Am Tage, ja selbst in der Nacht, blieb er auf dem Verdeck, unbekümmert um den strömenden Regen und die Sturzwellen, bald mit den Ellenbogen an die Schutzwehr gelehnt, bald mit einer fieberhaften Heftigkeit auf- und abschreitend. Seine Augen schweiften unaufhörlich über den weiten Raum hinaus, den er während der nur kurzen, ruhigen Augenblicke mit seinem Fernrohr unablässig überblickte. Er schien diese stummen Fluthen zu befragen, und hätte den Nebel, welcher den Horizont verschleierte, die sich thürmenden Wolkenschichten gern mit einem Ruck zerrissen. Er konnte nicht die Hoffnung aufgeben, und in seinen Gesichtszügen lag der Ausdruck eines herben Schmerzes.

Es war ein energischer Mann, bis jetzt glücklich und vielvermögend, den auf einmal Kraft und Glück verließen.

John Mangles verließ ihn nicht, sondern ertrug an seiner Seite alles Ungemach des stürmischen Wetters. An diesem Tage erforschte Glenarvan überall, wo eine Oeffnung im Nebel sich zeigte, den Horizont mit ganz besonderer Ausdauer und Hartnäckigkeit.

John näherte sich ihm mit der Frage: »Suchen Ew. Herrlichkeit das Land?« Glenarvan machte mit dem Haupte ein verneinendes Zeichen. – »Und doch, fuhr der junge Kapitän fort, »müssen Sie Sehnsucht danach haben, diese Brigg zu verlassen. Seit sechsunddreißig Stunden schon sollten wir die Feuer von Auckland in Sicht haben.«

Glenarvan antwortete nicht. Noch immer blickte er hin, und eine Minute lang blieb sein Fernrohr unverwandt am Horizont nach der Windseite des Schiffes zu haften. »Nicht dort ist das Land, sagte John Mangles. Möchte Ew. Herrlichkeit vielmehr nach dem Steuerbord hin auslugen.«

– Warum, John? antwortete Glenarvan. Ich suche nicht das Land!

– Was denn, Mylord?

– Meine Yacht! meinen Duncan, erwiderte zornig Glenarvan. Dort muß er sein, in jener Gegend, dort muß er das Meer durchsuchen, dort das traurige Handwerk des Piraten treiben. Ja, dort ist er, sage ich Dir, John, dort auf jener Schiffsroute zwischen Australien und Neu-Seeland. Und ich habe eine Ahnung, daß wir ihm begegnen werden!

– Gott bewahre uns vor solcher Begegnung, Mylord!

– Warum John?

– Ew. Herrlichkeit vergessen unsere Lage! Was sollten wir auf dieser Brigg anfangen, wenn der Duncan auf sie Jagd machte. Wir könnten nicht einmal fliehen.

– Fliehen, John?

– Ja, Mylord! Wir würden es vergeblich versuchen. Wir würden seine Beute werden, würden der Gnade dieser Elenden überliefert sein, und Ben Joyce hat bewiesen, daß er vor einem Verbrechen nicht zurückschreckt. Unser Leben ist um einen billigen Preis zu haben, wir könnten uns eben nur bis zum Tode vertheidigen. Und was dann? Denken Sie, Mylord, an Lady Glenarvan, denken Sie an Mary Grant.

– Arme Frauen! murmelte Glenarvan. John, mein Herz ist gebrochen, und zuweilen fühle ich, wie die Verzweiflung es erfaßt. Es scheint mir dann, daß neue Katastrophen uns erwarten, daß der Himmel sich gegen uns erklärt hat. – Ich habe Furcht!

– Sie, Mylord?

– Nicht für mich, John, sondern für Diejenigen, welche ich liebe, für Die, welche auch Du liebst!

– Beruhigen Sie sich, Mylord, antwortete der junge Kapitän. Wir haben nichts zu fürchten, der Macquarie läuft schlecht, aber er läuft. Will Halley ist ein roher Mensch, aber ich bin da, und wenn die Nähe des Landes mir gefährlich erscheint, werde ich das Schiff auf die hohe See hinauslenken. Von dieser Seite also droht uns wenig oder gar keine Gefahr. Aber Gott mag uns davor bewahren, Bord an Bord mit dem Duncan zu liegen, und wenn Ew. Herrlichkeit ihn aufzufinden bemüht ist, so mag es nur geschehen, um ihn zu vermeiden, ihn zu fliehen.«

John Mangles hatte Recht.