Dann Wagner.

 

WAGNER. Ich glaube, mein Herr will bald sterben. Er hat seinen letzten Willen aufgesetzt und mir sein ganzes Vermögen verschrieben, sein Haus, seine Güter, alle seine goldenen Geschirre, außerdem zweitausend Dukaten, gut gemünzt. Ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Wäre der Tod so nahe, er würde nicht so jubiliren. Da sitzt er jetzt wieder mit den Studenten beim Abendschmaus: das ist eine solche Magenweide, wie Wagner in seinem Leben keine gesehn hat. Und sieh, da kommen sie, das Fest muß wohl vorbei seyn.

 

Ab.

Faustus, Mephostophilis und einige Studenten.

 

ERSTER STUDENT. Mein Herr Doktor Faustus, da wir in unsrem Gespräch über schöne Frauen, welche nehmlich die schönste in der ganzen Welt gewesen wäre, unter uns übereingekommen sind, daß Helena von Griechenland die bewundernswürdigste Dame gewesen ist, die je gelebt! deswegen, Herr Doktor, wenn ihr uns die große Gunst erzeigen wolltet, uns diese unvergleichliche Griechendame sehn zu lassen, die alle Welt um ihre Herrlichkeit bewundert, so würden wir uns euch gar sehr verbunden fühlen.

FAUST.

Meine Herr'n,

Ich weiß, daß eure Freundschaft ungeheuchelt,

Da ist's auch Faustus Art nicht, abzuschlagen

Was ihr aus treuem Wunsch von mir begehrt.

Ihr sollt die schönste Griechendame sehn

Und in derselben Pracht und Herrlichkeit, –

Wie Paris über's Meer mit ihr gesetzt,

Den Untergang dem reichen Troja bringend:

Schweigt still jetzt, denn den Zauber hemmt das Wort.

 

Musik tönt. Mephostophilis führt die Helena über die Scene.

 

ZWEITER STUDENT.

War dieß die Schönheit, deren hoher Werth

Zehn Jahr mit Krieg die armen Troer plagte?

DRITTER STUDENT.

Zu einfach ist mein Witz für ihren Preis,

Der Herrlichen, die alle Welt bewundert.

ERSTER STUDENT.

Nun haben wir gesehn den Stolz der Schöpfung,

Jetzt laßt uns gehn und für den selgen Anblick,

Seid, Faustus, ewig glücklich und beseligt.

FAUST.

Lebt wohl, ihr Herr'n, ein Gleiches wünsch' ich euch.

 

Die Studenten ab.

Ein alter Mann tritt auf.

 

ALTER.

O lieber Faust, laß die verruchte Kunst,

Die Magik, die zur Hölle dich verlockt

Und der Erlösung gänzlich dich beraubt.

Hast du auch gleich gesündigt wie ein Mensch,

Beharre nicht darin gleich einem Teufel.

Ja, ja, ich weiß, du hast ein gutes Herz,

Wenn Sünde nicht Natur wird durch Gewohnheit.

Dann, Faustus, wird zu spät die Reue kommen,

Dann bist du aus des Himmels Blick verbannt:

Kein Mensch kann dir der Hölle Qualen schildern.

Vielleicht, daß diese meine Mahnung dir

Unfreundlich scheint und hart. Doch laß sie nicht,

Denn, lieber Sohn, ich spreche nicht in Zorn

Noch Neid zu dir, nein, nur aus warmer Liebe,

Aus Mitleid nur mit deinem nahen Elend,

Und also hoff' ich, wenn mein freundlich Schelten

Dein Herz verletzt, die Seele soll es heilen.

FAUST.

Wo bist du, Faust! Scheusal! Was thatest du!

 

Mephostophilis giebt ihm einen Dolch.

 

Die Hölle heischt ihr Recht mit Donnerstimmen

Und spricht: Faust komm, dein Stündlein hat geschlagen!

Und Faust, er kommt, er wird dein Recht dir geben.

ALTER.

Halt, guter Faust, halt der Verzweiflung Stand!

Ich seh, ein Engel schwebt ob deinem Haupte

Mit einer Schale voll des süßen Heils,

Bereit, in deine Seele sie zu gießen.

Drum ruf' um Gnad', entreiß dich der Verzweiflung!

FAUST.

O Freund, wie stärkt dein Wort mein banges Herz.

Geh, laß allein mich meiner Sünden denken.

ALTER.

Faust, ich verlasse dich mit schwerem Herzen,

Denn bei dir bleibt der Erbfeind deiner Seele.

 

Ab.

 

FAUST.

Verfluchter Faust! Scheusal! Was thatest du!

Bereuen möcht' ich und ich muß verzweifeln.

In meiner Brust kämpft Höll' und Heil um Sieg:

Was kann mich retten aus des Todes Schlingen?

MEPHOSTOPHILIS.

Weh' dir, Verräther. Deine Seele fass' ich

Auf Ungehorsam an dem höchsten Herrn.

Kehr' um, sonst reiß' ich deinen Leib in Stücke.

FAUST.

Ja, ich bereue, wenn ich ihn beleidigt.

O Freund Mephosto, bitte deinen Herr,

Den sündgen Uebermuth mir zu vergeben,

Und neu will ich mit meinem Blut besiegeln

Mein erst Gelübde an den Lucifer.

MEPHOSTOPHILIS.

So thu' es, Faust, mit unverstelltem Herzen,

Eh' größre Strafe dein Vergehn ereilt.

FAUST.

Und, süßer Freund, den alten armen Mann,

Der mich abschwatzen thät dem Lucifer,

Den quäle mit der Hölle größten Qualen.

MEPHOSTOPHILIS.

Sein Glaub' ist fest, ich kann nicht an die Seele,

Doch was ich an dem Leib ihm schaden kann,

Will ich versuchen, der ist so nichts werth.

FAUST.

Noch eins, mein Freund, laß mich von dir erbitten,

Zu stillen meines Herzens heißes Sehnen:

Laß mich die himmlisch schöne Helena

Zum Liebchen haben, die ich jüngst gesehn,

Daß ich in ihrem süßen Arm ertränke

Die Zweifel, die von euch das Herz mir wenden,

Und Lucifern treu mein Gelübde halte.

MEPHOSTOPHILIS.

Dieß und was sonst mein Faust begehren mag,

In einem Augenwinke ist's vollführt.

 

Helena mit zwei Liebesgöttern geht über die Szene.

 

FAUST.

War das der Blick, der tausend Schiffe trieb

In's Meer, der Trojas hohe Zinnen stürzte?

O mache mich mit einem Kuß unsterblich.

Ihr Mund saugt mir die Seel' aus – Sieh, da fliegt sie!

Komm, Helena, gieb mir die Seele wieder!

Hier laß mich sein, auf diesem Mund ist Himmel,

Und Staub ist Alles, was nicht Helena.

Ich bin dein Paris und für deine Liebe

Soll Wittenberg statt Trojas stehn in Flammen,

Ich will mit deinem schwachen Sparter kämpfen,

Auf meinem Helmbusch deine Farbe tragen,

Ja, will Achillen in die Ferse schießen,

Und dann zurück zu dir, zu deinen Lippen!

O, du bist schöner als der Abendstern,

Gekleidet in dem Strahl von tausend Sternen,

Bist glänzender als Jovis Flammenpracht,

Wie er der armen Semele erschien,

Bist lieblicher als der Monarch des Himmels

In Arethusens weichen Azurarmen:

Du, du allein sollst meine Liebe seyn.

 

Ab mit ihr.

Donner. Lucifer, Beelzebub und Mephostophilis.

 

LUCIFER.

So steigen wir empor von Pluto's Thron

Die Bürger unsres Reiches zu besuchen,

Die Seelen, so die Sünde schwarz gestempelt,

Vor allen, Faustus, kommen wir zu dir

Und bringen mit uns ewige Verdammung,

Die deiner Seele harrt: die Zeit ist kommen,

Die reif sie macht.

MEPHOSTOPHILIS.

In dieser dunklen Nacht

Wird Faustus hier in dieser Stube seyn.

BEELZEBUB.

Hier wolln wir stehn,

Zu sehn, wie sich der Herr geberden wird.

MEPHOSTOPHILIS.

Wie anders als in rasender Verzweiflung?

Das liebe Ding! Der Gram verzehrt sein Herzblut,

Die Reue bringt ihn um, sein krankes Hirn

Zeugt sich 'ne Welt von eitlen Phantasien,

Den Teufel zu betäuben, doch umsonst:

Dem wird sein Luftmahl recht mit Qual gesalzen!

Er und sein Schüler Wagner nahen sich,

Sie kommen her von Faustus letztem Willen.

Seht her, da sind sie.

 

Faust und Wagner.

 

FAUST. Wagner, hast du mein Testament gelesen? Gefällt es dir?

WAGNER.

O Herr, so wunderschön,

Daß ich in Unterthänigkeit mein Leben

Und steten Dienst für eure Liebe biete.

 

Die Studenten treten auf.

 

FAUST.

Großen Dank, Wagner! Willkommen, ihr Herr'n!

ERSTER STUDENT. Ei, werthgeschätzter Herr Doktor, mich dünkt, eur Gesicht hat sich verändert.

FAUST. Oh, oh, ihr Herr'n!

ZWEITER STUDENT. Was fehlt Euch, Faustus?

FAUST. Ach mein lieber Stubenbursch, wär' ich bei dir geblieben, so blieb' ich jetzt noch auf der Welt, aber nun muß ich sterben in Ewigkeit. Seht euch um, ihr Herr'n, kömmt er nicht, kömmt er nicht?

ERSTER STUDENT. O mein theurer Faustus, was bedeutet diese Furcht?

ZWEITER STUDENT. Wie hat sich all eure Freude in Traurigkeit verwandelt!

DRITTER STUDENT. Es taugt ihm nichts, daß er immer mit sich allein ist.

ZWEITER STUDENT. Wenn es weiter nichts ist, dafür haben wir Aerzte und Faustus wird gesund werden.

DRITTER STUDENT. Es ist nichts als eine Magenüberladung. Fürchtet nichts, ihr Herr'n.

FAUST. Ja, eine Ueberladung mit Todsünden, die Leib und Seele verdammt haben.

ZWEITER STUDENT. O dann schaue gen Himmel, Faust, und bedenke, daß die Gnade unendlich ist.

FAUST. Doch Faustus Sünde kann nimmermehr vergeben werden. Die Schlange, welche die Eva verführt hat, kann gerettet werden, aber Faustus nicht. O meine Herr'n, hört mich mit Geduld an und zittert nicht bei meinen Worten, ob auch mein Herz in der Brust bebt und keucht, wenn es der dreißig Jahre gedenkt, die ich auf dieser hohen Schule verlebt habe. O, wollte Gott, ich hätte Wittenberg nie gesehn, nie ein Buch gelesen! Und all' die Wunder, die ich gethan, wovon ganz Deutschland, ja, alle Welt spricht, für sie hat Faustus Deutschland und die Welt verloren, ja den Himmel selbst, den Thron Gottes, die Wohnung des Segens, das Reich der Freude – und nun muß er auf ewig in der Hölle bleiben, Hölle, o Hölle, auf ewig! Ihr lieben Freunde, was wird aus mir werden? Ewig in der Hölle!

ZWEITER STUDENT.