Farm der Tiere - illustriert

Cover

 

Titel des englischen Originals »Animal Farm: A Fairy Story« (1945) Veröffentlicht im Diogenes Verlag, 1982

Farm der Tiere

Neu übersetzt von Michael Walter

Mit einem neuentdeckten Nachwort des Autors

Mit Zeichnungen von F. K. Waechter

 

Backcover

Die Details der Geschichte wollten mir ziemlich lange nicht in den Sinn kommen, bis ich eines Tages einen kleinen Jungen sah, vielleicht zehn Jahre alt, der ein riesiges Zugpferd einen schmalen Pfad entlang lenkte und es, jedesmal wenn es sich abzuwenden versuchte, peitschte. Es kam mir zum Bewußtsein, daß, wenn solche Tiere sich ihrer Kraft nur bewußt würden, wir keine Macht über sie hätten und daß die Menschen die Tiere in ziemlich derselben Weise ausbeuten wie die Reichen das Proletariat.

George Orwell

 

Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher. Zum 80. Geburtstag von George Orwell die Fabel des Jahrhunderts neu übersetzt und illustriert

»Seit Gullivers Reisen ist keine Parabel mehr geschrieben worden, die es an Tiefe und beißendem Spott mit der Farm der Tiere aufnehmen kann.«

Arthur Koestler

 

Inhalt

  • Farm der Tiere
  • Kapitel I
  • Kapitel II
  • Kapitel III
  • Kapitel IV
  • Kapitel V
  • Kapitel VI
  • Kapitel VII
  • Kapitel VIII
  • Kapitel IX
  • Kapitel X
  • Die Pressefreiheit
  • Kapitel I

    Mr. Jones von der Herren-Farm hatte die Hühnerställe zur Nacht zugesperrt, war aber zu betrunken, um auch noch daran zu denken, die Schlupflöcher dichtzumachen. Im hin- und hertanzenden Lichtkreis seiner Laterne schlingerte er quer über den Hof, schleuderte sich an der Hintertür die Stiefel von den Füßen, zapfte sich aus dem Fäßchen in der Spülküche ein letztes Glas Bier und schaffte sich hoch ins Bett, wo Mrs. Jones bereits schnarchte.

    Gleich als das Licht im Schlafzimmer erlosch, begann es in allen Farmgebäuden zu kreuchen und fleuchen. Tagsüber hatte sich die Kunde verbreitet, daß Old Major, der preisgekrönte, mittelgroße, weiße Keiler, vergangene Nacht einen sonderbaren Traum gehabt hätte, den er den übrigen Tieren mitteilen wolle. Man war übereingekommen, sich vollzählig in der großen Scheune einzufinden, sobald Mr. Jones nicht mehr im Wege stand. Old Major (wie er stets genannt wurde, obwohl der Name, unter dem er ausgestellt worden war, 'Willingdoncer Pracht' lautete) genoß ein so hohes Ansehen auf der Farm, daß ein jeder gern bereit war, ein Stündchen Schlaf zu opfern, um zu hören, was er zu sagen hatte.

    Auf einer Art Empore an einem Ende der großen Scheune hatte es sich Major auf seinem Strohlager bereits behaglich gemacht. Über ihm baumelte eine Laterne von einem Balken. Er zählte zwölf Jahre und hatte in letzter Zeit tüchtig angespeckt, war aber noch immer ein majestätisch anzuschauendes Schwein von weiser und gütiger Erscheinung, ungeachtet des Umstands, daß seine Hauer nie gekappt worden waren. Bald begannen auch die übrigen Tiere einzutreffen und es sich nach ihrer jeweiligen Art bequem zu machen. Zuerst kamen die drei Hunde, Glockenblume, Jessie und Zwickzwack, und dann die Schweine, die sich im Stroh direkt vor der Plattform niederließen. Die Hühner hockten sich auf die Fenstersimse, die Tauben flatterten ins Sparrenwerk auf, die Schafe und Kühe lagerten sich hinter den Schweinen und fingen an wiederzukäuen. Die beiden Zugpferde, Boxer und Kleeblatt, kamen gemeinsam herein; sie gingen sehr langsam und setzten ihre mächtigen, behaarten Hufe aus Furcht, es könne irgendein kleines Tier im Stroh verborgen liegen, ganz behutsam auf. Kleeblatt war eine stämmige Mutterstute, die sich den mittleren Jahren näherte und die nach ihrem vierten Fohlen ihre alte Figur nie wieder so recht zurückgewonnen hatte. Boxer war ein Mordstier, beinahe achtzehn Hand hoch und so stark wie zwei gewöhnliche Pferde zusammen. Eine Blesse auf der Nase verlieh ihm ein etwas dümmliches Aussehen, und er war auch wirklich keine große Leuchte, wurde aber wegen seiner Charakterfestigkeit und ungeheuren Arbeitskraft allgemein geachtet. Nach den Pferden kamen Muriel, die weiße Ziege, und Benjamin, der Esel. Benjamin war das älteste Tier auf der Farm und das übellaunigste. Er sprach selten, und wenn, dann meist nur, um irgend eine zynische Bemerkung von sich zu geben - er sagte beispielsweise, Gott habe ihm zwar einen Schwanz geschenkt, um damit die Fliegen zu verscheuchen, doch er persönlich würde lieber sowohl auf Schwanz wie Fliegen verzichtet haben. Er war das einzige Tier auf der Farm, das niemals lachte. Fragte man ihn warum, so pflegte er zu entgegnen, er fände nichts zum Lachen. Trotzdem hing er, ohne dies offen einzugestehen, an Boxer; die beiden verbrachten für gewöhnlich ihre Sonntage zusammen auf der kleinen Koppel hinter dem Obstgarten, grasten Flanke an Flanke und sagten nie einen Ton.

    Die beiden Pferde hatten sich eben niedergelegt, da schnürte eine Schar Entlein, die ihre Mutter verloren hatten, kläglich piepsend in die Scheune und watschelte hin und her, um einen Platz zu finden, wo man nicht auf sie treten würde. Kleeblatt legte mit ihrem langen Vorderbein eine Art Mauer um sie, und die Entlein kuschelten sich ein und waren auf der Stelle eingeschlafen. Im letzten Augenblick kam Mollie, die törichte, hübsche Schimmelstute, die Mr.