Er hegte eine souveräne Verachtung gegen die heilende Kunst und hatte nie einen anderen Arzt gebraucht als den Fleischer. Er trug auch einen tödtlichen Haß gegen alle Arten von Studien, seit er über ein unverständliches Buch ausgepeitscht worden war, als er noch ein Kind war. Und nun zu denken, daß ein junger Bursche wie Dolph, von so bewundernswürdigen Fähigkeiten, der schießen, fischen, rennen, springen, reiten und ringen konnte, sollte gezwungen werden, Pillen zu drehen und Juleps zu bereiten, blos für sein Dasein –das war schändlich! Er rieth Dolph, nicht zu verzweifeln und »die Arzneikunst vor die Hunde zu werfen«; denn einem jungen Burschen von seinen ausgezeichneten Talenten könne es nimmer fehlen, sein Glück zu machen. »Da es mir scheint, Ihr habt keine Bekanntschaft in Albany«, sagte Herr Anton, »so geht mit mir nach Hause und bleibt unter meinem Dache, bis ihr Euch weiter umsehen könnt; während der Zeit wollen wir uns gelegentlich im Schießen und Fischen üben, denn es wäre schade, wenn solche Talente brach liegen sollten.«

Dolph, dem ein Wechsel gar nicht unangenehm war, ließ sich leicht bewegen. In der That, wenn er die Dinge recht überlegte, was er denn auch sehr weislich und vorsichtig that, konnte er nicht anders denken, als daß Anton van der Heyden »auf irgend eine oder die andere Weise« mit der Geschichte des verzauberten Hauses in Verbindung stehe; daß die Unfälle in den Hochlanden, die sie so sonderbar vereinigt hatten, »auf irgend eine oder die andere Weise« etwas Gutes bewirken sollten; kurz, es giebt nichts so Angemessenes, als dieses »auf irgend eine oder die andere Weise«, um sich den Umständen anzubequemen; es ist die Hauptstütze eines kopflosen Acteurs und langsamen Denkers, wie Dolph Heyliger, und Derjenige, welcher auf diesem unbestimmten sanften Wege früheres Uebel zu vorausgenommenem Guten lenken kann, besitzt ein geheimes Glück, das fast so viel werth ist als der Stein der Weisen.

Bei ihrer Ankunft zu Albany schien die Erscheinung von Dolphs Begleiter allgemeines Vergnügen hervorzurufen. Viele Grüße am Bord des Flusses und in den Straßen empfingen die Ankommenden; die Hunde sprangen an ihm herauf; die Knaben schrieen im Vorbeigehen; jedermann schien Anton van der Heyden zu kennen. Dolph folgte stillschweigend und bewunderte die Zierlichkeit dieses schönen Fleckens; denn Albany prangte damals noch in seiner ganzen Glorie; es war fast ausschließlich von den Abkömmlingen der ursprünglichen holländischen Ansiedler bewohnt und bis jetzt noch nicht von dem unruhigen Volk von Neuengland entdeckt und kolonisirt. Alles war ruhig und in Ordnung; Alles wurde friedlich und gemächlich geleitet; man bemerkte keine Eile, kein Geräusch, keine Anstrengung und kein Drängen um des Lebensunterhaltes willen. Das Gras wuchs auf den ungepflasterten Straßen und erfreute das Auge durch sein erfrischendes Grün. Hohe Sycomoren oder hängende Weiden beschatteten die Häuser, und an ihren zarten Zweigen schwangen sich Raupen in langen Silberfäden; oder Motten flatterten umher vor Freude über ihre schöne Verwandlung. Die Häuser waren in alt-holländischer Weise mit der Giebelseite gegen die Straße gebaut. Die sparsame Hausfrau saß auf einer Bank vor ihrer Thüre, in einer knapp anliegenden Haube, hell geblümtem Kleide und weißer Schürze, emsig mit Stricken beschäftigt. Der Mann rauchte seine Pfeife auf der entgegengesetzten Bank, und ein kleines Negermädchen, der Liebling, saß auf der Treppe, ihrer Herrin zu Füßen, und war geschäftig mit ihrer Nadel. Die Schwalben scherzten um das Dach oder strichen über die Straßen hin und brachten reiche Beute für ihre schreienden Jungen mit; und der Hausfreund, der kleine Zaunkönig, flog in einem Liliputhäuschen ein und aus oder in einem alten Hute, der an die Wand genagelt war. Die Kühe kehrten nach Hause zurück, blökten durch die Straßen und ließen sich an den Thüren ihrer Eigenthümer melken, und wenn einige unter ihnen vielleicht zurückblieben, so waren Negerbuben mit einem langen Stachel bei der Hand, um sie bedachtsam heimzutreiben.

Als Dolphs Begleiter vorwärts schritt, nickten ihm die Bürger freudig zu, und die Frauen begrüßten ihn mit freundlichen Worten; alle nannten ihn vertraulich bei seinem Vornamen Anton; denn es war der Gebrauch unter diesen kräftigen Patriarchen, die alle zusammen aufgewachsen waren, sich einander mit dem Taufnamen zu nennen. Der Herr unterließ nicht, seine gewöhnlichen Scherze mit ihnen zu treiben, denn er war ungeduldig, sein Haus zu erreichen. Endlich kamen sie dahin. Es war ziemlich groß, im holländischen Stil, mit großen eisernen Figuren auf den Giebeln, woraus man auf seine Erbauung schließen konnte, und bewies, daß es in den frühesten Zeiten der Ansiedlung erbaut worden war.

Die Nachricht von Herrn Antons Ankunft war ihm schon vorausgegangen, und der ganze Haushalt stand auf der Warte. Ein Haufe kleiner und großer Neger hatte sich in der Fronte des Hauses versammelt, um ihn zu empfangen. Die alten Weißköpfe, die in seinem Dienste grau geworden waren, weinten vor Freude und machten manche ungeschickte Verbeugungen und Grimassen; die kleinen dagegen hüpften ihm auf die Kniee. Aber das glücklichste Wesen im Hause war ein kleines wohlgenährtes, blühendes Mädchen, sein einziges Kind und der Liebling seines Herzens. Sie kam im vollen Springen aus dem Hause; aber der Anblick eines fremden jungen Mannes mit ihrem Vater rief für einen Augenblick alle Schamhaftigkeit, wie sie den Mädchen angeboren ist, hervor. Dolph sah sie mit Bewunderung und Vergnügen an; niemals meinte er eine so anständige weibliche Gestalt gesehen zu haben. Sie war in gutem alten holländischen Geschmack gekleidet, mit langer Schnürbrust und vollem kurzen Kleide, das so gut stand, daß es die ganze weibliche Form in schönstem Lichte zeigte. Ihr Haar, unter eine kleine runde Mütze gewunden, ließ die Schönheit ihrer Stirne bewundern; sie hatte schöne, blaue, lächelnde Augen und einen schlanken, sanft gewölbten Leib – mit Einem Worte, sie war eine kleine holländische Gottheit. Dolph, der nie bei einer Sache auf halbem Wege stehen blieb, verliebte sich sterblich in sie.

Dolph wurde in dem Hause mit freundlichem Willkommen aufgenommen. Das Innere gab eine Anschauung von Herrn Antons Geschmack und Gewohnheiten, sowie von dem Reichthum seiner Vorfahren. Die Zimmer waren mit guten alten Mahagonymöbeln verziert, die Schenktische und Schränke glänzten von erhaben gearbeitetem Silber und gemaltem Porzellan. Ueber dem Kamin des Visitenzimmers befanden sich, wie gewöhnlich, die Wappenschilde der Familie gemalt und eingerahmt; darüber eine lange Vogelflinte mit einer indianischen Tasche und ein Pulverhorn. Das Zimmer war mit vielen indianischen Gegenständen verziert: Friedenspfeifen, Tomahawks, Skalpirmessern, Jagdtaschen und Wampumgürteln; auch lagen verschiedene Arten von Fischgeräthe und zwei oder drei Instrumente zum Vogelfang in den Winkeln.