Das Gesicht war dann dicker als vorher. Seht ihr die verschiedene Färbung des Kaftan? Als Bettler zog er ihn aus, drehte die dunkle Seite nach außen und schlang ihn um den Leib. Dann sah das Gewand aus wie ein altes Tuch. Habt ihr jemals den Mübarek und den Bettler beisammen gesehen? Gewiß nicht. Das war ja ganz unmöglich, da beide nur eine Person waren. Und hat sich nicht der Mübarek grad zu der Zeit zum erstenmale sehen lassen, in welcher auch der Bettler in diese Gegend kam?«

Diese letzteren Argumente schienen überzeugend zu sein, denn ich hörte von allen Seiten Ausrufe verwunderter Zustimmung erschallen.

Jetzt zog ich ein kleines Päckchen aus der Tasche. In einen alten Lumpen gewickelt erschien ein Armband von alten venetianischen Goldzechinen. Bei einigen der Münzen war die Prägung gut erhalten. Ich sah beim Schein der Flamme auf dem Avers das Bild des heiligen Markus, welcher dem Dogen die Kreuzesfahne reicht, und auf dem Revers das Bild eines andern, mir unbekannten Heiligen, von Sternen und der Inschrift umgeben: Sit tibi, Christe, datus, quem tu regis, iste ducatus.

»Hier ist ein Bilezik von zwölf goldenen Münzen in einen Lappen gewickelt,« fuhr ich fort. »Wer weiß, wo er es gestohlen hat! Wenn ihr nachforscht, wird sich die Besitzerin vielleicht finden lassen.«

»On iki zikkeler - zwölf Münzen?« rief eine Frauenstimme hinter mir. »Zeig her! Mir ist ein solches Armband in voriger Woche aus dem Kasten gestohlen worden.«

Nohuda, die »Erbse«, war die Sprecherin. Sie trat herbei, nahm mir das Armband aus der Hand und betrachtete es.

»Allah!« rief sie. »Es ist das meinige. Es ist ein altes Erbstück meiner mütterlichen Vorfahren. Schau her und überzeuge dich, daß es mir wirklich gehört!«

Sie gab es ihrem Mann.

»Bei Allah, es ist das deinige!« stimmte dieser bei.

»So besinne dich, Nohuda, ob der Mübarek zur betreffenden Zeit bei dir gewesen ist,« sagte ich.

»Der Mübarek nicht, aber der Krüppel. Er wurde hereingerufen, um ein Essen zu empfangen. Ich hatte meinen Schmuck auf dem Tische liegen und legte ihn in den Kasten zurück. Das hat er gesehen. Als ich nach einigen Tagen zufällig nachschaute, war das Armband weg.«

»So kennst du nun den Dieb.«

»Er ist's. Er hat es; es ist erwiesen. O du Spitzbube! Ich kratze dir die Augen aus! Ich werde --«

»Still jetzt!« unterbrach ich sie in der Befürchtung, daß der Fluß ihrer Rede, einmal in Ueberschwemmung getreten, nicht so leicht und bald versiegen werde. »Behalte das Band und laß den Dieb bestrafen. Ihr seht jetzt, welch einen Menschen ihr verehrt habt. Und dieser Räuber ist sogar zum Basch Kiatib ernannt worden und hat über Andere mit zu Gericht gesessen. Mich hat er in die Hölle verflucht, und bald hätte ich mir seinetwegen den Zorn dieser braven Versammlung zugezogen. Ich verlange, daß er an einem sicheren Ort eingesperrt werde, von welchem kein Entkommen möglich ist, und daß dem Makredsch von Saloniki Anzeige erstattet werde.«

Man stimmte mir nicht nur bei, sondern es ließen sich zahlreiche Rufe hören:

»Prügelt ihn vorher! Gebt ihm die Bastonnade! Zerschlagt ihm die Fußsohlen!«

»Sapytyn-iz ona bojunu - dreht ihm den Hals um!« eiferte die »Erbse« voller Grimm über den an ihr verübten Diebstahl.

Der Mübarek hatte bis jetzt nichts gesagt. Nun aber schrie er:

»Glaubt ihm nicht! Er ist ein Giaur. Er ist der Dieb. Er hat mir das Armband soeben in die Tasche gesteckt. Er - - waï' waï'!«

Er unterbrach sich mit diesem Ausruf des Schmerzes, weil ihm Halefs Peitsche auf den Rücken knallte.

»Warte, Schurke!« rief der Hadschi.