Emilia Galotti
Gotthold Ephraim Lessing
Emilia Galotti
Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen
© 2009 buecher.de, Augsburg
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Personen:
Emilia Galotti;
Odoardo und Claudia Galotti, Eltern der Emilia;
Hettore Gonzaga, Prinz von Guastalla;
Marinelli, Kammerherr des Prinzen;
Camillo Rota, einer von des Prinzen Räten;
Conti, Maler;
Graf Appiani;
Gräfin Orsina;
Angelo und einige Bediente
Erster Aufzug
Erster Auftritt
Die Szene: ein Kabinett des Prinzen.
Der Prinz (an einem Arbeitstische voller Briefschaften und Papiere,
deren einige er durchläuft). Klagen, nichts als Klagen!
Bittschriften, nichts als Bittschriften!--Die traurigen Geschäfte; und
man beneidet uns noch!--Das glaub ich; wenn wir allen helfen könnten:
dann wären wir zu beneiden.--Emilia? (Indem er noch eine von den
Bittschriften aufschlägt und nach dem unterschriebenen Namen sieht.)
Eine Emilia?--Aber eine Emilia Bruneschi--nicht Galotti. Nicht Emilia
Galotti!--Was will sie, diese Emilia Bruneschi? (Er lieset.) Viel
gefodert, sehr viel.--Doch sie heißt Emilia. Gewährt! (Er
unterschreibt und klingelt, worauf ein Kammerdiener hereintritt.) Es
ist wohl noch keiner von den Räten in dem Vorzimmer?
Der Kammerdiener. Nein.
Der Prinz. Ich habe zu früh Tag gemacht.--Der Morgen ist so schön.
Ich will ausfahren. Marchese Marinelli soll mich begleiten. Laßt ihn
rufen. (Der Kammerdiener geht ab.)--Ich kann doch nicht mehr arbeiten.
--Ich war so ruhig, bild ich mir ein, so ruhig--Auf einmal muß eine
arme Bruneschi Emilia heißen:--weg ist meine Ruhe, und alles!--Der
Kammerdiener (welcher wieder hereintritt). Nach dem Marchese ist
geschickt. Und hier, ein Brief von der Gräfin Orsina.
Der Prinz. Der Orsina? Legt ihn hin.
Der Kammerdiener. Ihr Läufer wartet.
Der Prinz. Ich will die Antwort senden; wenn es einer bedarf.--Wo ist
sie? In der Stadt? oder auf ihrer Villa?
Der Kammerdiener. Sie ist gestern in die Stadt gekommen.
Der Prinz. Desto schlimmer--besser, wollt' ich sagen. So braucht der
Läufer um so weniger zu warten. (Der Kammerdiener geht ab.) Meine
teure Gräfin! (Bitter, indem er den Brief in die Hand nimmt) So gut,
als gelesen! (und ihn wieder wegwirft.)--Nun ja; ich habe sie zu
lieben geglaubt! Was glaubt man nicht alles? Kann sein, ich habe sie
auch wirklich geliebt. Aber--ich habe!
Der Kammerdiener (der nochmals hereintritt). Der Maler Conti will die
Gnade haben-Der Prinz. Conti? Recht wohl; laßt ihn hereinkommen.
--Das wird mir andere Gedanken in den Kopf bringen. (Steht auf.)
Zweiter Auftritt
Conti. Der Prinz.
Der Prinz. Guten Morgen, Conti. Wie leben Sie? Was macht die Kunst?
Conti. Prinz, die Kunst geht nach Brot.
Der Prinz. Das muß sie nicht; das soll sie nicht--in meinem kleinen
Gebiete gewiß nicht.--Aber der Künstler muß auch arbeiten wollen.
Conti. Arbeiten? Das ist seine Lust. Nur zu viel arbeiten müssen
kann ihn um den Namen Künstler bringen.
Der Prinz. Ich meine nicht vieles, sondern viel; ein weniges, aber
mit Fleiß.--Sie kommen doch nicht leer, Conti?
Conti.
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