Immer noch hatte sie Stunden, wo sie an das Glück kaum glauben konnte. Wenn sie sich früh vom Lager erhob und das Schleifen der ausziehenden Pflüge hörte, oder wenn sie im Keller stand und die Milcheimer klapperten, war ihr die Zukunft wie ein Traum. Aber am Abend, wenn sie neben dem geliebten Mann in der Laube saß, seinen Worten lauschte und die Rede über Großes und Kleines dahinflog, dann faßte sie ihn leise am Arm und versicherte sich, daß er ihr gehörte, und daß sie selbst fortan in der Welt leben sollte, in welcher sein Geist heimisch war.

Noch vor dem Winter, ehe die Vorlesungen der Universität begannen, sollte die Hochzeit sein. Denn der Professor hatte flehentlich gegen langen Brautstand Verwahrung eingelegt, und der Landwirth gab ihm Recht. »Gern hätte ich Ilse über den Winter behalten, denn Clara muß einen Theil ihrer Arbeit übernehmen, und dem Kinde wäre die Anweisung der Schwester sehr nöthig. Aber für euch ist es anders besser. Sie, mein Sohn, haben sich meine Tochter nach kurzer Bekanntschaft gefordert, je eher sich Ilse an Ihr Stadtleben gewöhnt, desto besser wird es für Sie beide sein; und ich meine, im Winter wird ihr das leichter werden.«

Es war eine Zeit seliger Unruhe, und es war gut, daß die verständige Sorge um den neuen Haushalt die hohe Empfindung der Verlobten ein wenig zu irdischen Dingen hinabzwang.

Der Professor reiste noch einmal nach der Universitätsstadt. Sein erster Gang war zum Freund. »Wünsche mir Glück,« rief er, »vertraue ihr und mir.« Der Doctor fiel ihm um den Hals und ging ihm in den Tagen seines Aufenthalt nicht von der Seite, er begleitete ihn bei allen Einkäufen und überlegte mit ihm die Eintheilung der Zimmer. Gabriel, dem der Besuch des Landwirths ein Vorgefühl kommender Ereignisse gegeben hatte, und dem um die eigene Unentbehrlichkeit bange geworden war, fühlte sich stolz, weil der Professor ihm sagte: »Wir bleiben die Alten, thun Sie, was in Ihren Kräften steht, sich meiner Frau nützlich zu machen.« Dann kam Herr Hummel, stattete im Namen der Familie seinen Glückwunsch ab und erbot sich aus freien Stücken, noch zwei Zimmer seines Hauses, die er entbehren konnte, dem Professor zu überlassen. Aber unruhiger als alle Andern erwartete Laura die neue Hausgenossin. Und sie brach in die schriftlichen Worte aus: »Wie wird sie sein, erhaben oder niedlich? voll strenger Würde oder lachend friedlich? mir pocht das Herz, und die Gedanken fliegen! wird liebevolles Ahnen mich betrügen?« Und als der Professor sie und ihre Mutter bat, seiner künftigen Frau entgegenzukommen und bei der Einrichtung zu helfen, und als er gegen Laura hinzusetzte, er hoffe auf ein gutes Verhältniß zwischen ihr und seiner Braut, da ahnte er gar nicht, wieviel Glück er in ein junges Herz senkte, welches das unruhige Bedürfniß hatte, sich hingebend anzuschließen. Die unsichern Angaben, welche er über das Wesen seiner Verlobten machte, hüllten die Gestalt immer noch in Nebel, aber sie wurden doch für Laura ein Rahmen, in welchen sie täglich neue Gesichter und Stellungen hineinzeichnete.

Unterdeß saßen in den Nebenräumen des alten Hauses die Frauen emsig um Truhen und Leinwand beschäftigt. Clara war durch den Brautstand der Schwester auf einmal zum erwachsenen Mädchen geworden, sie half und gab guten Rath und erwies sich in Allem brauchbar und verständig. Und Ilse rühmte das am Abend gegen den Vater und darauf schlang sie die Arme um seinen Hals und brach in heiße Thränen aus. Dem Vater zuckte der Mund, er antwortete nicht, aber er hielte die Tochter mit beiden Händen fest an seinem Herzen. Auch für diese Trennung traf es sich günstig, daß die letzten Wochen vor dem Abschied übervoll von Arbeit und Zerstreuung waren. In der Wirthschaft gab es noch viel zu schaffen, und der Vater erließ den Verlobten keinen Besuch bei seinen Bekannten in der Nachbarschaft.

Zu den nächsten gehörte die Familie Rollmaus. Ilse hatte ihre Verlobung der Frau Oberamtmann in besonderm Briefe angezeigt. Darüber war große Erregung entstanden. Die Frau Oberamtmann triumphirte. Rollmaus aber ließ sich sofort das Pferd satteln und kam nach Bielstein geritten, jedoch nicht vor das Haus, er frug am Hofthor nach dem Gutsherrn und ritt zu diesem auf das Feld. Dort nahm er den Landwirth bei Seite und begann seinen Glückwunsch mit der kurzen Frage: »Was hat er?« Diese Frage konnte durch Zahlen beantwortet werden, und die Antwort beruhigte ihn einigermaßen. Denn er wandte sein Pferd kurz um, trabte vor das Haus und brachte der Braut und dem Professor, den er jetzt als ebenbürtig ansah, seinen Glückwunsch dar. Und diesmal wiederholte er dringend seine Einladung. Nach der Rückkehr sagte er seiner Frau: »Ich hätte der Ilse eine bessere Partie gewünscht, indeß der Mann ist nicht ganz übel, freilich auf einem großen Gute müßte er sich mühsam durchschlagen.«

»Rollmaus,« erwiederte die Frau, »ich hoffe, du wirst dich bei dieser Gelegenheit decent beweisen.«

»Wie so?« frug der Oberamtmann.

»Du mußt beim Essen die Gesundheit des Brautpaars ausbringen.«

Der Gatte brummte. »Jedoch ohne unnützes Zeug, wie Redensarten und Steckenbleiben. Ich kenne das, darauf lasse ich mich nicht ein.«

»Die Redensarten müssen die Voraussetzung sein,« rief die Oberamtmann. »Und wenn du nicht willst, so werde ich selbst besorgen, was vorgesetzt werden muß, und du sprichst die Gesundheit.«

Das Haus Rollmaus hatte für den Brautbesuch sein feinstes Tischzeug aufgedeckt, und die Frau Oberamtmann erwies nicht nur ein gutes Herz, auch gute Küche. Sie schlug beim Braten an das Glas und begann aufgeregt: »Liebe Ilse, da Rollmaus in seiner Gesundheit das Kurze und Drakonische äußern wird, so will ich nur vorher erwähnen, daß wir Ihnen aus einem ehrlichen Herzen Glück wünschen als alte Freunde Ihrer Eltern, und da wir immer gute Nachbarschaft miteinander gehalten haben, in allem Unglück, und wenn ein angenehmer Zuwachs zur Familie kam, und ebenso durch Aushilfe in der Wirtschaft.