Er hatte ein wüstes Leben hinter sich, voller Zweikämpfe, toller Wetten und Frauengeschichten. Ob seiner Verschwendungssucht war er ehedem der Schrecken seiner Familie. Jetzt stand ein Diener hinter seinem Stuhle, der ihm ins Ohr brüllen mußte, was es für Gerichte zu essen gab.

Emmas Blicke kehrten immer wieder unwillkürlich zu diesem alten Manne mit den hängenden Lippen zurück, als ob er etwas ganz Besonderes und Großartiges sei: war er doch ein Favorit des Königshofes gewesen und hatte im Bette einer Königin geschlafen!

Es wurde frappierter Sekt gereicht. Emma überlief es am ganzen Körper, als sie das eisige Getränk im Munde spürte. Zum erstenmal in ihrem Leben sah sie Granatäpfel und aß sie Ananas. Selbst der gestoßene Zucker, den es dazu gab, kam ihr weißer und feiner vor denn anderswo.

Nach Tische zogen sich die Damen in ihre Zimmer zurück, um sich zum Ball umzukleiden. Emma widmete ihrer Toilette die sorglichste Gründlichkeit, wie eine Schauspielerin vor ihrem Debüt. Ihr Haar ordnete sie nach den Ratschlägen des Coiffeurs. Dann schlüpfte sie in ihr Barege-Kleid, das auf dem Bett ausgebreitet bereitlag.

Karl fühlte sich in seiner Sonntagshose am Bauche beengt.

„Ich glaube, die Stege werden mich beim Tanzen stören!“ meinte er.

„Du willst tanzen?“ entgegnete ihm Emma.

„Na ja!“

„Du bist nicht recht gescheit! Man würde dich bloß auslachen. Bleib du nur ruhig sitzen! Übrigens schickt sich das viel besser für einen Arzt“, fügte sie hinzu.

Karl schwieg. Er lief mit großen Schritten im Zimmer hin und her und wartete, bis Emma fertig wäre. Er sah sie über ihren Rücken weg im Spiegel, zwischen zwei brennenden Kerzen. Ihre schwarzen Augen erschienen ihm noch dunkler denn sonst. Ihr Haar war nach den Ohren zu ein wenig aufgebauscht; es schimmerte in einem bläulichen Glanze, und über ihnen zitterte eine bewegliche Rose, mit künstlichen Tauperlen in den Blättern. Ihr mattgelbes Kleid ward durch drei Sträußchen von Moosrosen mit Grün darum belebt.

Karl küßte sie von hinten auf die Schulter.

„Laß mich!“ wehrte sie ab. „Du zerknüllst mir alles!“

Violinen- und Waldhornklänge drangen herauf. Emma stieg die Treppe hinunter, am liebsten wäre sie gerannt.

Die Quadrille hatte bereits begonnen. Der Saal war gedrängt voller Menschen, und immer noch kamen Gäste. Emma setzte sich unweit der Tür auf einen Diwan.

Als der Kontertanz zu Ende war, blieben auf dem Parkett nur Gruppen plaudernder Menschen und Diener in Livree, die große Platten herumtrugen. In der Linie der sitzenden Damen gingen die bemalten Fächer auf und nieder; die Blumenbukette verdeckten zur Hälfte die lachenden Gesichter, und die goldnen Stöpsel der Riechfläschchen funkelten hin und her in den weißen Handschuhen, an denen die Konturen der Fingernägel ihrer Trägerinnen hervortraten, während das eingepreßte Fleisch nur in den Handflächen schimmerte. Die Spitzen, die Brillantbroschen, die Armbänder mit Anhängseln wogten an den Miedern, glitzerten an den Brüsten und klapperten an den Handgelenken. Die Damen trugen im Haar, das durchweg glatt und im Nacken geknotet war, Vergißmeinnicht, Jasmin, Granatblüten, Ähren und Kornblumen in Kränzen, Sträußen oder Ranken. Bequem in ihren Stühlen lehnten die Mütter mit gelangweilten Mienen, etliche in roten Turbanen.

Das Herz klopfte Emma ein wenig, als der erste Tänzer sie an den Fingerspitzen faßte und in die Reihe der anderen führte. Beim ersten Geigenton tanzten sie los. Bald jedoch legte sich ihre Aufregung. Sie begann sich im Flusse der Musik zu wiegen, und mit einer leichten Biegung im Halse glitt sie sicher dahin. Bei besonders zärtlichen Passagen des Violinsolos flog ein süßes Lächeln um ihre Lippen. Wenn so die andern Instrumente schwiegen, hörte man im Tanzsaal das helle Klimpern der Goldstücke auf den Spieltischen nebenan, bis das Orchester mit einem Male wieder voll einsetzte. Dann gings im wiedergewonnenen Takte weiter; die Röcke der Tänzerinnen bauschten sich und streiften einander, Hände suchten und mieden sich, und dieselben Blicke, die eben schüchtern gesenkt waren, fanden ihr Ziel.

Unter den tanzenden oder plaudernd an den Türen stehenden Herren stachen etliche, etwa zwölf bis fünfzehn, bei allem Alters- und sonstigem Unterschied durch einen gewissen gemeinsamen Typ von den andern ab. Ihre Kleider waren von eleganterem Schnitte und aus feinerem Stoff.