Da ich aber verlegen stillschwieg, griff er in die Tasche und zog meine Brieftasche vor.
»Da haben Sie Ihr Kleinod und die vierzehnhundert Taler nebst Zubehör!« sagte er.
Ich war außer mir. »Wie kommen Sie dazu?« rief ich und blätterte in der Brieftasche und fand, daß nichts fehlte.
»Gestern nachmittag um vier Uhr fand ich sie auf der Moldaubrücke und steckte sie ein.«
Richtig, um die gleiche Zeit war ich über die Brücke gegangen, hatte die Brieftasche in Händen gehabt und eingesteckt.
»Vermutlich nebenbei gesteckt!« sagte der Rotrock. »Nun aber wußte ich nicht, ob mein Fund von einem zu Fuß oder zu Pferd, hinter oder vor mir verloren war. Ich blieb eine Stunde lang auf der Brücke, einen Suchenden abzuwarten. Als niemand kam, ging ich in mein Wirtshaus. Ich las den Inhalt, die Briefe, um daraus den Verlierer zu erforschen. Eine Adresse zeigte mir Ihren Namen und Ihren Aufenthalt in diesem Gasthofe an. Darum machte ich mich jetzt zu Ihnen auf. Schon gestern abend war ich hier und fand Sie nicht.«
Lieber Gott, wie kann man sich doch mit seiner Physiognomik täuschen! Ich hätte meinem Mannteuffel um den Hals fallen mögen. Ich sagte ihm die verbindlichsten Dinge. Meine Freude war so übermäßig, als vorher mein Verdruß. Er wollte aber nichts von allem hören. Ich gelobte mir, mein Lebtage nicht wieder meinen physiognomischen Urteilen zu trauen.
»Grüßen Sie Ihre schöne Fanny von mir. Reisen Sie glücklich. Wir sehen uns schon einmal wieder!« sagte er und ging davon.
Heimkunft
Nun wollte ich aufbrechen, abreisen. Ich zahlte dem Wirt. Mein Knecht, mit dem Koffer auf dem Rücken, ging vor mir her, ich die Treppe hinab. Da kam mein Bruder die Treppe herauf, derselbe, deswillen ich in Prag war.
Natürlich, aus der Abreise ward nun nichts. Wir gingen in mein Zimmer zurück. Da hörte ich denn mit Vergnügen, die schwankenden Vermögensverhältnisse meines Bruders hätten sich zu ihrem Vorteil geändert. Ein sehr bedeutender Verlust war ihm durch ungeheure Spekulation in Baumwolle und Kaffee sechsfach vergütet. Er war nach Prag geeilt, um seine Angelegenheit selbst zu berichtigen. »Jetzt habe ich mein Schäfchen ins Trockne gebracht«, sagte er, »aber Angst habe ich ausgestanden. Nun gebe ich dem Handel gute Nacht. Ich lege mein Geld lieber an mäßigen Zins, so laufe ich nicht Gefahr, heute ein Millionär, morgen ein flüchtiger Bettler und Betrüger zu sein. Darum komme ich, dir für deine brüderliche Treue zu danken, und mich mit meinen Leuten für immer auseinanderzusetzen.«
Ich mußte ihn zu verschiedenen Häusern begleiten. Aber er spürte meine Ungeduld und mein Heimweh; drum nach einigen Tagen riet er mir, ohne ihn zurückzureisen. Das tat ich denn auch, weil sich sein Aufenthalt in Prag wohl auf mehrere Wochen verlängerte. Ich nahm Extrapost und flog meiner geliebten Heimat entgegen.
Unterwegs fiel mir noch immer der seltsame Mannteuffel ein. Ich konnte die Figur mit dem roten Rock, dem Klumpfuß und der unvorteilhaften Gesichtsbildung nicht vergessen.
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