Meisters, der Herzog kommt eben vom Tempel, und noch drei oder vier andere Herren und Damen mehr sind verheiratet. Wenn unser Spiel vor sich gegangen wäre, so wären wir alle gemachte Leute gewesen.

FLAUT. O lieber Sappermentsjunge, Zettel! So hat er nun sechs Batzen des Tags für Lebenszeit verloren. Er konnte sechs Batzen des Tags nicht entgehn, – und wenn ihm der Herzog nicht sechs Batzen des Tags für den Pyramus gegeben hätte, will ich mich hängen lassen! Er hätt' es verdient. – Sechs Batzen des Tags für den Pyramus, oder gar nichts!

 

Zettel kommt.

 

ZETTEL. Wo sind die Buben? Wo sind die Herzensjungen?

SQUENZ. Zettel! – O allertrefflichster Tag! gebenedeite Stunde!

ZETTEL. Meisters, ich muß Wunderdinge reden, aber fragt mich nicht, was; denn wenn ich's euch sage bin ich kein ehrlicher Athener. Ich will euch alles sagen, just wie es sich zutrug.

SQUENZ. Laß uns hören, lieber Zettel!

ZETTEL. Nicht eine Silbe. Nur so viel will ich euch sagen, der Herzog haben zu Mittage gespeist. Kriegt eure Gerätschaften herbei! Gute Schnüre an eure Bärte! Neue Bänder an eure Schuh'! Kommt gleich beim Palaste zusammen; laßt jeden seine Rolle überlesen; denn das Kurze und das Lange von der Sache ist: unser Spiel geht vor sich. Auf allen Fall laßt Thisbe reine Wäsche anziehn, und laßt den, der den Löwen macht, seine Nägel nicht verschneiden; denn sie sollen heraushängen, als des Löwen Klauen. Und, allerliebste Akteurs! eßt keine Zwiebeln, keinen Knoblauch; denn wir sollen süßen Odem von uns geben, und ich zweifle nicht, sie werden sagen: Es ist eine sehr süße Komödie. Keine Worte weiter! Fort! Marsch, fort!

Alle ab.

 

 

Fünfter Aufzug.

 

Erste Szene.

Ein Zimmer im Palaste des Theseus.

Theseus, Hippolyta, Philostrat, Herren vom Hofe und Gefolge treten auf.

 

HIPPOLYTA.

Was diese Liebenden erzählen, mein Gemahl,

Ist wundervoll.

THESEUS.

Mehr wundervoll, wie wahr.

Ich glaubte nie an diese Feenpossen

Und Fabelei'n. Verliebte und Verrückte

Sind beide von so brausendem Gehirn,

So bildungsreicher Phantasie, die wahrnimmt,

Was nie die kühlere Vernunft begreift.

Wahnwitzige, Poeten und Verliebte

Bestehn aus Einbildung. Der eine sieht

Mehr Teufel, als die weite Hölle faßt:

Der Tolle nämlich; der Verliebte sieht

Nicht minder irr, die Schönheit Helenas

Auf einer äthiopisch braunen Stirn.

Des Dichters Aug', in schönem Wahnsinn rollend,

Blitzt auf zum Himmel, blitzt zur Erd' hinab,

Und wie die schwangre Phantasie Gebilde

Von unbekannten Dingen ausgebiert,

Gestaltet sie des Dichters Kiel, benennt

Das luft'ge Nichts und gibt ihm festen Wohnsitz.

So gaukelt die gewalt'ge Einbildung;

Empfindet sie nur irgendeine Freude,

Sie ahndet einen Bringer dieser Freude;

Und in der Nacht, wenn uns ein Graun befällt,

Wie leicht, daß man den Busch für einen Bären hält!

HIPPOLYTA.

Doch diese ganze Nachtbegebenheit

Und ihrer aller Sinn, zugleich verwandelt,

Bezeugen mehr als Spiel der Einbildung.

Es wird daraus ein Ganzes voll Bestand,

Doch seltsam immer noch, und wundervoll.

 

Lysander, Demetrius, Hermia und Helena treten auf.

 

THESEUS.

Hier kommen die Verliebten, froh entzückt.

Glück, Freunde, Glück! Und heitre Liebestage

Nach Herzenswunsch!

LYSANDER.

Beglückter noch, mein Fürst,

Sei Euer Aus- und Eingang, Tisch und Bett!

THESEUS.

Nun kommt! Was haben wir für Spiel' und Tänze?

Wie bringen wir nach Tisch bis Schlafengehn

Den langen Zeitraum von drei Stunden hin?

Wo ist der Meister unsrer Lustbarkeiten?

Was gibt's für Kurzweil? Ist kein Schauspiel da,

Um einer langen Stunde Qual zu lindern? –

Ruft mir den Philostrat!

PHILOSTRAT.

Hier, großer Theseus!

THESEUS.

Was gibt's für Zeitvertreib auf diesen Abend?

Was für Musik und Tanz? Wie täuschen wir

Die träge Zeit, als durch Belustigung?

PHILOSTRAT.

Der Zettel hier besagt die fert'gen Spiele:

Wähl' Eure Hoheit, was sie sehen will!

 

Überreicht ein Papier.

 

THESEUS liest.

»Das Treffen der Zentauren; wird zur Harfe

Von einem Hämling aus Athen gesungen.«

Nein, nichts hievon! Das hab' ich meiner Braut

Zum Ruhm des Vetter Herkules erzählt.

»Der wohlbezechten Bacchanalen Wut,

Wie sie den Sänger Thraziens zerreißen.«

Das ist ein altes Stück; es ward gespielt,

Als ich von Theben siegreich wieder kam.

»Der Musen Neunzahl, traurend um den Tod

Der jüngst im Bettelstand verstorbenen Gelahrtheit.«

Das ist 'ne strenge, beißende Satire,

Die nicht zu einer Hochzeitfeier paßt.

»Ein kurz langweil'ger Akt vom jungen Pyramus

Und Thisbe, seinem Lieb'. Spaßhafte Tragödie.«

Kurz und langweilig? Spaßhaft und doch tragisch?

Das ist ja glühend Eis und schwarzer Schnee.

Wer findet mir die Eintracht dieser Zwietracht?

PHILOSTRAT.

Es ist ein Stück, ein Dutzend Worte lang,

Und also kurz, wie ich nur eines weiß;

Langweilig wird es, weil's ein Dutzend Worte

Zu lang ist, gnäd'ger Fürst; kein Wort ist recht

Im ganzen Stück, kein Spieler weiß Bescheid.

Und tragisch ist es auch, mein Gnädigster,

Denn Pyramus bringt selbst darin sich um.

Als ich's probieren sah, ich muß gestehen,

Es zwang mir Tränen ab; doch lust'ger weinte

Des lauten Lachens Ungestüm sie nie.

THESEUS.

Wer sind die Spieler?

PHILOSTRAT.

Männer, hart von Faust,

Die in Athen hier ein Gewerbe treiben,

Die nie den Geist zur Arbeit noch geübt,

Und nun ihr widerspenstiges Gedächtnis

Mit diesem Stück auf Euer Fest geplagt.

THESEUS.

Wir wollen's hören.

PHILOSTRAT.

Nein, nein, gnäd'ger Fürst,

Es ist kein Stück für Euch. Ich hört' es an,

Und es ist nichts daran, nichts auf der Welt,

Wenn Ihr nicht Spaß an ihren Künsten findet,

Die sie mit schwerer Müh' sich eingeprägt,

Euch damit aufzuwarten.

THESEUS.

Ich will's hören,

Denn nie kann etwas mir zuwider sein,

Was Einfalt darbringt und Ergebenheit.

Geht, führt sie her! Ihr Frauen, nehmet Platz!

 

Philostrat ab.

 

HIPPOLYTA.

Ich mag nicht gern Armseligkeit bedrückt,

Ergebenheit im Dienst erliegen sehn.

THESEUS.

Du sollst ja, Teure, nichts dergleichen sehn.

HIPPOLYTA.

Er sagt ja, sie verstehen nichts davon.

THESEUS.

Um desto güt'ger ist's, für nichts zu danken.

Was sie versehen, ihnen nachzusehn,

Sei unsre Lust. Was armer, will'ger Eifer

Zu leisten nicht vermag, schätzt edle Rücksicht

Nach dem Vermögen nur, nicht nach dem Wert.

Wohin ich kam, da hatten sich Gelahrte

Auf wohlgesetzte Reden vorbereitet.

Da haben sie gezittert, sich entfärbt,

Gestockt in einer halb gesagten Phrase;

Die Angst erstickte die erlernte Rede,

Noch eh' sie ihren Willkomm vorgebracht,

Und endlich brachen sie verstummend ab.

Sogar aus diesem Schweigen, liebes Kind,

Glaub' mir, fand ich den Willkomm doch heraus;

Ja, in der Schüchternheit bescheidnen Eifers

Las ich so viel, als von der Plapperzunge

Vorwitzig prahlender Beredsamkeit.

Wann Lieb' und Einfalt sich zu reden nicht erdreisten,

Dann, dünkt mich, sagen sie im Wenigsten am meisten.

 

Philostrat kommt zurück.

 

PHILOSTRAT.

Beliebt es Eurer Hoheit? Der Prolog

Ist fertig.

THESEUS.

Laßt ihn kommen!

 

Trompeten.

Der Prolog tritt auf.

 

PROLOG.

»Wenn wir mißfallen tun, so ist's mit gutem Willen;

Der Vorsatz bleibt doch gut, wenn wir ihn nicht erfüllen.

Zu zeigen unsre Pflicht durch dieses kurze Spiel,

Das ist der wahre Zweck von unserm End' und Ziel.

Erwäget also denn, warum wir kommen sein:

Wir kommen nicht, als sollt ihr euch daran ergetzen;

Die wahre Absicht ist – zu eurer Lust allein

Sind wir nicht hier –, daß wir in Reu' und Leid euch setzen.

Die Spieler sind bereit; wenn ihr sie werdet sehen,

Versteht ihr alles schon, was ihr nur wollt verstehen.«

THESEUS.

Dieser Bursche nimmt's nicht sehr genau.

LYSANDER. Er hat seinen Prolog geritten wie ein wildes Füllen; er weiß noch nicht, wo er Halt machen soll. Eine gute Lehre, gnädiger Herr: es ist nicht genug, daß man rede; man muß auch richtig reden.

HIPPOLYTA. In der Tat, er hat auf seinem Prolog gespielt, wie ein Kind auf der Flöte. Er brachte wohl einen Ton heraus, aber keine Note.

THESEUS. Seine Rede war wie eine verwickelte Kette: nichts zerrissen, aber alles in Unordnung.