Darauf gab es nur eine Antwort, und er mußte über sie lächeln: die unsichtbaren Wände, die Gewöhnung an die Zelle, die ihn von jedem menschlichen Kontakt ausschloß. Darauf beruhten auch seine nächtlichen Ängste.

Hoch oben auf dem Hügel mit dem weißen Gipfel stand ein Wölkchen. Die erste Septemberwolke. Er freute sich darüber wie über eine Begegnung. Vielleicht würde das Wetter umschlagen, vielleicht würde es regnen. Dann würde es süß sein, vor der Tür zu sitzen, in die kalte Luf zu starren und zu fühlen, wie das Dorf still wurde. Allein oder mit Giannino und seiner guten Pfeife. Oder vielleicht nicht einmal mit Giannino. Allein sein wie am Fenster des Gefängnisses. Und manchmal Elena, aber ohne zu sprechen.

Elena sprach nicht viel. Aber sie betrachtete Stefano und versuchte, ihm mit einer Hingabe zuzulächeln, die durch ihr Alter mütterlich wirkte. Stefano hätte gewünscht, daß sie am Morgen käme, wie eine Ehefrau in sein Bett schlüpfe, dann aber entschwände wie ein Traum, den es nicht nach Worten und Kompromissen verlangt. Ein geringfügiges Zögern Elenas, ein paar unschlüssige Worte, ja ihre einfache Gegenwart ließen ein mißliches Schuldbewußtsein in ihm aufsteigen. Nur lakonische Gespräche wurden in dem verschlossenen Zimmer geführt.

Eines Abends war Elena gerade gekommen und Stefano hatte ihr, um später allein sein und im Hof rauchen zu können, gesagt, vielleicht werde in einer Stunde jemand kommen – erschreckt und verdrossen hatte Elena sofort wieder weggehen wollen, und Stefano hatte sie nur mit Liebkosungen halten können –, da hörte man Schritte und das Geräusch eines Atems hinter den verriegelten Fensterläden, und eine Stimme erschallte. »Der Wachtmeister«, sagte Elena. »Ich glaube nicht. Wir wollen mal schauen. Da ist doch nichts Schlimmes dabei.« »Nein«, sagte Elena zutiefst erschrocken. »Wer da?« rief Stefano.

Es war Giannino. »Einen Augenblick«, sagte Stefano. »Es ist nicht so wichtig, Herr Ingenieur. Morgen gehe ich auf die Jagd. Kommen Sie mit?«

Als Giannino fortging, wandte Stefano sich um. Elena
stand mit irren Augen im grellen Licht zwischen Wand
und Bett.
»Mach das Licht aus«, stammelte sie.
»Er ist ja fortgegangen …«
»Mach das Licht aus.«

Stefano machte das Licht aus und ging auf sie zu. »Ich gehe fort«, sagte Elena, »ich komme niemals wieder.«

Stefano fühlte sein Herz stocken. »Warum?« stammelte er. »Hast du mich denn nicht lieb?« Über das Bett hinweg ergriff er ihre Hand und drückte sie. Elena verrenkte ihm die Finger, die sie krampfaf drückte. »Du wolltest aufmachen«, murmelte sie, »du wolltest aufmachen. Du haßt mich.« Stefano packte sie am Arm und zog sie aufs Bett herab.