Auf ihm waren nach englischer Manier zwei, drei Beete mit Fliedersträuchen und gelbblühenden Akazienbüschen verstreut; fünf bis sechs Birken streckten hier und da in kleinen Gruppen ihre kleinblättrigen, dünnbelaubten Wipfel in die Höhe. Unter zweien derselben befand sich eine Laube mit einer flachen, grünen Kuppel, blauen Holzsäulen und der Aufschrift: »Tempel des einsamen Nachdenkens«; unten lag ein mit Entengrütze bedeckter Teich, was übrigens in den englischen Parks russischer Gutsbesitzer keine Seltenheit ist. Am Fuße dieser Anhöhe und zum Teil noch auf dem Abhange selbst lagen kreuz und quer dunkelgraue, aus Balken gebaute Bauernhäuser, die unser Held aus unbekannten Gründen sofort zu zählen begann; er zählte ihrer mehr als zweihundert. Nirgends wuchs zwischen ihnen ein Baum oder sonst etwas Grünes; überall sah man nur Holzbalken. Das Bild belebten zwei Weiber, welche ihre Kleider malerisch aufgehoben und auf allen Seiten untergestopft hatten, bis an die Knie im Teiche herumwateten und an zwei Querhölzern ein zerrissenes Schleppnetz hinter sich herzogen; in diesem sah man zwei Krebse, die sich darin verwickelt hatten; auch glitzerte darin ein Plötz. Die Frauen schienen untereinander in Streit begriffen zu sein und sich über irgend etwas zu zanken. Seitwärts in der Ferne sah man einen dunklen Fichtenwald mit einem langweiligen, bläulichen Schimmer. Selbst das Wetter schien sich in seinem Charakter der Örtlichkeit anzupassen: es war ein nicht gerade heller und nicht gerade düsterer Tag; ein Tag von hellgrauer Farbe; eine solche Farbe findet man nur noch bei den alten Uniformen der Garnisonsoldaten, dieses friedlichen, aber sonntags zum Teil betrunkenen Militärs. Um das Bild vollständig zu machen, fehlte es auch nicht an einem Hahne, diesem Vorherverkündiger der Witterungsveränderungen, der, trotzdem sein Kopf bei gewissen Courmachereien von den Schnäbeln anderer Hähne bis aufs Gehirn zerhackt war, dennoch sehr laut krähte und sogar mit den arg zerzupften Flügeln schlug. Als Tschitschikow sich dem Gehöfte näherte, bemerkte er auf der Freitreppe vor der Haustür den Hausherrn selbst in einem grünen Rocke aus Kammgarn; er hatte die Hand als Schirm über den Augen an die Stirn gelegt, um den herankommenden Wagen besser erkennen zu können. In dem Maße, wie die Britschke sich der Haustür näherte, wurden seine Augen fröhlicher und sein Lächeln breiter.

»Pawel Iwanowitsch!« rief er endlich, als Tschitschikow aus der Britschke stieg: »Also haben Sie doch endlich auch einmal an uns gedacht!«

Die beiden Freunde küßten sich herzlich, und Manilow führte seinen Gast ins Zimmer. Obgleich die Zeit, die sie zum Durchschreiten des Flures, des Vorzimmers und des Eßzimmers brauchten, ziemlich kurz ist, so wollen wir doch versuchen, ob wir sie nicht dazu benutzen können, etwas über den Hausherrn zu sagen. Aber hier muß der Verfasser bekennen, daß ein solches Unternehmen sehr schwierig ist. Weit leichter ist es, Charaktere von größerem Kaliber zu schildern: da braucht man nur die Farben mit der ganzen Hand auf die Leinwand zu werfen: schwarze, sengende Augen, überhängende Augenbrauen, eine von Runzeln durchfurchte Stirn, ein über die Schulter geworfener schwarzer oder feuerroter Mantel, – und das Porträt ist fertig. Aber all diese Herren, deren es auf der Welt so viele gibt, die auf den ersten Blick einander sehr ähnlich sind, an denen man aber bei näherem Hinsehen eine Menge kaum erfaßbarer Besonderheiten entdeckt, diese Herren sind furchtbar schwer zu porträtieren. Hier muß man die Aufmerksamkeit auf das äußerste anspannen, um all die feinen, beinah unsichtbaren Züge wahrzunehmen, und überhaupt ist dazu ein tiefer, in der Wissenschaft der Menschenkenntnis geschärfter Blick erforderlich.

Vielleicht konnte nur Gott allein sagen, was für ein Charakter Manilow eigentlich war. Es gibt eine Art von Menschen, von denen man zu sagen pflegt: sie sind ganz eigenartige Leute, nicht Fisch, nicht Fleisch. Vielleicht muß man auch Manilow zu diesen rechnen. Dem Aussehen nach war er ein stattlicher Mensch; seine Gesichtszüge entbehrten nicht einer gewissen Anmut; aber dieser Anmut war, wie es schien, allzuviel Zucker zugesetzt; sein Benehmen und seine Umgangsformen zeigten das Bestreben, sich die Neigung anderer zu erwerben und Bekanntschaften anzuknüpfen. Er hatte ein verlockendes Lächeln, war blond und blauäugig. Im ersten Augenblicke des Gespräches mit ihm sagte man unwillkürlich: »Was ist das für ein angenehmer, gutherziger Mensch!« In dem darauffolgenden Augenblicke sagte man nichts, und im dritten sagte man: »Weiß der Teufel, was das für ein Kunde ist!« und ging weg, so weit als möglich; konnte man aber nicht weggehen, so empfand man die tödlichste Langeweile. Es war von ihm kein hitziges oder auch nur eifriges Wort herauszubekommen, wie man es doch fast von jedem hört, wenn man sein Lieblingsthema berührt. Jeder Mensch hat doch sein Lieblingsgebiet: der eine interessiert sich für Jagdhunde; ein anderer glaubt ein großer Kenner der Musik zu sein und ein wunderbares Verständnis für all ihre tiefen Stellen zu haben; ein dritter besitzt eine Meisterschaft darin, gut zu dinieren; ein vierter möchte im Leben eine Rolle spielen und wenigstens einen Zoll höher stehen, als es ihm vom Schicksal beschieden ist; ein fünfter, der sich mit seinen Wünschen mehr einschränkt, schwärmt und träumt davon, wie er wohl mit einem Flügeladjutanten auf der Promenade spazieren gehen könne, damit es seine Feinde und seine Bekannten und sogar unbekannte Leute sähen; ein sechster ist von der Natur mit einer Hand begabt, die den unnatürlichen Wunsch verspürt, an einem Karo-As oder an einer Zwei eine Ecke umzubiegen, während einem siebenten nur so die Hand juckt, irgendwo Ordnung zu stiften und sich mit einem Postmeister oder den Postknechten einzulassen, – kurz, jeder hat sein Lieblingsgebiet, aber Manilow hatte keines. Zu Hause redete er sehr wenig; größtenteils überlegte er und dachte nach; aber worüber er nachdachte, das war vielleicht auch wieder nur Gott dem Herrn bekannt. Daß er sich mit der Wirtschaft beschäftigt hätte, konnte man nicht sagen; er fuhr sogar nie auf die Felder; die Wirtschaft ging von selbst so leidlich. Wenn der Verwalter sagte: »Es wäre gut, gnädiger Herr, das und das zu tun«, so antwortete er gewöhnlich: »Ja, es wäre nicht schlecht«, und rauchte seine Pfeife weiter; denn dieses Pfeiferauchen hatte er sich angewöhnt, als er noch beim Militär stand, wo er für einen sehr bescheidenen, sehr zartfühlenden und sehr gebildeten Offizier galt. »Ja, das wäre wirklich nicht schlecht«, wiederholte er noch einmal. Wenn ein Bauer zu ihm kam und, sich mit der Hand das Genick kratzend, sagte: »Gnädiger Herr, erlaube mir, auf Arbeit wegzugehen und die Abgabe zu erarbeiten«, so sagte er, seine Pfeife rauchend: »Nun, so geh!« und es kam ihm gar nicht in den Sinn, daß der Bauer einfach ging, um sich zu betrinken. Manchmal, wenn er von der Freitreppe auf den Hof und auf den Teich hinblickte, redete er davon, daß es gut wäre, wenn man von dem Hause aus einen unterirdischen Gang anlegte oder über den Teich eine steinerne Brücke baute, auf der sich zu beiden Seiten Läden befänden; und in den Läden sollten Kaufleute sitzen und allerlei geringe Waren verkaufen, die die Bauern nötig hätten. Dabei bekamen seine Augen ein außerordentlich süßes Aussehen, und sein Gesicht nahm einen sehr zufriedenen Ausdruck an.