Sein literarischer Typus kennzeichnet sich einfach und kurz als jüdisch-französisch.« Die Kreuzzeitung weiß nämlich, daß nach dem Franzosen den deutschen Muckern der Jude das Verhaßteste ist, aber was sie nicht zu wissen scheint, ist, daß eine Familie, deren Adel in Oesterreich seit 350 Jahren anerkannt ist, unmöglich jüdisch sein kann.
Thaler, ein Schriftsteller, der – um mit Shakespeare zu sprechen – »den Bismarck überbismarckt,« schrieb in der »Neuen freien Presse« in Wien: Sacher-Masoch trägt russische Ansichten in die deutsche Literatur hinein! er ist gefährlich! Die französische Frivolität bedroht das Gemüth, die russische vernichtet die Kultur! es handelt sich um eine nationale Vertheidigung gegen den russischen Nihilismus!« Das Berliner »Magazin für die Literatur des Auslandes« suchte Sacher-Masoch als »unanständig« abzufertigen, und Otto Glagau ging hin und schrieb seine Schrift: »Turgenjew und die russische Literatur« gegen Sacher-Masoch.
Aber es fanden sich Vertheidiger von Gewicht, J.J.K., die gefürchtetste und geistvollste Feder Wiens, machte Herrn Thaler unsterblich lächerlich, Robert Hamerling, der geniale Dichter des »Ahasver in Rom« nahm sogar die Pritsche, mit der die Venus im Pelz ihren Sklaven mißhandelt, als ein »bedeutungsvolles Symbol« in Schutz, ein anderer muthiger Schriftsteller rief den moralischen Deutschen zu: »Einem ehrlichen Manne schießt das Blut in die Wangen, wenn er all diese Heuchelei für baare Münze hinnehmen soll. Herab mit der Maske! Ihr habt nicht Bannflüche genug für die Bilder Makart's, die Epen Hamerling's und die Romane Sacher-Masoch's, und doch steht Ihr stundenlang in Bewunderung versunken vor diesen Bildern, und Ihr verschlingt diese Epen und Romane, den lockenden Kelch glühender Leidenschaft leerend bis auf den Grund! Ihr affektirt große Abscheu vor dem Conterfei des Lasters! Jedenfalls gehört hierzu weniger Muth, als zu dem Versuche, die falschen Sittenhelden in ihrer Lügenhaftigkeit zu zeigen.«
Lange blieb selbst ruhig, endlich aber verlor ich doch die Geduld und publicirte die Schrift »Ueber den Werth der Kritik«, in welcher ich die ganze Fäulniß der deutschen Literaturzustände, die Ignoranz und Ehrlosigkeit der deutschen Presse schonungslos enthüllte und den deutschen Journalisten die französischen, welche die Fehltritte ihrer Feder mit dem Degen zu repariren verstehen, als Muster aufstellte. Allerdings feuerte ich mit Kanonen auf Sperling, aber es schadet nichts, wenn die Leute bei solchen Gelegenheiten sehen, daß man über Kanonen verfügt.
Vielleicht auf keinen Schriftsteller haben die Worte Nikolaus Gogel's in seinem berühmten Roman »Todte Seelen« so vollständige Anwendung, wie auf mich.
»Glücklich ist der Schriftsteller,« sagt er, »der ohne die widerlichen, durch ihre traurige Wirklichkeit überraschenden Charaktere eines Blickes zu würdigen, sich Charaktere erwählt, in denen sich die göttliche Menschenwürde abspiegelt, der aus dem tiefen Strome täglich wechselnder Gestalten sich nur wenige Ausnahmen erwählen kann, der von seinem Gipfel sich nie zu seinen armen, nichtigen Mitbrüdern herabgelassen und, ohne die Erde zu berühren, sich vor seinen hohen Abgöttern niederwirft. Mit berauschendem Weihrauch hat er die Augen der Menschen umhüllt, er hat ihnen wunderlieblich geschmeichelt, indem er die Schattenseite des Lebens bedeckt und nur die Glanzpunkte zeigt. Alles umringt ihn mit unendlichem Beifall, er wird der große Weltpoet genannt, er hat seines Gleichen nicht auf Erden!« (Das ist die Weise, auf welche Schiller der Lieblingsdichter der Deutschen wurde.) »Doch wie ganz anders ist das Loos jenes Schriftstellers, der sich erkühnt, das Alltägliche, den schrecklichen, anekelnden Schlamm der unser Leben umgebenden Erbärmlichkeit im Bilde darzustellen, der es wagt, mit dem kräftigen, unerbittlichen Grabstichel die ganze Tiefe kalter, zerstückelter Charaktere, von welchen unser irdischer Lebensweg wimmelt, zu bezeichnen, und sie klar und deutlich vor die Augen des Volkes hinzustellen! Er hört nicht den Beifall der Menge, er entrinnt auch nicht dem strengen Gerichte seiner Zeitgenossen, dem heuchlerischen, gefühllosen Gerichte, das die von ihm gepflegten Schöpfungen niedrig nennt, und ihm Herz und die göttliche Flamme des Talentes abspricht. Denn diese Gericht erkennt es nicht es nicht an, daß die Bewegung der kleinsten Insekten und der Glanz der Sonne gleich wunderbar, daß viel Gemüthstiefe dazu nöthig ist, um ein aus dem gewöhnlichen Leben aufgenommenes Bild mit dem warmen Schöpfungsstrahle zu beleben, daß es ein Gelächter giebt, das sich würdig mit den höheren lyrischen Regungen in eine Reihe stellt und himmelweit entfernt ist von den Zückungen eines gemeinen Lustigmachers. Ja, meine guten Leser, Sie wünschen nicht das menschliche Elend in seiner Blöße zu sehen. Wozu? sagt Ihr, zu welchem Zwecke? als ob wir nicht selbst wüßten, daß Vieles im Leben närrisch und verachtungswerth? Stellen Sie uns lieber etwas Schönes dar, zerstreuen Sie uns lieber, damit wir vergessen! – Wer anders als der Schriftsteller soll die heilige Wahrheit berichten? aber Ihr fürchtet den tiefen, durchdringenden Blick, Ihr selbst scheuet Euch, etwas fest und genau zu betrachten, Eure Augen gleiten nur leicht darüber hinweg.« –
Auch über mich jenes »heuchlerische Gericht« gehalten, von dem Gogol spricht, und nur, weil ich es wagte, das zu sein, was Schopenhauer von dem echten Dichter verlangt, »bis auf das Einzelne herab wahr, wie das Leben selbst.« Aber ich fand meine Rechtfertigung in den Worten des großen Frankfurter Philosophen, welcher in der »Welt als Wille und Vorstellung« pag. 294 sagt: »Ist doch überhaupt der Dichter der allgemeine Mensch: alles, was irgend eines Menschen Herz bewegt hat, und das die menschliche Natur in irgend einer Lage aus sich hervortreibt, was irgendwo in einer Menschenbrust wohnt und brütet, – ist sein Thema und sein Stoff; wie daneben auch die ganze übrige Natur. Daher kann der Dichter so gut die Wollust wie die Mystik besingen, Anakreon oder Angelus Silesius sein, Tragödien oder Komödien schreiben, die erhabene oder gemeine Gesinnung darstellen, – nach Laune und Beruf. Demnach darf Niemand dem Dichter vorschreiben, daß er edel und erhaben, moralisch, fromm, christlich oder dies oder das sein soll, noch weniger ihm vorwerfen, daß er dies und nicht jenes sei. Er ist der Spiegel der Menschheit, und bringt ihr, was sie fühlt und treibt, zum Bewußtsein.«
Der letzte Dichter, welcher in Deutschland seiner Aufgabe vollkommen entsprochen hat, welcher zugleich schön und naturwahr erscheint, ist Goethe. Die moderne deutsche Literatur hat sich so weit vom Leben, von der Natur und der Wahrheit entfernt, daß sie mit der neueren französischen, englischen, amerikanischen und russischen den Vergleich nicht aushält und im eigenen Lande nur ein kleines Publikum hat. Französische und englische Werke werden in Deutschland mit Recht mehr gelesen als deutsche, und Iwan Turgenjew zählt viel mehr Bewunderer und Verehrer unter den Deutschen als Auerbach und Spielhagen.
»Goethe hat unserer alternden Literatur vergebens zugerufen: ›Bilde, Künstler, rede nicht!‹« sagt Kürnberger; er hätte hinzufügen können, daß ein zweites Wort Goethe's: Jedes Gedicht soll ein Gelegenheitsgedicht sein, ebenso wenig Beachtung fand. Die modernen deutschen Dichter schreiben nicht, weil sie der Genius treibt, den Eindrücken, welche das Leben in ihrer Seele zurückläßt, Gestalt zu verleihen, sondern weil irgend ein Buch sie anregt, ein neues zu schreiben. Nun können aber vor allem Romane, welche nicht wie der »Werther« von Goethe, wie »Manon Lescaut« des Abbé Prevost, die »Todten Seelen« Gogol's, der »Jahrmarkt des Lebens« von Thackeray, aus dem Leben herausgewachsen, unmöglich ein »Spiegel der Menschheit« werden, ebenso wenig, als es genügen würde, die Wirklichkeit abzuschreiben oder zu photographiren, um dichterische Effekte hervorzubringen. »Der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit« – in diesem Satze liegt das ganze Geheimniß des Poeten, es scheint so einfach, aber von den modernen Deutschen hat es doch keiner verstanden.
Ich darf sagen, daß ich eine häßliche Wahrheit nie einer schönen Lüge zu Gefallen unterdrückt habe, ich habe das Wort Voltaire's, daß der Schriftsteller den Nationen die Binde des Irrthums löst, ernst genommen, ich habe auch nie das Leichtere erwählt: schön zu reden! sondern stets das ungleich Schwierigere: wahr zu bilden und zu gestalten!
Und alle meine Romane, welche nicht historische Stoffe behandeln, sind aus meinen Leben herausgewachsen, mit meinem Herzblut getränkt. Wohl verstanden, ich habe nicht etwa aus den einzelnen Kapiteln meiner Biographie Romane gemacht, das wäre ziemlich unkünstlerisch gewesen, aber in jeder meiner Erzählungen ist ein Nerv, der mir angehört, finden sich Motive, welche meinem Leben entnommen sind. Auch wo die Fabel vollkommen erfunden ist, sind es nicht die Charaktere, sind es nicht die einzelnen Scenen und Details. Das Gemälde ist bei meinen Werken immer das Eigenthum des Dichters, aber die Leinwand, auf der es entstanden, und auch die Grundirung gehört meiner Person, meinem Leben an. Ich bin nicht in Duell erschossen wie Wladimir in der »Mondnacht« und noch weniger der Peitsche eines glücklicheren Nebenbuhlers preisgegeben worden wie Severin in der »Venus im Pelz«, aber es gab eine Zeit, wo die bleiche Olga ihr lebensmüdes Haupt zärtlich an meiner Brust gebettet hatte, und eine andere, wo ich in allem Ernste der Sklave des schönen, grausamen Weibes in der rothen, mit Hermelin besetzten Kazabaika war.
Diese Wahrheit des Lebens, die aus meinen Schriften spricht, mußte anfangs in einem mit der Lüge befreundeten Lande, wie es Deutschland ist, befremden, ja eine Art Schrecken erregen, aber der Umschwung in der öffentlichen Meinung trat rascher ein, als ich und meine Freunde es zu hoffen wagten.
Ich gehöre zu den Schriftstellern, welche in Deutschland am meisten gelesen werden, und dies ist immerhin etwas, ich habe Anfeindungen erfahren, aber auch Enthusiasmus gefunden, wie kein zweiter jetzt lebender Schriftsteller, aus allen Theilen der Welt kamen und kommen mir noch immer hunderte von Briefen zu, in denen mir Menschen der verschiedensten Nationen und Stände, Frauen wie Männer, oft in überschwänglicher Weise ihre Begeisterung, ihre Zustimmung aussprechen. Wie sehr ich trotz »Kreuzzeitung« und »Magazin für die Literatur des Auslandes« auch in Deutschland populär geworden bin, beweisen die Inserate, welche sich von Zeit zu Zeit in deutschen Zeitung finden und auf meine Romane Bezug nehmen. Unlängst erst suchte in Berlin durch die »Vossische Zeitung« ein junger Mann eine Dame, welche die Neigung und Fähigkeit besitzen würde, mit ihm einen Roman im Genre meiner »Venus im Pelz« in Scene zu setzen.
Das »Vermächtniß Kains« wurde in beinahe alle Sprachen Europa's übersetzt, 1872 und 1873 in der Revue des deux Mondes (was ich als höchste Auszeichnung ansehe) und 1874 im Verlage von Hachette französisch publiziert, und fand in den tonangebenden Organen, insbesondere in der Revue des deux Mondes und dem Journal des Débats die größte kritische Anerkennung, die einem Dichter überhaupt zu Theil werden kann. Die französische Sprache ist noch immer die eigentliche Weltsprache und wird es bleiben, eine Pariser Kritik ist eine europäische Kritik, während eine Berliner oder Wiener auf Berlin und Wien beschränkt bleibt und nicht einmal in Deutschland allgemein gelesen wird.
Dem »Vermächtniß Kains« folgte eine Reihe leichterer Romane und flüchtiger Skizzen, zu den ersteren rechne ich: »Zur Ehre Gottes«, »Ein weiblicher Sultan«, »Russische Hofgeschichten«, »Gute Menschen und ihre Geschichten«; zu den letzteren: »Falscher Hermelin. Kleine Geschichten aus der Bühnenwelt«, und »Die Messalinen Wiens«.
Von früheren Werken erschienen »Kannitz«, »Der Emissär«, »Die geschiedene Frau« in zweiter, das Lustspiel »Der Mann ohne Vorurtheil« in dritter Auflage.
Nach manchen ernsten Kämpfen ist mein Leben zu einer Idylle geworden.
Das »Märchen vom Glück«, das ich geschildert, es ist zur Wahrheit geworden in meiner Ehe. Unlängst sagte mir ein alter Freund, der mich besuchte: »Ich habe bisher nicht geglaubt, daß es einen zufriedenen Menschen auf der Welt giebt, aber jetzt glaube ich daran.«
Ich lebe still und einsam mit meiner Frau, meinen Kindern und der lauten Gesellschaft, die ich mir selbst erschaffe, in dem kleinen Bruck an der Mur mitten in den grünen Bergen und Wäldern der Steiermark, welche mich ein wenig an meine Karpathen mahnen.
Ich liebe die Natur so von ganzem Herzen, daß ich nicht für die Dauer ohne sie sein kann, deshalb habe ich es in großen Städten nie lange ausgehalten. Mein größtes Vergnügen ist heute noch hier, wie es einst in meiner Heimath war, nur von meinem kleinen schwarzen Hunde begleitet, die Flinte auf der Schulter das Land zu durchstreifen, besonders dort, wo es recht wild ist und man keinem Menschen begegnet. Ich bin einmal so und werde mich nicht mehr ändern, ich sehe die Malerei des Abends lieber als jene Makart's und der Gesang einer Amsel macht mir viel mehr Vergnügen als eine Oper von Richard Wagner.
Und wenn ich dann zurückkehre und meine junge schöne Frau empfängt mich in ihrer behaglichen, mit Pelz besetzten Kazabaika, meine Kinder kommen mir jubelnd entgegen, die Eltern und Großeltern grüßen von den Wänden und der Samowar brodelt, dann habe ich keinen Wunsch mehr und kann sogar vergessen, daß ich in der Fremde bin.
Hier in meiner schönen, hinteren Einsamkeit entstanden die sechs Erzählungen, welche den zweiten Theil meines »Vermächtniß Kains«, »Das Eigenthum«, bilden, und von denen die Revue des deux Mondes bereits »La justice des paysans«, »Le Hajdamak« und »La Hasara raba« veröffentlicht hat, so wie der große Roman: »Die Ideale unserer Zeit«, welcher trotz aller Opposition der Journale binnen einem halben Jahre vier Auflagen erlebte. Kenner behaupten, daß ich in diesen beiden Werken einen nennenswerthen Fortschritt gemacht habe.
Ich darf auf das Erreichte mit einigem Stolz blicken. Nie hat mich ein Monarch protegirt, nie eine Partei oder Clique poussirt, nie hat ein Freund etwas für mich gethan.
Alles was mein ist, danke ich mir selbst und – meinen Feinden. Diese allerdings haben viel und eifrig dazu beigetragen, meinen Namen in Europa und Amerika bekannt zu machen, und so konnte ich dem zweiten Theil meines »Vermächtniß Kains« keinen besseren Wunsch auf den Weg geben als den: daß er ebenso viele Gegner finden möge als der erste.
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