Von seinem Gipfel aus hatte Stefano das Meer und die fernen Häuser betrachtet. Von dem ganzen Ausflug hatte er vor allem die Illusion davongetragen, sein Zimmer und Elenas Körper und der alltägliche Strand stellten eine so winzige und unsinnige Welt dar, daß es genügte, den Daumen vor ein Auge zu halten, um sie gänzlich verschwinden zu lassen. Und doch enthielt diese sonderbare Welt, von einem noch sonderbareren Ort aus betrachtet, auch ihn selbst. Am nächsten Tag genoß Stefano, als er dasaß und eine Zigarette rauchte, die ungewohnte Müdigkeit von dem nächtlichen Abstieg vom Berg, die seinen Körper noch wollüstig beschwerte. Seit langer Zeit war er nicht mehr bei Sternenschein über Land gegangen. Der ganze Berg hatte zu dieser Stunde von kleinen sich herzlich gebärdenden Gruppen gewimmelt, die sich gegenseitig an den Stimmen erkannten, die schrien oder in der Nacht über das Gestrüpp stolperten. Vor und hinter ihnen stiegen die Frauen hinunter, die redeten und lachten. Jemand versuchte zu singen. An den Wegbiegungen blieb man stehen und ging zu einer anderen Gruppe hinüber.

Im Wirtshaus saßen Vincenzo, Gaetano und die anderen, die zu der Gesellschaf gehört hatten. Man lachte über den Zöllner, der den hiesigen Wein nicht gewohnt war, sich schlimmer als ein Tier aufgeführt hatte und vielleicht zur Stunde noch in einem Graben schlief.

»Ihr seid so engherzig«, sagte Stefano, »bei uns betrinken sich alle.«

»Haben Sie sich amüsiert, Herr Ingenieur?« fragte jemand mit schriller Stimme.

»Er amüsiert sich nicht, weil ihm die Frauen nicht gefallen«, sagte Gaetano.

Stefano lächelte. »Frauen? Ich habe keine gesehen. Falls ihr unter Frauen nicht diese Röcke versteht, die miteinander unter den Augen des Pfarrers tanzten. Mit Männern tanzen sie wohl nie?«

»Das war doch kein Hochzeitsfest«, antwortete Gaetano.

»War keine Ihnen sympathisch?« fragte der kahlköpfige Vincenzo.

»Ja, lassen Sie hören. Wer war die schönste?« fragte Gaetano interessiert.

Alle sahen Stefano an. Der und jener warf ihm aus tiefen verschmitzten Augen einen aufmunternden Blick zu. Stefano wandte die Augen ab und nahm die Zigarette aus dem Mund.

»Nun, ich möchte keine Messerstechereien«, sagte er langsam mit einer höflichen Handbewegung. »Aber die schönste war nicht da. Es gibt hier eine wirkliche Schönheit, und die war nicht da …«

Er wollte nicht reden und und redete doch. Die Erre-

gung der anderen verlieh ihm eine Wichtigkeit, die ihn zum Reden veranlaßte. Er fühlte, wie er mit ihnen eins wurde, ebenso töricht war wie sie. Er lächelte. »Sie war nicht da …« »Aber wen meinen Sie denn?«

»Ich weiß nicht. Offen gesagt, glaube ich, sie ist eine Magd. Hübsch wie eine Ziege. Halb Ziege, halb Standbild.«

Unter dem Kreuzfeuer der Fragen verstummte er. Sie versuchten es mit Namen. Er antwortete, daß er ihren Namen nicht kannte. Aber aus ihren Beschreibungen entnahm er, daß sie Concia hieß. Wenn sie es war, sagten sie ihm, kam sie aus den Bergen und war wirklich eine Ziege, eine Ziege für alle Böcke. Aber schön fanden sie sie nicht.

»Wenn sie richtig wie Frauen aussehen, gefallen sie Ihnen also nicht?« fragte Vincenzo, und alle begannen zu lachen.

»Aber Concia war bei dem Fest«, sagte ein dunkelhaariger Mann, »ich habe sie mit zwei oder drei Jüngelchen hinter die Kirche gehen sehen.