Und wenn auch im
Hinblick auf die Bedeutung jedes einzelnen Tages für die
technischen Erfindungen durfte ich doch hoffen, daß mir endlich der
Lorbeer des Sieges zuteil würde. Die Größe und Kompliziertheit
meines Unternehmens war mir noch lange kein Beweis für seine
Undurchführbarkeit. Mit diesen Gefühlen machte ich mich dann
endlich an die Erschaffung des menschlichen Wesens. Da die Feinheit
der einzelnen Teile lange Zeit zu ihrer Nachbildung erfordert
hätte, beschloß ich, entgegen meiner ursprünglichen Absicht, dem
Wesen eine gigantische Statur zu geben. Das heißt, ich wollte ihm
eine Größe von acht Fuß geben. Es dauerte noch einige Monate, bis
ich alles Nötige beisammen hatte und beginnen konnte.
Es ist unmöglich die Gefühle zu schildern, die mich wie ein
Sturmwind durchbrausten. Leben und Tod erschienen mir zwei
Schranken, die ich durchbrechen und einen Strom von Licht über die
finstere Welt gießen durfte. Eine neue Art von Menschenwesen würden
mich als ihren Schöpfer preisen und manches Gute und Edle sollte
seinen Ursprung mir zu verdanken haben. Kein Vater sollte der
Dankbarkeit seiner Kinder so wert sein wie ich. Damals kam ich auf
die Idee, die ich allerdings dann später als durchaus
undurchführbar erkannte, daß es mir, der ich imstande war, leblose
Materie lebend zu machen, möglich sein müßte, auch da wieder Leben
zu erzeugen, wo der Tod bereits zerstörend eingegriffen hatte.
Diese Gedanken waren es, die mir immer wieder Kraft zu meinem
Unternehmen verliehen. Meine Wangen waren bleich geworden und mein
Körper der Erschöpfung nahe. Manchmal meinte ich, ganz nahe an
meinem Ziele verzagen zu müssen. Aber ich klammerte mich an die
Hoffnung, daß die nächsten Tage, die nächsten Stunden schon eine
Entscheidung bringen würden. Die Freude meines Lebens war das
Geheimnis, von dem nur ich allein wußte, und oftmals leuchtete mir
der Mond bei meinen mitternächtlichen Arbeiten, die mich bis an die
verstecktesten Winkel des Naturschaffens führen sollten. Ich
unterlasse es, Ihnen die Greuel meines einsamen Schaffens zu
schildern, wie ich im Unrat von Gräbern
wühlte und lebende Wesen zu Tode quälte, um toten Staub zu beleben.
Heute zittern meine Knie und es flimmert vor meinen Augen, wenn ich
an das alles denke. Aber damals trieb es mich rastlos,
rücksichtslos weiter, so daß ich jeden Sinn für anderes verlor. In
einem stillen, abgelegenen Zimmer, oder besser gesagt einer Kammer
unter dem Dache, von allen übrigen Räumen durch eine Galerie und
eine Treppe getrennt, vollbrachte ich mein ekelerregendes Werk. Die
Augen traten mir aus den Höhlen vor Erregung und Anspannung. Die
Beinhäuser, der Seziersaal und auch die Schlächterwerkstatt
lieferten mir mein Material, und oft wandte sich mein Inneres voll
Abscheu von dieser Beschäftigung ab, während meine Schöpfung immer
mehr ihrer Vollendung entgegeneilte.
Unterdessen waren die Sommermonate dahingeflossen. Es war eine
herrliche Zeit gewesen und niemals noch hatten die Felder so reich
gesegnet dagestanden. Aber meine Augen waren für solche Reize zu
jener Zeit völlig unzugänglich. Und aus demselben Grunde, weshalb
ich keine Freude an der Natur mehr hatte, vergaß ich auch der
treuen, lieben Menschen, von denen ich so weit entfernt war und die
ich schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Ich wußte, daß sie
mein Schweigen beunruhigen mußte und erinnerte mich noch recht wohl
der Worte meines Vaters: »Wenn du mit dir selbst zufrieden bist,
wirst du auch unser in Liebe gedenken und wir werden regelmäßig von
dir hören. Du darfst es mir nicht verübeln, wenn ich langes
Schweigen deinerseits als einen Beweis dafür ansehe, daß du deine
anderen Pflichten in gleicher Weise vernachlässigst.«
Ich konnte mir also gar nicht im Zweifel darüber sein, was mein
Vater von mir denken mußte; aber mein Werk hatte mich, so widerlich
es an sich war, dermaßen gepackt, daß ich mich nicht mehr losreißen
konnte. Ich wollte deshalb alles, was mit Aufmerksamkeit für andere
zusammenhing, hinausschieben, bis der große Wurf gelungen wäre.
Ich zieh meinen Vater damals der Ungerechtigkeit, daß er mir
Nachlässigkeit vorwarf; aber heute weiß ich gewiß, daß er
recht hatte, wenn er mich nicht von Schuld
freisprach. Ein vollkommener Mensch muß sich immer die Seele ruhig
und friedvoll erhalten und darf keiner Leidenschaft auch keinem
vorübergehenden Begehren gestatten, ihn zu verwirren. Ich wage
nicht zu behaupten, daß wissenschaftlicher Eifer eine Ausnahme
bedinge. Wenn das Studium, dem man sich widmet, die Gefühle der
Liebe und Dankbarkeit vernichtet und den Sinn für einfache Freuden
tötet, dann ist es sicher nicht nützlich für den menschlichen
Geist. Wenn diese Regel immer beachtet worden wäre, dann wäre
Griechenland nicht unterjocht worden, Cäsar hätte sein Vaterland
verschont und die alten, mächtigen Reiche in Mexiko und Peru wären
nicht untergegangen.
Aber eben merke ich, daß ich mitten im interessantesten Teil
meiner Erzählung zu philosophieren beginne. Ihre Augen mahnen mich
fortzufahren.
Mein Vater machte mir in seinen Briefen keine Vorwürfe wegen
meines Schweigens und bekundete nur dadurch sein Interesse daran,
daß er sich eingehender als bisher um meine Studien kümmerte.
Winter, Frühling und Sommer waren über meiner Arbeit
dahingeflossen; aber ich beachtete nicht das Blühen und Sprießen.
Früher hatten diese Erscheinungen mich stets mit der größten Freude
erfüllt, so tief war ich in meine Ideen vergraben.
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