P.

 

Einem hochedlen Stadtrat oder einer trefflichen Testamentsexekution die Freude zu malen, daß Sie und die Klausel: Ließe sich ein habiler, dazu gesattelter Schriftsteller etc. mich aus 55000 zeitigen Autoren zum Geschichtschreiber eines Harnisch ausgelesen; Ihnen mit bunten Farben das Vergnügen zu schildern, daß ich mit solchen Arbeiten und Mitarbeitern beehrt worden: dazu hatt' ich vorgestern, da ich mit Weib und Kind und allem von Meinungen nach Koburg zog und unzählige Dinge auf- und abzuladen hatte, ganz natürlich keine Zeit. Ja, kaum war ich zum Stadttore und zur Haustüre hinein, so ging ich wieder heraus auf die Berge, wo eine Menge schöner Gegenden neben- und hintereinander wohnen: »Wie oft«, sagt' ich droben, »wirst du dich nicht künftig auf diesen Tabors verklären!«

Hier send' ich dem etc. etc. Stadtrate die erste Nummer, Bleiglanz überschrieben, ganz ausgearbeitet; ich bitte aber die trefflichen Exekutoren, zu bedenken, daß die künftigen Nummern reicher und feiner ausfallen und ich mich darin mehr werde zeigen können als in der ersten, wo ich fast nichts zu machen hatte als die Abschrift der erhaltenen Testaments-Kopie. Das Katzensilber aus Thüringen habe ganz erhalten; nächstens läuft das Kapitel dafür ein, das aus einer Kopie des gegenwärtigen Briefes, für die Leser, bestehen soll. Ein weder zu barocker noch zu verbrauchter Titel für das Werk ist auch schon fertig; Flegeljahre ist es betitelt.

So hat denn die Maschine ihren ordentlichen Mühlengang. Wenn die van der Kabelsche Kunst- und Naturalien-Sammlung siebentausendundzweihundertunddrei Stücke und Nummern stark ist, wie ich aus dem Inventarium ersehe: so werden wir wohl, da der Selige für jedes Stück sein ganzes Kapitel haben will, die Kapitel etwas einlaufen lassen müssen, weil sonst ein Werk herauskäme, das sich länger ausstreckte als alle meine opera omnia (inclusive dieses) zusammengenommen. In der gelehrten Welt sind ja alle Kapitel erlaubt, Kapitel von einem Alphabet bis zu Kapiteln von einer Zeile.

Was die Arbeit selber anlangt, so verpfändet sich der Meister einem hochedlen Stadtrate dafür, daß er eine liefern will, die man keck jedem Mitmeister, er sei Stadt- oder Frei- und Gnadenmeister, zu beschauen geben kann, besonders da ich vielleicht mit dem sel. van der Kabel, sonst Richter, selber verwandt bin. Das Werk – um nur einiges vorauszusagen – soll alles befassen, was man in Bibliotheken viel zu zerstreut antrifft; denn es soll ein kleiner Supplementband zum Buche der Natur werden und ein Vorbericht und Bogen A zum Buche der Seligen Dienstboten, angehenden Knaben und erwachsenen Töchtern wie auch Landmännern und Fürsten werden darin die Collegia conduitica gelesen –

Ein Stylisticum lieset das Ganze –

Für den Geschmack der fernsten, selber der geschmacklosesten Völker wird darin gesorgt; die Nachwelt soll darin ihre Rechnung nicht mehr finden als Mit- und Vorwelt –

Ich berühre darin die Vakzine – den Buch- und Wollenhandel – die Monatsschriftsteller – Schellings magnetische Metapher oder Doppelsystem – – die neuen Territorialpfähle – die Schwänzelpfennige – die Feldmäuse samt den Fichtenraupen – und Bonaparten, das berühr' ich, freilich flüchtig als Poet –

Über das weimarsche Theater äußer' ich meine Gedanken, auch über das nicht kleinere der Welt und des Lebens –

Wahrer Scherz und wahre Religion kommen hinein, obwohl diese jetzt so selten ist als ein Fluch in Herrnhut oder ein Bart am Hof. –

Böse Charaktere, so mir der hochedle Rat hoffentlich zufertigt, werden tapfer gehandhabt, doch ohne Persönlichkeiten und Anzüglichkeiten; denn schwarze Herzen und schwarze Augen sind ja – näher in letztere gefasset – nur braun; und ein Halbgott und ein Halbvieh können sehr gut dieselbe zweite Hälfte haben, nämlich die menschliche – und darf die Peitsche wohl je so dick sein als die Haut? –

Trockne Rezensenten werden ergriffen und (unter Einschränkung) durch Erinnerungen an ihre goldne Jugend und an so manchen Verlust bis zu Tränen gerührt, wie man mürbe Reliquien ausstellt, damit es regne –

Über das siebzehnte Jahrhundert wird frei gesprochen, und über das achtzehnte human, über das neueste wird gedacht, aber sehr frei –

Das Schaf, das eine Chrestomathie oder Jean Pauls Geist aus meinen Werken auszog mit den Zähnen, bekommt aus jedem Bande einen Band zu extrahieren in die Hand, so daß besagtes gar keine Auslese, sondern nur eine Abschrift zu machen braucht, samt den einfältigsten Noten und Präfationen –

Gleich dem Not- und Hülfs-Büchlein muß das Buch Arzneimittel, Ratschläge, Charaktere, Dialogen und Historien liefern, aber so viele, daß es jenem Not- könnte beigebunden werden als Hülfs-Buch, als weitläuftiger Auszug und Anhang, weil jedes Werk der Darstellung so gut aus einem Spiegel in eine Brille muß umzuschleifen sein, als venezianische Spiegelscherben zu wirklichen Brillengläsern genommen werden –

In jeden Druckfehler soll sich Verstand verstecken und in die errata Wahrheiten –

Täglich wird das Werkchen höher klettern, aus Lesebibliotheken in Leihbibliotheken, aus diesen in Ratbibliotheken, die schönsten Ehren- und Parade-Betten und Witwensitze der Musen – –

Aber ich kann leichter halten als versprechen. Denn ein Opus wirds...

O hochedler Stadtrat! Exekutoren des Testaments! sollt' es mir einst vergönnet werden, in meinem Alter alle Bände der Flegeljahre ganz fertig abgedruckt in hohen, aus Tübingen abgeschickten Ballen um mich stehen zu sehen – –

Bis dahin aber erharr' ich mit sonderbarer Hochachtung

 

Ew. Wohlgeb.

etc. etc. etc.

J. P. F. Richter

Legaz.

 

Koburg, den 6. Juni 1803

 

Die im Briefe an die Exekutoren versprochene Kopie desselben für den Leser ist wohl jetzt nicht mehr nötig, da er ihn eben gelesen. Auf ähnliche Weise setzen uneigennützige Advokaten in ihren Kostenzetteln nur das Macherlohn für die Zettel selber an, setzen aber nachher, wiewohl sie ins Unendliche fort könnten, nichts weiter für das Ansetzen des Ansetzens an.

Ob aber der Verfasser der Flegeljahre nicht noch viel nähere historische Leithämmel und Leithunde zu einer so wichtigen Geschichte vorzutreiben und zu verwenden habe als bloß einen trefflichen Stadtrat; und wer besonders sein herrlichster Hund und Hammel darunter sei – darüber würde man jetzt die Leser mit dem größten Vergnügen beruhigen, wenn man sich überzeugen könnte, es sei sachdienlich, es sei prudentis.

 

Nr. 3. Terra Miraculosa Saxoniae

 

Die Akzessit-Erben – der schwedische Pfarrer

 

Nach Ablesung des Testaments verwunderten sich die sieben Erben unbeschreiblich auf sieben Weisen im Gesicht. Viele sagten gar nichts. Alle fragten, wer von ihnen den jungen Burschen kenne, ausgenommen der Hoffiskal Knoll, der selber gefragt wurde, weil er in Elterlein Gerichtshalter eines polnischen Generals war. Es sei nichts Besonderes am jungen Haeredipeta, versetzte Knoll, sein Vater aber wollte den Juristen spielen und sei ihm und der Welt schuldig. – Vergeblich umrangen die Erben den einsilbigen Fiskal, ebenso rats- als neubegierig.

Er erbat sich vom Gerichte eine Kopie des Testaments und Inventars, andere vornehme Erben wandten gleichfalls die Kopialien auf. Der Bürgermeister erklärte den Erben, man werde den jungen Menschen und seinen Vater auf den Sonnabend vorbescheiden. Knoll erwiderte: da er übermorgen, das heißt den 13ten hujus, nämlich Donnerstags, in Gerichts-Geschäften nach seiner Gerichtshalterei Elterlein gehe, so sei er imstande, dem jungen Peter Gottwalt Harnisch die Zitation zu insinuieren. Es wurde bewilligt.

Jetzt suchte der Kirchenrat Glanz nur auf eine kurze Leseminute um das Blättchen nach, worauf Harnisch den Wunsch einer schwedischen Pfarrei sollte ausgemalet haben.