. .«
In einigen Minuten hatte der französische Reisende Kenntnis von der Lage der Dinge; er vernahm nicht ohne Rührung, wie die Vorsehung es gefügt, daß die Documente gefunden wurden, die Geschichte des Kapitän Grant den edelmütigen Vorschlag der Lady Helena.
»Madame, sagte er, gestatten Sie mir, Ihr Verhalten bei all diesem zu bewundern, rückhaltlos zu bewundern. Ihre Jacht möge ununterbrochen die Fahrt fortsetzen; ich würde mir Vorwürfe machen, sie um einen einzigen Tag aufzuhalten.
– Wollen Sie sich uns zugesellen beim Aufsuchen? fragte Lady Helena.
– Unmöglich, Madame. Ich muß meinen Auftrag erfüllen. Ich werde bei Ihrem ersten Anhaltepunkt aussteigen . . .
– Zu Madeira also, sagte John Mangles.
– Zu Madeira, gut. Da bin ich nur hundertachtzig Meilen von Lissabon, und warte da die Mittel zur Ueberfahrt ab.
– Nun, Herr Paganel, sagte Glenarvan, es soll nach Ihrem Wunsch geschehen, und ich meines Teils schätze mich glücklich, Ihnen einige Tage lang auf meinem Schiffe Gastfreundschaft bieten zu können. Lassen Sie sich unsere Gesellschaft nicht langweilig werden!
– O! Mylord, rief der Gelehrte, ich fühle mich glücklich, auf so angenehme Weise mich geirrt zu haben. Demungeachtet ist's eine lächerliche Lage, sich nach Indien einzuschiffen, und nach Amerika zu fahren!«
Trotz dieser traurigen Bemerkung fand sich Paganel in die unvermeidliche Verzögerung. Er zeigte sich liebenswürdig, munter und selbst zerstreut; er bezauberte die Damen durch seine gute Laune; noch vor dem Abend war er Aller Freund. Auf seine Bitte wurde ihm das merkwürdige Document vorgelegt. Er studirte es sorgfältig lange, bis in's Kleinste, Es schien ihm keine andere Auslegung möglich. An Mary Grant und ihrem Bruder nahm er den lebhaftesten Anteil. Er machte ihnen viel Hoffnung. Seine Art, wie er die Ereignisse ansah, und dem Duncan unbestreitbaren Erfolg voraussagte, entlockte dem Mädchen ein Lächeln. Wahrhaftig, hätte er nicht den Auftrag gehabt, er hätte sich mit Eifer der Aufsuchung des Kapitäns angeschlossen!
Als er nun gar hörte, daß Lady Helena eine Tochter William Tuffnel's war, konnte er nicht fertig werden sie zu bewundern. Er war mit ihrem Vater persönlich bekannt. Was für ein kühner Gelehrter! Sie hatten Briefe gewechselt, als Tuffnel correspondirendes Mitglied der Gesellschaft wurde! Er selbst hatte ihn Herrn Malte-Brun vorgestellt! Welch' eine Fügung und welches Vergnügen, mit der Tochter William Tuffnel's zu reisen!
Endlich bat er Lady Helena um die Erlaubniß, sie zu umarmen. Lady Helena gestattete es, obschon es vielleicht etwas unpassend war.
Achtes Capitel.
An wackerer Mann mehr an Bord des Duncan.
Unterdessen fuhr die Jacht, vom Nordwind begünstigt, mit reißender Schnelligkeit dem Äquator zu. Am 30. August bekam man die Madeiragruppe in Sicht. Glenarvan bot, seinem Versprechen gemäß, seinem neuen Gast an, zu halten, um ihn aussteigen zu lassen.
»Mein lieber Lord", erwiderte Paganel, "ich will bei Ihnen unumwunden reden. Hatten Sie, ehe ich an Bord gekommen, die Absicht, zu Madeira anzulegen"?
– Nein, sagte Glenarvan.
– Nun denn, gestatten Sie mir, aus den Folgen meiner unglückseligen Zerstreuung Nutzen zu ziehen. Madeira ist eine allbekannte Insel. Sie bietet einem Geographen nichts Interessantes dar. Man hat über diese Gruppe Alles gesagt und geschrieben; zudem ist sie in Hinsicht des Weinbaues herabgekommen. Denken Sie, es gibt fast keinen Weinbau mehr zu Madeira. Die Weinernte, welche im Jahre 1813 zweiundzwanzigtausend Pipen[Fußnote: Ein Faß von fünfzig Hektoliter.] betrug, war im Jahre 1845 auf zweitausendsechshundertneunundsechzig herabgesunken; und gegenwärtig beläuft sie sich kaum auf fünfhundert! Das ist eine traurige Erscheinung.
1 comment