich, Väterchen, es ist mir noch nie vorgekommen, Verstorbene zu verkaufen. Lebende habe ich ja schon abgetreten, so erst vor zwei Jahren dem Oberpopen zwei Mädchen, jede für hundert Rubel; er war mir sehr dankbar: sie haben sich als sehr tüchtige Arbeiterinnen erwiesen und weben selbst Servietten.«
»Na, um Lebende handelt es sich jetzt nicht; lassen wir die beiseite! Ich frage nach Toten.«
»Wirklich, ich fürchte, weil es das erstemal ist, daß ich dabei irgendwie zu Schaden komme. Vielleicht wollen Sie mich betrügen, Väterchen, und sie … hm … sie sind mehr wert.«
»Hören Sie, Mütterchen … ach, was Sie aber auch für eine sind! Was können die denn wert sein? Sehen Sie doch nur: es ist ja Staub. Verstehen Sie? Es ist einfach Staub. Wenn Sie irgendein unbrauchbares, ganz geringes Ding nehmen, zum Beispiel einen einfachen Lappen, so hat der Lappen einen gewissen Wert: er wird wenigstens gekauft, um in die Papierfabrik zu wandern; aber die Toten sind ja zu nichts nütze. Na, sagen Sie selbst, wozu sind sie nütze?«
»Das ist ja gewiß wahr. Sie sind zu gar nichts nütze; aber eben das macht mich bedenklich, daß sie schon tot sind.«
»Nein, die hat wirklich ein Brett vor dem Kopf!« sagte Tschitschikow bei sich, der schon anfing, die Geduld zu verlieren. »Mit der soll mal einer zurechtkommen! Ganz in Schweiß hat sie mich gebracht, die verdammte Alte!« Er zog das Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß ab, der ihm tatsächlich auf die Stirn getreten war. Übrigens ärgerte sich Tschitschikow mit Unrecht: gar mancher geachtete Mann, ja mancher Staatsmann benimmt sich in der Tat genau wie Frau Korobotschka. Wenn so einer sich etwas in den Kopf gesetzt hat, so ist er auf keine Weise herumzubekommen; man mag ihm noch so viele sonnenklare Gründe anführen, alles prallt von ihm ab, wie ein Gummiball von der Wand zurückspringt. Nachdem Tschitschikow sich den Schweiß abgewischt hatte, beschloß er zu versuchen, ob er sie von einer anderen Seite her auf den richtigen Weg bringen könne.
»Mütterchen«, sagte er, »entweder wollen Sie meine Worte nicht verstehen, oder Sie reden absichtlich so, um überhaupt etwas zu sagen … Ich gebe Ihnen fünfzehn Rubel in Banknoten – verstehen Sie? Das ist Geld. Das finden Sie nicht auf der Straße. Nun, sagen Sie einmal offen: wie teuer haben Sie den Honig verkauft?«
»Für zwölf Rubel das Pud.«
»Da haben Sie eine kleine Sünde auf Ihr Gewissen geladen, Mütterchen. Für zwölf Rubel werden Sie ihn nicht verkauft haben.«
»Bei Gott, so habe ich ihn verkauft.«
»Na, sehen Sie wohl? Also für den Preis haben Sie den Honig verkauft. Sie haben ihn vielleicht in einem ganzen Jahre mit Sorge, Mühe und Arbeit zusammengebracht; Sie sind hin und her gefahren, haben den Bienen das Leben schwer gemacht, haben sie im Keller den ganzen Winter über gefüttert; aber tote Seelen, das sind nicht Dinge von dieser Welt. Da haben Sie Ihrerseits keine Arbeit hineingesteckt: es war Gottes Wille, daß sie diese Welt verließen und Ihrer Wirtschaft dadurch Schaden zufügten. Dort erhielten Sie für Ihre Mühe und Anstrengung zwölf Rubel; hier bekommen Sie für nichts, ohne jede Bemühung, nicht zwölf, sondern fünfzehn Rubel, und nicht in Silber, sondern in lauter blauen Scheinen.« Nach so kräftigem Zureden zweifelte Tschitschikow kaum noch daran, daß die Alte endlich nachgeben werde.
»Wirklich«, antwortete die Gutsbesitzerin, »ich bin als unerfahrene Witwe in einer üblen Lage! Das beste ist wohl, ich warte noch ein bißchen; vielleicht kommen Kaufleute her, dann will ich mich nach den Preisen erkundigen.«
»Es ist eine Schande, Mütterchen, eine Schande, geradezu eine Schande! Na, was reden Sie da, sagen Sie selbst! Wer wird sie Ihnen abkaufen? Na, was kann jemand von ihnen für Gebrauch machen?«
»Vielleicht lassen sie sich in der Wirtschaft gelegentlich irgendwie verwenden …«, erwiderte die Alte, beendete aber ihre Antwort nicht, sondern blickte ihn mit offenem Munde, beinahe ängstlich an, als wenn sie gern wissen möchte, was er nun darauf sagen werde.
»Tote in der Wirtschaft! Was für ein Gedanke! Vielleicht um nachts die Sperlinge in Ihrem Gemüsegarten zu erschrecken, wie?«
»Gott steh mir bei! Was reden Sie da für schreckliche Dinge!« rief die Alte und bekreuzte sich.
»Was wollten Sie denn sonst noch mit ihnen anfangen? Übrigens, die Knochen und die Gräber, das wird ja alles bei Ihnen bleiben; die Übertragung findet nur auf dem Papier statt. Na, also wie ist’s? Wie steht’s? Antworten Sie wenigstens!«
Die Alte überlegte von neuem.
»Woran denken Sie, Nastasja Petrowna?«
»Wirklich, ich weiß gar nicht, wie ich mich dazu stellen soll; lieber werde ich Ihnen den Hanf verkaufen.«
»Aber was soll hier der Hanf? Ich bitte Sie; ich ersuche Sie um etwas ganz anderes, und Sie bieten mir Hanf an! Der Hanf ist eine Sache für sich; wenn ich wieder einmal herkomme, werde ich auch Hanf nehmen.
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