Wer kommt zunächst?

 

Pyramus, Thisbe, Wand, Mondschein und Löwe treten als stumme Personen auf.

 

PROLOG.

»Was dies bedeuten soll, das wird euch wundern müssen,

Bis Wahrheit alle Ding' stellt an das Licht herfür,

Der Mann ist Pyramus, wofern ihr es wollt wissen;

Und dieses Fräulein schön ist Thisbe, glaubt es mir.

Der Mann mit Mörtel hier und Leimen soll bedeuten

Die Wand, die garst'ge Wand, die ihre Lieb' tät scheiden.

Doch freut es sie, drob auch sich niemand wundern soll,

Wenn durch die Spalte klein sie konnten flüstern wohl.

Der Mann da mit Latern' und Hund und Busch von Dorn

Den Mondschein präsentiert; denn, wann ihr's wollt erwägen:

Bei Mondschein hatten die Verliebten sich verschwor'n,

Zu gehn nach Nini Grab, um dort der Lieb' zu pflegen.

Dies gräßlich wilde Tier, mit Namen Löwe groß,

Die treue Thisbe, die des Nachts zuerst gekommen,

Tät scheuchen, ja vielmehr erschrecken, daß sie bloß

Den Mantel fallen ließ, und drauf die Flucht genommen.

Drauf dieser schnöde Löw' in seinen Rachen nahm

Und ließ mit Blut befleckt den Mantel lobesam.

Sofort kommt Pyramus, ein Jüngling weiß und rot,

Und find't den Mantel da von seiner Thisbe tot;

Worauf er mit dem Deg'n, mit blutig bösem Degen,

Die blut'ge heiße Brust sich tapferlich durchstach;

Und Thisbe, die indes im Maulbeerschatten g'legen,

Zog seinen Dolch heraus und sich das Herz zerbrach.

Was noch zu sagen ist, das wird, glaubt mir fürwahr!

Euch Mondschein, Wand und Löw' und das verliebte Paar

Der Läng' und Breite nach, solang' sie hier verweilen,

Erzählen, wenn ihr wollt, in wohlgereimten Zeilen.«

 

Prolog, Thisbe, Löwe und Mondschein ab.

 

THESEUS.

Mich nimmt wunder, ob der Löwe sprechen wird.

DEMETRIUS.

Kein Wunder, gnädiger Herr: ein Löwe kann's wohl, da so viele Esel es tun.

WAND.

»In dem besagten Stück es sich zutragen tut,

Daß ich, Thoms Schnauz genannt, die Wand vorstelle gut.

Und eine solche Wand, wovon ihr solltet halten,

Sie sei durch einen Schlitz recht durch und durch gespalten,

Wodurch der Pyramus und seine Thisbe fein

Oft flüsterten fürwahr ganz leis' und insgeheim.

Der Mörtel und der Leim und dieser Stein tut zeigen,

Daß ich bin diese Wand, ich will's euch nicht verschweigen.

Und dies die Spalte ist, zur Linken und zur Rechten,

Wodurch die Buhler zwei sich täten wohl besprechen.«

THESEUS.

Kann man verlangen, daß Leim und Haar besser reden sollten?

DEMETRIUS.

Es ist die witzigste Abteilung, die ich jemals vortragen hörte.

THESEUS.

Pyramus geht auf die Wand los. Stille!

PYRAMUS.

»O Nacht, so schwarz von Farb', o grimmerfüllte Nacht!

O Nacht, die immer ist, sobald der Tag vorbei.

O Nacht! O Nacht! O Nacht! ach! ach! ach! Himmel! ach!

Ich fürcht', daß Thisbes Wort vergessen worden sei. –

Und du, o Wand, o süß' und liebenswerte Wand,

Die zwischen unsrer beiden Eltern Haus tut stehen!

Du Wand, o Wand, o süß' und liebenswerte Wand!

Zeig' deine Spalte mir, daß ich dadurch mag sehen.

 

Wand hält die Finger in die Höhe.

 

Hab' Dank, du gute Wand! Der Himmel lohn' es dir!

Jedoch was seh' ich dort? Thisbe, die seh' ich nicht.

O böse Wand, durch die ich nicht seh' meine Zier,

Verflucht sei'n deine Stein', daß du so äffest mich.«

THESEUS.

Mich dünkt, die Wand müßte wieder fluchen, da sie Empfindung hat.

PYRAMUS. Nein, fürwahr, Herr, das muß er nicht. »Äffest mich« ist Thisbes Stichwort; sie muß hereinkommen, und ich muß sie dann durch die Wand ausspionieren. Ihr sollt sehen, es wird just zutreffen, wie ich Euch sage. Da kommt sie schon.

 

Thisbe kommt.

 

THISBE.

»O Wand, du hast schon oft gehört das Seufzen mein,

Mein'n schönsten Pyramus weil du so trennst von mir.

Mein roter Mund hat oft geküsset deine Stein',

Dein' Stein', mit Leim und Haar geküttet auf in dir.«

PYRAMUS.

»Ein' Stimm' ich sehen tu'; ich will zur Spalt' und schauen,

Ob ich nicht hören kann meiner Thisbe Antlitz klar.

Thisbe!«

THISBE.

»Dies ist mein Schatz, mein Liebchen ist's, fürwahr!«

PYRAMUS.

»Denk', was du willst, ich bin's; du kannst mir sicher trauen.

Und gleich Limander bin ich treu in meiner Pflicht.«

THISBE.

»Und ich gleich Helena, bis mich der Tod ersticht.«

PYRAMUS.

»So treu war Schefelus einst seiner Prokrus nicht.«

THISBE.

»Wie Prokrus Scheflus liebt', lieb' ich dein Angesicht.«

PYRAMUS.

»O küss' mich durch das Loch von dieser garst'gen Wand!«

THISBE.

»Mein Kuß trifft nur das Loch, nicht deiner Lippen Rand.«

PYRAMUS.

»Willst du bei Nickels Grab heut nacht mich treffen an?«

THISBE.

»Sei's lebend oder tot, ich komme, wenn ich kann.«

Wand:

»So hab' ich Wand nunmehr mein' Part gemachet gut,

Und nun sich also Wand hinweg begeben tut.«

 

Wand, Pyramus und Thisbe ab.

 

THESEUS. Nun ist also die Wand zwischen den beiden Nachbarn nieder.

DEMETRIUS. Das ist nicht mehr als billig, gnädiger Herr, wenn Wände Ohren haben.

HIPPOLYTA. Dies ist das einfältigste Zeug, das ich jemals hörte.

THESEUS. Das Beste in dieser Art ist nur Schattenspiel, und das Schlechteste ist nichts Schlechteres, wenn die Einbildungskraft nachhilft.

HIPPOLYTA. Das muß denn Eure Einbildungskraft tun, und nicht die ihrige.

THESEUS. Wenn wir uns nichts Schlechteres von ihnen einbilden, als sie selbst, so mögen sie für vortreffliche Leute gelten. Hier kommen zwei edle Tiere herein, ein Mond und ein Löwe.

 

Löwe und Mondschein treten auf.

 

LÖWE.

»Ihr, Fräulein, deren Herz fürchtet die kleinste Maus,

Die in monströser Gestalt tut auf dem Boden schweben,

Mögt itzo zweifelsohn' erzittern und erbeben,

Wenn Löwe, rauh von Wut, läßt sein Gebrüll heraus.

So wisset denn, daß ich Hans Schnock, der Schreiner, bin,

Kein böser Löw' fürwahr, noch eines Löwen Weib;

Denn käm' ich als ein Löw', und hätte Harm im Sinn,

So dau'rte, meiner Treu, mich mein gesunder Leib.«

THESEUS. Eine sehr höfliche Bestie und sehr gewissenhaft.

DEMETRIUS. Das Beste von Bestien, gnädiger Herr, was ich je gesehn habe.

LYSANDER. Dieser Löwe ist ein rechter Fuchs an Herzhaftigkeit.

THESEUS. Wahrhaftig, und eine Gans an Klugheit.

DEMETRIUS. Nicht so, gnädiger Herr, denn seine Herzhaftigkeit kann sich seiner Klugheit nicht bemeistern, wie der Fuchs einer Gans.

THESEUS. Ich bin gewiß, seine Klugheit kann sich seiner Herzhaftigkeit nicht bemeistern; denn eine Gans bemeistert sich keines Fuchses. Wohl! überlaßt es seiner Klugheit, und laßt uns auf den Mond horchen!

MOND. »Den wohlgehörnten Mond d' Latern' z' erkennen gibt.«

DEMETRIUS. Er sollte die Hörner auf dem Kopfe tragen.

THESEUS. Er ist ein Vollmond; seine Hörner stecken unsichtbar in der Scheibe.

MOND. »Den wohlgehörnten Mond d' Latern' z' erkennen gibt; Ich selbst den Mann im Mond, wofern es euch beliebt.«

THESEUS. Das ist noch der größte Verstoß unter allen: der Mann sollte in die Laterne gesteckt werden; wie ist er sonst der Mann im Monde?

DEMETRIUS. Er darf es nicht wegen des Lichtes. Er würde es in Feuer und Flammen setzen.

HIPPOLYTA. Ich bin diesen Mond satt; ich wollte, er wechselte.

THESEUS. Das kleine Licht seiner Vernunft zeigt, daß er im Abnehmen ist.