Darauf änderte sich die Witterung. Es trat die Regenzeit ein mit ihrer schweren, feuchten Luft, eine Zeit, die den Reisenden unangenehm, aber den Bewohnern der afrikanischen Inseln nützlich ist, denn sie haben Mangel an Bäumen, und folglich auch an Wasser. Das sehr unruhige Meer verhinderte die Passagiere, sich ans dem Verdeck aufzuhalten; aber die Unterhaltungen im gemeinschaftlichen Zimmer waren sehr belebt.

Am 3. September bereitete Paganel sein Gepäck zum baldigen Aussteigen vor. Der Duncan fuhr zwischen den Capverdischen Inseln durch, vor der Salzinsel vorüber, die eine wahre Salzgrube, unfruchtbar und öde ist, längs ungeheuern Korallenbänken, ließ die Insel San-Jago quer, welche von Norden nach Süden von einer Kette Basalthügel durchzogen ist, die mit zwei hohen Spitzen endigt. Darauf lief John Mangles in die Bai von Villa Praïa ein, und ankerte bald vor der Stadt bei acht Faden Tiefe. Es war entsetzliche Witterung und der Wellenschlag am Ufer äußerst heftig, obwohl die Bai gegen die Winde von der Seite her geschützt war. Der Regen fiel in Strömen, und gestattete kaum die Stadt zu sehen, welche auf einer terrassenförmigen Ebene lag, die sich an Strebepfeiler vulkanischer dreihundert Fuß hoher Felsen lehnt. Der Anblick der Insel durch diesen dichten Vorhang von Regen war entsetzlich.

Lady Helena mußte ihr Vorhaben, die Stadt zu sehen, aufgeben; das Einnehmen der Kohlen ging nur mit großen Schwierigkeiten vor sich. Die Passagiere des Duncan waren innerhalb des Hinterverdecks eingeschlossen, während Meer und Himmel ihre Gewässer in unaussprechlicher Verwirrung mischten. Die Witterung war natürlich an Bord der Hauptgegenstand der Unterhaltung. Jeder äußerte seine Meinung mit Ausnahme des Majors, welcher mit vollständiger Gleichgiltigkeit einer allgemeinen Überschwemmung zugesehen hätte. Paganel ging mit Kopfschütteln ab und zu.

»Es ist eine ausdrückliche Thatsache, sprach er.

– Ganz gewiß, erwiderte Glenarvan, haben sich die Elemente wider sie verschworen.

– Doch werde ich ihrer Meister werden.

– Einem solchen Regen können Sie nicht Trotz bieten.

– Ich für meine Person, Madame, gewiß. Ich bin nur für mein Gepäck und die Instrumente besorgt. Alles wird zu Grunde gehen.

– Nur das Ausschiffen ist zu fürchten, fuhr Glenarvan fort. Sind Sie einmal zu Villa Praïa, so sind Sie da nicht übel aufgehoben; etwas unreinlich freilich: in Gesellschaft mit Affen und Schweinen, mit denen man nicht immer gern in Berührung kommt. Aber ein Reisender macht sich nicht viel daraus. Uebrigens steht zu hoffen, daß Sie in sieben bis acht Monaten sich nach Europa einschiffen können.

– Sieben bis acht Monate! rief Paganel.

– Zum Mindesten. Zur Regenzeit werden die Capverdischen Inseln nicht stark besucht. Aber Sie können ihre Zeit nützlich hinbringen. Diese Inselgruppe ist noch wenig bekannt; in Topographie, Klimatologie, Ethnographie, Hypsometrie ist da noch viel zu thun.

– Da können Sie Flüsse erforschen, sagte Lady Helena.

– Es giebt da keine, Madame, erwiderte Paganel.

– Nun dann, Bäche?

– Die giebt's auch nicht.

– Den Lauf der Gewässer also?

– Ebensowenig.

– Gut, sagte der Major, so machen Sie sich an die Wälder.

– Um Wälder zu haben, bedarf's der Bäume; aber Bäume giebt's da nicht.

– Ein hübsches Land, versetzte der Major.

– Trösten Sie sich, lieber Paganel, sagte darauf Glenarvan; Sie werden wenigstens Berge haben.

– O! die sind nicht hoch und wenig interessant, Mylord. Und übrigens ist darin nichts mehr zu thun.

– Nichts zu thun! sagte Glenarvan.

– Nein, und so geht's mir aber stets. Auf den Canarien hatte ich Humboldt's Arbeiten mir zuvor; hier ist mir ein Geologe Charles Sainte-Claire Déville zuvorgekommen!

– Nicht möglich!

– Ganz gewiß, erwiderte Paganel mit klagendem Ton. Dieser Gelehrte befand sich an Bord der Staatscorvette La Decidée, während sie bei den Capverdischen Inseln sich aufhielt, hat er den interessantesten Gipfel der Gruppe besucht, den Vulkan der Insel Fogo. Was soll ich nach ihm noch machen?

– Das ist in der That sehr zu bedauern, erwiderte Lady Helena. Was wird dann aus Ihnen werden, Herr Paganel?«

Paganel schwieg eine kleine Weile.

»Ganz gewiß, fuhr Glenarvan fort, hätten Sie besser gethan, auf Madeira zu landen, obschon es da keinen Wein mehr giebt!«

Abermalige Pause des gelehrten Secretärs der Geographischen Gesellschaft.

»Ich würde es abwarten, sagte der Major, gerade als sagte er: Ich würde nicht abwarten.

– Lieber Glenarvan, fuhr dann Paganel fort, wo denken Sie hernach anzulegen?

– O! nicht eher als zu Concepcion.

– Teufel, das bringt mich weit von Indien weg.

– Im Gegentheil, so wie Sie Cap Horn hinter sich haben, kommen Sie ihm immer näher.

– Ich vermuthe wohl.

– Uebrigens, fuhr Glenarvan mit dem größten Ernst fort, will man nach Indien, so liegt am Ende wenig daran, ob es Ost- oder West-Indien ist.

– Wie so?

– Ohne in Anschlag zu bringen, daß die Bewohner der Pampas in Patagonien ebenso wohl Indier sind, als die Eingeborenen des Pendjab.

– Ei! der Tausend, Mylord, rief Paganel, das ist ein Grund, der mir nie in den Sinn gekommen wäre!

– Und dann, lieber Paganel, man kann überall die goldene Medaille sich verdienen; überall ist noch etwas zu thun, zu forschen, zu entdecken, in den Cordilleren, wie in den Gebirgen Tibets.

– Aber der Lauf des Yarou-Dzangbo-Tchou?

– Gut! Den tauschen Sie mit dem Rio Colorado! Dieser Fluß ist noch wenig gekannt, und auf den Karten fließt er etwas nach der Phantasie der Geographen.

– Ich weiß es, lieber Lord, es giebt da manche erhebliche Irrthümer. O! ich zweifle nicht, daß auf mein Ersuchen die Geographische Gesellschaft mich ebenso wohl nach Patagonien, als nach Indien geschickt haben würde. Aber ich hab' nicht daran gedacht.

– Weil Sie stets zerstreut sind.

– Sehen Sie, Herr Paganel, mögen Sie uns nicht begleiten? sagte Lady Helena mit ihrem herzgewinnenden Ton.

– Madame, und mein Auftrag?

– Ich sage Ihnen, daß wir durch die Magelhaen'sche Straße fahren werden, fuhr Glenarvan fort.

– Mylord, Sie bringen mich in Versuchung.

– Ich füge bei, daß wir Port Famine besuchen werden!

– Port Famine, rief der Franzose, dieser in den Annalen der Geographie so berühmte Hafen!

– Bedenken Sie auch, Herr Paganel, fuhr Lady Helena fort, daß Sie bei dieser Unternehmung berechtigt wären, den Namen Frankreichs dem Schottlands zuzugesellen!

– Ja, ohne Zweifel!

– Ein Geograph kann unserer Unternehmung nützen, und was giebt's Schöneres, als die Wissenschaft der Humanität zu Gebot zu stellen?

– Das war ein schöner Gedanke, Madame.

– Glauben Sie mir. Lassen Sie den Zufall walten, oder vielmehr die Vorsehung.