Ihr nach den Schläfen zu gewelltes Haar verriet die beste Pflege. Sie hatten den Teint des Grandseigneurs, jene weiße Hautfarbe, die wie abgestimmt zu bleichem Porzellan, schillernder Seide und feinpolierten Möbeln erscheint und durch sorgfältige und raffinierte Ernährung erhalten wird. Ihre Bewegungen waren ungezwungen. Ihren mit Monogrammen bestickten Taschentüchern entströmte leises Parfüm. Den älteren unter diesen Herren haftete Jugendlichkeit an, während den Gesichtern der jüngeren eine gewisse Reife eigen war. In ihren gleichgültigen Blicken spiegelte sich die Ruhe der immer wieder befriedigten Sinne, und hinter ihren glatten Manieren schlummerte das brutale eitle Herrentum, das sich im Umgange mit Rassepferden und leichten Damen entwickelt und kräftigt.

Ein paar Schritte von Emma entfernt, plauderte ein Kavalier in blauem Frack mit einer blassen, jungen, perlengeschmückten Dame über Italien. Sie schwärmten von der Kuppel des Sankt Peter, von Tivoli, vom Vesuv, von Castellammare, von Florenz, von den Genueser Rosen und vom Kolosseum bei Mondenschein, mit ihrem andern Ohre horchte Emma auf eine Unterhaltung, in der sie tausend Dinge nicht verstand. Man umringte einen jungen Herrn, der in der vergangnen Woche in England Miß Arabella und Romulus „geschlagen“ und durch einen „famosen Grabensprung“ vierzigtausend Franken gewonnen hatte. Ein andrer beklagte sich, seine „Rennschinder“ seien „nicht im Training“, und ein dritter jammerte über einen Druckfehler in der „Sportwelt“, der den Namen eines seiner „Vollblüter“ verballhornt habe.

Die Luft im Ballsaale wurde schwer, die Lichter schimmerten fahler. Man drängte nach dem Billardzimmer. Ein Diener, der auf einen Stuhl gestiegen war, um die Fenster zu öffnen, zerbrach aus Ungeschicklichkeit eine Scheibe. Das Klirren der Glasscherben veranlaßte Frau Bovary hinzublicken, und da gewahrte sie von draußen herein gaffende Bauerngesichter. Die Erinnerung an das elterliche Gut überkam sie. Im Geiste sah sie den Hof mit dem Misthaufen, ihren Vater in Hemdsärmeln unter den Apfelbäumen und sich selber ganz wie einst, wie sie in der Milchkammer mit den Fingern die Milch in den Schüsseln abrahmte. Aber im Strahlenglanz der gegenwärtigen Stunde starb die eben noch so klare Erinnerung an ihr früheres Leben schnell wieder; es je gelebt zu haben, kam ihr fast unmöglich vor. Hier, hier lebte sie, und was über diesen Ballsaal hinaus existieren mochte, das lag für sie im tiefsten Dunkel ...

Sie schlürfte von dem Maraschino-Eis, das sie in einer vergoldeten Silberschale in der Hand hielt, wobei sie die Augen halb schloß und den goldnen Löffel lange zwischen den Zähnen behielt. Neben ihr ließ eine Dame ihren Fächer zu Boden gleiten. Ein Tänzer ging vorüber.

„Sie wären sehr gütig, mein Herr,“ sagte die Dame, „wenn Sie mir meinen Fächer aufheben wollten. Er ist unter dieses Sofa gefallen.“

Der Herr bückte sich, und während er mit dem Arm nach dem Fächer langte, bemerkte Emma, daß ihm die Dame etwas weißes, dreieckig Zusammengefaltetes in den Hut warf. Er überreichte ihr den aufgehobenen Fächer ehrerbietig. Sie dankte mit einem leichten Neigen des Kopfes und barg schnell ihr Gesicht in den Blumen ihres Straußes.

Nach dem Souper, bei dem es verschiedene Sorten von Süd- und Rheinweinen gab, Krebssuppe, Mandelmilch, Pudding à la Trafalgar und allerlei kaltes Fleisch, mit zitterndem Gelee garniert, begannen die Wagen einer nach dem andern vor- und wegzufahren. Wer einen der Musselinvorhänge am Fenster ein wenig beiseiteschob, konnte die Laternenlichter in die Nacht hinausziehen sehen. Es saßen immer weniger Tänzer im Saale. Nur im Spielzimmer war noch Leben. Die Musikanten leckten sich die heißen Finger ab. Karl stand gegen eine Tür gelehnt, dem Einschlafen nahe.

Um drei Uhr begann der Kotillon. Walzer tanzen konnte Emma nicht. Aber alle Welt, sogar Fräulein von Andervilliers und die Marquise tanzten. Es waren nur noch die im Schlosse zur Nacht bleibenden Gäste da, etwa ein Dutzend Personen.

Da geschah es, daß einer der Tänzer, den man schlechtweg „Vicomte“ nannte — die weitausgeschnittene Weste saß ihm wie angegossen — Frau Bovary zum Tanz aufforderte. Sie wagte es nicht.