Er hatte sich erhoben, streckte die Hand gegen mich aus und rief:
»Er ist ein Giaur, ein ungläubiger Hund. Ich verfluche ihn. Möge sich die Hölle unter ihm öffnen und die Verdammnis ihn verschlingen. Die bösen Geister werden - -«
Weiter kam er nicht. Mein kleiner Hadschi hatte ausgeholt und ihm mit der Peitsche einen solchen Jagdhieb versetzt, daß der alte Sünder sich unterbrach und einen gewaltigen Luftsprung machte.
Das war ein gewaltiges Wagnis, wie sich sogleich zeigte. Nach einem Augenblick drohender Stille schallten von allen Seiten Schreie des Zornes im Publikum. Die Hinteren drängten nach vorn. Die Sache konnte verhängnisvoll werden. Da trat ich schnell an die Seite des Mübarek und rief so laut ich konnte:
»Rahat, süküt - Ruhe, seid still! Ich werde euch beweisen, daß ich recht habe. Halef, hole die Flamme her! - - Sehet her, ihr Leute, wer der Mübarek ist, und wie er euch täuscht! Seht ihr diese Krücken?«
Ich nahm den Schurken mit der rechten Hand beim Genick und preßte ihm den dünnen Hals zusammen. Mit der Linken riß ich ihm den Kaftan auseinander. Richtig, da hing an jeder Seite eine Krücke. Beide waren mit Gelenken versehen und konnten zusammengeschlagen werden.
Bei dieser Gelegenheit sah ich, daß die Innenseite des Kaftans anders gefärbt war, als die Außenseite. Das Kleidungsstück hatte viele Taschen. Ich griff in die erste beste und fühlte einen haarigen Gegenstand. Ich zog ihn heraus. Es war eine Perücke, ganz genau das wirre, struppige Haar, wie ich es bei dem Bettler gesehen hatte.
Der Kerl war so erschrocken, daß er alle Gegenwehr vergaß. Jetzt aber stieß er Hilferufe aus und schlug mit den Armen um sich.
»Osko, Omar, haltet ihn! Greift aber tüchtig zu! Wenn es ihm auch wehe tut!«
Die beiden Genannten packten ihn, so daß ich nun beide Hände frei bekam. Da Halef das eine Oelgefäß herbeigeholt hatte, wurde unsere interessante Gruppe hell erleuchtet, so daß die Anwesenden alles deutlich sehen konnten. Sie verhielten sich ruhig.
»Dieser Mensch, den ihr für einen Heiligen haltet,« fuhr ich fort, »ist ein Verbündeter des Schut oder wohl gar der Schut selbst. Seine Wohnung ist der Aufenthalt von Dieben und Räubern, wie ich euch nachher beweisen werde. Er schleicht in allerlei Verkleidungen im Lande umher, um Gelegenheit zu Verbrechen auszukundschaften. Er und der Bettler Busra sind eine und dieselbe Person. Hier hat er sich die Krücken unter den Achseln angebunden. Wenn sie beim Gehen aneinander stießen, habt ihr geglaubt, daß seine Gebeine klappern. Hier ist die Perücke, welche er als Krüppel trug.«
Ich leerte nach und nach seine Taschen, betrachtete die einzelnen Gegenstände und erklärte deren Gebrauch, indem ich fortfuhr:
»Hier ist eine Büchse mit Farbenmehl, welches dazu diente, seinem Gesichte schnell eine andere Farbe zu geben. Da ist der Lappen, mit welchem er sich die Farbe rasch wieder abwischen konnte. Jetzt seht ihr eine Flasche, noch halb voll von Wasser, jedenfalls um sich auch an Orten, wo kein Wasser vorhanden war, nach Bedürfnis reinigen zu können. Und nun seht ihr - ja, was ist denn das? Das sind zwei kleine Halbkugeln aus Gummi. Er hat sie sich in die Backen gesteckt, wenn er den Bettler machen wollte.
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