Schliefen
sie nicht zusamm, könnt ichs allein vollbringen.
So aber mußt du mit.
CHRYSOTHEMIS abwehrend.
Elektra!
ELEKTRA.
Du!
denn du bist stark!
Dicht an ihr.
Wie stark du bist! dich haben
die jungfräulichen Nächte stark gemacht.
Wie schlank und biegsam deine Hüften sind!
Du windest dich durch jeden Spalt, du hebst dich
durchs Fenster! Laß mich deine Arme fühlen:
wie kühl und stark sie sind! Wie du mich abwehrst,
fühl ich, was das für Arme sind. Du könntest
erdrücken, was du an dich ziehst. Du könntest
mich, oder einen Mann mit deinen Armen
an deine kühlen festen Brüste pressen,
daß man ersticken müßte! Überall
ist so viel Kraft in dir! Sie strömt wie kühles
verhaltnes Wasser aus dem Fels. Sie flutet
mit deinen Haaren auf die starken Schultern!
herunter!
CHRYSOTHEMIS.
Laß mich!
ELEKTRA.
Nein: ich halte dich!
Mit meinen traurigen verdorrten Armen
umschling ich deinen Leib, wie du dich sträubst,
ziehst du den Knoten nur noch fester, ranken
will ich mich rings um dich und meine Wurzeln
in dich versenken und mit meinem Willen
das Blut dir impfen!
CHRYSOTHEMIS.
Laß mich!
Flüchtet ein paar Schritte.
ELEKTRA wild ihr nach, faßt sie am Gewand.
Nein!
CHRYSOTHEMIS.
Elektra!
laß mich!
ELEKTRA.
Ich laß dich nicht. Wir müssen so
verwachsen ineinander, bis das Messer,
das meinen Leib von deinem reißen wollte,
auch gleich den Tod uns gibt, denn nun sind wir
allein auf dieser Welt.
CHRYSOTHEMIS.
Elektra, hör mich.
Du bist so klug, hilf uns aus diesem Haus,
hilf uns ins Freie.
ELEKTRA ohne sie zu hören.
Du bist voller Kraft,
die Sehnen hast du wie ein Füllen, schlank
sind deine Füße, leicht umschling ich sie
mit meinen Armen wie mit einem Strick.
Ich spüre durch die Kühle deiner Haut
das warme Blut hindurch, mit meiner Wange
spür ich den Flaum auf deinen jungen Armen:
Du bist wie eine Frucht am Tag der Reife.
Von jetzt an will ich deine Schwester sein,
so wie ich niemals deine Schwester war!
Ich will mit dir in deiner Kammer sitzen
und warten auf den Bräutigam, für ihn
will ich dich salben, und ins duftige Bad
sollst du mir tauchen wie der junge Schwan
und deinen Kopf an meiner Brust verbergen,
bevor er dich, die durch die Schleier glüht
wie eine Fackel, in das Hochzeitsbett
mit starken Armen zieht.
CHRYSOTHEMIS schließt die Augen.
Nicht, Schwester, nicht.
Sprich nicht ein solches Wort in diesem Haus.
ELEKTRA.
O ja! weit mehr als Schwester bin ich dir
von diesem Tage an: ich diene dir
wie deine Sklavin. Wenn du liegst in Wehn,
steh ich an deinem Bette Tag und Nacht,
wehr dir die Fliegen, schöpfe kühles Wasser,
und wenn auf einmal auf dem nackten Schoß
dir ein Lebendiges liegt, erschreckend fast,
so heb ich dirs empor, so hoch! damit
sein Lächeln hoch von oben in die tiefsten
geheimsten Klüfte deiner Seele fällt
und dort das letzte, eisig Gräßliche
vor dieser Sonne schmilzt und dus in hellen
Tränen ausweinen kannst.
CHRYSOTHEMIS.
O bring mich fort!
Ich sterb in diesem Haus!
ELEKTRA an ihren Knieen.
Dein Mund ist schön,
wenn er sich einmal auftut um zu zürnen!
Aus deinem reinen starken Mund muß furchtbar
ein Schrei hervorsprühn, furchtbar wie der Schrei
der Todesgöttin, wenn man unter dir
so daliegt, wie nun ich: wenn man auf einmal
erwacht und wie die Todesgöttin dich
zu Häupten findet! wenn man unter dir
gebunden liegt, und so an dir hinaufsieht,
an deinem schlanken Leib mit starrem Aug
emporschaun muß, so wie Gescheiterte
emporschaun an der Klippe, eh sie sterben.
CHRYSOTHEMIS.
Was redest du?
ELEKTRA aufstehend.
Denn eh du diesem Haus
und mir entkommst, mußt du es tun!
CHRYSOTHEMIS will reden.
ELEKTRA hält ihr den Mund zu.
Dir führt
kein Weg hinaus als der. Ich laß dich nicht,
eh du mir Mund auf Mund es zugeschworen,
daß du es tun wirst.
CHRYSOTHEMIS windet sich los.
Laß mich!
ELEKTRA faßt sie wieder.
Schwör, du kommst
heut nacht, wenn alles still ist, an den Fuß
der Treppe.
CHRYSOTHEMIS.
Laß mich!
ELEKTRA hält sie am Gewand.
Mädchen, sträub dich nicht!
es bleibt kein Tropfen Blut am Leibe haften:
schnell schlüpfst du aus dem blutigen Gewand
mit reinem Leib ins hochzeitliche Hemd.
CHRYSOTHEMIS.
Laß mich!
ELEKTRA.
Sei nicht zu feige! Was du jetzt
an Schaudern überwindest, wird vergolten
mit Wonneschaudern Nacht für Nacht –
CHRYSOTHEMIS.
Ich kann nicht!
ELEKTRA.
Sag, daß du kommen wirst!
CHRYSOTHEMIS.
Ich kann nicht!
ELEKTRA.
Sieh,
ich lieg vor dir, ich küsse deine Füße!
CHRYSOTHEMIS ins Haustor entspringend.
Ich kann nicht!
ELEKTRA ihr nach.
Sei verflucht!
Vor sich, mit wilder Entschlossenheit.
Nun denn allein!
Sie fängt an der Wand des Hauses, seitwärts der Türschwelle, eifrig zu graben an, lautlos, wie ein Tier. Hält inne, sieht sich um, gräbt wieder.
Orest steht in der Hoftür, von der letzten Helle sich schwarz abhebend. Er tritt herein. Elektra blickt auf ihn. Er dreht sich langsam um, so daß sein Blick auf sie fällt. Elektra fährt heftig auf, zittert.
ELEKTRA.
Was willst du, fremder Mensch? was treibst du dich
zur dunklen Stunde hier herum, belauerst,
was andre tun! Kann sein, du selber hast
im Sinne, was von andern nicht belauscht
du wünschest. Also laß auch mich in Ruh.
Ich hab hier ein Geschäft. Was kümmerts dich!
Tritt ab und laß mich an der Erde wühlen.
Verstehst du, was man redet? oder läßt
die Neugier dich nicht los? Ich grab nichts ein,
ich grab was aus. Und nicht das Totenbein
von einem kleinen Kind, das ich vor Tagen
verscharrt hab. Nein, mein Bursch, ich gab kein Leben,
so braucht ich auch kein Leben zu ersticken,
noch zu vergraben. Wenn der Leib der Erde
einmal aus meinen Händen was empfängt,
so ists woraus ich kam, nicht was aus mir kam.
Ich grab was aus: kaum wirst du aus dem Licht sein,
so werd ichs haben und es herzen und
es küssen, so wie wenns mein lieber Bruder
und auch mein lieber Sohn in einem wäre.
OREST.
So hast du nichts auf Erden, was dir lieb ist,
daß du ein Etwas aus der Erde scharren
und küssen willst? bist denn du ganz allein?
ELEKTRA.
Ich bin nicht Mutter, habe keine Mutter,
bin kein Geschwister, habe kein Geschwister,
lieg vor der Tür und bin doch nicht der Wachhund,
ich red und stehe doch nicht Rede, lebe
und lebe nicht, hab langes Haar und fühle
doch nichts von dem, was Weiber, heißt es, fühlen:
kurz, bitte, geh und laß mich! laß mich! laß mich!
OREST.
Ich muß hier warten.
ELEKTRA.
Warten?
Eine Pause.
OREST.
Doch du bist
hier aus dem Haus? bist eine von den Mägden
des Hauses?
ELEKTRA.
Ja, ich diene hier im Haus.
Du aber hast hier nichts zu schaffen. Freu dich
und geh.
OREST.
Ich sagte dir, ich muß hier warten,
bis sie mich rufen werden.
ELEKTRA.
Die da drinnen?
Du lügst. Weiß ich doch gut, der Herr ist nicht zu Haus.
Und sie, was sollte sie mit dir?
OREST.
Ich und noch einer,
der mit mir ist, wir haben einen Auftrag
hier an die Frau.
ELEKTRA schweigt.
OREST.
Wir sind an sie geschickt,
weil wir bezeugen können, daß ihr Sohn
Orest gestorben ist vor unsren Augen.
Denn ihn erschlugen seine eignen Pferde.
Ich war so alt wie er, und sein Gefährte
bei Tag und Nacht; der andre, der mit mir ist,
ein alter Mann, der war der Aufseher
und Pfleger, den wir hatten.
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