Wenn der Rumpf der Brigg unglücklicherweise ein Leck bekommen haben sollte, das nicht zu verstopfen wäre, so müßten wir uns darein ergeben, die Küste zu erreichen, und den Weg nach Auckland zu Lande wieder aufzunehmen.
– Lassen Sie uns also den Zustand des Schiffes untersuchen, sagte der Major. Das ist vor Allem das Wichtigste.«
Glenarvan, John und Mulrady öffneten die große Luke und stiegen in den untersten Schiffsraum hinab. Ungefähr zweihundert Fässer mit gegerbten Häuten waren dort sehr schlecht eingestaut. Man konnte sie ohne große Mühe fortrücken, indem man sie vermittelst einer Zugwinde, die am großen Stag angebracht war, senkrecht von der Luke emporwand. Zugleich ließ John einen Theil dieses Ballastes in's Meer werfen, um das Schiff zu entlasten.
Nach dreistündiger schwerer Arbeit konnte man den Boden der Brigg untersuchen. An Backbord hatten sich zwei Fugen in den Schiffsplanken bis zur Höhe des Bargholzes geöffnet. Da nun der Macquarie sich nach dem Steuerbord neigte, so stand seine linke Seite hervor, und die geborstenen Stellen befanden sich in freier Luft, demnach konnte das Wasser nicht eindringen. Außerdem beeilte sich Wilson, die Fugen mit Werg zu verstopfen und eine Kupferplatte sorgfältig darüber zu nageln. Beim Sondiren fand man nicht zwei Fuß Wasser im Schiffsraume. Die Pumpen konnten dies Wasser leicht ausschöpfen und das Schiff erleichtern.
Nachdem die Untersuchung beendet, erkannte John, daß der Rumpf beim Stranden nicht gelitten habe. Wahrscheinlich würde ein Theil des losen Kieles im Sande festsitzen bleiben, doch war dieser zu entbehren.
Nachdem Wilson das Innere des Fahrzeuges nachgesehen, tauchte er unter, um seine Lage über dem Meeresgrunde zu bestimmen. Der Macquarie, dessen Vordertheil nach Nord-Nord-West stand, war auf die schlammige Sandbank einer schroff hervorspringenden Küste gestoßen. Das untere Ende seines Vordersteven und ungefähr zwei Drittel seines Kieles befanden sich tief eingezwängt. Der andere Theil bis zum Hintersteven schwankte über dem Wasser, das eine Höhe von fünf Brassen erreichte. Das Steuerruder saß also nicht fest und verrichtete seine Dienste. John hielt es sogar für unnöthig, es zu unterstützen. Dies war von wirklichem Vortheil, denn man war im Stande, sich desselben bei erster Gelegenheit zu bedienen ...
Die Ebbe und Fluth ist im Stillen Ocean nicht sehr bedeutend. Indessen rechnete John Mangles auf das Eintreten der Fluth, um den Macquarie wieder flott zu machen. Die Brigg war ungefähr eine Stunde vor der Fluth aufgestoßen, und von dem Augenblicke an, in dem die Ebbe eintrat, hatte sie sich mehr und mehr nach dem Steuerbord geneigt.
Um sechs Uhr Morgens, bei niedrigem Wasser, erreichte ihre Senkung den höchsten Grad und es schien unnütz, das Schiff vermittelst Krücken zu stützen. Man konnte also die Raaen und Flaggenstangen, welche John zu einem Nothmast am Vordertheil bestimmt hatte, an Bord behalten.
Es blieb nur noch übrig, die Vorbereitungen zum Flottmachen des Macquarie zu treffen. Dies war eine lange und mühsame Arbeit, und augenscheinlich unmöglich, um zwölf ein Viertel Uhr für die Fluth bereit zu sein.
Man würde nur sehen können, wie sich die theilweis entlastete Brigg unter dem Einfluß der Wellen bewegte, und bei eintretender Ebbe konnte man dann die letzten Vorbereitungen zu Ende bringen.
»An's Werk!« commandirte John Mangles.
Seine neu geschaffenen Matrosen waren seiner Befehle gewärtig. John ließ zuerst die an den Tauen gebliebenen Segel einziehen. Der Major, Robert und Paganel stiegen, von Wilson angeführt, in den großen Mastkorb. Das vom Winde geschwellte große Marssegel hätte das Losmachen des Schiffes gehindert, deshalb mußte man es, so gut es anging, einreffen. Nach harter und so ungeübten Händen schwerer Anstrengung, hatte man das große Bramsegel übergeholt. Der junge Robert, gelenk wie eine Katze und kühn wie ein Schiffsjunge, hatte während dieser schwierigen Arbeit die größten Dienste geleistet.
Es handelte sich nun darum, einen oder zwei Anker am Hintertheil des Schiffes, in der Richtung des Kieles in's Wasser zu senken. Diese Anker mußten die Zugkraft zum Anholen des Macquarie auf hohe See ausüben. Dies Verfahren bietet keine Schwierigkeit dar, wenn man über ein Boot verfügen kann, dann wirft man einen Anker an einem im Voraus bestimmten Punkt aus. Hier jedoch, wo das Boot fehlte, mußte man sich zu helfen suchen.
Glenarvan war des Meeres hinreichend kundig, um die Nothwendigkeit dieser Vorbereitungen einzusehen.
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