Da er ein reicher Mann war, so wagte es Niemand, sich seinen Einfällen zu widersetzen, ja seine herzliche, muntere Weise machte ihn überall beliebt. Er trällerte ein holländisches Lied, wenn er über die Straße ging, grüßte Jedermann, wenn er noch eine Meile entfernt war, und wenn er in ein Haus trat, klopfte er die guten Leute freundlich auf die Schulter, schüttelte ihnen die Hand, daß sie laut schrieen, küßte ihre Weiber und Töchter vor ihren Augen, – kurz, Herr Anton kannte keinen Stolz und keine üble Laune.
Außer seinen indianischen Anhängern hatte er drei oder vier arme Freunde unter den Weißen, die zu ihm als ihrem Beschützer aufsahen, an seine Küche angewiesen waren und die Gunst genossen, gelegentlich mit auf seine Ausflüge genommen zu werden. Mit einem Theil solcher Anhänger war er gegenwärtig auf einem Kreuzzug längs der Küsten des Hudson in einer Pinasse begriffen, die er sich selbst zu seiner Erholung hielt. Es waren zwei weiße Männer bei ihm, zum Theil in indianischer Weise mit Mocassins und Jagdhemden bekleidet; der Rest seines Häufleins bestand aus vier Lieblingsindianern. Sie waren ohne einen bestimmten Zweck an den Fluß nach Beute ausgezogen, bis sie in die Hochlande vorgedrungen waren, wo sie zwei bis drei Tage zugebracht und endlich das Wild erlegt hatten, das sich immer in diesen Gebirgen herumgetrieben hatte.
»Es ist ein Glück für Euch, junger Mann«, sagte Anton van der Heyden, »daß Ihr gerade heute über Bord geworfen worden seid; morgen früh steuern wir heimwärts, und Ihr dürftet dann vergeblich nach einem Imbiß in den Gebirgen ausgeschaut haben – Aber kommt, Bursche, regt Euch! regt Euch! laßt sehen, was wir zum Abendessen bekommen; der Kessel hat lang genug gebrodelt; mein Magen ruft nach der Schüssel, und ich bin überzeugt, unser Gast ist nicht geneigt, mit dem, was man ihm vorsetzt, zu spaßen.«
Es entstand nun ein Lärm in dem kleinen Lager. Einer nahm den Kessel herab und schüttete einen Theil des Inhalts in eine große hölzerne Schüssel; ein Anderer richtete einen flachen Felsen zu einem Tisch her, während ein Dritter verschiedene Geschirre von der Pinasse brachte. Herr Anton selbst brachte eine oder zwei Flaschen köstlichen Liqueurs aus seiner Privatkiste; er kannte seine listigen Begleiter zu gut, um einem von ihnen den Schlüssel anzuvertrauen.
Bald war ein zwar rohes, aber gutes Mahl aufgetragen; es bestand aus Wildpret, das im Kessel zubereitet war, mit kaltem Speck, gekochtem indischen Korn, und mächtigen Leibern von gutem schwarzen Hausbrod. Nie hatte Dolph ein schmackhafteres Mahl genossen, und als er es mit drei oder vier Zügen aus Herrn Antons Flasche hinuntergespült hatte und fühlte, wie der gute Liqueur seine Wärme über alle Venen verbreitete und in der Gegend seines Herzens seine Wärme haften blieb, würde er seine Lage nicht mit der des Gouverneurs der Provinz vertauscht haben.
Herr Anton wurde immer fröhlicher und aufgeweckter und erzählte ein halbes Dutzend dummer Geschichten, worüber sein weißes Gefolge unmäßig lachte, die Indianer aber, wie gewöhnlich, einen unüberwindlichen Ernst behaupteten.
»Das ist das wahre Leben, mein Junge!« sagte er und klopfte Dolph auf die Schulter; »das ist kein rechter Mann, der nicht Wind und Wetter Trotz bieten, in Wäldern und Wildnissen herumstreifen, unter einem Baum schlafen und von Baumblättern leben kann.«
Hierauf sang er eine oder ein paar Strophen aus einem holländischen Trinklied und schwang eine kurze dicke Flasche in seiner Hand, während seine Trabanten mit in den Chor einfielen, so daß das Echo von den Wäldern den Gesang zurückgab. In dem guten alten Liede hieß es:
Ihr Lustgeschrei macht’ Himmel und Erd’ ertönen,
Sobald das Geschäft vollendet war;
Zum Schmause gings in voller Fröhlichkeit,
Und Rack und Wein dazu floß voll und klar.
Mitten in seiner Fröhlichkeit verlor aber Herr Anton die Besonnenheit nicht. Obschon er Dolph die Flasche ohne Weiteres zuschob, so trug er doch Sorge, sein Gefolge nicht allzu reichlich kosten zu lassen, indem er die Leute wohl kannte, mit denen er zu thun hatte; besonders aber gestattete er den Indianern nur einen mäßigen Antheil. Nachdem das Mahl beendigt war, und die Indianer ihren Branntwein getrunken und ihre Pfeifen geraucht hatten, wickelten sie sich in ihre Decken, streckten sich auf den Boden, mit ihren Füßen nach dem Feuer gewendet, und fielen, wie müde Jagdhunde, bald in Schlaf. Der Rest der Gesellschaft blieb plaudernd am Feuer sitzen, welches die Dunkelheit des Forstes und die Feuchtigkeit der Luft nach dem letzten Sturm außerordentlich angenehm und wohlthätig machte. Das Gespräch verlor nach und nach seinen heitern Charakter von der Abendmahlzeit her und wendete sich auf Jagdabenteuer und Thaten und Gefahren in der Wildniß; manche darunter waren so seltsam und unglaublich, daß wir nicht wagen, sie hier zu wiederholen, denn es würde dadurch die Wahrheitsliebe Antons van der Heyden und seiner Begleiter sehr in Frage kommen. Es wurden manche legendenartige Geschichten, auch über den Fluß und die Niederlassungen an seinen Küsten, erzählt, in welcher Art von Erzählungen Herr Anton sehr zu Hause zu sein schien. Als der derbe Buschklepper so auf einer zusammengeflochtenen Wurzel eines Baumes dasaß, die ihm als Armstuhl diente, den Glanz des Feuers in seinen stark markirten Zügen, da wurde Dolph wieder mehre Male durch etwas beunruhigt, was ihn an die Erscheinung in dem verzauberten Hause erinnerte; es war eine vorübergehende Aehnlichkeit vorhanden, die sich aber nicht auf einen bestimmten Zug beschränkte, sondern über sein ganzes Gesicht und seine Gestalt erstreckte.
Der Umstand, daß Dolph über Bord gefallen war, führte zur Erzählung verschiedener Unglücksfälle und Unfälle, denen sie schon auf diesem großen Strom, zum Theil in früheren Perioden der Geschichte der Kolonie ausgesetzt gewesen waren; die meisten von ihnen schrieb der Herr wohlbedächtig übernatürlichen Ursachen zu. Dolph stutzte, als er dieß hörte; aber der alte Herr versicherte ihn, die Ansiedler des Flusses glaubten ganz allgemein, die Hochlande ständen unter der Botmäßigkeit übernatürlicher und böser Wesen, welche in den früheren Zeiten der Ansiedlung einen Groll auf die holländischen Kolonisten gefaßt hätten. In Folge dessen hätten sie sich immer ein besonderes Vergnügen daraus gemacht, ihren Zorn auf die holländischen Schiffer auszulassen und ihre Launen zu befriedigen, indem sie dieselben mit Stürmen, Wirbelwinden, Gegenströmungen und allen Arten von Hindernissen heimsuchten; ja in solchem Grade, daß ein holländischer Schiffer immer außerordentlich vorsichtig und besonnen zu Werke gehen mußte, um bei der Dämmerung vor Anker zu gehen; seinen Mast zu schützen oder die Segel einzuziehen, wo er irgend eine angeschwollene Wolle über die Gebirge sich wälzen sah; kurz, so viele Vorsichtsmaßregeln zu nehmen, daß oft eine unglaublich lange Zeit dazu gehörte, den Fluß hin abzusegeln.
Einige, sagte er, hielten diese feindlichen Mächte der Luft für böse Geister, welche die indischen Zauberer in den früheren Zeiten der Provinz heraufbeschworen hätten, um sich an den Fremden zu rächen, die ihnen ihr Land abgenommen hätten. Ihren Zaubereien schrieben sie auch das Mißgeschick zu, das über den berühmten Hendrick Hudson kam, als er zur Aufsuchung der nordwestlichen Durchfahrt diesen Fluß hinunterfuhr, und, wie er es dachte, sein Schiff zu Grunde ging; nach ihrer Versicherung war dieß nichts mehr noch weniger als ein Streich dieser Zauberer, um zu verhüten, daß er nicht in dieser Richtung nach China gelange.
Alle diese außerordentlichen, diesen Fluß betreffenden Umstände und die Verlegenheiten der Schiffer, welche ihn befahren, werden, wie Herr Anton bemerkte, übertroffen von der alten Legende von dem »Sturmschiff«, das bei Point-no-point spuke. Da er fand, daß Dolph gar nichts von dieser Sage wußte, blickte ihn der Herr einen Augenblick mit Verwunderung an und fragte, wo er denn sein Leben zugebracht habe, daß er von einem so wichtigen Theil der Geschichte nichts wisse. Um den Rest des Abends hinzubringen, erzählte er ihm also die Geschichte, so weit sein Gedächtniß reichte, mit denselben Worten, wie sie von Herrn Selyne, einem alten Dichter der Neu-Niederlande, niedergeschrieben worden ist. Indem er das Feuer, das seine Funken unter den Bäumen gleich einem kleinen Vulkan verbreitete, noch einmal anfachte, setzte er sich bequem auf seine Baumwurzel, warf seinen Kopf zurück, schloß auf einige Augenblicke seine Augen, um seine Erinnerungen zu sammeln, und begann dann die folgende Sage.
Das Sturmschiff.
In dem goldenen Zeitalter der Neu-Niederlande, als sie noch unter der Herrschaft von Wouter van Twiller, auch »der Zweifler« genannt, stand, wurde das Volk der Manhattoes in einem schwülen Nachmittag, gerade um die Zeit der Sommersonnenwende, durch einen fürchterlichen Gewittersturm in Schrecken gesetzt. Der Regen fiel in solchen Strömen, daß er die Erde aufriß und zum Dampfen brachte. Es war, als wenn der Donner über die Dächer der Häuser dahin rollte; den Blitz sah man um die Kirche St. Nicolas herumzüngeln und dreimal, wiewohl ohne Schaden, ihren Wetterhahn streifen. Garret van Horne’s neuer Schornstein wurde fast von der Spitze bis zum Grund zertrümmert, und Doffue Mildeberger wurde sprachlos von seiner Stute herabgeschleudert, als er eben in die Stadt reiten wollte. Mit einem Worte, es war einer jener Stürme ohne Beispiel, welche nur noch in der Erinnerung derjenigen Personen fortleben, die in allen Städten unter dem Namen der »ältesten Einwohner« bekannt sind.
Groß war der Schrecken der alten Weiber der Manhattoes. Sie trieben ihre Kinder zusammen und flohen in die Keller, nachdem sie einen Schuh an jede Spitze des Bettpfostens gehängt hatten, um den Blitz abzuhalten. Endlich ließ der Sturm nach, der Donner wurde ein Brummen, und die untergehende Sonne, die unter dem Saume der Wolken hervorbrach, ließ die Bucht wie ein Meer von geschmolzenem Gold glänzen.
Von der Veste wurde ein Zeichen gegeben, daß ein Schiff vor der Bucht liege. Es ging von Mund zu Mund und von Straße zu Straße und setzte bald die ganze Stadt in Aufruhr. Die Ankunft eines Schiffs in jener Zeit der Ansiedlung war für die Einwohner ein Ereigniß von großer Wichtigkeit.
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