Es gähnte behaglich. Aber sie bildete sich ein, das Tier habe auch einen Kummer. Die Rührung überkam sie, und sie begann laut mit dem Hunde zu sprechen, genau so wie zu jemandem, den man in seiner Betrübnis trösten will.
Zuweilen blies ruckweiser Wind, der vom Meere herkam und mächtig über das ganze Hochland von Caux strich und weit in die Lande hinein salzige Frische trug. Das Schilf bog sich pfeifend zu Boden, fliehende Schauer raschelten durch das Blätterwerk der Buchen, während sich die Wipfel rastlos wiegten und in einem fort laut rauschten. Emma zog ihr Tuch fester um die Schultern und erhob sich.
In der Allee, über dem teppichartigen Moos, das unter Emmas Tritten leise knisterte, spielten Sonnenlichter mit den grünen Reflexen des Laubdaches. Das Tagesgestirn war im Versinken; der rote Himmel flammte hinter den braunen Stämmen, die in Reih und Glied kerzengerade dastanden und den Eindruck eines Säulenganges an einer goldnen Wand entlang erzeugten.
Emma ward bang zumute. Sie rief den Hund heran und beeilte sich, auf die Landstraße und heimzukommen. Zu Hause sank sie in einen Lehnstuhl und sprach den ganzen Abend kein Wort.
Da, gegen Ende des Septembers, geschah etwas ganz Besonderes in ihrem Leben. Bovarys bekamen eine Einladung nach Vaubyessard, zu dem Marquis von Andervilliers. Der Marquis, der unter der Restauration Staatssekretär gewesen war, wollte von neuem eine politische Rolle spielen. Seit langem bereitete er seine Wahl in das Abgeordnetenhaus vor. Im Winter ließ er große Mengen Holz verteilen, und im Bezirksausschuß trat er immer wieder mit dem höchsten Eifer für neue Straßenbauten im Bezirk ein. Während des letzten Hochsommers hatte er ein Geschwür im Munde bekommen, von dem ihn Karl wunderbar schnell durch einen einzigen Einstich befreit hatte. Der Privatsekretär des Marquis war bald darauf nach Tostes gekommen, um das Honorar für die Operation zu bezahlen, und hatte abends nach seiner Rückkehr erzählt, daß er in dem kleinen Garten des Arztes herrliche Kirschen gesehen habe. Nun gediehen gerade die Kirschbäume in Vaubyessard schlecht. Der Marquis erbat sich von Bovary einige Ableger und hielt es daraufhin für seine Pflicht, sich persönlich zu bedanken. Bei dieser Gelegenheit sah er Emma, fand ihre Figur entzückend und die Art, wie sie ihn empfing, durchaus nicht bäuerisch. Und so kam man im Schlosse zu der Ansicht, es sei weder allzu entgegenkommend noch unangebracht, wenn man das junge Ehepaar einmal einlüde.
An einem Mittwoch um drei Uhr bestiegen Herr und Frau Bovary ihren Dogcart und fuhren nach Vaubyessard. Hinterrücks war ein großer Koffer angeschnallt und vorn auf dem Schutzleder lag eine Hutschachtel. Außerdem hatte Karl noch einen Pappkarton zwischen den Beinen.
Bei Anbruch der Nacht, gerade als man im Schloßpark die Laternen am Einfahrtswege anzündete, kamen sie an.
Achtes Kapitel
Vor dem Schloß, einem modernen Baue im Renaissancestil mit zwei vorspringenden Flügeln und drei Freitreppen, dehnte sich eine ungeheure Rasenfläche mit vereinzelten Baumgruppen, zwischen denen etliche Kühe weideten. Ein Kiesweg lief in Windungen hindurch, beschattet von allerlei Gebüsch in verschiedenem Grün, Rhododendren, Flieder- und Schneeballsträuchern. Unter einer Brücke floß ein Bach. Weiter weg, verschwommen im Abendnebel, erkannte man ein paar Häuser mit Strohdächern. Die große Wiese ward durch längliche kleine Hügel begrenzt, die bewaldet waren. Versteckt hinter diesem Gehölz lagen in zwei gleichlaufenden Reihen die Wirtschaftsgebäude und Wagenschuppen, die noch vom ehemaligen Schloßbau herrührten.
Karls Wäglein hielt vor der mittleren Freitreppe. Dienerschaft erschien. Der Marquis kam entgegen, bot der Arztfrau den Arm und geleitete sie in die hohe, mit Marmorfliesen belegte Vorhalle. Geräusch von Tritten und Stimmen hallte darin wider wie in einer Kirche. Dem Eingange gegenüber stieg geradeaus eine breite Treppe auf. Zur Linken begann eine Galerie, mit Fenstern nach dem Garten hinaus, die zum Billardzimmer führte; schon von weitem vernahm man das Karambolieren der elfenbeinernen Bälle.
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