Kurzum, Sie töten Menschen, ohne sie zu hassen, Menschen, die Ihnen nichts getan haben. Das ist nicht meine Art.«

Er zögerte erneut und versuchte seine Gedanken zu sammeln, starrte intensiv auf die Mitte der Straße, schüttelte den Kopf und verfiel schließlich wieder in sein Schweigen.

Die anderen schauten erst ihn und dann sich an, und jeder lächelte.

Manfred holte ein unhandliches Etui aus einer seiner Taschen, entnahm ihm eine schlecht gestopfte Zigarette, drehte sie noch einmal geschickt und entfachte an der Sohle seines Stiefels ein stattliches Zündholz.

»Ihre Art, mein lieber Thery« - er paffte -, »ist die Art eines Narren. Sie töten, um einen Nutzen daraus zu ziehen - wir töten um der Gerechtigkeit willen, was uns aus dem Haufen der professionellen Mörder heraushebt. Wenn wir sehen, wie ein ungerechter Mensch seine Mitmenschen unterdrückt, oder wenn wir sehen, wie dem lieben Gott etwas Böses angetan wird« - Thery bekreuzigte sich - »und den Menschen - und wir erkennen, daß dieser Übeltäter nach den menschlichen Gesetzen seiner Strafe womöglich entkommt - dann bestrafen wir ihn.«

»Hören Sie mir zu!« mischte sich der wortkarge Poiccart ein. »Dort oben« - er deutete mit untrüglichem Instinkt in Richtung Norden - »lebten einmal ein Mädchen, jung und schön - und ein Priester. Ein Priester, kapieren Sie? Die Eltern ignorierten die Geschichte, da so was eben oft vorkam. Aber das Mädchen war von Ekel und Scham erfüllt und wollte nicht ein zweites Mal hingehen zu ihm. Da hat er ihr eine Falle gestellt, sie eingefangen und sie in einem Haus eingesperrt. Und als sie dann allen Schmelz verloren hatte, schmiß er sie raus. Ich habe sie gefunden. Sie bedeutete mir nichts, aber ich sagte mir: Hier ist ein Schaden entstanden, der durch das Gesetz nicht wieder entsprechend repariert werden kann. So besuchte ich also eines Abends, den Hut tief über die Augen gezogen, den Priester und forderte ihn auf, zu einem sterbenden Reisenden mitzukommen. Er wollte erst nicht, doch ich sagte ihm, daß der sterbende Mann reich und eine große Persönlichkeit sei. Da stieg er auf das Pferd, das ich mitgebracht hatte, und wir ritten gemeinsam zu einem kleinen Haus oben auf dem Berg.

Ich versperrte die Tür, und er drehte sich um. Ha! In die Falle getappt! Und er wußte es.

›Was haben Sie vor?‹ fragte er japsend. ›Ich werde Sie töten, Senor‹, erwiderte ich. Und er glaubte mir.

Ich erzählte ihm die Geschichte des Mädchens.

Er schrie, als ich auf ihn zukam, aber er hätte sich seinen Atem genausogut sparen können. ›Lassen Sie mich einen Priester sehen!‹ flehte er mich an - und ich reichte ihm einen Spiegel.«

Poiccart hielt inne und nippte an seinem Kaffee. »Am nächsten Tag fand man ihn auf der Straße, ohne die geringsten Anzeichen, wie er gestorben war«, schloß er.

»Wie denn?«

Thery beugte sich gespannt vor, aber Poiccart lächelte nur grimmig und antwortete ihm nicht.

Thery runzelte die Stirn und blickte einen nach dem anderen mißtrauisch an.

»Wenn Sie so gut töten können, wie Sie behaupten, warum haben Sie dann mich kommen lassen? Ich war glücklich in Jerez bei meiner Arbeit in der Weinfabrik... Es gibt da ein Mädchen... Man nennt sie Juan Samarez.« Er wischte sich über die Stirn und blickte wieder rasch von einem zum anderen. »Als ich Ihre Nachricht erhielt, hätte ich am liebsten Sie umgebracht - wer immer Sie auch sein mochten. Verstehen Sie doch! Ich bin glücklich - und da ist dieses Mädchen... Und das Leben von früher habe ich vergessen.«

Manfred setzte den unzusammenhängenden Protesten ein Ende.

»Es ist nicht Ihre Sache, nach dem Wozu und dem Warum zu fragen«, erklärte er gebieterisch. »Wir wissen, wer Sie sind und was Sie sind. Wir wissen sogar mehr über Sie als die Polizei. Wir könnten Sie an den Galgen bringen.«

Poiccart nickte wie zur Bekräftigung, und Gonsalez musterte Thery neugierig, wie jemand, der die menschliche Natur erforscht, was er auch tat.

»Wir brauchen einen vierten Mann - für eine bestimmte Aktion, die wir vorhaben«, fuhr Manfred fort. »Wir hätten lieber jemanden gehabt, der nur von dem einen Wunsch beseelt ist, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Da wir so jemanden nicht finden konnten, mußten wir mit einem Verbrecher - wenn Sie wollen, mit einem Mörder vorliebnehmen.«

Thery öffnete und schloß den Mund, so, als wollte er etwas sagen.

»Mit jemandem, den wir mit einem Wort ins Jenseits befördern können, wenn er uns im Stich läßt. Sie sind dieser Mann.