Da bist du ihm überlegen, du beurteilst die Dinge selbständig. Das Wetter aber in Madrid macht der Borbone, der verschwenderische Connétable, der das Gold mit vollen Händen auswirft und dessen Treue außer allem Verdachte steht, da er seinen König Franz verraten hat und jetzt in Ewigkeit zum Dienste des Kaisers verdammt ist. Der Borbone aber will Mailand. Dein Lehen ist ihm zugesagt. Er ist ein Gonzaga von der Mutter her und strebt nach einem italienischen Throne. Warum kann sie der Kaiser nicht entschließen dich zu belehnen, nachdem du ihm Hunderttausende bezahlt hast? Weil er dein Mailand dem Borbone zudenkt, darauf nehme ich Gift. Dieser ist seiner Sache gewiß. Unlängst, da du mich in das kaiserliche Lager sendetest, hat er mich mit Liebkosungen fast erdrückt und mir sogar einen Beutel zugesteckt, um mich auf die günstige Stunde vorzubereiten. Denn freilich sind wir alte Bekannte von der französischen Herrschaft her.«
Das war Lüge und Wahrheit: der Connétable hatte in einer tollen Weinlaune einen witzigen Einfall seines Gastes fürstlich belohnt.
»Und du nahmst, Ungeheuer?« entsetzte sich der Herzog.
»Mit dem besten Gewissen von der Welt«, erwiderte Morone leichtfertig. »Weißt du nicht, Fränzchen, was die Kasuisten lehren, daß ein Weib soviel nehmen darf, als man ihr gibt, wenn sie nur ihre Tugend behauptet? Das gilt auch für Minister und erlaubt mir, in dieser kargen Zeit unter Umständen auf mein Gehalt zu verzichten. Dafür kannst du dir zuweilen ein gutes Bild kaufen, Fränzchen. Du mußt auch deine ehrbare Ergötzung haben.«
Sforza war erbleicht. Das Schreckbild des Borbone in seiner Burg und in seinem Reiche, welche beide dieser schon einmal vor seinem berühmten Verrat – jahrelang als französischer Statthalter besessen hatte, brachte ihn um alle Besinnung. »Ich habe immer geglaubt, und es verfolgt mich auf Schritt und Tritt«, jammerte der Ärmste, »daß der Borbone mein Mailand haben will. Rette mich, Girolamo! Schließe die Liga! ohne Verzug! Sonst bin ich verloren.« Er sprang auf und ergriff den Kanzler am Arm.
Dieser erwiderte gelassen: »Ja, das geht nicht so geschwind, Fränzchen. Doch wird sich vielleicht heute noch etwas dafür tun lassen. Es trifft sich. Gestern ist die Exzellenz Nasi – nicht der Horatius, sondern der schöne Lälius – bei unserm Wechsler Lolli abgestiegen, und durch einen glücklichen Zufall auch Guicciardin hier angekommen, der trotz seiner Borsten im Vatikan eine angenehme Person ist. Mit diesen zwei gescheiten Leuten ließe sich reden, und ich habe den Venezianer und den Florentiner an deine Abendtafel geladen, da ich weiß, daß du ein harmloses Geplauder und eine unterhaltende Gesellschaft liebst.«
»O verfluchte, nichtswürdige Verschwörung!« klagte der Herzog wankelmütig.
»Und auch noch ein anderer ist eingeritten, im Morgengrauen. Dieser hat sich auf die dritte Stunde nachmittags angesagt, er wolle erst ausschlafen.«
»Ein anderer? Welcher andere?« Der Herzog zitterte.
»Der Borbone.«
»Gott verpeste den bleichen Verräter!« schrie Sforza. »Was will der hier?«
»Das wird er selbst dir sagen. Horch! es läutet Vesper im Dome.«
»Empfange du ihn, Kanzler!« flehte der Herzog und wollte durch eine Tür entwischen. Morone aber ergriff ihn am Arm und führte ihn zu seinem Sessel zurück. »Ich bitte, Hoheit! Es geht vorüber. Wenn der Connétable eintritt, erhebe sich die Hoheit und empfange ihn stehend. Das kürzt ab.« Er umkleidete seinen Herrn mit dem am Stuhle hangen gebliebenen Mantel, und dieser nahm allmählich, seine Angst bekämpfend, eine fürstlichere Haltung an, indem er seinen hübschen Wuchs geltend machte und den natürlichen Anstand, den er besaß.
Inzwischen blickte der Kanzler durch das Fenster, das den Schloßplatz und hinter demselben den Umriß eines der neu angelegten Bollwerke des Kastelles zeigte. »Köstlich!« sagte er. »Da steht dieser treuherzige Connétable, zehn Schritte vor seinem Gefolge, und zeichnet unbefangen unsere neue Schanze in sein Taschenbuch. Ich will nur gehen und ihn einführen.«
Da er mit Morone eintrat, der berühmte Verräter, eine schlanke und hohe Gestalt und ein stolzes, farbloses Haupt mit feinen Zügen und auffallend dunkeln Augen, eine unheimliche, aber große Erscheinung, verbeugte er sich höflich vor Franz Sforza, der ihn scheu betrachtete.
»Hoheit«, sprach Karl Bourbon, »ich bezeuge meine schuldige Ehrerbietung und bitte um Gehör für eine Botschaft der Kaiserlichen Majestät.«
Herzog Franz antwortete mit Würde, daß er bereit sei den Willen seines erhabenen Lehensherrn ehrfürchtig zu vernehmen, wankte dann aber und glitt in seinen Sessel zurück.
Als der Connétable den Herzog sich setzen sah, blickte auch er sich nach einem Stuhl oder wenigstens nach einem Schemel um. Nichts dergleichen war vorhanden und auch kein Page gegenwärtig.
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