Aber ich würde mich für sehr unphilosophisch halten, wenn ich den Widerspruch nicht gelassen anhören könnte. Sie sollen mich nicht beleidiget haben. Nein! Aber Sie sagen, Sie sind unruhig. Sollte es itzt nicht Zeit sein, diese Unruhe durch Überlegung zu dämpfen? Was verursacht Ihre Unruhe? Ist's der Affekt der Liebe oder des Abscheus? Der Furcht oder des Verlangens? Ich wollte wünschen, daß Sie ein anschauendes Erkenntnis davon hätten. Wenn man die Ursache eines moralischen Übels weiß: so weiß man auch das moralische Gegenmittel. Ich meine es gut mit Ihnen. Ich rede begreiflich, und ich wollte, daß ich noch deutlicher reden könnte.

JULCHEN. Ich setze nicht das geringste Mißtrauen weder in Ihre Aufrichtigkeit, noch in Ihre Gelehrsamkeit. Aber ich bin verdrießlich. Ich weiß nicht, was mir fehlt, und mag es auch zu meiner Ruhe nicht wissen. Verlassen Sie mich. Sie sind mir viel zu scharfsinnig.

DER MAGISTER. Warum loben Sie mich? Wenn Sie so viele Jahre der Wahrheit nachgedacht hätten als ich: so würden Sie vielleicht ebenso helle denken. Unterdrücken Sie Ihre Unruhe und überlegen Sie das Glück, das sich Ihnen heute auf Ihr ganzes Leben anbietet. Herr Damis verlangt Ihr Herz und scheint es auch zu verdienen. Was sagt Ihr Verstand dazu? Auf die Wahl in der Liebe kömmt das ganze Glück der Ehe an; und kein Irrtum bestraft uns so sehr als der, den wir in der Liebe begehn.

Allein wenn kann man sich leichter irren als bei dieser Gelegenheit?

JULCHEN. Ich glaube, daß dieser Unterricht recht gut ist. Aber was wird er mir nützen, da ich nicht lieben will?

DER MAGISTER. Sie reden sehr hitzig. Dennoch werde ich nicht aus meiner Gelassenheit kommen. Sie wollen nicht lieben, nicht heiraten? Aber wissen Sie denn auch, daß Sie dazu verbunden sind? Soll ich Ihnen den Beweis aus meinem Rechte der Natur vorlegen? Sie wollen doch, daß das menschliche Geschlecht erhalten werden soll? Dieses ist ein Zweck, den uns die Natur lehrt. Das Mittel dazu ist die Liebe. Wer den Zweck will, der muß auch das Mittel wollen, wenn er anders verständig ist. Sehn Sie denn nicht, daß Sie zur Ehe verbunden sind? Sagen Sie mir nur, ob Sie die Kraft dieser Gründe nicht fühlen?

JULCHEN. Ich fühle sie in der Tat nicht. Und wenn die Liebe nichts ist als eine Pflicht: so wundert mich's, wie sie so viele Herzen an[390] sich ziehen kann. Ich will ungelehrt lieben. Ich will warten, bis mich die Liebe durch ihren Reiz bezaubern wird.

DER MAGISTER. Jungfer Muhme, das heißt halsstarrig sein, wenn man die Augen vor den klärsten Beweisen zuschließt. Wenn Sie erkennen, daß Sie zur Ehe verbunden sind, wie könnte denn Ihr Wille undeterminiert bleiben? Ist denn der Beifall im Verstande und der Entschluß im Willen nicht eine und ebendieselbe Handlung unserer Seele? Warum wollen Sie sich denn nicht zur Heirat mit dem Herrn Damis entschließen, da Sie sehen, daß Sie eine Pflicht dazu haben?

JULCHEN.