Die Hausangelegenheiten schienen einigermaßen nach dem Willen des Herrn geleitet zu werden, dem hier und da einige kleine ruhige Eingriffe der Tochter nachhalfen. Das Ganze trug den Stempel eines hohen Grades patriarchalischer Einfachheit und gutmüthiger Nachsicht. Die Schwarzen kamen ungerufen in das Zimmer, blos um nach ihrem Herrn zu sehen und seine Abenteuer zu vernehmen; sie standen lauschend an der Thüre, bis er eine Geschichte beendigt hatte, und gingen dann grinsend weg, um sie in der Küche zu erzählen. Ein paar schöne Negerkinder spielten auf dem Fußboden mit den Hunden und theilten ihr Butterbrod mit ihnen. Alles Hausgesinde sah vergnügt und glücklich aus, und wenn der Tisch zum Abendessen gedeckt wurde, gab die Mannigfaltigkeit und der Ueberfluß der guten häuslichen Speisen von der Freigebigkeit des Herrn und der ausgezeichneten Wirtschaftlichkeit der Tochter Zeugniß. Am Abend kamen verschiedene der ausgezeichnetsten Männer des Ortes, die van Rensellaers, die Gonsovoorts, die Rosebooms, und andere von Anton van der Heydens intimen Freunden, um von seinem Unternehmen erzählen zu hören, denn er war der Sindbad von Albany, und seine Thaten und Abenteuer gehörten zu den Lieblingsgegenständen der Unterhaltung unter den Einwohnern. Während diese zusammen an der Thüre des Vorsaals saßen und sich im Zwielicht lange Geschichten erzählten, saß Dolph traulich auf einer Bank am Fenster und unterhielt sich mit der Tochter. Er war schon auf einen vertrauten Ton mit ihr gekommen, denn zu falscher Zurückhaltung und eitlen Ceremonien war das keine Zeit; übrigens liegt etwas außerordentlich Günstiges für einen Liebhaber in dem angenehmen Dunkel einer Sommernacht; sie giebt der furchtsamsten Zunge Muth und verhüllt die Schamröthe des Blöden. Die Sterne am Himmel blickten herrlich, und hier und da goß ein Leuchtkäfer sein vorübergehendes Licht vor dem Fenster aus, oder flog in das Zimmer und erhob sich glühend zur Decke.
Was Dolph Alles an diesem langen Sommerabend in ihr Ohr flüsterte, ist schwer zu sagen; seine Worte waren so leise und unbestimmt, daß sie nie das Ohr des Geschichtschreibers erreichten. Wahrscheinlich ist es indessen, daß sie nicht zwecklos waren, denn er besaß ein natürliches Talent, den Frauen zu gefallen, und war nie lange in Gesellschaft mit einer ihres Geschlechts, ohne ihr besonders die Cour zu machen.
Währenddem zog der Besuch nach und nach ab. Anton van der Heyden, der sich ganz müde gesprochen hatte, saß nickend allein in seinem Stuhl bei der Thüre, als er plötzlich durch einen herzlichen Kuß ermuntert wurde, mit welchem Dolph unvorsichtiger Weise eine seiner Perioden abgeschlossen hatte, und der durch das stille Zimmer wie ein Pistolenschuß schallte. Der Herr stand auf, rieb sich die Augen, rief nach Licht und bemerkte, daß es hohe Zeit sei, zu Bette zu gehen, obgleich er beim Scheiden Dolph herzlich die Hand drückte, ihm freundlich ins Gesicht sah und mit Vorsatz den Kopf schüttelte, denn der Herr erinnerte sich wohl, was er selbst in seinen jüngeren Jahren gewesen war.
Das Zimmer, in welches Dolph einlogirt wurde, war geräumig und mit Eichenholz eingelegt. Es war mit Kleiderschränken und gut wachsirten Kommoden, die von messingenem Zierrath glänzten, ausmöblirt. Diese enthielten große Vorräthe von Leinwand, denn die holländischen Hausfrauen setzten einen lobenswerthen Stolz hinein, die Schätze ihres Haushaltes den Fremden zu zeigen.
Dolphs Seele war indeß zu voll, um besondere Notiz von den Gegenständen um ihn zu nehmen; doch konnte er nicht umhin, die freie und offene Heiterkeit dieser häuslichen Einrichtung mit der hungrigen, schmutzigen, freudelosen Haushaltung des Doktor Knipperhausen immer wieder zu vergleichen. Etwas jedoch verdarb seine Freude, der Gedanke nämlich, daß er sich von seinem guten Wirthe und seiner schönen Wirthin verabschieden und sich den Ungewittern der großen Welt aussetzen müsse. Hier herum zu lungern, würde Thorheit gewesen sein; er würde nur immer tiefer in das Netz der Liebe verwickelt worden sein, und als ein armer Teufel, der er war, um die Tochter des großen Herrn van der Heyden zu freien – daran nur zu denken, war Tollheit. Die Güte, welche ihm das Mädchen bewiesen hatte, trieb ihn, bei ruhiger Ueberlegung, seine Abreise zu beschleunigen; es würde eine schlechte Vergeltung für die Gastfreundschaft seines Wirthes gewesen sein, das Herz seiner Tochter in eine unüberlegte Verbindung zu verwickeln. Mit Einem Worte, Dolph ging es wie manchen anderen jungen Denkern von besonders gutem Herzen und leichtfertigem Kopf, die denken, nachdem sie gehandelt, und verschieden von dem handeln, was sie denken; sie fassen vortreffliche Beschlüsse über Nacht und vergessen, sie am nächsten Morgen zu halten.
»Wahrlich, der Beschluß, den ich wegen meiner Reise gefaßt habe, ist gut«, sagte er, indem er sich in ein prächtiges Federbett fast vergrub und die frische weiße Bettdecke bis zum Kinn heraufzog. »Anstatt einen Beutel voll Geld zu finden, um nach Hause zu gelangen, bin ich hier an einen fremden Platz gekommen, kaum mit einem Kreuzer in der Tasche, und, was noch schlimmer ist, habe mich noch obendrein verliebt. Indessen«, fügte er nach einer Pause hinzu, indem er sich in seinem Bette streckte und umdrehte, »ich bin ja wenigstens jetzt in einer guten Herberge, so will ich mich denn des Augenblicks freuen und den nächsten für sich selbst sorgen lassen; ich sage, Alles wird sich auf irgend eine Art, so oder so, zum Besten wenden.«
Als er diese Worte sprach und die Hand ausstreckte, um das Licht auszulöschen, wurde er plötzlich von Staunen und Schrecken erfaßt, denn er glaubte das Phantom des verzauberten Hauses von einem dunkeln Theil des Zimmers aus ihn anstarren zu sehen. Ein zweiter Blick flößte ihm wieder Muth ein, denn er bemerkte, daß das, was er für ein Gespenst gehalten hatte, nichts weiter war, als ein niederländisches Porträt, das in einem dunkeln Winkel gerade hinter einem Schrank hing. Es war jedoch das vollkommene Ebenbild seines nächtlichen Besuchs. Derselbe Mantel und das mit einem Gürtel versehene Wams, derselbe gekräuselte Bart und die starren Augen, derselbe breite herabgekrämpte Hut mit einer an der einen Seite herabhängenden Feder. Dolph erinnerte sich nun auch der Aehnlichkeit, welche er so oft zwischen seinem Wirth und dem alten Mann des verzauberten Hauses wahrgenommen hatte, und war völlig überzeugt, sie müßten in irgend einer Weise in Verbindung stehen, und es müsse ein besonderes Geschick seine Reise geleitet haben. Er lag da und blickte auf das Porträt fast mit ebenso großer Furcht, als er auf das geisterartige Original gesehen hatte, bis ihn die gellende Hausglocke mahnte, daß es schon spät an der Zeit sei. Er löschte das Licht aus, dachte aber noch lange über diese seltsamen Umstände und zusammentreffenden Vorgänge nach, bis er endlich in Schlaf verfiel. Seine Träume waren nur eine Fortsetzung seiner wachenden Gedanken. Es kam ihm vor, als blicke er noch immer auf das Bild, bis es allmählig sich belebte: die Gestalt stieg von der Wand herab und schritt aus dem Gemach, er folgte ihr und fand sich endlich an dem Brunnen, auf welchen der alte Mann hinwies, dann ihn anlächelte und verschwand.
Als er des Morgens erwachte, stand sein Wirth an der Seite seines Bettes, bot ihm einen herzlichen Guten Morgen und fragte ihn, wie er geschlafen habe. Dolph antwortete ihm in froher Stimmung, nahm aber die Gelegenheit wahr, ihn über das Porträt auszufragen, das an der Wand hing. »Ach«, sagte Herr Anton, »das ist ein Porträt vom alten Kilian van der Spiegel, ehemaligem Bürgermeister von Amsterdam, der wegen einiger Volksunruhen Holland verließ und während der Regierung Peter Stuyvesants in die Provinz kam.
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