Du winkst, o Tod; – er schweigt: der erstarrten Hand

Entsinkt die Leier; doch im Triumphe führt

Die Ewigkeit sein Lied davon, das

Zürnend die Stärkere dir entrissen.

An Seneca

 

Durchs enge Tal nachts irret ein Wanderer;

Dumpf braust der Waldstrom, drängt an die Klippenwand

Den Pfad, der mühsam durch Gesträuch und

Bodentragende Wurzeln fortkriecht.

 

Der laute Sturmwind kämpft mit dem Föhrenwald;

Der Felsensohn trotzt seiner Gewalt: nun stürzt

Zornschnaubend sich der Rückgeworfne

In das Gefummel des Wogenkampfes.

 

Erstorben sind am Himmel die Lichter rings,

Der Sturm entfacht auf seltne Momente nur

Der Asche des Gewölkes einen

Funken, der spärlich herunterdämmert.

 

Die Nacht ist wild, mit wachsender Macht empört

Sturm sich und Strom! der Wanderer bebt, und weilt,

Und zaget vorwärts, zu verschlingen

Droht ihn der schwellenden Wogen Andrang.

 

Wie sehnt ins Heimatland sich die Seele dir!

Wie sucht dein Aug, o Wandrer, den lieben Mond!

Er bricht hervor dort und beleuchtet

Freundlich dir, eile! des Tales Ausgang!

 

So leuchte mir, wenn Stürme den Lebenspfad

Begraben einst in finstere Nacht, dein Strahl,

O Seneca, geleite freundlich

Mich ins elysische Feld hinüber!

Bettlers Klage

 

Bin einsam, schwach und alt,

Mich hüllen Lumpen ein,

Wie bläst der Wind so kalt,

Geht mir durch Mark und Bein.

 

Ich bettle vor der Tür,

Und hab ich lang gefleht,

So tönt es oft herfür:

»In Gottes Namen geht!«

 

Da fährt durchs hohe Tor

Ein Herr, – der Rosse Huf

Verstampfet seinem Ohr

Des Bettelmannes Ruf.

 

Die Dame wendt den Blick

Voll Ekel von mir; ach,

Mein schreckliches Geschick

Fühl ich dann siebenfach!

In der Nacht

 

Alles schläft, und übers Gefild der Ruhe

Wandelt leisen Schrittes dahin des Lebens

Genius; sanft schimmert vom Weltendom die

Lampe des Mondes.

 

Sieh! den ernsten Zügen des Gotts entringet

Holdes Lächeln sich, denn er sieht die Lieben

In des Schlafes süßer Umarmung ihrer

Qualen vergessen.

 

Hüll in deine Schatten mich tief, geliebte

Linde, daß die kummergebleichte Wange

Und die bange Träne sein holdes Lächeln

Nimmer verscheuche!

 

Ach, schon dreimal sank dir die Blut, o Linde,

Seit der Stunde, wo das Gespräch der Freunde

Von Unsterblichkeit du behorchtest, und ein

Sanftes Gesäusel

 

Durch dem mondversilbertes Laub uns Hoffnung

In die Seele goß, daß wir einst uns wieder

Finden; – dreimal welkte der Halm am Grabe

Meines Geliebten!

Bruchstück einer Ode

 

Der Stadt Getös ward banges Gemurmel, und

Es schlagen mattern Schlages die Pulse nun

Des vielgeschäftgen Lebens, – schrecklich

Hallt noch im Ohre das Donnerwort ihr. –

 

Klagt, Glocken, klagt! Der Herrliche sank! mit ihm

Das große Werk des Brüdervereins der streng

Geschiedenen Völker! – Hülle tiefer,

Tiefer, o Seele, dich ein in Wehmut!

Der geldgierige Pfaffe

 

Der Pfaffe weiß mit Dampf, Gesang und Glocken,

Mit Mummerei, Gebärd und schlauem Segen

Den Pöbel zum Guckkasten hinzulocken,

Worin sich Höll und Himmel bunt bewegen.

Derweil, entzückt, der Pöbel, und erschrocken,

Ans Wunderloch nun tut das Auge legen,

Umschleichet ihn der Pfaffe, aus den Taschen

Die schweißgetränkten Kreuzer ihm zu haschen.

Das Veilchen und der Schmetterling

 

Ein Veilchen stand

An Baches Rand,

Und sandte ungesehen

Bei sanftem Frühlingswehen

Süßen Duft

Durch die Luft.

Da kommt auf schwankendem Flügel

Ein Schmetterling über den Hügel

Und senket zur kurzen Rast

Zum Veilchen sich nieder als Gast.

 

Schmetterling

 

Ei! Veilchen! wie du töricht bist,

Zu blühn, wo niemand dein genießt!

 

Veilchen

 

Nicht ungenossen blüh ich hier,

Ein Schäfer kommt gar oft zu mir

Und atmet meinen Duft und spricht:

»Ein solches Blümchen fand ich nicht,

Wie Veilchen du! auf Wiesen, Auen

Ist keines mehr wie du zu schauen!«

 

Schmetterling

 

's ist schöner doch, glaub meinem Wort

Zu blühn auf freier Wiese dort,

In jener bunten Blumenwelt, Als hier im dunklen Schattenzelt!

 

Veilchen

 

Hier bin ich meines Schäfers Wonne,

Dort aber bleichet mich die Sonne,

Und ohne Farbe, ohne Duft,

Find ich zu früh dort meine Gruft.

Drum blüh ich in der Einsamkeit,

Wenn auch nur Einer mein sich freut.

Die Mutter am Grabe ihres Kindes

 

Husch! husch! wie braust der kalte Wind

Über beschneite Gräber her!

Unter dem Schnee da liegt mein Kind,

In meinen Armen nicht mehr!

 

Wie seufzt das Totenkreuz so bang

Vom Sturm geschüttelt hin und her!

Ach! als die Totenglocke klang,

Wie ward der Mutter so schwer!

 

O weh! nun liegt mein armes Kind

In der Erde tief verscharrt!

Über dem Grabe weht der Wind,

Die Träne zu Eis mir erstarrt!

 

Der Wangen schöne Röselein

Zerknickte der grause Tod so bald!

Und die holden Äugelein

Sind geschlossen und kalt!

 

O weh! nun liegt mein armes Kind

In der Erde tief verscharrt!

Über dem Grabe weht der Wind,

Die Träne zu Eis mir erstarrt!

Dahin!

 

Einst, o nächtlicher Himmel! blickt ich

Selig empor zu dir, umschlungen

Von der Geliebten, und ich weinte

Dank dem ewigen Gott!

 

Und sie pflückte mit Küssen mir die

Blüte der Wonne von der Wang, und

Mächtiger zog ich die Geliebte

An die klopfende Brust.

 

Doch nun sind sie dahin! die Stunden

Seliger Lust; und ach! nun weht der

Brausende Sturm die heiße Träne

Banger Wehmut dahin!

Erinnerung

 

Erinnrungsvoller Baum, du stehst in Trauer;

Dein Laub ist welk, mein Leben ist es auch.

Mein Herz durchziehen bange Wehmutschauer,

Wie dein Gezweig des Herbstes kühler Hauch.

 

Hier saßen wir in abendlicher Stille,

Sanft bebte über uns dein flüsternd Grün,

Auf jenen Höhn, die nun in Nebelhülle,

Verweilte noch der Sonne letztes Glühn.

 

Wie selig hielt das Mädchen ich umfangen

Und horchte ihrem leisen Liebesschwur;

Und holder lachten uns die Blütenwangen

Der auferwachten göttlichen Natur.

 

Doch hatte kaum der Lenz die sanfte Seele

Verhaucht und seine Blüten hingestreut,

Kaum war verhaucht im Hain die süße Kehle:

War auch dahin der Liebe Seligkeit.

 

O traure, Herz, vorüber sind die Tage,

Da liebend dir ein Herz entgegenschlug,

Die andern schleichen hin in stiller Klage,

Der toten Liebe finstrer Leichenzug.

An die Hoffnung

 

Hoffnung! laß allein mich wallen,

Gaukle nicht um meine Bahn!

Deine Sterne sind gefallen,

Und mich täuscht kein holder Wahn!

 

Dieser streckt nach einer Krone

Seine Hand verwegen aus;

Doch ihn stoßt der Tod mit Hohne

In sein enges, kühles Haus.

 

Und ein andrer hat errungen,

Was der erste nur gewollt;

Hat die höchste Höh erschwungen:

Throne wanken, wenn er grollt.

 

Hoffnung! o warum entzündest

Du sein Herz zum stolzen Plan,

Da du schmeichelnd ihm verkündest

Einen Weltteil untertan?!

 

Über Völkern klirrt die Kette,

Da sein Schritt nach Osten stürmt;

Bang ruft eins dem andern: rette!

Von der Schreckensmacht umtürmt.

 

Nun ergreift ihn sein Verhängnis,

Reißt ihm Krön und Purpur ab,

Schleudert ihn ins Meergefängnis;

Bald verschlingt ihn dort sein Grab. –

 

In der Nächte stiller Feier

Hebt der heiligen Natur

Kühn ein Forscher ihre Schleier

Und verfolget Gottes Spur.

 

Denn du lassest schön erglänzen

Ihm ein Mal der Ewigkeit,

Enkel seine Gruft bekränzen; –

Und ihn lohnt – Vergessenheit!

 

Nach der Liebe treuem Glücke,

Das er nirgends finden soll,

Kehrt ein andrer seine Blicke,

Dir vertrauend, sehnsuchtsvoll.

 

Ach, sie liebt ihn, der Entglühte

Hält sie wonnevoll umstrickt;

Doch der Liebe zarte Blüte

Wird im Rausche bald zerknickt! –

 

All dein Wort ist Windesfächeln;

Hoffnung! dann nur trau ich dir,

Weisest du mit Trosteslächeln

Mir des Todes Nachtrevier!

Bei Gelegenheit einer ländlichen Unterhaltung in Bordacs

 

Die Göttin des Glücks

 

Was rauscht durch diese Pappeln? – horchet, Brüder!

Als naht' ein Genius aus Himmelshöhn

Und senkte sich auf ihre Wipfel nieder,

So rauscht es durch den Hain mit leisem Wehn.

 

Welch Schimmer! ha! mich faßt ein süßes Bangen!

Ein Mädchen seh ich dort am Schattenrand

Mit güldnem Fittig, rosenroten Wangen,

Ihr Antlitz ist uns lächelnd zugewandt.

 

Die Göttin ists des Glücks! o Brüder, eilet

Und rafft ihn auf, den frohen Augenblick,

Solange noch ihr rascher Flügel weilet;

Denn der verlorne kehret nicht zurück!

 

Es kommt ein Tag, die frohe Lust verklinget,

Es zieht die Göttin fort im schnellen Flug;

Und diese Hand, die jetzt den Becher schwinget,

Hält bebend den betränten Aschenkrug.

 

Drum soll, solang das Mädchen dort uns lächelt

Und manches andre noch, solang der Wein

Noch schmeckt, die Wange Frühlingsluft umfächelt,

Der eitle Gram von uns geächtet sein!

 

Das Glas gefüllt! Es lebe hoch die Freude

In Euren Herzen! und die Priesterin

Der Freude lebe hoch! die hier uns heute

An ihren Altar rief mit frommem Sinn!

 

Was Ihr auf Erden Liebes habt, es lebe!

Die Maid, die Euch mit Küssen labt, sie lebe!

Der Freund, der mit Euch lacht und weint, er lebe!

Der Tag, der wieder uns vereint, er lebe!!!

Die bezaubernde Stelle

 

Liebende, die weinend mußten scheiden, –

Wenn nach heißer Sehnsucht langen Leiden

Sie ans Herz sich endlich dürften pressen,

Würden sich zu küssen hier vergessen.

Abschied von Galizien

 

Nach dem Polnischen des N. Boloz von Antonievicz

 

Lebt wohl, lebt wohl, ihr trauten Lindenbäume,

Die ihr ans stille Vaterhaus euch schmiegt!

Ihr seid die Zeugen meiner Jugendträume,

In die mich euer Flüstern oft gewiegt.

 

Nahm auch dem Knaben einst auf Augenblicke

Ein eingebildet Unglück seine Ruh,

Und kam er trostlos dann zu euch zurücke,

So rauschtet ihr ihm Trost und Freude zu.

 

Von meinen frohen Spielen seid ihr Zeugen,

Von meinem raschen, leichten Jugendsinn;

Nun säuselt Wehmut mir aus euren Zweigen,

Die Tage meiner Jugend sind dahin!

 

Sie sind dahin! – Ein Knabe noch vor Jahren,

Nehm Abschied heute ich als Mann von euch;

Ich ziehe fort zu Taten und Gefahren,

Es gilt der Tyrannei den Todesstreich.

 

So lebet wohl! – Du Werkzeug meiner Spiele,

Das einst ich trug, du kleines Schwert von Holz!

Sei nun ein Blitz in der Gewitterschwüle,

Du Ritterschwert, sei des Sarmaten Stolz!

 

Lebt wohl, Geschwister! mög euch Gott bewahren!

Ich bin ein Pole bis zum letzten Hauch!

Hurra! ihr vaterländschen Heldenscharen!

Leb wohl, du mein geliebtes Mädchen auch! –

 

Schmach, Jüngling, dir! hält dich der Glanz von Tränen

Zurück vom ewig hellen Waffenglanz!

Dir, Jungfrau, Schmach! die du, bei Polens Sehnen

Nach Freiheit, nun empfängst den Myrtenkranz!

 

Schmach, Mutter, dir! den du zur Schmach geboren,

Umklammre deinen Sohn! entlaß ihn nicht!

Der Freiheit Ruf schlug nicht an seine Ohren,

Er fühlt für Polen keine Kindespflicht!

 

Dem Vater Schmach! – – doch dort, mit Silberhaaren

Wer ist der schwache Greis in Kriegertracht?

Du Alter, läßt du Weib und Kinder fahren?

Kehrst du vom Grabe um und wankst zur Schlacht?

 

»Ich habe Weib und Kinder Gott befohlen!

Mein Haupt ist weiß, es zittert meine Hand;

Doch kämpf ich mit den heilgen Kampf der Polen:

Wohl mir! ich folge meinem Vaterland!

 

Und möge nicht mein Vaterland verschmähen

Des schwachen Greises ärmlichen Tribut:

Dies treue Herz, das bald wird stille stehen,

Und, der es noch erwärmt, den Tropfen Blut.«

 

So opfre ihn! komm, komm zu jenem Hügel,

Den unsre Scharen decken, eilen wir!

Der weiße Adler lüftet seine Flügel,

Bald wird sein Auge flammen für und für!

 

Lebt wohl, Geschwister! mög euch Gott bewahren!

Mir nach! wer Pole bis zum letzten Hauch!

Hurra! ihr vaterländschen Heldenscharen!

Leb wohl, du mein geliebtes Mädchen auch!

 

O weine nicht, bin ich dir nun entschwunden,

Und teile mit der Freiheit du mein Herz;

Sie sei Gespielin dir in bangen Stunden,

Und sterb ich, mag sie trösten deinen Schmerz!

 

Mein Liebchen, ich empfehle dich dem Himmel!

Hurra! Sieg oder Tod im heilgen Streit!

Kanonendonner pocht im Schlachtgetümmel

Wild an die Pforten schon der Ewigkeit! –

Auf dem Hochberg

 

(12. Juli)

 

An Agnes

 

Die Gletscher glühen in dem goldnen Lichte

Und rötlich glänzt die Felsenwand,

Um diese Gipfel wehen Traumgesichte,

Aus frühen Tagen mir bekannt.

 

Im Purpurmeer seh ich den Nachen treiben:

Die Sonne spiegelt sich im weiten See.

Am fernen Kloster zähl ich alle Scheiben,

Im Herzen wird mirs wohl und weh.

 

Es locken Täler hinter Felsentoren,

Ein Sehnen faßt mich im Gemüt,

Nach Glück, besessen – nie – und nie verloren,

Verwelkt und niemals doch erblüht!

 

Den Blick laß in die blaue Ferne tauchen

– Dort ist es nicht, nur Trug und Pein!

Da unten, wo die stillen Hütten rauchen,

Da muß es oder nirgend sein!

 

Auf Alpenhöhe mit dir, Seelenschwester,

Im Abendschein ich schweigend stand,

Nicht reden könnt ich, drückte fest und fester

Nur deine liebe, treue Hand.

 

Die Glocken riefen zum Gebet die Müden,

Und aller Zauber der Natur

Kam über uns mit seinem tiefen Frieden,

Doch blieb auch eine Wehmutspur.

 

Wann stehen wir wie jetzt so eng verbunden

Wohl wieder in dem Abendstrahl,

Wann bringen späte Jahre solcher Stunden

Verein im grünen Alpental?

 

Bald wird der Abschied mir die Brust zerschneiden,

Vom Vaterland, vom Vaterhaus.

Getrennt von dir, muß Herzensfrost ich leiden,

Zur Fremde treibt es mich hinaus.

 

Du bist mir mehr als meine Heimatschwelle,

Dein Herz ist mir ein Heilgenschrein,

Mir wie dem müden Pilgrim die Kapelle;

Ich legte Wonn und Schmerz hinein!

 

Wir werden oft uns, einst gewiß ach! trennen,

Vereint doch sein in Lieb, Gebet.

Wir werden wieder sehen uns, erkennen:

Ein Trost ist dies, der fest besteht.

 

Ausfahrt

 

Frau von Reinbeck

Ich hab es lange schon gewußt:

Ein tiefer Zauber wohnt in dir.

Wie hast du süße Märchenlust

Noch eben erst erschlossen mir!

 

Hast mich gewiegt in Frühlingstraum,

Trotz Schnee und strenger Winterszeit;

Im Blätterschmucke Baum an Baum –

Wie lieblich lockt Waldeinsamkeit! –

 

Du stiller Liebling der Natur!

Ihr Rätsel hast du tief geschaut,

Und was sie schafft auf Berg und Flur –

Dir hat sie alles anvertraut.

 

»Die Heimwehkranken heile du,

Ich lehrte dir die Wunderschrift!« –

So ruft sie dir im Traume zu,

Und ahnend greifst du nach dem Stift. –

 

Gehorsam deinem Genius,

Dir senden Farbe, Licht und Luft

Durch Schnee den leisen Maienkuß

Im schwesterlichen Blütenduft.

 

Hesperien! Du treues Herz!

Wenn wir erstarrt im Lebensfrost,

So winkst doch du uns himmelwärts,

So hast du Sonne, Lieb und Trost.

Mit Orangen

 

Hier bring ich süße Früchte,

Die auf gar ferner Au,

Dort unter jenem Himmel

Gereift, der ewig blau.

Wenn du sie wirst genießen,

So werden sie dir gern

Den freien Blick erschließen

In weite Länderfern.

 

Du denke dir die Bäume,

Die sie erzogen groß,

Das saftig-dunkelgrüne

Laubwerk, das sie umschloß,

Wie sie wohl mochten winken

Hell aus der Blätternacht,

Wie Edelsteine blinken

Aus dunklem Bergesschacht.

 

Du denk dir die Olive,

Wie sie ihr Grün, so licht,

Mit der Zypresse Dunkel

Zu buntem Kranze flicht.

Du denke dir die Pinien,

Gewaltig, breit und dicht,

Der Pappeln schlanke Linien

Zum Himmel aufgericht.

 

Die Rebe, die die Stämme

Mit süßem Netz umringt,

Die leicht von Baum zu Baume

Die Liebesketten schlingt.

Denk dir die Rosen glühend

Im schönsten Purpurschein

Und süße Düfte sprühend

Durch nächtlich dunkeln Hain.

 

Denk dir die Pracht des Kaktus,

Die blühnde Aloe

Und drüber hin die Palme,

Strebend hinauf zur Höh!

Sieh, Schmetterlinge fliegen

Durch all die Blumen hin

Eidechsen, die sich wiegen

Auf Rosen, goldengrün.

 

Denk dir durch dieses alles

Der Lüfte leisen Tanz

Und über diesem allem

Des Mondes Zauberglanz,

Der wandelnd still und milde

Im Äther, wolkenlos,

Sich unten schau im Bilde

Aus blauem Meeresschoß.

 

Und durch die See hin fahre

Ein Nachen, fischervoll,

Aus dem die Barkarole

Dir lustig schallen soll,

Wechselnd mit frohem Lachen

Aus süßer Mädchen Mund,

Die, schaukelnd sich im Nachen.

Schauen in Meeres Grund.

Mit unaufgeblühten Blumen

 

Der Frühling ist gekommen,

Er zieht durch sein Revier,

Du hast es nicht vernommen

Im Krankenzimmer hier,

 

Wie er durch seine Strahlen

Den Winter ganz vertrieb,

Daß ihm in Berg und Talen

Nicht eine Stätte blieb,

 

Wie er den Grund erschlossen

Und alle Keime weckt,

Daß man ein lustig Sprossen

Schon überall entdeckt.

 

Doch um dir zu ersetzen,

Was unterdes dahin,

Schickt er, dein Äug zu letzen,

Dir dieses frische Grün.

 

Er schickt dir diese Pflanzen,

Daß sie dir ungefähr

Anzeigten, wie's im ganzen

Nun aussieht rings umher.

 

Zwar sind noch leider offen

Die schönen Blüten nicht,

Doch steht es wohl zu hoffen,

Daß bald die Knospe bricht.

 

So hoff ich, daß dein Leben

Die Krankheit brech entzwei,

Daß es in regem Streben

Erblühe frisch und neu,

 

Und hoff, wenn aufgegangen

Der Kelch der Blumen ganz,

So sollest wieder prangen

Auch du im Blumenglanz.

 

Doch aller Schein der Sonnen,

Der Blüten schönstes Rot

Und alle Frühlingswonnen

Sind für uns hin und tot,

 

Wenn Gott, der gnadenreiche,

Dies eine nicht erteilt,

Daß er von schwerer Seuche

Die liebe Mutter heilt.

 

Drum wünsch ich dir dies eine

Nur zum Geburtstag heut,

Daß bald ihr im Vereine

Frisch und genesen seid.

Charade

 

Die ersten Silben nennen dir den Fluß,

Nach dessen schönem Strande

Aus fernem, fernem Lande

Ertönen wird mein sehnsuchtsvoller Gruß.

 

Die dritte bildet dir dein Haus im Leben,

Und wird, bist du geschieden

Zum ewigstillen Frieden,

Auf deinem Hügel ehrend sich erheben.

 

Der Hauch der letzten ist dem Herzen eigen,

Wenn ihm das Wort gebricht,

Doch tief die Liebe spricht

In ihrer Sehnsucht selig bangem Schweigen.

 

Das Ganze zeigt ehrwürdiges Gemäuer

Vier alternder Ruinen

Mit schwesterlichen Mienen,

Die meiner Seele als Erinnrung teuer.

Nie zurück!

 

Als der Cherub aus dem Paradies

Ihn und seine Klagen streng verwies,

Weinte Adam noch am Gartensaume

Still zurück nach seinem schönen Traume.

 

Und durch einen weichen Morgenwind

Sandten Rosen ihm erbarmungslind

Duftend ihre süßen Scheideküsse,

Paradiesesvögel letzte Grüße.

 

Wie er trauernd an der Grenze stand,

Wie er tief das ›Nie zurück!‹ empfand! –

Mich durchdrangen alle seine Leiden,

Als ich mußt auf immer von dir scheiden.

 

Mir auch ward zum milden Scheidegruß

Deiner Lippenrosen noch ein Kuß,

Und wie Edens Vögel ihn umsungen,

Kam dein Lebewohl mir nachgeklungen.

Ein Heimatbruder!

 

Der Wandrer, irrend in der Ferne,

Wo fremd das Tier, der Baum, das Kraut,

Wo fremd die Nacht und ihre Sterne,

Wo fremd und tot der Menschenlaut,

Wie fühlt er sich allein, verstoßen,

Wie jauchzt sein Herz im fremden Land,

Wenn plötzlich er den Sprachgenossen,

Den heimatlichen Bruder fand!

Protest

 

Wenn ich verachte heimliches Verschwören,

Und wenn ich hasse Meuchelmörderhand,

Wenn in des Volkserretters Ruhmgewand

Verhüllte Schufte meinen Groll empören,

 

Reih ich das Königstum den Himmelsgaben,

Verlaßner Völker Vaterhaus und Hort.

O glaubet nicht, ich liebe drum sofort,

Was jetzt und hier an Königen wir haben.

 

O glaubet nicht, ich führe keinen Zunder

Im Herzen für des Zornes edle Glut,

Tritt wo ein Fürst sein Volk im Übermut,

Noch daß ich ehren kann gekrönten Plunder.

 

Nie wird mein Flügelroß zum Schindergaule

Für meine Ehre, und mich strafe Gott,

Sing ich ein Fürstenlied, daß mir, zum Spott,

Die Hand vom Saitenspiel herunterfaule.

Frl. von Hünersdorff ins Album

 

Gleichwie Nachtlüfte wehn in Blütenhagen,

Wehmütig säusem, doch kein Blatt entführen;

Wie Nachtigallen in den Büschen klagen,

Doch keine Rose je zu Tode rühren,

So soll, Verehrte, meiner Lieder Trauern

Durch deine reichen Freudenblüten schauern.

An Wilhelm Kirchhoff

 

zu freundlicher Erinnerung. Der Verfasser

 

In einen Band seiner Gedichte

 

Kirchhoff! wandelt auch von dannen mein Gebein,

Laß mich tief in dir begraben sein.

An Fräulein Julie

 

zu ihrem Geburtstage

 

Als du gingst auf eine Reise,

Tratst du noch in deinen Garten,

Jeder Blume deiner Pflege

Noch ein Lebewohl zu sagen.

 

Als du warst davongezogen,

Tränkte sie der frische Quell auch,

Neigten trauernd sich die Blumen,

Und sie waren nicht zu trösten.

 

Wie du pflegst des Frühlings Kinder,

Pflegtest du das Kind der Schwester

Und das edle Reis des Herbstes:

Deinen lieben alten Vater.

 

Sei gesegnet, meine Freundin!

Froher blühn die Blumen, schöner,

Die du pflegst mit treuen Händen,

Und die Menschen leben lieber.

Der Laudachsee

 

Ein Bruchstück

 

Laß meiner Einsamkeit das Angedenken

Der schönsten Stunden jetzt vorüberziehn,

Die mir das Erdenleben durfte schenken,

Geist der Natur! der öden Gegenwart entfliehn

Und in Erinnerungen mich versenken,

Zeig mir den See im stillen Felsentale,

Von Schilf und Wald die Ufer rings umsäumt,

Der Felsenhäupter Glühn im Abendstrahle,

Den Rasensitz, wo ich so süß geträumt.

Komm du auch, meine Freundin Phantasie,

Erweck mir Echos Geisterchöre

In dieser Heimat der Melancholie,

Daß ich durch sie jetzt alles wieder höre,

Was damals wie aus schönern Welten mir erklang

Und in die tiefste Seele drang.

Begraben will ich in des Sees Gruft

Und ihrer Dunkelheit vertrauen meine Leiden,

Ob dann die Zeit auch wieder wach sie ruft;

Nie wird mein Herz von dieser Stelle scheiden,

Wo einst so schöne Stunde mir gelacht

Und überglänzt hat meines Lebens Nacht.

Wie nun dies Bild vor meiner Seele schwebt,

Helft mirs zutage fördern, daß es lebt,

Ihr mächtgen Geister, gebt ihm eure Weihe,

Daß ihre Sprache auch Natur ihm leihe.

Vergönnt euch dann ein freundliches Geschick,

Daß eines Auserwählten warmer Blick

Befriedigt, angezogen drauf verweilt

Und im Erkennen die Empfindung teilt,

Die es beseelt; – dann saget laut,

Ihr Wald- und Felsenstimmen, was euch ward vertraut.

 

Wien

 

Impromptu

O Einsamkeit! wie trink ich gerne

Aus deiner frischen Waldzisterne!

Traum

 

Ein Bruchstück

 

Nächtlich hatt ich einen Traum,

Liebe Mutter, einen guten,

Ob wir unter einem Baum,

Wanderungsmüde, beide ruhten.

 

In den Schoß zu süßer Ruh

Legt ich dir mein Haupt, das schwüle,

Und du fächeltest mir zu

Eine himmlisch süße Kühle.

 

Ahnung faßte mir das Herz,

Daß es würde besser werden,

Und ich fühlte himmelwärts

Mich gehoben von der Erden.

 

Sitze nieder, will mein Haupt

An die treue Brust dir legen,

Daß es fühle, lang beraubt,

Deiner Liebe Himmelssegen.

An die medisierenden Damen

 

Sproßt ihr wie des Frühlings junge Triebe,

Ahmt die Wange seiner Rosen Glut,

Soll das Herz auch ahmen seine Liebe,

Wie das Herz des Frühlings – mild und gut.

Medisiert das Blümlein auf der Wiese,

Seinem un verlernen Paradiese?

Tuns im Wald die jungen, grünen Blätter,

Wenn sie beim Gedröhn der Frühlingswetter

Wonnig rauschen und zusammenschauern?

Geht und lauscht und lernet euch bedauern!

Liebe singt der Vogel von den Zweigen,

Und im frohen Jugendreigen

Rauben liebestrunken Maienlüfte

Aufgeblühten Blumen ihre Düfte;

Aber keinen guten Namen.

Medisiert nicht, junge Damen!

Saß ich einst in einem Mädchenkreise,

Da begann in ihrem Blütenkranze

Erst geheim zu zischeln, klug und leise,

Doch bald laut die Schlange: Medisance.

Und sie rümpften ihre feine Nase,

Ekel zuckte mancher Rosenmund,

Weil ein Name, wacker und gesund,

Von dem Biß der Schlange ward zum Aase. –

Ist der Name krank, so laßt den kranken

Ungeneckt an euch vorüberwanken;

Wollt ihr lindern nicht die Namenswunde

Mit des Frauenmitleids weichem Öle,

Laßt ihn ziehn; doch nicht in eure Runde

Reißt ihn als in eine Räuberhöhle! –

Wandelt ihr im Herbste eurer Tage,

Ist in jedem Mienenzug zu lesen

Des Verwelkens untröstbare Klage,

Daß ihr nimmer seid, was ihr gewesen;

Dann, ihr Damen, lernt vom Herbst die Wehmut,

Lernet die gedankenvolle Demut,

Nehmet mit Bedacht

Euer Grab in acht,

Statt in andrer Fehler schnöd zu kramen;

Medisiert nicht, alte Damen!

Fliegt ein schuldlos Vöglein unbewußt

Über Guas-Upas giftgen See,

Stürzt es schnell, die liedervolle Brust

Ist verstummt in bittrem Todesweh.

In den Borden eurer Kessel, Kannen

Flutet Guas-Upas: Tee, Kaffee,

Und es zog kein Name heil von dannen,

Dessen Flug verirrt an diesem See;

Klang der arme Flattrer auch

Erst im heimatlichen Strauch

Wie das Lied des Vogels rein und gut,

Stürzt er tot in eure braune Flut. –

Aber, gilt es auch nicht gleich den Namen,

Noch vor einem hütet euch, ihr Damen:

Flieht auch vor dem spöttischen Belächeln,

Diesem Schleicher, weichbesohlten Diebe,

Diesem Vampir, der mit leisem Fächeln

Lullt in Schlaf die Achtung und die Liebe;

Wenn sie einnickt, aus den Adern ihr

Saugt das Herzblut mit verstohlner Gier!

Mit einem Edelmardermuff

 

Schöne Frau! die ich verehre,

Wenn ich ein Naturgeist wäre,

Würd ich heut zur Weihnachtspende

Für die vielgelobten

Kunst- und fleißerprobten

Blumenschöpferischen Hände

Nicht das Fell des Marders geben;

Nein! zum Schutz vor Frostesqualen

Würde ich aus Frühlingssonnenstrahlen

Einen Zaubermuff dir weben.

Der Fingerhut

 

Hast du noch immer nicht gefunden den teuren, teuren Fingerhut,

Um den du plötzlich aufgesprungen

Und meinen Armen dich entrungen?

Ich ließ dich fahren mit verbißner, doch wahrlich nicht geringer Wut.

War ich ein Forscher, sprach ich trocken:

Indes du 's Hütlein suchst erschrocken,

Such ich, worauf das Herz des Weibes, das wandelbare Ding, beruht?

War ich ein Schwärmer, rief ich fluchend:

O wär ich doch, den Rhein besuchend,

Ertrunken in den tiefsten Wirbeln der weitverrufnen Bingerflut!

Als Egoiste würd ich sprechen:

Das Hütlein schützt sie vor dem Stechen,

Ich wills mit meinem Herzen halten, wie sie mit ihrem Finger tut,

Ich leg ans Herz, daß sie's nicht raube,

Mir eine Sturm- und Pickelhaube,

Das ist für ihre Liebesblicke, die scharfen Herzdurchdringer, gut.

Doch bin ich nichts davon und sage:

Such überall herum und frage;

Kannst doch das Meer nicht meiner Liebe ausschöpfen mit dem Fingerhut,

Hat die Romantik deiner Liebe auch Platz in einem Fingerhut.

Albumblatt

 

Bedenk, wenn Undank herb dich kränket,

Daß dankbar bis zum letzten Hauch

Der Mensch nur dann der Huld gedenket,

Wenn Wohltat ihn gebessert auch.

Poetisches Votum

 

an die verehrte Frau Hofrätin v. Kleyle, über den herzkläglichen Unfall, welcher sich in deroselben berühmten Speisekammer ereignet hat in der Nacht vom 10. auf 11. Oktober, im Jahre diesmal des Unheils 1837, zu Penzing in der Schmiedgasse

 

Es füllt die Speisekammer

Ein bitterlicher Jammer,

Und wohl mit Fug und wohl mit Recht,

Denn wie die Welt geworden schlecht,

Zeigt sich ein schnöd Exempel

In diesem Magentempel.

Die Mutter steht betroffen

An den beraubten Brettern

Und ruft in Zorneswettern:

»Wer ließ das Fenster offen?«

Wenn sie nicht Christin wäre

Und eingedenk der Lehre:

›Du sollst dem Feind vergeben‹,

Der Eingriff in ihr Leben,

In ihren Speiseständer,

Er könnte sie versuchen,

Den Räuber zu verfluchen,

Den Magentempelschänder.

Sie blickt nach ihren Schätzen,

Und ach! erblickt sie nicht,

Da bleicht ihr Angesicht

Hausfrauliches Entsetzen.

Sie forscht in ihrem Schrecke

Vergebens nach dem Specke,

Er ist bei Nacht verschwunden,

Trotz unseren drei Hunden.

Sie sucht in ihrem Gram

Das Leibgericht der Wiener,

Das auch abhanden kam,

Die braungebacknen Hühner.

Hühnlein sind abgezogen,

Dem Specke nachgeflogen,

Sie sind vorbeigeschwunden

An drei verschlafnen Hunden.

Jetzt faßt ein tödlich Grauen

Die häuslichste der Frauen,

Sie ist ins Herz verletzt,

Der Jammer packt sie jetzt

Mit seiner ganzen Stärke,

Es ist ein Streich zum Weinen:

Geraubt sind auch die feinen

Geburtstagszuckerwerke!

Nun steht sie da ergrimmt,

Ihr Auge glüht und schwimmt

In wirtschaftlichen Tränen,

Unchristlich, doch von Herzen

Wünscht sie drei Tage Schmerzen

Den frechen Diebeszähnen.

Jetzt sammeln sich die Kinder

Und klagen nicht gelinder,

Und aus der bittern Klage

Entspringt die große Frage:

»Hat sich ein Mensch vergessen?

Hat dies ein Tier gefressen?«

Als eurer Zweifel Richter

Laßt gelten einen Dichter:

Was hier dem Dieb gefiel,

Zu vielerlei und viel

Wills meinem Sinne scheinen

Für eines Tieres Fraß;

Drum soll ich lieber meinen,

Daß sich ein Mensch vergaß.

Doch muß ich wieder glauben

Trotz viel und vielerlei,

Bei solchem frechen Rauben

War auch ein Tier dabei.

Wie auch der Fall sich wende,

's ist alles eins am Ende:

In diesem Duftrevier

Hat beides: Mensch und Tier

Zu eurem Herzeleide

Heut nacht sichs lassen schmecken,

Ob in zwei Leibern beide,

Ob sie in einem stecken.

Scherz nach einer zufällig aufgeschlagenen Bibelstelle

 

Ahimaaz, der Sohn des Zadok, sprach,

Sprach wiederholten Males zu Joab:

»Wie, wenn ich liefe auch dem Chusi nach,

Schnell hinter seiner Ferse Staub im Trab?«

 

Da sprach Joab: »Gemach, mein Sohn, gemach!

Bleib, gib dem Winkel deinen Wanderstab,

Laß deine Botschaft unter meinem Dach,

Der König kauft sie dir mit Prügeln ab!«

 

Doch jener spricht: »Wie, wenn ich dennoch laufe,

Und bald zurück den Chusi spring und schnaufe?«

Da sprach Joab: »So laufe doch mein Sohn!«

 

Und also lief stracks fort Ahimaaz

Und springt dem Chusi vor im schnellen Satz,

Und Chusi kommt um seinen Botenlohn.

Lebe hoch! Sofie! Die edle Frau!

 

26. September 1838

 

Laßt uns für Sofiens teures Leben

Herz und Glas in alle Höh erheben!

Ihrem Leben segenfeste Dauer!

Jede Freude, jedes schöne Hoffen

Soll ihr pünktlich kommen und genauer,

Als sie selbst von Ischl eingetroffen!

Aber will ein Unfall sie erfassen,

Soll er, wie sie selbst, nur Zeit sich lassen.

Und er komme, folgend ihrem Gleise,

Stets zu spät um eine Tagesreise!

 

Literarisches

 

Dichters Klagelied über das junge Deutschland

Da droben auf jenem Berge,

Da steh ich tausendmal

An meinem Stabe gebogen

Und schaue hinab ins Tal;

 

Folg meiner Gedankenherde,

Mein Herz bewahret mir sie;

Die Kunst ist herabgekommen

Und weiß wohl selber nicht wie.

 

Da stehet von schönen Blumen

Die ganze Wiese so voll,

Ich breche sie, ohne zu wissen,

Wem ich sie geben soll.

 

Und Regen, Sturm und Gewitter

Verpaß ich unter dem Baum;

Die Türe dort bleibt verschlossen,

Und alles ist leider ein Traum.

 

Es stehet ein Regenbogen

Wohl über jenem Haus;

Poesie ist weggezogen,

Und weit in das Land hinaus;

 

Hinaus in das Land und weiter,

Vielleicht gar über die See.

Vorüber, ihr Schweine, vorüber!

Dem Dichter ist gar so weh.

An Karl Mayer

 

Tust du nur einen Saitengriff,

So fängt der Hund zu heulen an;

Daß sie sein Ohr nicht feiner schliff,

Hat ihm die Schöpfung angetan;

Drum, wenn dein Lied die Schöpfung preist,

Gib acht, daß dich der Hund nicht beißt.

Die Frivolen

 

Die Zeit ist hin, wo vor den Banngewittern

Des Glaubens noch ein Bube mußte zittern.

 

Dahin sind auch die Tage, wo der Flug

Der Meisterkraft die Stümper niederschlug.

 

Der Geist hat auch sein gutes Recht verloren,

Sein altes Machtwort übers Volk der Toren.

 

Wie einen Lappen, aufgehängt im Winde,

Durchbohrt kein Kugelschuß auch dies Gesinde.

 

Sie flüchten, wenn der Ernst sie je befiel,

Ins Fleisch, in ihr verwesliches Asyl.

 

So durch und durch verdorben ist die Bande,

Daß sich der Blitz befleckt an ihrer Schande.

 

Der Bube läßt aufgären mit Gekreische

Der niedern Leidenschaften trübe Maische;

 

Was als ihr Heiligstes die Menschheit kennt,

Er wirfts in seinen Kübel als Ferment;

 

Wenn er die Blase schaut in seinem Schaume,

Scheint sie Weltkugel seinem Dünkeltraume.

 

Die Kunst ist eine derbe Magd geworden,

Verpöbelt in der Frone schlechter Horden.

 

Sie schleppt das Holz, daß zündend sie bediene

Der Lüste lustig prasselnde Kamine.

 

Sie trägt den Eimer der verflachten Lumpen,

Mit Beifallstränenflut ihn voll zu pumpen.

 

Im Stalle waltet sie, den Freudenfesten

Der Taumelnden das Vieh heranzumästen.

 

Sie schreitet ihnen vor, aus ihren Wegen

Wie dürres Laub die Sitte fortzufegen.

 

Ich las einmal in einem fränkschen Blatte,

Daß eine Metze einen Liebsten hatte.

 

Der Liebste war ein armer, armer Ritter,

Dachlos, brotlos, kleidlos, es drückt' ihn bitter.

 

Denn, ach! er hatte nicht um sich geschlagen

Den Bettlermantel, den die Schwaben tragen,

 

Das Notgewändlein, das im Neckartal

Die Patria, Religion, Moral,

 

Drei alte Schneiderjungfern, zubereiten

Und dort den Bettlern um die Hüfte breiten.

 

Schon war der Arme fast in Not verkommen,

Da hat die Metze sein sich angenommen.

 

So manchem Jüngling war die Dirne schädlich,

Nur mit dem Einen meinte sie es redlich.

 

Was mit der Sünde sie gewann, der feilen,

Sie bracht es heim, es treu mit ihm zu teilen;

 

Behaglich nahm es an der faule Schuft,

Wie sie entehrt zueilte ihrer Gruft.

 

Und als ich von der Dirne las die Kunde,

Dacht ich der Kunst und wie sie geht zugrunde.

 

Kein Bannesblitz kann solche Frevler schrecken,

Kein Geistesdonner sie zum Geiste wecken.

 

Für solcher Seelen schmähliche Umnachtung

Ist nur der Bann geblieben der Verachtung.

An einen Tadler

 

Wenn gegen falschen Schmerz du dich ereiferst

Und Tränenkünstelei, so hast du recht;

Doch hast du was von einem Henkersknecht,

Wenn du mit Spott den wahren Schmerz begeiferst.

 

Verfolge rüstig, wo du kannst, die Lügen;

Die Wahrheit ehre; ist dir wohl zumut,

So sollst du zügeln dein vergnügtes Blut

Und zur Gesundheit nicht die Roheit fügen.

 

Auch Freuden gibt es, die nur Freuden scheinen,

Und mehr vielleicht als Schmerzen, die nicht wahr;

Wem Lust blüht, lache; traure, wem sie gar;

Und ists ein Dichter, mag sein Lied auch weinen.

Musa teleologica

 

Wie das Ding die Flügel tummelt

Und im Wind gewaltig rummelt,

Obs zu Himmel wollte fliegen

Und im Flug den Aar besiegen.

 

Und die träge Rinderherde,

Schauend solche Fluggebärde,

Und die Gänse auf der Wiese

Glauben: 's ist ein Vogelriese.

 

Wisset, Gäns und Wiederkäuer,

Euer Vogelungeheuer,

Taumelnd dort am fernen Hügel,

Ist 'ne Windmühl, kein Geflügel.

 

Seine Schwingen sind nur Speichen,

Schlagend, wenn die Winde streichen,

Wenn sie rasten, stille passend,

Doch das Niedre nie verlassend.

 

Und das Herz dem Vogelwunder

Ist ein Stein, ein glatter, runder;

Grobes Korn ist seine Seele,

Das er mahlt zu seinem Mehle.

Kompetenz

 

Männer, welche eine Höh erklommen,

Sind als Richter wert uns und willkommen;

Ist es nicht die Höhe des Gesanges,

Seis die Höhe doch des Forscherganges.

Solchen steht es an, ein Wort zu reden

Von des kühnen Wandrers Mühn und Fehden

Mit Abgründen, Klippen, Eisesflächen,

Wo die Jäger sich die Hälse brechen.

Solche mögen auch mit Recht verspotten

In der niedern Marsch die Pöbelrotten.

Wer mit Gemsen eine Luft getrunken,

Atmet nicht behaglich bei den Unken.

Wer zum Abgrund schwindellos gesehen,

Wird des Bruders kühnen Tritt verstehen;

Wer den Fels der Meisterschaft erklettert,

Ehrt den Mann, der hier nicht sank zerschmettert

Aber alle andern sollen schweigen,

Wenn sich Männer ihrem Volke zeigen;

Schweigen sollen sie und sollen lernen,

Wie man näher wandeln mag den Sternen.

Scheu mit seinem Urteil sich verschliefe,

Wer herum noch stümpert in der Tiefe.

Glaubt ihr denn, ihr lahmen Krüppelwichte,

Daß die Welt nach eurer Weisheit richte?

Ha! ihr wollt als Ellen eure Krücken

Kindisch messend an die Geister drücken!

Und indem ihr mit der Krücke schaltet

Und den Stecken in die Lüfte haltet,

Raubt ihr eurer lahmen Wucht die Stütze,

Und ihr stürzt erbärmlich in die Pfütze,

Denn der Windhauch, den ihr wolltet messen,

Hat euch umgeblasen unterdessen.

Und es hinken weiter unsre Richter,

Vorwärts tragend schmutzige Gesichter,

Während hier und dort aus lyrischen Lacken

Ihre Lieder ihnen Märsche quaken.

Einem Forcierten

 

Zu besiegen deine schwere

Ungelenkigkeit,

Bist du tanzen in die Lehre

Gangen zu Sankt Veit.

 

Und der wackre Meister bläute

In den Leib dir ganz

Seinen Rhythmus, und die Leute

Lobten deinen Tanz.

 

Schief ist all dein Hirn gebeutelt,

Jedes Glied verdreht;

Drum wer tanzend nicht sanktveitelt;

Dünkt dir kein Poet.

Einem kritischen Nachtarbeiter

 

Weil ein Wort der Diätetik

Besser noch mir mag gelingen,

Als ein Wort dir der Ästhetik,

Will ich einen Rat dir bringen.

 

Hast du auf des Tages Bahnen

Müd gelaufen deine Glieder,

Zupft mit wohlgemeintem Mahnen

Dir der Schlaf die Augenlider:

 

Wolle nicht, hinüberduselnd,

Für die Welt geschwind noch richten,

Hegelisch-ästhetisch nuselnd,

Was du nicht verstehst, mein Dichten;

 

Schlagen nicht das Haupt vom Rumpfe

Meinem Werk mit plumpen Scherzen,

Schnell, beim letzten Flackerstumpfe

Deiner abgebrannten Kerzen.

 

Denn dir leuchten zum Erkennen

Keine hellen Kunstgestirne;

Armer Kauz, du scheinst zu brennen

Talg im Leuchter und Gehirne.

 

Darum halte dich geschieden

Von den kritischen Bezirken,

Leg aufs Ohr dich, gönn dir Frieden,

Dein Beruf ist Werkelwirken.

Einem unberufenen Lober

 

Ich trink ihn schon, den Becher der Begeistrung,

Ich brauche nicht, daß du mich invitierest,

Daß du mit ekelnd süßer Lobeskleistrung

Als Mundschenk mir den reinen Rand beschmierest.

Guter Rat

 

Willst du richten

Unser Dichten,

Obs geflattert

Und geschnattert,

Obs geschwungen

Und gesungen,

Birg doch klüglich

Unverzüglich

Deinen Ungeschmack,

Und verscharre

Das Geschnarre:

Deinen Dudelsack.

Der Reiter von W.

 

Auf dem krit'schen Schusterbänklein

Nahmst du dich noch aus erträglich,

Hattest manchmal ein Gedänklein;

Doch als Dichter bist du kläglich!

 

Rezensenten sind fast alle

Obenleichthindrüberhuscher,

Und die dümmsten mit Gelalle

Auch versifikante Pfuscher.

 

Kommt der Bursch in seinem Streitwahn,

Unter tausend Stümperängsten,

Tief zu Esel auf die Reitbahn,

Dröhnend von arabschen Hengsten.

 

Hei! hei! heil du krit'scher Bummler,

Zeige dich nun selbst als Reiter!

Zeige dich als kecker Tummler!

Sporne! peitsche! vorwärts!! weiter!!!

 

Hörst du's wiehern? hörst du's rufen?

Doch dein Graugaul sträubt die Ohren,

Stampfend möcht er mit den Hufen

In die Erde sich verbohren.

 

Und die Reiter nehmens Kränzlein,

Das du ihnen gabst zur Ehre,

Und sie bindens an das Schwänzlein

Lachend deiner grauen Mähre.

 

Raschelnd mit den Lorbeerbauschen

Peitscht der Esel sich die Flanken,

Unter Spottgelächters Rauschen

Bricht er scheu aus unsern Schranken.

 

Die zerzauste Panegyrik

Hat der Wind davongetragen,

Lachend denkt man nur der Lyrik,

Die dein Esel aufgeschlagen.

 

Reiter, die dir nicht gefallen,

Die du jüngst so scharf gescholten,

Haben spottend jetzt vor allen

Schadenfreudig dirs vergolten.

 

Willst du richten unser Dichten,

Laß die Vers' im Halse stecken;

Sie zernichten dir dein Richten!

Laß den Grauen bei den Säcken!

 

Laß als Müller du dein Fohlen

Immerhin zur Mühle gehen;

Und als Schuster flick die Sohlen

Schlechtbeschlagnen Renommeen!

An einen Dichter

 

Dir gab ein Gott die Dichtergabe,

Als Nachen ist der Ruhm bereit,

Mit dir zum Strand Unsterblichkeit

Zu tanzen überm Wellengrabe;

 

Doch mußt du einsam ihn beschreiten,

Der Mut allein sei dein Gespan!

Die Fähre trägt nur einen Mann,

Soll sie mit dir todüber gleiten.

 

Du siehst das Ufer lockend winken;

Nimmst du, zu trotzen der Gefahr,

Von Ruderknechten eine Schar,

So müßt ihr allesamt versinken.

Einem Theaterdichter

 

In der Niedrung schmilzt der Schnee,

Im Gebirge schneit es;

Ob der Schwarm in Tränen steh

Über all dein Breites,

Uns wird kühl, langweilig weh,

Bringst du nichts Gescheites.

Unberufen

 

Nicht ein jeder wagt zu richten

Meister, so in Farben dichten,

Noch des Meisters Flug in Tönen

Schnell zu tadeln, flink zu krönen;

Denn mit Farben und Gestalten

Weiß der Laie nicht zu schalten,

Und im Kontrapunkt zu reden,

Ist nicht Sache eines jeden.

Doch des Worts ist, so und so,

Wer nicht stumm, ein jeder froh.

Darum wer in Worten dichtet,

Wird vom ganzen Troß gerichtet;

Jeder weiß von ihm zu schwatzen,

Launisch greifen ihm, heut schmückend,

An die Stirne, morgen pflückend,

Alle ungeweihten Tatzen.

Dieser Pöbel faßt es nie,

Daß er über Poesie,

Als die höchste Kunst von allen,

Hat kein Urteil hinzulallen.

Eben weil ihm ihre Zeichen

Altvertraut sind, dünkt ihm alt

Und vertraut auch ihr Gehalt,

Und er wird ihn nie erreichen;

Ewig schließt für ihn die Pforte;

Weil er im bekannten Worte

Nur sein täglich Brot erkennt,

Ists für ihn kein Sakrament.

Ein offner Wald

 

Ein offner Wald am Straßensaume

Ist dein Gedicht, du mußts ertragen,

Reibt sich an seinem schönsten Baume

Ein Schwein mit grunzendem Behagen

Ein Rezensent

 

Ich las in seinem Buche viel Frivoles,

Scheinbar Verständiges und witzig Hohles,

Ich sah ihn seine Richtermiene schneiden,

Ich sah ihn führen spitzige Lanzetten,

Mit ekler Lust Skandale auszuweiden,

Heliogabaläisch Formen kneten.

Ich sah ihn Unrat sammeln in Retorten,

Er sublimierte ihn zu scharfen Witzen,

Am Boden blieb nach schnellverdampften Worten

Als ›caput mortuum‹ die Ehre sitzen

Gebildete Sprache

 

Weil ein Vers dir gelingt in einer gebildeten Sprache,

Die für dich dichtet und denkt, glaubst du schon Dichter zu sein?

Schiller

 

Wie das Schlachtroß proprio Marte

Plötzlich tanzt und feurig springt,

Wenn ihm die Trompete klingt,

Und davoneilt zur Standarte;

Wie sichs stellt in Reih und Glied

Und das Bäuerlein im Bügel

Fort muß mit verwirktem Zügel,

Gar nicht weiß, wie ihm geschieht:

Also trägt das deutsche Wort,

Das von Meistern ward geritten,

Als sie sich den Kranz erstritten,

Manchen Stümper mit sich fort.

Ein Epigramm

 

Das Schwert zu führen, die verschanzten Sitze

Des starken Feinds mit Pfeilen zu beschießen,

An seinem Fluch zu messen seine Wunde,

Ist meine Lust; und heut in müß'ger Stunde

Freut michs, an Epigrammes Nadelspitze

Zum Spaß dich Eintagsfliege aufzuspießen.

Dank mirs, so wirst du doch nicht gleich vergessen,

Nicht von der nächsten Spinne aufgefressen.

Schade!

 

Schade, daß des Kreuzes Zeichen,

Das auf Golgatha gestanden

Zur Erlösung aus den Banden,

Nun dem Zensor dient zum Streichen!

 

Das Symbol ward uns verkehrt,

Höhnend steht es da und lehrt,

Daß wir lange noch vom Bösen

Hoffen dürfen kein Erlösen.

Guter Rat

 

Willst du auf die Ferne wirken,

Und dein Leben ihnen zeigen,

Mußt du vor den Nahen schweigen,

Die belauschend dich umzirken,

Die, wenn sie ein Wort erpassen,

Gleich entstellt es drucken lassen.

Trutz euch!

 

Ihr kriegt mich nicht nieder,

Ohnmächtige Tröpfe!

Ich komme wieder und wieder,

Und meine steigenden Lieder

Wachsen begrabend euch über die Köpfe.

Komm an!

 

Willst du an meine Kraft heran dich wagen,

Komm an! ich werde deinen Stoß ertragen,

Du wirst zerschellen, und ich werde ragen,

Die Welt sieht nichts von dir in künftgen Tagen,

Die Keule nur, womit ich dich erschlagen.

Der Unhold

 

Lächelnd lehnt er am Weidenstumpen,

Zwerghaft, bucklig, uralt, in Lumpen.

Seine abendbesonnte Herde

Freut sich brüllend der üppigen Erde.

Schauen sonst Tiere mit dunklem Leid

Menschengestalt, hier sonder Neid

Blicken die wohlgewachsenen Rinder

Auf das unschönste der Menschenkinder;

Neidlos, auch ohne Furcht und Grauen

Mag die Herde den Hirten beschauen;

Haben auch Rinder Phantasie,

Ist sie doch so gewaltig nie,

Nie von also plastischer Schärfe,

Daß in des buckligen Unholds Nähe

Sich die trächtige Kuh versehe,

Kalbend ein Dromedarlein werfe.

 

Aus der Albigenserzeit

 

Der Kürass

»Wollt Ihr nicht einen Küraß kaufen,

Herr Husar! mein Herr Husar?

's ist doch besser im Küraß raufen,

Als im schleißigen Tuch, nicht wahr?«

 

Lacht der Husar dem Judengauche:

»Hast du den Hafendeckel gebracht,

Daß die Seele mir nicht ausrauche,

Wenn sie mir kocht im Feuer der Schlacht?«

 

»Kauft den Küraß! wie wärs doch schade

Um den schönen gewichsten Bart,

Wenn er um eine schlechte Parade

Noch so schwarz schon würde verscharrt!«

 

»Jude, kennst du Husarenhiebe?

Säbel und Schild und Küraß zugleich

Führt meine Faust; Jud, schiebe dich, schiebe,

Sonst verkostest du meinen Streich«

 

Und der Husar den blanken Säbel

Kreuzend und kreisend ums Haupt sich schwingt,

Daß es wie ein eiserner Nebel

Vor den Augen des Juden springt.

 

»Bravo, Husar! Doch besser ist besser;

Kauft den Küraß, helft Euch und mir.

Seht, dort reiten drei Eisenfresser,

Weh, drei Feinde! bald sind sie hier.«

 

»Ei, so komm«, so ruft der Magyare,

»Will dir helfen, du armer Tropf!«

Und er packt ihn an seinem Talare,

Setzt ihn vor sich auf den Sattelknopf.

 

»O du ärmster Jude auf Erden!

Ich bin hinten, und du bist vorn;

Du mußt selber mein Küraß werden!«

Und er gibt dem Rosse die Sporn.

 

Wild verzweifelnd schreit der Hebräer,

Doch der Husar hält fest; hu! hu!

Reitet näher und näher und näher

Auf die drei feindlichen Reiter zu.

 

Hält den Juden mit seiner Linken,

Mit der Rechten führt er das Schwert,

Und die drei Reiter vom Rosse sinken,

Und der Jude blieb unversehrt.

 

Sanft hinab vom schäumenden Hengste

Setzt den Juden jetzt der Husar,

Für die Gefahren und Todesängste

Reicht er den Beutel voll Goldes ihm dar.

 

»Keinen Küraß mehr dem Husaren!«

Ruft der Husar und reitet davon;

Zitternd noch von den Todesgefahren,

Zählt der Jud die Dukaten schon.

Der Stille See

 

Die Felsen rings bewahren den stillen dunkeln See,

Und auf den Gipfeln schimmert der zarte Sommerschnee.

Der stille See getreulich läßt jedes Rlatt erscheinen,

Die Treue ist zu schauen im Friedlichen und Reinen.

Reiseunbehagen

 

Teufel hinein! daß gerade

Zu meinen Füßen

Die schnarchende Ambassade

Hat sausen müssen!

In der Neujahrsnacht 1839/1840

 

Fahr wohl, fahr hin, o Jahr! nimm fort mit dir im Scheiden

All deine Lust, nur laß nicht liegen mir die Leiden!

 

O könnt ich hinter dir die Pforte schließen, – hören,

Wie deine Tritte sich in stiller Nacht verlören!

 

Jetzt nah und schon so fern, wie auf der Flucht ein Reiter,

Daß mein Gedächtnis, müd, nicht folgen könnte weiter,

 

Wie einem Reitersmann des Weges noch ein Stücke

Nachbellend folgt der Hund, und still dann kehrt zurücke!

 

Doch ist dies eitler Wahn, des Weges nimmer müde,

Folgt deinen Spuren nach, wohl bis er stirbt, mein Rüde.

 

Fahr hin, unholdes Jahr! mir warst du von den schlimmen;

Es mögen andre dir ein Liedlein Dankes stimmen.

 

Die andern?! – strafend will die Scham mich überkommen,

Daß ich, was andern frommt, nicht mir auch ließe frommen.

 

Was gilt mein Körnlein Schmerz, was gilt mein Lüftchen Klage,

O scheidend Jahr, wenn ich den letzten Gruß dir sage?

 

Doch läßt mein Herz auch nur vom Weltgeschick sich führen,

Kann mich dein Scheiden nicht zu Dankestränen rühren.

 

Zwar hieß dein wahres Wort manch Lügenbild erblassen,

Doch war dein Lieben matt, doch war zu kühl dein Hassen.

 

Zwar hast du unserm Heil den Weg gebahnt von Eisen;

Doch eisern mochte nicht dein Wille sich erweisen.

 

Noch fährt der Nachtgeist fort zu siegen und zu schrecken,

Auf neuen Feldern stets sein Lager abzustecken.

 

Eins sei gebeten, Jahr: was du getan, gesonnen,

Verlaufe nicht im Sand wie Wein zerschlagner Tonnen.

 

Wenn die Ablöse kommt, das neue Jahr von Osten,

Und nimmt an deiner Statt den Erdenwacheposten,

 

So murmle nicht zu dumpf die geltende Parole

In den bereiften Bart, daß sie der Wind nicht hole;

 

Damit dein Nachmann fein einhellig sich gebare,

In deinem Segensspruch nicht fluchend weiter fahre,

 

Und nicht, wo du geflucht, ins Knie anbetend sinke,

Und nicht, was du verscheucht, zurück liebkosend winke;

 

Und wo du Funken warfst, die glücklich schon gezündet,

Wo schon der Rauch für bald den Flammenschlag verkündet,

 

Da soll das neue Jahr nicht schrecken vor dem Rauche,

Nicht löschen feig stupid mit seinem Wasserschlauche!

In Emma Niendorfs Merrbüchlein

 

Justinus Kerner

und Alexander

lieben dich ferner

mit einander

 

Und meine Lieb als dritte

Geht mit in gleichem Schritte.

Zuruf

 

Die Keuschen, Sittigstrengen, Tugendfrommen

Sind lahm und lau, wenns gilt den Strauß zu fechten,

Wenn ihr Panier ins Blutgedräng gekommen,

Doch Helden sind die sogenannten Schlechten.

 

Der Fromme mit dem feisten Gottvertrauen

Verwächst und seine Klinge mit der Scheide:

»Der starke Gott wird selber durch sich hauen,

Er will es, daß sein Knecht hienieden leide.

 

Laßt nur die Taumler ins Verderben rennen;

Ihr seht sie heut frohlocken, morgen modern;

Wie Branntweintrunkne schmählich selbstverbrennen,

Muß jede Schuld in ihrem Rausch verlodern.«

 

Doch solchem Ruf gebührt zur Antwort solches:

O feige Gottesknechtschaft! Kettenhunde!

Ein stumpfes Amen statt des scharfen Dolches?

Spürt euer kalter Brand nicht mehr die Wunde?

 

Der Römler wird am Sakrament nicht irre,

Wenn sündhart lebt der Priester der Gemeine,

Weil Gnade nicht gerinnt im Schmutzgeschirre,

Die Hostie schmutzt ja nicht, die ewig reine.

 

O lernt vom Römler Weisheit, fromme Zager!

Ist mancher Streiter auch nicht rein des Schmutzes,

Ist rein doch das Panier im Freiheitslager,

Und wahr das Herz des ungeschlachten Trutzes.

 

Im Strauchgewirr von Glauben, Recht und Sitte

Ein Ungeheuer liegt in Schlangenringen,

Trat mancher drauf mit unversehnem Tritte

Und schrie entsetzt; kann das melodisch klingen?

 

Ein kaltes, plumpes, blödes Ungeheuer,

Das Herzen frißt und saugt Gehirne trocken,

Das ewig wälzt, ein träger Wiederkäuer,

Des Elends mittelalterliche Brocken.

 

Harpunen in die Schuppen starrer Satzung!

Und Dolche nach, die Menschheit zu erlösen!

Kein blutend Herz dem Untier mehr zur Atzung,

Messias' Zorn! o komm, erschlag den Bösen!

 

Dein Tod am Kreuz, o Christus, ist verloren,

Wenn du nicht wieder kommst für unsre Nöten,

Prophet, hat uns das Völkerleid geschworen,

Messias, daß du diesmal kommst, zu töten.

 

Sie fingen auf das Blut von deinen Hüften,

Die Welt zu tränken mit gefälschter Schale,

Die Welt damit zur Feigheit zu vergiften,

Sie krankt vom Opium in deinem Grale.

 

Darum ans Kreuz dir jetzt die Knaben rücken,

Sie klettern drauf, um deine Dornenkrone

Wie 's Vogelnest im Lenz vom Baum zu pflücken,

Und wer das Kreuz verehrt, verfällt dem Hohne.

 

Drum Männer scharf dein Kreuz beschossen haben

Mit eisigen Verstandes Hagelwettern;

Und Grübler nach des Kreuzes Wurzel graben,

Daß sie es schier umwerfen, schier zerschmettern.

In einer Schlucht!

 

1.

Gewaltig tobt der Wind und beugt

Den Wildbusch, sausend in der Schlucht,

Der Bach beschleunigt seine Flucht,

Von Regenwolken großgesäugt.

 

Nach Süden eilt hinab der Bach,

Nach Norden spritzt ihn das Geschnaub,

Und unstät irrt das dürre Laub

Dem »Wasser und dem Winde nach.

 

Nun gilt des Herbstes Sterbgebot,

Doch unglückselig ist das Tal,

Daß hin der holde Sommerstrahl,

Und alles grollt und schmäht den Tod.

 

Mit schwerem Kampf das Leben bricht,

Der Baum, der Busch, so todesmatt,

Hält seufzend fest am letzten Blatt;

Wie gut der Tod, sie glaubens nicht.

 

2.

 

Was klinget zum Gebüsch heraus?

Ein Knabe vor das Glöcklein schwingt,

Das Sakrament ein Priester bringt

Wohl dort in jenes Köhlerhaus.

 

Ei! seltsam ist des Manns Geleit,

Voran ihm schellt der Ministrant,

Die Glock am Hals, kommt nachgerannt

Ihm eine Geiß, die meckernd schreit.

 

Was will die Geiß vom Priester nur?

Sie schreit ihn spöttisch kläglich an,

Als riefe sie: Gib, frommer Mann,

Die letzte Ölung der Natur!

Die Albigenser von Nicolaus Lenau

 

Wieder ist es, ach! kein Ganzes,

Sträußlein nur statt eines Kranzes,

Ohne Rundung, Schluß und Naht,

Nur ein loses Aggregat,

Wie die gänzlichen Pedanten

Meinen Florentiner nannten.

Einem Dichter

 

In diesen Herzen wogt die Liebe,

In jenen drüben kocht die Galle,

Dein Feuer brachte sie doch alle

In Wallung; gut, wenn es so bliebe!

Doch gehst entgegen du dem Leide,

Wo alles still wird um dich sein,

Wo du dein Leid für dich allein

Aufspielen wirst auf einer Heide;

Wo du nach einem Wetterschlage

Hinausblickst von der trüben Fläche,

Daß er auf dich herunterbreche,

Damit doch jemand nach dir frage.

Die Rache

 

Der dunklen Wolken letzte schwand

Hinab am glatten Meeresrand,

Um Schatten fernem Land zu schenken

Und mit Gewittern es zu tränken.

Hier regt kein Hauch das durstge Laub,

Und ruhig liegt der feinste Staub;

Die Sommerluft ist schwül und matt,

Und auf der Wasserfläche glatt

Mag sicher hin die Spinne schreiten,

Sie kann in keine Furche gleiten;

Die Möwen taumeln trag und schlagen

Die schlaffe Luft mit Unbehagen.

 

Matrosen baden dort und singen,

Um Leben in die Luft zu bringen,

Denn ist der Seemann müßig auch,

Er liebt des Windes frischen Hauch,

Auf seinen Fahrten lernt er hassen

Das stille Meer, vom Wind verlassen.

Sie singen froh ein irisch Lied,

Wie dem Matrosen wohl geschieht,

Wenn er die Fahrt mit Müh vollbracht,

Die Münze rollt, die Dirne lacht,

Die Fiedel ... weh! ein banger Schrei!

Den einen biß ein Hai entzwei.

Dem Kameraden, ders erblickt,

Hat Schreck und Wut das Herz durchzückt.

 

Doch hat er schnell sich aufgemannt,

Sein Schreck ist in der Wut verbrannt,

Er springt ans Land und holt sein Messer

Und stürzt zur Rache ins Gewässer,

Die andern starren vom Gestade

Ihm nach, und flehen Gott um Gnade.

 

Wo bist? komm an! – er taucht und dreht

Die Augen rings und schwimmt und späht

Und sucht den grimmen Feind verwegen;

Da schießt das Untier ihm entgegen,

Weit gähnt ihm zu der Rachenriß

Und fletscht nach ihm das Mordgebiß.

Doch denkt er nicht der eignen Sache,

Nur Rache, seinem Toten Rache.

Tief in des Meeres Einsamkeit

Und Dämmerung beginnt der Streit,

Wild, atemlos, still; wer bezwungen,

Wird stiller nicht, als er gerungen,

Der Dolch, die Zähne sind gezückt,

Das Auge nah dem Auge rückt.

 

Am Strande stehn die andern harrend,

Bang nach dem Ausgang niederstarrend.

Wohl manchen mahnts: o spring hinein,

Laß deinen Bruder nicht allein!

Doch Schrecken hemmt die kühne Tat

Und raunt ihm zu: Es ist zu spat.

Da sehn sie rot das Meer sich färben,

Stets röter quillts – wer mußte sterben?

 

Der Hai tat einen Schuß und Schnapp,

Doch am Gebiß vorüber knapp

Ist ihm der kühne Held geschwommen,

Und sucht bauchunter ihm zu kommen;

Er weicht und schießt und taucht hinab

Dicht unter seines Bruders Grab,

Bohrt ein den Dolch bis an die Haft,

Und zieht den Schnitt mit Lust und Kraft.

Gestachelt von des Schmerzes Feuer,

Wälzt seinen Leib das Ungeheuer,

Und wendet ihn, den wütend jachen,

Dem Tapfern droht der offne Rachen,

Darin vor grimmigem Erbittern

Und Mordbegier die Zähne zittern;

Der Mann entglitt zum zweitenmal,

Und mordend wühlt der scharfe Stahl.

 

Der Hai an ihm vorübersinkt,

Doch aus dem Schlund die Wut noch blinkt;

Wie sterbend ihn das Auge mißt

Des Hais, der Seemann nie vergißt.

 

Er schwingt sich auf nach Luft und Licht,

Erschöpft sein Leib zusammenbricht;

Das Hurra jauchzt, das Siegsgeschrei:

Der starke Held bezwang den Hai! –

 

Da wirft sich der verwegne Fechter

Ermüdet in den Ufersand

Und schlägt ein helles Lustgelächter,

Daß er das Untier überwand.

Des Teufels Lied vom Aristokraten

 

Ich lobe den Aristokraten;

Hat er des Adels rechte Völle,

Ist er vorweg schon halb geraten

Und zugerichtet für die Hölle.

 

Wer besser schon sich dünkt und echter,

Bloß weil er lebt, als ganze Scharen,

Der wird gewiß zur Grube schlechter

Als all die Tausend niederfahren.

 

Was schützen mag die Niedern, Rohen

Vor meiner Finger scharfen Griffen:

Natur und Liebe – wird dem Hohen

Schon in der Kindheit abgeschliffen.

 

Geschieden von der schlechten Rotte

Des Volkes sitzt der Edelreine

In seiner lieben Ahnengrotte

So kühl, erhaben und alleine.

 

Vorüber braust an seinem Saale

Das Volk mit Not- und Dampfgewerben,

Sie schwingen ihm die Festpokale,

Man lebt – und eilt, für ihn zu sterben.

 

Doch Ruh ist in des Edlen Kammer,

Daß er die Lebensmüh nicht spüre,

Und jeden Seufzer muß der Jammer

Verschlucken still vor seiner Türe.

 

O köstlich ist die stille Schonung,

Denn deutlich hörts der Mann der Gnaden,

Wenn süß ertönt um seine Wohnung

Die Luft von meinen Serenaden.

 

Er setzt in Noten sich mein Ständchen,

Bewundernd singen es die Schranzen,

Und morgen muß allwärts im Ländchen

Das Volk nach meinem Liede tanzen.

Das Gespenst

 

Dies war einmal ein Edelhaus,

Nun ist es trauriglich zerfallen,

Es schneit und regnet in die Hallen,

Nur Rauher gehn dort ein und aus.

 

Der Sohn einst mit dem Vater stritt,

Wer auf der Jagd die Ent erschossen;

Da ist des Alten Blut geflossen,

Der wilde Sohn zum Teufel ritt.

 

Weib, Knecht und Dirne flohn den Ort,

Hat keins das Blut nur aufgescheuert;

Nun heißts: bei Nacht auf Enten feuert

Des Alten Geist durchs Fenster dort.

 

Ein Räuber spukt im Haus umher,

Den toten alten Grafen spielend,

Im weißen Hemd, auf Enten zielend,

Durchs Fenster feuernd sein Gewehr.

 

Der Hirte sieht im Mondschein hell

Von fern das Hemd des Geistes flattern,

Hört in der Luft die Enten schnattern,

Den Schuß – und kriecht ins Lämmerfell.

 

Er staunte jüngst in dunkler Nacht,

Wie Lichter im Gemäuer brannten,

Den wirren Lärm von Musikanten

Der Heidewind ihm zugebracht.

 

Hei! lustig klangs im alten Nest

Von Schmaus und Saus, Zigeunergeigen;

Die Räuber tanzen tollen Reigen,

Der Hauptmann hält sein Hochzeitsfest,

 

Doch leuchtet nicht am Firmament

Dem Räubersmann und seinem Schatze

Der Brautnacht Mond, des Pfaffen Glatze;

Die Lust vereint, der Scherge trennt.

 

Den Hirten lockt es Schritt um Schritt,

Er spürt beherzt in diesen Tönen

Das warme Blut von Erdensöhnen;

Er trinkt und tanzt und jubelt mit.

 

Des alten Edelmannes Geist

Spielt nun der Hirte gern vor allen,

Er läßt die Entenflinte knallen,

Sein weites Hemd im Monde gleißt.

 

Der Alte übte Raub und Trutz

Im Dickicht finstrer Adelsbräuche,

Nun dient er als Pandurenscheuche

Den Räubern noch zu gutem Nutz.

Einem Wanderer in österreichischer Felsenschlucht

 

Durch einen schmalen Felsenritz

Siehst du am Himmel Nacht und Blitz.

 

Am Klippenrand der karge Strauch

Ist wildbewegt vom Wetterhauch.

 

Gebrochen zuckt herein der Strahl,

Ein Feuersplitter, dir ins Tal.

 

Wie weit Gewitter füllt die Luft,

Kannst du nicht schaun in deiner Kluft;

 

Doch wechseln hörst du Donnerstimmen,

Bald ferne dort, bald nah ergrimmen.

 

Nun folgt in langer Pause nach,

Spät eingedenk, dem Blitz der Krach,

 

Dem Wandrer in der Schlucht zu künden,

Wie weithin Wetter sich verbünden.

In das Album einer Dame nach Durchwanderung des Schlosskellers und Gartens zu Eschenau

 

Auf solchem Gang durch einen reichen Keller,

Da schlägt der Puls des Herzens tiefer, schneller.

Auf solchem Gang durch einen grünen Garten,

Da wetzt das Leben aus die alten Scharten.

Auf einen Bergquell, genannt Rothschildbrunnen

 

Nicht der Quell allein, der klare,

Der vom Berge kommt geronnen,

Auch der Zeitenstrom, der trübe,

Nenne sich den Rothschildbronnen.

An Wilhelmine Dilg

 

Meine Lieder kommen alle,

Dich mit ihrem schönsten Schalle

Innig dankend zu begrüßen,

Auf die Stirne dich zu küssen.

 

Gruß und Kuß von allen Musen,

Die beglückend mir den Busen

Je gerührt zum Freudenschauer,

Zum Gesänge dunkler Trauer.

 

O kein Ringlein ist so golden,

Wie der Ring von meiner holden

Treuen Mutter, längst im Grabe! –

Gruß und Kuß für deine Gabe.

 

Letzte Gedichte

 

Prolog

zum Jubelfeste des Erzherzogs Karl

 

Gesprochen in Wien am 17. April 1843.

 

Schnell ist die Tat dem Aug des Tags entschwunden,

Doch ist sie nicht verloren und zunichte;

Sie bleibt, als hätt ein Zauber sie gebunden,

Gefesselt von dem Auge der Geschichte.

Sein Strahl ruht liebend, lohnend auf dem Guten,

Vor dieses ernsten Auges Zornesgluten

Ist das Gewölk der Lüge bald zerronnen,

Das hüllend um den Frevler ward gesponnen.

Gesegnet und gefeiert sei der Mann,

Der frei in dieses Auge blicken kann;

Und wenn es freudig ihm entgegenglänzet,

Verdient er, daß die Menschheit ihn bekränzet. –

 

Napoleon stand auf den Marchfeldsflächen,

Mit seinen Heldenscharen, Heeresmeistern,

Umrauscht, umflammt von allen Siegesgeistern,

Und fest entschlossen, Deutschlands Herz zu brechen.

Wie bebte dieses Herz vor seinem Tritte,

Das Völkerband vor seinem Todesschnitte!

Sein Wort gebot den Mächten dieser Erde,

Mehr als des Rechts altheiliger Bestand

Galt seines Munds ein Hauch, sein Wink, der Hand

Beglückende, vernichtende Gebärde.

Vom Königszittern schwankten rings die Thronen,

Und eine Wanderlust ergriff die Kronen,

Wie Vögel im Spätjahr der Reisezug,

Als er die alte Welt in Trümmer schlug. –

 

»Bald stürzt vor mir und meinem starken Heer

Der Leopard Britannias ins Meer!

Der Briten Stolz verwandle ich in Gram

Und ihren Taumelkelch zur Tränenurne;

Hispania liegt zu meinen Füßen zahm,

Und wischt den Schlachtenstaub mir vom Kothurne

Mit ihrem weichen aufgelösten Haare;

Auf Lisbons Zinnen setz ich meine Aare;

Und Deutschland –« Halt! bei Aspern mußt du fragen,

Wie deutsche Herzen, deutsche Schwerter schlagen!

Dort zeigt sichs bald in blutigen Gewittern,

Ob du ganz ungelehrig für das Zittern!

Dort steht ein Fürst, ein gottgeadelt-echter,

Wie selten ihn gezeugt die Hochgeschlechter;

Der Brennpunkt jeder Freude, jedem Schmerz

Des Vaterlands ist sein geweihtes Herz;

Er ist an Heldenkraft selbst dir gemessen,

Doch eines schmückt ihn schön, was dir gebricht,

In seinem Herzen brennt der Liebe Licht,

Und nie hat er der Menschlichkeit vergessen! – –

 

Napoleon stand auf dem Marchfeldboden,

Für sich – die Welt gewaltig umzuroden;

Schon lag erobert Wien zu seinen Gnaden,

Mit Herzensangst, mit Schmach und Not beladen.

Geharnischt ritten durch die bange Stadt

Napoleons erlesne Kürassiere,

Die Erde bebte vom Gestampf der Tiere,

Der Schrecken sah an ihnen sich nicht satt.

Sie ritten, stolz auf sich und ihren Herrn,

Und gern beglänzt vom deutschen Sonnenstrahle,

Furchtbar dahin, in blanker Eisenschale

Des Kaiserheeres tödlich bittrer Kern.

 

Und als sie kamen auf das Feld der Schlacht

Und bodenschütternd sprengten an mit Macht,

Da stemmten Ostreichs tapfre Bataillone

Wie felsgequadert sich dem Reiterheer,

Sie standen still, geschultert das Gewehr

Auf wenig Schritte noch, als wie zum Hohne.

Der Reiterschock auch plötzlich stille stand,

Erstaunt, als zweifelten sie scheu und bange,

Ob nicht in dieser starren Männerwand

Ein furchtlos Geisterheer sie kalt empfange.

Doch sollen sie bald bitterlich erfahren,

Wie kernhart und lebendig diese Scharen.

Denn »Feuer!« schallts, und Salvendonner schmettern,

Und rasselnd stürzen Roß und Mann zum Grunde,

Der, weithin schlitternd von den Todeswettern,

Vor Freude bebt in dieser großen Stunde.

Und Karl erscheint an jedem heißen Ort,

Wo er die Seinen sieht im Streite wanken,

Im wildesten Getümmel hier und dort,

Schnell, feurig, wie von Gott ein Siegsgedanken.

Die Fahne schwankt, im dichten Pulverdampfe,

Da faßt er sie und trägt sie selbst zum Kampfe.

Wie hat er stets das rechte Wort gefunden,

Die Herzen seiner Krieger zu entflammen!

Da raffte mancher letzte Kraft zusammen

Und trug zum neuen Sturm die Todeswunden.

Heiß war der Kampf um jenes Dorf entglommen,

Zehnmal gestürmt, verloren, und genommen

Ward jedes Haus, der Kirchhof, jede Scheune,

Man focht um einzle Bäume, Mauern, Zäune,

Den besten Helden aller Zeiten gleich,

Als wäre jeder Punkt ein Himmelreich.

In Rauch und Blut schien sich die Welt zu baden,

Die Trommeln wirbeln ohne Rast zum Laden,

Im Qualme blitzt der Schüsse roter Schimmer,

Ein Strom von Donnern rollt das Feuer immer.

Kolonnen stürzen zwischen Bajonette,

Dem Vaterland zu brechen seine Kette. –

Wie rang in Wien die Hoffnung mit dem Trauern,

Sie lauschten dem Verhängnis von den Mauern,

Ob ferner die Kanonenschüsse grollen,

Ob tröstend ihre Donner näher rollen. –

 

Nun ward es still; die Luft muß müde sein

Vom tausendstimmig wilden Todesschrein;

Nur manchmal ruft ein Posten, eine Wacht,

Ein Stöhnen auf der Walstatt, ausgestoßen

Von wundgeschlagnen Menschen oder Rossen,

Dann wieder schweigt es, finster ist die Nacht.

 

Er ist besiegt, der Revolution

Gewaltger, muttermörderischer Sohn,

Der Riesige, der Frankreichs Freiheitsbäume

Zum Throne sich gezimmert und geschlichtet,

Der Herkules, der wilder Freiheitsträume

Stymphalisches Geflügel hat vernichtet.

 

Er ist besiegt, ihn trägt in leichtem Kahn

Die Donau rettend nach der Inselbucht,

Und eine Fackel leuchtet seiner Flucht,

Zu Füßen liegt ihm sein zerbrochner Wahn;

Gleichgültig blickt er nieder auf die Leichen,

Die mit den Wellen ihm vorüberstreichen;

Da lischt die Fackel aus im Windeswehen,

Wie seine Herrlichkeit einst wird vergehen. –

Noch wollte ihn der dunkle Strom erhalten,

Er trug ihn eigenmächtig ans Gestade,

Denn damals waren die Naturgewalten

Noch nicht verschworen gegen seine Pfade.

 

Was Karl empfand auf jenem Ehrenfeld,

Weiß nur des Schicksals Liebling, nur ein Held,

Der auch wie er, den Degen in der Hand,

Und Gottes Geist im Haupt, fürs Vaterland

Mit solchem Helden rang, und es gerettet

Aus Schmerz und Schmach, worin es lag gekettet.

Mag immerhin nach Asperns blutger Schlacht

Der stolze Feind erheben seine Macht,

Aufwerfen siegreich seine Heldenfahne,

Sie blieb doch krank vom schüttelnden Orkane.

Die Donner Asperns habens ausgesprochen:

»Er ist besiegbar!« unvergeßlich allen,

Und Leipzig wird die Donner widerhallen;

Napoleons Waffenzauber war gebrochen.

O Karl! es war dein schönster Heldentag!

O Österreich! dein höchster Herzensschlag! – –

 

Der Feldherr gab dem Frieden seine Wehre;

Und weiter schuf an seinem edlen Bilde

Im stillen das Geschick; der Schreck der Heere

Steht nun vor uns ein Held an frommer Milde.

Für jeden, den er schlug auf rauher Bahn,

Lebt einer, der ihm freundlich wohlgetan.

Er zeichnete, entrückt den Tatenflügen,

Gedächtnisblätter, Kriegern zur Belehrung,

Und schauen wird die Nachwelt mit Verehrung,

Wie er sein Heer geführt in Meisterzügen.

 

Ihm ward auch Gram zu seinem Teil gegeben,

Und Bitterkeit geträufelt in das Leben;

Doch un verkümmert blieb der edle Mann,

Denn seine Seele hielt die Welt umschlossen,

Die bösen Tropfen schwanden und zerflossen,

Wie man das Weltmeer nicht vergiften kann;

Und Freude muß die Seele ihm bewegen,

Erblickt er seines Hauses reichen Segen,

Und wie das Volk ihn hoch im Herzen hielt,

Noch eh sein Sterbliches dahingegangen;

Wir sind beglückt, daß wir sein Heldenbild

Nicht aus der Hand des Todes erst empfangen.

Der Vogel auf dem Kreuz

 

Dort auf dem Kirchhofkrcuzo sang

Ein Vogel einsam; aber bald

Erhob er sich und schwang

Zurück sich in den grünen Wald.

 

Wie früher aus dem Frühlingschor

Schallt nun sein Lied so frei und wild;

Kein Vöglein noch verlor

Die Stimm am lieben Kreuzesbild.

Gewitter

 

Der Seele klarer Himmel hängt

Voll zürnender Gedanken,

Und mancher laute Seufzer drängt

Sich aus der Brust, der kranken.

 

Unheimlich blitzt des Auges Stern

Und sucht umsonst nach Zielen.

Laß ab! ich weiß, du möchtest gern

Dich an der Träne kühlen.

 

Sie blinkt nicht mehr im Auge hohl,

An dem die Gluten zehren! –

Doch jetzt, wie wirds der Brust so wohl!

Darf sie vom Schmerz sich leeren?

 

Im Auge glüht das Abendrot,

Die Wolken sind zerrissen.

Verspricht dies Leben oder Tod?

Die bange Brust möchts wissen.

 

Verklärten sich die Wolken nur,

Den Tod mir anzusagen?

Ach! oder ists die erste Spur

Von schönern Erdentagen?

 

Von neuem Glück! Die Glut erlischt,

Sie soll nichts mehr verheeren;

Denn in die junge Freude mischt

Sich mild der Tau der Zähren!

Der Rekrut

 

Wehe, wehe dem Rekruten!

Jämmerliche Weltstatuten!

Wenig Schlaf auf hartem Kissen,

Wasser nur auf karge Bissen;

In so schönen Frühlingstagen

Mörderliche Waffen tragen;

Ohne Lust und Liebe springen,

Wie des Drillmanns Worte klingen,

Über Hecken, Bach und Graben;

Schreiten, trippeln, schwenken, traben,

Stillstehn plötzlich ohne Ruck,

Und an mir vorbei mit allem Guten

Rauscht das Leben, wie des Stromes Fluten

Dort am Brückennepomuk.

Verlornes Glück

 

Die Bäume rauschen hier noch immer,

Doch sinds dieselben Blätter nimmer,

Wie einst in jener Sommernacht.

Wohin, du rauhes Erdenwetter,

Hast du die damals grünen Blätter,

Wohin hast du mein Glück gebracht?

 

Sie schritt mit mir durch diese Bäume,

Ihr gleicht kein Bild beglückter Träume,

So schön und doch so treu und klar;

Das Mondlicht ruht' auf ihren Wangen,

Und ihre süßen Worte klangen:

»Dich werd ich lieben immerdar!«

 

Je tiefer mit den Räuberkrallen

Der Tod ins Leben mir gefallen,

Je tiefer schloß ins Herz ich ein

Den Schatz der Lieb, dem Tode wehrend;

Doch bricht der Räuber, allbegehrend,

Zuletzt nicht auch den letzten Schrein?

Mit meinen Gedichten

 

Baden-Baden, im Sommer 1844

 

Mich ließ die Gunst des Augenblickes,

Ein flüchtig Lächeln des Geschickes,

Wie bis ins Herz du schön, erkennen;

Leb wohl! ich muß von dir mich trennen!

Doch milderts mir dein frühes Scheiden,

Wenn ich vom Glück, das mir entschwunden –

So schnell wie du! –, die heitern Kunden

Und wenn ich darf den Ruf der Leiden,

Die singend mir das Herz zerrissen,

In deinen lieben Händen wissen.

Als Hiller mir spielte

 

Wenn seine Sonne hat das Licht,

Aus der ein Meer von Strahlen bricht,

Wo ist die Sonne für den Klang,

Dies Meer ausströmend von Gesang?

Eitel nichts!

 

's ist eitel nichts, wohin mein Aug ich hefte!

Das Leben ist ein vielbesagtes Wandern,

Ein wüstes Jagen ists von dem zum andern,

Und unterwegs verlieren wir die Kräfte.

Ja, könnte man zum letzten Erdenziele

Noch als derselbe frische Bursche kommen,

Wie man den ersten Anlauf hat genommen,

So möchte man noch lachen zu dem Spiele.

Doch trägt uns eine Macht von Stund zu Stund,

Wie's Krüglein, das am Brunnenstein zersprang,

Und dessen Inhalt sickert auf den Grund,

So weit es ging, den ganzen Weg entlang.

Nun ist es leer; wer mag daraus noch trinken?

Und zu den andern Scherben muß es sinken.

Blick in den Strom

 

Sahst du ein Glück vorübergehn,

Das nie sich wiederfindet,

Ists gut in einen Strom zu sehn,

Wo alles wogt und schwindet.

 

O! starre nur hinein, hinein,

Du wirst es leichter missen,

Was dir, und solls dein Liebstes sein,

Vom Herzen ward gerissen.

 

Blick unverwandt hinab zum Fluß,

Bis deine Tränen fallen,

Und sieh durch ihren warmen Guß

Die Flut hinunterwallen.

 

Hinträumend wird Vergessenheit

Des Herzens Wunde schließen;

Die Seele sieht mit ihrem Leid

Sich selbst vorüberfließen.

 

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