Faustus, rufe noch zu Gott.
FAUST. Zu Gott, den ich abgeschworen? Zu Gott, den ich gelästert? O mein Gott, ich möchte weinen, aber der Teufel saugt meine Thränen ein. Oh, so möcht' ich Blut für Thränen vergießen, ja, Leib und Seele! Oh, er hält mir die Zunge fest. Ich will meine Hände aufheben, doch seht, sie halten sie, sie halten sie!
ALLE. Wer denn, Faustus?
FAUST. Wer? Lucifer und Mephostophilis. Oh meine Freunde, ich gab ihnen meine Seele für meinen Witz.
ALLE. Das wolle Gott nicht.
FAUST. Ja, er wollte es nicht, wahrlich, aber Faustus hat es doch gethan. Für die eitlen Freuden von vier und zwanzig Jahren hat Faustus sein ewiges Glück und Heil verloren. Ich schrieb ihnen einen Kontrakt mit meinem eigenen Blut, die Verschreibung ist gefällig, die Zeit ist da, er wird mich holen.
ERSTER STUDENT. Warum sagte uns Faustus das nicht ehr, damit die Geistlichkeit für seine Seele gebetet hätte?
FAUST. Oft hab' ich es thun wollen, aber der Teufel drohte, mich in Stücke zu reißen, wenn ich den Namen Gottes ausspräche, Leib und Seele wollte er holen, wenn ich der Theologie nur einmal Gehör gäbe – und nun ist es zu spät. Meine Freunde, geht, sonst müßt ihr mit mir sterben!
ZWEITER STUDENT. O, was können wir thun, dich zu retten?
FAUST. Sprecht nicht von mir, rettet euch selbst und geht.
ZWEITER STUDENT. Gott wird mich stärken, ich bleibe bei dir.
ERSTER STUDENT. Wolle Gott nicht versuchen, lieber Freund. Laß uns nach der Nebenstube gehn und für ihn beten.
FAUST. Ja, betet für mich, betet für mich! Und wenn ihr ein Geräusch hört, kommt nicht herein, denn nichts kann mich retten.
ZWEITER STUDENT. Bete auch du, und wir wollen beten, daß Gott deiner Seele Gnade schenke.
FAUST. Lebt wohl, Freunde, wenn ich bis morgen lebe, so besucht mich, wo nicht, so ist Faustus zur Hölle gefahren.
ALLE. Faustus, leb' wohl.
Die Studenten ab.
MEPHOSTOPHILIS.
Nun, Faust, gieb deine Himmelshoffnung auf,
Verzweifle, auf die Hölle nur bedacht,
Denn deine Wohnung ist in ihr gemacht.
FAUST.
O listger Teufel, deß Versuchung mich
Des ewgen Heils im Himmel hat beraubt!
MEPHOSTOPHILIS.
Ja, ich bekenn' es, Faust, und freue mich,
Ich war's, der dir, wenn du zum Himmel strebtest,
Den Weg versperrt; nahmst du ein Buch zur Hand,
Die Schrift zu lesen, kehrt' ich um die Blätter,
Und machte irr' dein Auge. –
Was weinst du? S' ist zu spät – Verzweifle jetzt! Ade!
Wem's oben geht zu wohl, dem geht es unten weh!
Ab.
Guter und böser Engel treten zu verschiedenen Thüren ein.
GUTER ENGEL.
O Faustus, hättst du mir Gehör gegeben,
Unzählge Freuden wären dir gefolgt.
Doch dir gefiel die Welt.
BÖSER ENGEL.
Gabst mir Gehör,
Und mußt nun ewge Höllenqualen schmecken.
GUTER ENGEL.
Oh, was wird all' dein Reichthum, Glanz und Lust Dir frommen?
BÖSER ENGEL.
Nichts als seine Qual zu mehren.
Wer hier so reich, fühlt dort recht das Entbehren.
Musik. Der Himmelsthron senkt sich herab.
GUTER ENGEL.
Oh welch ein Himmelsglück hast du verloren,
Welch unaussprechlich Wohl, welch endlos Heil!
Hättst du studirt die süße Gotteslehre,
Den alten Pfad fortwandelnd, Faustus, schau,
In welcher Strahlenglorie säßest du
Auf jenem Thron, im Glanze dieser Heilgen,
Der Hölle Sieger! Das hast du verloren.
Und nun fahr' hin, dein guter Geist muß fliehn,
Die Hölle klafft und will hinab dich ziehn!
Ab.
Die Hölle thut sich auf.
BÖSER ENGEL.
Nun, Faust, laß deinen Blick mit Grauen starren
In dieses weite ewge Qualenhaus.
Hier braten Furien die verdammten Seelen
Am Spieß, dort sieden sie in Blei die Leiber;
Lebendge Viertel rösten hier auf Kohlen
Und sterben nie; dort jener Feuerstuhl
Ist für die Mattgequälten, auszuruhn;
Die dort man mit den Flammenklößen füttert,
Sind Schlemmer, die nur leckre Bissen liebten,
Und lachend sahn am Thor den Armen schmachten.
Doch was du siehst, das heißt noch nichts gesehn,
Dir soll's zehntausendmal so gut ergehn.
FAUST.
Oh, schon genug seh' ich zu meiner Qual!
BÖSER ENGEL.
Nein, sollst sie fühlen, sollst sie kosten all:
Wer liebt die Lust, den bringt die Lust zum Fall.
Und so, Freund Faust, auf baldig Wiedersehn!
Dann wirst du zitternd vor dem Richter stehn.
Ab.
Die Glocke schlägt elf Uhr.
FAUST.
O Faustus,
Jetzt hast du nur ein Stündlein noch zu leben,
Und dann bist du verdammt in Ewigkeit. –
Steht still, ihr nimmermüden Himmelssphären,
Und hemmt den Lauf der Zeit, eh' zwölf sie schlägt!
Natur, schlag' wieder auf dein schönes Aug' und gieb
Uns ewgen Tag! Oh laß zum Jahr die Stunde werden,
Zum Mond, zur Woche, nur zu einem Tag,
Daß Faust bereu' und seine Seele rette!
O lente lente currite noctis equi! –
Fort gehn die Stern', es rinnt die Zeit, der Pendel schwingt,
Der Teufel naht, die Hölle thut sich auf. –
Oh, auf zum Himmel, Faust! – Wer reißt mich nieder? –
Sieh, wie's da oben wogt von Christi Blut!
Ein Tropfen kann mich retten – o mein Christ!
Ich ruf' ihn an – o hilf mir, Lucifer!
Wo ist es nun? – S' ist aus!
Und sieh, ein dräu'nder Arm, ein finstrer Braun! –
Oh Berg' und Hügel, kommt, kommt, fallt auf mich,
Und deckt mich vor des Himmels schwerem Zorn!
Nicht? – Nun, so stürz' ich häuptlings in die Erde!
Thu' auf dich, Erde! Willst mich nicht verschlingen? –
Ihr Sterne, die mir die Geburt regirt,
Die mich dem Tod, der Hölle preis gegeben,
Jetzt zieht mich auf, gleich einem Nebeldunst,
In jener schwarzen Wolke schwangern Schooß,
Daß mein Gebein aus ihres Schlundes Dampf
Sie speie, wenn die Stürme sie zerreißen –
Doch meine Seele laßt zum Himmel schweben!
Die Glocke schlägt halb zwölf.
Die eine Hälft' ist hin, bald auch die andre. –
Oh muß die Seele für die Sünde leiden,
So setz' ein Ende für die stäte Qual!
Laß tausend Jahr' mich in der Hölle leben,
Ja hunderttausend, aber rette dann!
Ach, den Verdammten ist kein Ziel gesteckt!
Warum bist du kein seelenloses Wesen?
Warum ist diese, deine Seel' unsterblich?
O Seelenwandrung, o Pythagoras!
Wenn diese Seele von mir flög' und sich
Zu einem Thier verkehrte! –
Glücklich sind alle Thiere, denn sie sterben
Und ihre Seelen fließen in die Lüfte,
Doch meine lebt zur ewgen Höllenqual! –
Verflucht die Eltern, welche mich erzeugten!
Nein, Fluch dir selber, Faust, Fluch Lucifern,
Der um des Himmels Freuden dich betrogen!
Es schlägt zwölf.
Es schlägt, es schlägt! Nun, Leib, zerfließ' in Luft,
Sonst trägt dich flugs zur Hölle Lucifer!
O Seele, schmilz zu kleinen Wassertropfen,
Fall' in den Ocean, daß dich Keiner finde!
Donner. Die Teufel kommen.
O Gnade, Himmel! Schau so stolz nicht nieder!
Ottern und Schlangen, laßt mich atmen noch!
Klaff', schwarze Hölle, nicht! Fort, Lucifer!
O Mephostophilis! In's Feur die Bücher!
Die Teufel zerreißen ihn, dann verschwinden sie.
Die Studenten treten auf.
ERSTER STUDENT.
Kommt, Herren, laßt den Doktor uns besuchen,
Denn solche Schreckensnacht ward nie gesehn,
So lange diese Welt geschaffen ist.
Solch furchtbar Schrein und Kreischen hört' ich nie.
Gott gebe, daß der Doktor durchgekommen.
ZWEITER STUDENT.
O Himmel, hilf! da liegen seine Glieder
Umher, zerrissen von der Hand des Todes.
DRITTER STUDENT.
Das that der Teufel, dem sich Faust ergeben.
Denn zwischen zwölf und eins, wenn ich nicht irre,
Hört' ich ihn schrein und laut um Hülfe rufen.
Da schien das ganze Haus in Feur zu stehn
Und Höllenschauer gingen durch die Kammern.
ZWEITER STUDENT.
Nun wohl, ihr Herr'n, wie auch sein Ende war,
Daß jede Christenseele drob erbebt,
Doch war er einst bewundert als ein Meister
Von hoher Weisheit auf den deutschen Schulen.
Drum laßt uns den zerstückten Leib bestatten
Und die Studenten all in schwarzer Trauer
Solln seinem ernsten Leichenzuge folgen.
Ab.
Chor tritt auf.
CHOR.
Gebrochen ist der Zweig, der nach den Wolken strebte,
Verbrannt Apollos grüner Lorbeersproß,
Der manche Blätter trieb in diesem weisen Manne,
Faust ist dahin. Betrachtet seinen Sturz,
So daß sein Mißgeschick den Klugen warne,
Verbotner Weisheit grübelnd nachzugehn,
Denn ihre Tiefe lockt vorschnellen Erdenwitz
Zu tun, was hier und dort der Seele wenig nütz.
Ende.
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