Also wie denn nun, Nastasja Petrowna?«

»Weiß Gott, es ist eine so seltsame, ganz unerhörte Ware!«

Hier verlor nun Tschitschikow wirklich alle Geduld, stieß ärgerlich mit dem Stuhl auf den Fußboden und wünschte sie zum Teufel.

Über das Wort »Teufel« erschrak die Gutsbesitzerin gewaltig. »Ach, nennen Sie den nicht! Lassen Sie den aus dem Spiel!« rief sie; sie war ganz blaß geworden. »Erst vorgestern habe ich die ganze Nacht von dem Bösen geträumt. Ich hatte mir beikommen lassen, zur Nacht noch nach dem Gebet mir Karten zu legen, und da hat ihn Gott offenbar zur Strafe zu mir gesandt. In so garstiger Gestalt ist er mir im Traume erschienen, und Hörner hatte er, länger als Stierhörner.«

»Ich wundere mich, daß sie Ihnen nicht zu Dutzenden im Traum erscheinen. Ich wollte aus reiner christlicher Menschenliebe hilfreich sein: ich sah, da ist eine arme Witwe, die sich abquält und Not leidet … Aber mögen Sie mitsamt Ihrem ganzen Dorfe umkommen und zugrunde gehen!«

»Ach, was für gräßliche Flüche stoßen Sie da aus!« sagte die Alte, ihn erschrocken anblickend.

»Aber mit Ihnen ist ja auch gar nicht zu reden! Wirklich, Sie sind wie ein (ich will damit nichts Böses sagen), wie ein Hofhund, der auf Heu liegt: er selbst frißt das Heu nicht, aber anderen gibt er nichts davon. Ich hätte gern bei Ihnen allerlei Wirtschaftsprodukte gekauft, weil ich auch Lieferungen für den Fiskus habe …« Hier log er, zwar nur so beiläufig und ohne viel Überlegung, aber mit überraschendem Erfolge. Die Lieferungen für den Fiskus machten auf Nastasja Petrowna einen starken Eindruck; wenigstens sagte sie nunmehr in beinahe bittendem Tone: »Aber warum sind Sie denn so hitzig geworden? Hätte ich das vorher gewußt, daß Sie so jähzornig sind, so hätte ich Ihnen gar nicht widersprochen.«

»Ich habe auch eigentlich keinen Grund, mich zu ärgern! Die Sache ist nicht einen Pfifferling wert, und ich gerate darüber in Zorn!«

»Na, meinetwegen, ich bin bereit, sie für fünfzehn Rubel in Banknoten hinzugeben! Nur denken Sie an das, was Sie von den Lieferungen gesagt haben, Väterchen: wenn Sie Roggenmehl brauchen oder Buchweizengrütze oder Graupen oder geschlachtetes Vieh, dann, bitte, vergessen Sie mich nicht!«

»Nein, Mütterchen, ich werde Sie nicht vergessen«, sagte er und wischte sich dabei mit der Hand den Schweiß ab, der ihm in mehreren Bächen über die Stirn lief. Er fragte sie, ob sie in der Stadt einen Anwalt oder einen Bekannten habe, den sie für die Vollziehung des Kaufkontraktes und für die ordnungsmäßige Erledigung alles Sonstigen bevollmächtigen könne. »Gewiß«, sagte Frau Korobotschka, »den Oberpopen Vater Kirill; sein Sohn ist beim Gericht angestellt.« Tschitschikow bat sie, eine Vollmacht für diesen zu schreiben, und um weiteren Schwierigkeiten vorzubeugen, übernahm er es sogar selbst, eine aufzusetzen.

»Es wäre gut«, dachte unterdes Frau Korobotschka im stillen, »wenn er für den Fiskus von mir Mehl und Vieh nähme. Ich muß ihn freundlich stimmen: es ist von gestern abend noch Teig übriggeblieben, da will ich hingehen und Fetinja sagen, sie möchte Pfannkuchen backen. Es wäre auch gut, eine süße Eierpastete zu machen; darauf versteht sie sich vorzüglich, und es nimmt nicht viel Zeit in Anspruch.« Die Hausfrau ging hinaus in der Absicht, den Gedanken in betreff der Pfannkuchen und der Pastete zur Ausführung zu bringen und ihn wahrscheinlich noch durch andere Produkte der häuslichen Back- und Kochkunst zu vervollständigen; Tschitschikow aber begab sich in den Salon, wo er die Nacht zugebracht hatte, um aus seiner Schatulle das nötige Papier herauszunehmen. Im Salon war schon längst alles aufgeräumt; die prächtigen Federbetten waren hinausgetragen; vor dem Sofa stand ein Tisch, über dem eine Decke lag. Nachdem er die Schatulle auf diesen gestellt hatte, erholte er sich ein wenig; denn er fühlte, daß er am ganzen Leibe von Schweiß wie gebadet war: alles, was er an sich hatte, vom Hemde bis zu den Strümpfen, war feucht. »Ach, halbtot hat sie mich gemacht, die verdammte Alte!« sagte er, nachdem er sich ein bißchen erholt hatte, und öffnete die Schatulle. Der Verfasser ist überzeugt, daß manche Leser so neugierig sind, daß sie sogar den Wunsch haben, die innere Einrichtung der Schatulle kennenzulernen. Nun meinetwegen, warum sollte ich ihnen nicht den Gefallen tun? Also die innere Einrichtung war diese: in der Mitte eine Seifenbüchse; hinter der Seifenbüchse sechs bis sieben schmale Fächer für Rasiermesser; dann viereckige Löcher für das Sandfaß und das Tintenfaß, mit einer dazwischen befindlichen Mulde für Federn, Siegellack und andere längliche Gegenstände; dann allerlei Abteilungen teils mit, teils ohne Deckel für kürzere Dinge, angefüllt mit Visitenkarten, Einladungen zu Begräbnissen, Theaterbillets, die sämtlich zur Erinnerung aufbewahrt wurden. Der ganze obere Kasten mit allen Fächern ließ sich herausnehmen, und unter ihm befand sich ein Raum, der mit Päckchen reinen Schreibpapieres angefüllt war; dann folgte ein kleines, geheimes Schubfach für Geld, das sich unmerklich an der Seite der Schatulle herausziehen ließ. Es wurde von dem Besitzer immer so eilig herausgezogen und wieder hineingeschoben, daß es nicht möglich ist, mit Sicherheit zu sagen, wieviel Geld darin war.

Tschitschikow machte sich sofort ans Werk, schnitt sich eine Feder zurecht und begann zu schreiben. In diesem Augenblick trat die Wirtin herein.

»Sie haben da einen schönen Kasten, Väterchen«, sagte sie und setzte sich zu ihm. »Sie haben ihn wohl in Moskau gekauft?«

»Allerdings«, antwortete Tschitschikow, ohne sich im Schreiben stören zu lassen.

»Das wußte ich doch; da gibt es lauter gute Arbeit. Vor mehr als zwei Jahren hat meine Schwester von dort warme Kinderstiefel mitgebracht; das ist so dauerhafte Ware, daß sie sie noch immer tragen. Ach, was haben Sie da für vieles Stempelpapier!« fuhr sie fort, indem sie in die neben ihm stehende Schatulle hineinsah. Und wirklich befand sich dort nicht wenig Stempelpapier. »Da könnten Sie mir wenigstens einen Bogen schenken! Ich habe Mangel daran: wenn es sich so trifft, daß ich ein Bittgesuch an das Gericht einreichen muß, dann habe ich kein Papier, um darauf zu schreiben.«

Tschitschikow setzte ihr auseinander, daß dieses Papier nicht von der Art sei, sondern zu Kaufkontrakten diene, nicht zu Bittgesuchen. Um sie übrigens zur Ruhe zu bringen, gab er ihr einen Bogen im Werte von einem Rubel. Nachdem er den Brief geschrieben hatte, reichte er ihn ihr zur Unterschrift und bat sie um ein kleines Verzeichnis der Bauern. Es stellte sich heraus, daß die Gutsbesitzerin zwar keinerlei Notizen oder Verzeichnisse besaß, aber fast alle Namen auswendig wußte. Er veranlaßte sie, sie ihm sogleich zu diktieren. Manche Bauern setzten ihn durch ihre Familiennamen einigermaßen in Verwunderung und noch mehr durch ihre Spitznamen, so daß er jedesmal, wenn er sie hörte, zuerst stutzte und dann erst zu schreiben anfing.