Sanft senkten sich in feierliches Schweigen

Die Züge der Natur, kein Lüftchen sprach,

Sie schien ihr göttlich Angesicht zu neigen,

Als sänne still sie einer Freude nach,

 

Die Sterne tauchten aus dem Äthermeere,

Der Weste Hauch erwachte nun im Hain,

Die Blume trank des Himmels leise Zähre,

Und selig irrten wir im Mondenschein. – –

 

Doch kommt ein Sturm jetzt über meine Saiten,

Reißt wild mir von der Leier jenen Tag,

Den schönen Tag mit allen Seligkeiten,

Pocht mir ans Herz mit rauhem Flügelschlag.

 

Herein! herein! du finsterer Geselle!

Du bist in meiner Brust kein neuer Gast;

Ich öffne dir die trümmervolle Zelle,

In welcher dein Geschlecht schon oft gerast!

 

Des Abends, Freund, gedenk ich, jenes andern!

Ich seh im winterlichen Dämmerlicht

Zur Kirche hin den langen Brautzug wandern,

Wo die Geliebte Treu und Herz dir bricht.

 

Der Priester sprach den Segen ob dem Paare,

Mir schien ein Mordgewölb das Heiligtum,

Ich sah die Hoffnung fallen am Altare,

Wie ward die süße Schwätzerin so stumm! –

 

Beflügle dich, mein Lied, denn immer trüber

Und tränenvoller stets wird deine Bahn;

O führe schnell den Freund mir da vorüber,

Wo ihn der Schauer nächtlichste umfahn!

 

Vorüber, Lied, am bretternen Geschirre,

Darein der Tod gepflanzt die Rose bleich;

Fort von der Stimmen kläglichem Gewirre,

Da dumpf vernagelnd dröhnt der Hammerstreich!

 

Wir sind vorbei. Der Sturm lenkt sein Gefieder

Zum dunkeln Horste der Vergangenheit,

Und Wehmut sinkt an meinen Busen wieder,

Die stille Freundin meiner Einsamkeit.

Einst und jetzt

 

»Möchte wieder in die Gegend,

Wo ich einst so selig war,

Wo ich lebte, wo ich träumte

Meiner Jugend schönstes Jahr!«

 

Also sehnt ich in der Ferne

Nach der Heimat mich zurück,

Wähnend, in der alten Gegend

Finde sich das alte Glück.

 

Endlich ward mir nun beschieden

Wiederkehr ins traute Tal;

Doch es ist dem Heimgekehrten

Nicht zumut wie dazumal.

 

Wie man grüßet alte Freunde,

Grüß ich manchen lieben Ort;

Doch im Herzen wird so schwer mir,

Denn mein Liebstes ist ja fort.

 

Immer schleicht sich noch der Pfad hin

Durch das dunkle Waldrevier;

Doch er führt die Mutter abends

Nimmermehr entgegen mir.

 

Mögen deine Grüße rauschen

Vom Gestein, du trauter Bach;

Doch der Freund ist mir verloren,

Der in dein Gemurmel sprach.

 

Baum, wo sind die Nachtigallen,

Die hier sangen einst so süß?

Und wo. Wiese, deine Blumen,

Die mir Rosa sinnend wies? –

 

Blumen fort und Nachtigallen

Und das gute Mädchen auch!

Meine Jugend fort mit ihnen;

Alles wie ein Frühlingshauch!

Die Jugendträume

 

Der Jüngling weilt in einem Blütengarten

Und schaut mit Lust des Lebens Morgenrot;

Auf seinem Antlitz ruht ein schön Erwarten,

Die Welt ist Himmel ihm, der Mensch ein Gott.

 

Ein Morgenlüftchen streut ihm duftge Rosen

Mit leisem Finger in das Lockenhaar;

Sein Haupt umflattert mit vertrautem Kosen

Ein bunt Gevögel, singend wunderbar.

 

Seid stille, stille, daß die flüchtgen Gäste

Ihr nicht dem Jünglinge verscheucht; denn wißt:

Die Jugendträume sind es, wohl das beste,

Was ihm für diese Welt beschieden ist.

 

Doch, weh! ihm naht mit eisern schwerem Gange

Die Wirklichkeit, und fort auf ewig fliehn

Die Vögel, und dem Jüngling wird so bange,

Da er sie weiter sieht und weiter ziehn.

Die Felsenplatte

 

Dort am steilen Klippenhange,

Wo der Wildbach niederschäumt,

Lehnt beim Sonnenuntergange

Einsam still ein Mann – und träumt.

 

Hingesenkt das gramesmatte

Angesicht, so früh verblüht,

Starrt er auf die Felsenplatte,

Die vom Abendrote glüht.

 

Wie er also unabwendig

Starret auf den hellen Stein,

Werden plötzlich drauf lebendig

Seine lieben Phantasein.

 

Seiner Kindheit Spielgenossen

Tanzen lustig drüber hin

Mit der Unschuld süßen Possen,

Laden ein zu Spielen ihn.

 

Auch sein Mütterlein, die gute,

Wandelt lächelnd auf dem Stein,

Die so manches Jahr schon ruhte

In dem öden Totenschrein.

 

Und nun sieht er unter ihnen

Klar sein eignes Jugendbild,

Mit den frohen Fremdlingsmienen

Auf der Erde Schmerzgefild.

 

Und er hört das laute Klopfen

In des Jünglings heißer Brust,

Sieht vom Aug ihm niedertropfen

Tränen, selig, unbewust;

 

Möchte mit dem Jüngling greinen,

Daß er traut der holden Mär;

Und auch wieder bitter weinen,

Daß er nicht der Jüngling mehr. –

 

Im Gebirge wird es dunkel,

Im Gebirge wird es Nacht,

Doch des Steines hell Gefunkel

Hat sich heller angefacht.

 

Aus dem Felsengrunde sprießen

Blumen auf mit süßem Hauch,

Und, die Stelle einzuschließen,

Säuselt rings ein Blütenstrauch;

 

Aus dem schwanken Blütengitter

Strahlt ein Mädchenangesicht,

Wie der Mond aus dem Geflitter

Leiser Silberwellen bricht.

 

Mit jungfräulichem Erröten

Flüstert sie: »Bin ewig dein!«

Und von allen Zweigen flöten

Nachtigelenlieder drein. –

 

Doch die Blumen jetzt verblassen,

Traurig schweigt der dürre Strauch,

Und der Jüngling steht verlassen,

Und der Jüngling velket auch. – –

 

Donner hallen in den Lüften,

Und im hellen Wetterstrahl,

Zu den Füßen des Vertieften,

Zuckt der Stein jetzt bleich und kahl.

Nebel

 

Du, trüber Nebel, hüllest mir

Das Tal mit seinem Fluß,

Den Berg mit seinem Waldrevier

Und jeden Sonnengruß.

 

Nimm fort in deine graue Nacht

Die Erde weit und breit!

Nimm fort, was mich so traurig macht,

Auch die Vergangenheit!

An meine Gitarre

 

Gitarre, wie du hängst so traurig!

Die Saiten tönen nimmermehr,

Die längst zerrißnen wanken schaurig

Im Abendwinde hin und her.

 

Auch deine Saiten sind zerrissen,

Es schweigt dein süßer Liederklang,

Seit in des Busens Finsternissen

Mir jede frohe Saite sprang.

 

Mir sank der Freund voll Jugendblüte

Hinunter in die Todesflut;

Die meiner Lieb entgegenglühte,

Nun bei den kalten Toten ruht.

 

Doch will ich euch nun frisch besaiten,

Dich, meine Leier! dich, mein Herz!

Rückbannen die entflohnen Zeiten,

Die alte Lust, den alten Schmerz.

 

Hinaus ins Dunkel jener Eichen!

Dort findet sich der alte Lauf;

Dort stören wir die Liederleichen

Aus ihren stillen Gräbern auf.

 

Wenn erst die Lieder nur erwachen,

Dann ruft, dann zieht ihr lauter Chor

Die Lieben all in meinen Nachen

Aus dunkler Todesflut empor.

 

Es klingt! – doch fliehn im scheuen Fluge

Die Töne auf von meiner Hand;

So eilt, verspätet, nach dem Zuge

Das Vöglein übers Heideland.

 

Jetzt bin ich meines Herzens Meister!

Nun rauscht wie einst der Sturmakkord!

Schon springen die versunknen Geister

Herauf, herauf an meinen Bord!

 

O du, mein Freund, so treu und bieder!

Wohl mir, du bist mir wieder nah!

Dem süßes Wort auch hör ich wieder:

Mein holdes Mädchen, bist du da? –

 

Doch nein! mich höhnten finstre Mächte!

Wo ist der Freund? das blonde Kind?

Der Nebel reicht mir keine Rechte;

Durch blonde Disteln saust der Wind!

An einen Jugendfreund

 

Des Lebens holder Zauber ging vorüber.

Ich klage, daß die Jugend mir verloren;

Doch eines macht mir noch die Klage trüber:

Die Treue brach, die du mir einst geschworen.

Nicht meint ich, daß vor uns das teure Erbe

Verblichner Jugend – ihre Freundschaft sterbe.

 

Du eiltest im Vergessen! ungeduldig

Warfst du dem Tod aus deiner Brust entgegen,

Was du nur allzubald dem herben schuldig,

Wenns einmal aus ist mit des Herzens Schlägen.

Nicht wolltest du die Treu im Busen halten

Bis an der Gruft gebieterisch Erkalten.

 

Wenn du tief schlummerst unter deinem Hügel,

Nichts mehr erfährst vom holden Lenzerwachen,

Wie laue Winde dann mit leichtem Flügel

Die Rosenglut am Strauch lebendig fachen,

Wie süß dann singen in den grünen Hallen

Von Rosenduft berauschte Nachtigallen:

 

Dann wäre früh genug der Freund vergessen,

Den du geliebt in deinen Jugendtagen,

Des volles Herz gleich glühend, unermessen,

Dem Jugendideal und dir geschlagen.

Er hielt den Traum umarmet und dein Lieben,

Und beides sah er märchenhaft zerstieben.

 

Gleichwie Nachtlüfte wehn in Blütenhagen,

Wehmütig säuseln, doch kein Blatt entführen;

Wie Nachtigallen durch Gebüsche klagen,

Doch keine Rose je zu Tode rühren:

So sollte dieses Lied mit seinem Trauern

Durch deine reiche Freudenblüte schauern.

 

Jedoch umsonst, daß ich dem Lied geböte,

Es will nicht ahmen leiser Lüfte Zittern

Und nicht im Hain das klagende Geflöte;

Sein rauher Klang will deine Freude schüttern.

Hat doch der Frost, der mir von dir gekommen,

Von meinem Herbstgrün auch viel fortgenommen.

 

Das muß die sanften Klagetöne schärfen,

Seh ich den Freund, mir einst vor allen teuer,

Mein Herz in frohem Übermut verwerfen;

Und zünden muß des Stolzes zürnend Feuer.

Dies Herz war oft von Gottes Flammen helle,

Nicht der Verwerfung Staub ist seine Stelle.

 

Ich kann es meiner Klage nicht verwehren,

Daß sie dich führe längstverlaßne Pfade,

Und daß sie dich, vielleicht auch deine Zähren,

Zu einem trüben Abschiedsfeste lade;

Denn unsre Freundschaft will ich nun bestatten

Auf ewig in der Wehmut tiefern Schatten.

 

Frühling

 

Der Lenz

Da kommt der Lenz, der schöne Junge,

Den alles lieben muß,

Herein mit einem Freudensprunge

Und lächelt seinen Gruß;

 

Und schickt sich gleich mit frohem Necken

Zu all den Streichen an,

Die er auch sonst dem alten Recken,

Dem Winter, angetan.

 

Er gibt sie frei, die Bächlein alle,

Wie auch der Alte schilt,

Die der in seiner Eisesfalle

So streng gefangen hielt.

 

Schon ziehn die Wellen flink von dannen

Mit Tänzen und Geschwätz

Und spötteln über des Tyrannen

Zerronnenes Gesetz.

 

Den Jüngling freut es, wie die raschen

Hinlärmen durchs Gefild,

Und wie sie scherzend sich enthaschen

Sein aufgeblühtes Bild.

 

Froh lächelt seine Mutter Erde

Nach ihrem langen Harm;

Sie schlingt mit jubelnder Gebärde

Das Söhnlein in den Arm.

 

In ihren Busen greift der Lose

Und zieht ihr schmeichelnd keck

Das sanfte Veilchen und die Rose

Hervor aus dem Versteck.

 

Und sein geschmeidiges Gesinde

Schickt er zu Berg und Tal:

»Sagt, daß ich da bin, meine Winde,

Den Freunden allzumal!«

 

Er zieht das Herz an Liebesketten

Rasch über manche Kluft

Und schleudert seine Singraketen,

Die Lerchen, in die Luft.

Liebesfeier

 

An ihren bunten Liedern klettert

Die Lerche selig in die Luft;

Ein Jubelchor von Sängern schmettert

Im Walde, voller Blüt und Duft.

 

Da sind, so weit die Blicke gleiten,

Altäre festlich aufgebaut,

Und all die tausend Herzen läuten

Zur Liebesfeier dringend laut.

 

Der Lenz hat Rosen angezündet

An Leuchtern von Smaragd im Dom;

Und jede Seele schwillt und mündet

Hinüber in den Opferstrom.

Der Gefangene

 

Was trug er auch sein Haupt so frei, so stolz!

Wollt edler sich als seine Treiber fühlen!

›Der Hirsch‹ von Schleifer.

 

Der Frühling ist zu Berg und Tal gekommen,

Sein Freudenruf ist durch die Luft erklungen;

Kaum hat die Erd im Schlafe ihn vernommen,

Hat sie vom Traume sich emporgerungen,

Der ihren Busen deckte schwer und kalt.

In alle Fernen ist der Ruf gedrungen

Mit freundlicher, süßlockender Gewalt,

Daß ihres Nests die Schwalbe nun gedenket,

Weit übers Meer zur trauten Hütte wallt,

Daß seinen Flug der Storch nun heimwärts lenket,

Verlassend schnell das Schilf im fernen Süden.

Die Blume blüht, der bunte Falter senket

Auf sie die Flügel hin, die wonnemüden;

Mit Blüten haben sich geschmückt die Bäume,

Daß sie zu Lieb und Sang die Sänger lüden.

Schon singt und bringt uns Paradiesesträume

Im Blütenstrauche dort die Nachtigall;

Melodisch zieht der Bach durch Waldesräume,

Der Hirte flötet und der Widerhall;

Zur grünen Alpe kehrt die Herde wieder,

Weithin ertönt ihr froher Glockenschall.

Der Wildbach stürzt vom Klippenhange nieder,

Ein Freudentränenstrom, dem Lenz entgegen;

Froh sonnen sich der Alpe Felsenglieder

Im warmen Schein, der Frühling klimmt verwegen

Zum Schneeberg auf und ruft ihn jubelnd wach:

Der schüttelt sich den Winter ab, den trägen,

Und schleudert ihm Lawinendonner nach.

Voll Sehnsucht harrt er schon der Alpenrose,

Der holden Freundin, die der Lenz versprach,

Die jährlich ihn beschleicht auf weichem Moose. –

So zieht der Lenz herum in allen Gauen,

Verschwendend rings die schönen Freudenlose.

Doch einen weiß ich, der ihn darf nicht schauen

Und nicht, was Gott durch ihn gesandt, genießen,

Weil finstre Kerkerwände ihn umgrauen

Und rauhe Fesseln ehern ihn umschließen.

Nicht hört er Vogelsang im Walde tönen,

Nicht sieht er, wie so schön die Blumen sprießen.

Er hört nur seinen eignen Jammer stöhnen;

Für Nachtigallensang und Taubengirren

Hört er die Wand sein Klagen widerhöhnen

Und, regt er sich, die Eisenkette klirren.

Kein Strahl des Frühlings konnte mit Erbarmen,

Ein milder Tröster, sich zu ihm verirren;

Er darf an Gottes Sonne nicht erwarmen;

Die Nacht allein, das schwarze Ungeheuer,

Hat man mit eingesperrt zu diesem Armen.

In seinem Herzen brennt ein wildes Feuer

Von Rache, Schmerz, von unverdienter Schande,

Von Sehnsucht nach so manchem, was ihm teuer.

Oft springt er auf, gejagt vom innern Brande,

Er flucht, er sucht sein Schwert, er will hinaus:

Doch Hohngelächter rasseln seine Bande,

Und felsenfest verschlossen bleibt das Haus.

Ermattet sinkt er auf das faule Stroh,

Und bittrer Wehmut weicht des Zornes Braus;

Dumpfschweigend sitzt er da und starret so

Das schwarze Ungeheuer an, die Nacht.

Ob Stunde, Mond und Jahr vorüberfloh,

Er konnte dessen haben keine Acht;

Ihm wird in seiner dunkeln Haft die Zeit,

Die Glücklichen enteilt mit Sturmesmacht,

Zur gliederlosen, starren Ewigkeit.

Soll zählen er sie wohl nach seinen Tränen?

Und messen, wie sie noch vom Grabe weit,

Nach dem Unendlichen, nach seinem Sehnen? –

Er wird sein hart Geschick nicht überdauern,

Und hofft er dies, es ist ein eitles Wähnen;

Denn »sterben soll er in den Kerkermauern!«

So klangen seines Richters grause Worte,

Des Mannes ohne Mitleid und Bedauern.

Sein Flehen schlägt vergebens an die Pforte;

»Gib mir, o Gott, bevor das Herz mir bricht,

Nur einen Schritt aus diesem Qualenorte,

Nur noch ein Auge voll von deinem Licht!

Dann laß mich sterben immerhin zur Stelle,

Ich klage meiner Todesstunde nicht!

Mag dann mein Leichnam auf der Kerkerschwelle,

O Herr, an deinem Lichte noch sich sonnen!

So wie der müde Wandrer an der Quelle,

Schlaf ich an deinem süßen Strahlenbronnen

Und träume, was ich sterbend noch empfunden,

O Freiheit! Freiheit! alle deine Wonnen!« – –

Warum hat der ein solches Los gefunden? –

Er fleht umsonst, er hat zu viel verbrochen,

Hat sich des Allzukühnen unterwunden:

Hat Wahrheit dem Tyrannen laut gesprochen

Und ihm erzählt der Menschheit bangen Fluch;

Er hat gerüttelt an den blutgen Jochen.

Darauf verhänget der Gesetze Buch

Den Tod, – der Zwingherr hat es selbst geschrieben –

Ein jedes Blatt der Freiheit Leichentuch!

Und daß der Kühne lebend noch geblieben,

Dankt er allein des Herrschers milder Gnade;

Sie will zu schonen manchmal auch belieben,

Sie tötet ihn nicht plötzlich und gerade. –

Der Tor! er wollte Menschenliebe wagen

Und wußte doch, daß sie den Donner lade,

Der in die Nacht sein Haupt nun hingeschlagen. –

Unheimlich wird dem Mörder dann zumute,

Bringt ihm ein Mahner aus vergangnen Tagen

Das Kleid des Toten mit der Spur vom Blute

Und hält ihm vor das bleiche Angesicht,

Was manches Jahr im Grabesdunkel ruhte.

Also behagt' es dem Tyrannen nicht,

Daß es gewagt der edle, kühne Tor,

Mit ihm zu gehen zürnend ins Gericht,

Die blutge Wahrheit ihm zu halten vor,

Das Kleid, das einst die schöne Freiheit trug,

Als sie geführt den vollen Freudenchor,

Eh des Tyrannen Faust sie frech erschlug. – –

Da weckt mich einer Quelle nahes Rauschen

Zurück vom nächtlichen Gedankenflug.

Ich seh das schlanke Reh im Dickicht lauschen;

Nun schrickt es auf, und fort ist seine Spur.

Süß mahnt mich, meinen Schmerz um Lust zu tauschen,

Mit Blüten und Gesängen die Natur;

Doch kann ichs meiner Seele nimmer wehren,

Daß sie verfolge Trauerszenen nur

Und sich statt Blumen sammle bittre Zähren

Und in den Kerker dort zu jenem wandre,

Dem Dulder, bis der Tod, sein heiß Begehren,

Aus einer Nacht ihn senket in die andre.

Asyl

 

Hohe Klippen, ringsgeschlossen,

Wenig kümmerliche Föhren,

Trübe flüsternde Genossen,

Die hier keinen Vogel hören;

 

Nichts vom freudigen Gesange

In den schönen Frühlingszeiten;

Geiern wird es hier zu bange,

In so dunkeln Einsamkeiten.

 

Weiches Moos am Felsgesteine,

Schwellend scheint es zu begehren:

Komm, o Wolke, weine, weine

Mir zu die geheimen Zähren!

 

Winde hauchen hier so leise,

Rätselstimmen tiefer Trauer;

Hier und dort die Blumenwaise

Zittert still im Abendschauer.

 

Und kein Bach nach diesen Gründen

Darf mit seinem Rauschen kommen,

Darf der Welt verratend künden,

Was er Stilles hier vernommen;

 

Denn die rauhen Felsen sorgen,

Daß noch eine Stätte bliebe,

Wo ausweinen kann verborgen

Eine unglückliche Liebe.

Trauer

 

Blumen, Vögel, duftend, singend,

Seid doch nicht so ausgelassen,

Ungestüm ans Herz mir dringend;

Laßt allein mich ziehn die Straßen!

 

Vieles ist vorübergangen,

Seit wir uns zuletzt begegnet,

Und es hat von meinen Wangen

Meines Glückes Herbst geregnet.

 

Winter kam hereingeschlichen

In mein Herz, die Tränen starben,

Und schneeweiß sind mir verblichen

Alle grünen Hoffnungsfarben.

 

Blumen, Vögel, rings im Haine,

All ihr frohen Bundsgenossen,

Mahnt mich nicht, daß ich alleine

Bin vom Frühling ausgeschlossen!

Frühlingsblick

 

Durch den Wald, den dunkeln, geht

Holde Frühlingsmorgenstunde,

Durch den Wald vom Himmel weht

Eine leise Liebeskunde.

 

Selig lauscht der grüne Baum,

Und er taucht mit allen Zweigen

In den schönen Frühlingstraum,

In den vollen Lebensreigen.

 

Blüht ein Blümlein irgendwo,

Wirds vom hellen Tau getränket,

Das einsame zittert froh,

Daß der Himmel sein gedenket.

 

In geheimer Laubesnacht

Wird des Vogels Herz getroffen

Von der großen Liebesmacht,

Und er singt ein süßes Hoffen.

 

All das frohe Lenzgeschick

Nicht ein Wort des Himmels kündet;

Nur sein stummer, warmer Blick

Hat die Seligkeit entzündet;

 

Also in den Winterharm,

Der die Seele hielt bezwungen,

Ist ein Blick mir, still und warm,

Frühlingsmächtig eingedrungen.

Frühlingsgedränge

 

Frühlingskinder im bunten Gedränge,

Flatternde Blüten, duftende Hauche,

Schmachtende, jubelnde Liebesgesänge

Stürzen ans Herz mir aus jedem Strauche.

Frühlingskinder mein Herz umschwärmen,

Flüstern hinein mit schmeichelnden Worten,

Rufen hinein mit trunkenem Lärmen,

Rütteln an längst verschlossenen Pforten.

Frühlingskinder, mein Herz umringend,

Was doch sucht ihr darin so dringend?

Hab ichs verraten euch jüngst im Traume,

Schlummernd unter dem Blütenbaume?

Brachten euch Morgenwinde die Sage,

Daß ich im Herzen eingeschlossen

Euren lieblichen Spielgenossen,

Heimlich und selig – ihr Bildnis trage?

Liebe und Vermählung

 

Erste Stimme

 

Sieh dort den Berg mit seinem Wiesenhange,

Die Sonne hat verzehrend ihn durchglüht,

Und Strahl auf Strahl noch immer niedersprüht;

Wie sehnt er nach der Wolke sich so bange!

 

Dort schwebt sie schon in ihrem luftgen Gange,

Auf deren Kuß die Blumenfreude blüht;

Wie flehend sich um ihre Neigung müht

Der Berg, daß sie sein Felsenarm umfange!

 

Sie kommt, sie naht, sie wird herniedersinken,

Er aber die Erquickungsreiche tief

Hinab in seinen heißen Busen trinken.

 

Und auferblühn in wonniger Beseelung

Wird, was an schönen Blüten in ihm schlief,

Ein treues Bild der Liebe, der Vermählung!

 

Zweite Stimme

 

Sieh hier den Bach, anbei die Waldesrose.

Sie mögen dir vom Lieben und Vermählen

Die wandelbaren, täuschungsvollen Lose

Getreuer viel, als Berg und Wölk, erzählen.

 

Die Rose lauscht ins liebliche Getose,

Umsungen von des Haines süßen Kehlen,

Und ihr zu Füßen weint der Ruhelose,

Der immer naht, ihr immer doch zu fehlen.

 

Ein schönes Spiel! solang der Frühling säumt,

Die Rose hold zum Bach hinunter träumt,

Solang ihr Bild in seinen Wellen zittert.

 

Wenn Sommersgluten sie vom Strauche jagen,

Wenn sie vom Bache wird davongetragen,

Dann ist sie welk, der Zauber ist verwittert!

Der Baum der Erinnerung

 

Ja, du bist es, blütenreicher

Baum, das ist dein süßer Hauch!

Ich auch bins, nur etwas bleicher,

Etwas trauriger wohl auch.

 

Hinter deinen Blütenzweigen

Tönte Nachtigallenschlag,

Und die Holde war mein eigen,

Die an meinem Herzen lag.

 

Und wir meinten selig beide,

Und ich meint es bis zur Stund,

Daß so herrlich du vor Freude

Blühtest über unsern Bund.

 

Treulos hat sie mich verlassen;

Doch du blühst wie dazumal,

Kannst dich freilich nicht befassen

Mit der fremden Liebesqual.

 

»Allzulieblich scheint die Sonne,

Weht der linde Maienwind,

Und das Blühen und die Wonne

Allzubald vorüber sind!«

 

Mahnend säuseln mir die Lehre

Deine frohen Blüten zu;

Doch ungläubig fließt die Zähre,

Und mein Herz verlor die Ruh.

Frühlings Tod

 

Warum, o Lüfte, flüstert ihr so bang?

Durch alle Haine weht die Trauerkunde,

Und störrisch klagt der trüben Welle Gang:

Das ist des holden Frühlings Todesstunde!

 

Der Himmel, finster und gewitterschwül,

Umhüllt sich tief, daß er sein Leid verhehle,

Und an des Lenzes grünem Sterbepfühl

Weint noch sein Kind, sein liebstes, Philomele.

 

Wenn so der Lenz frohlocket, schmerzlich ahnt

Das Herz sein Paradies, das uns verloren,

Und weil er uns zu laut daran gemahnt,

Mußt ihn der heiße Sonnenpfeil durchbohren.

 

Der Himmel blitzt, und Donnerwolken fliehn,

Die lauten Stürme durch die Haine tosen;

Doch lächelnd stirbt der holde Lenz dahin,

Sein Herzblut still verströmend, seine Rosen.

 

Herbst

 

Herbstgefühl

Mürrisch braust der Eichenwald,

Aller Himmel ist umzogen,

Und dem Wandrer, rauh und kalt,

Kommt der Herbstwind nachgeflogen.

 

Wie der Wind zu Herbsteszeit

Mordend hinsaust in den Wäldern,

Weht mir die Vergangenheit

Von des Glückes Stoppelfeldern.

 

An den Bäumen, welk und matt,

Schwebt des Laubes letzte Neige,

Niedertaumelt Blatt auf Blatt

Und verhüllt die Waldessteige;

 

Immer dichter fällt es, will

Mir den Reisepfad verderben,

Daß ich lieber halte still,

Gleich am Orte hier zu sterben.

Herbstklage

 

Holder Lenz, du bist dahin!

Nirgends, nirgends darfst du bleiben!

Wo ich sah dein frohes Blühn,

Braust des Herbstes banges Treiben.

 

Wie der Wind so traurig fuhr

Durch den Strauch, als ob er weine;

Sterbeseufzer der Natur

Schauern durch die welken Haine.

 

Wieder ist, wie bald! wie bald!

Mir ein Jahr dahingeschwunden.

Fragend rauscht es aus dem Wald:

›Hat dein Herz sein Glück gefunden?‹

 

Waldesrauschen, wunderbar

Hast du mir das Herz getroffen!

Treulich bringt ein jedes Jahr

Welkes Laub und welkes Hoffen.

Scheiden

 

Dahin sind Blüten jetzt und Nachtigallen,

Und durch den kahlen, sangverlaßnen Strauch

Weht nun des Herbstes einsam kühler Hauch;

Mein Glück ist mit dem Laube abgefallen!

 

Das ist der Hain, wo ich mit dir oft weilte,

Das ist der Büsche wonnigliche Haft,

Wo uns am Flehen süßer Leidenschaft

Unfesselbar die Zeit vorübereilte.

 

Du wanderst fort, du willst die Welt durchmessen;

Hier ist der Pfad, so schlangenkrumm und kalt,

Der dich, Geliebter, locket mit Gewalt

Und fortführt in die Fremde, ins Vergessen! –

 

»Das Schiff bewegt mit seinem Reisedrange

Und stört empor die See aus glatter Ruh;

Doch ist es fort, schließt sich die Welle zu,

Gleichgültig wallt sie fort im alten Gange.

 

Siehst du von jenem Baum den Raben fliegen?

Von seinem Fortschwung wankt und bebt der Ast

Ein Weilchen noch und kehrt zur alten Rast;

Und deine Klagen werden bald versiegen!«

Die Wurmlinger Kapelle

 

Luftig, wie ein leichter Kahn,

Auf des Hügels grüner Welle

Schwebt sie lächelnd himmelan,

Dort die friedliche Kapelle.

 

Einst bei Sonnenuntergang

Schritt ich durch die öden Räume,

Priesterwort und Festgesang

Säuselten um mich wie Träume.

 

Und Marias schönes Bild

Schien vom Altar sich zu senken,

Schien in Trauer, heilig mild,

Alter Tage zu gedenken.

 

Rötlich kommt der Morgenschein,

Und es kehrt der Abendschimmer

Treulich bei dem Bilde ein;

Doch die Menschen kommen nimmer.

 

Leise werd ich hier umweht

Von geheimen, frohen Schauern,

Gleich als hätt ein fromm Gebet

Sich verspätet in den Mauern.

 

Scheidend grüßet hell und klar

Noch die Sonn in die Kapelle,

Und der Gräber stille Schar

Liegt so traulich vor der Schwelle.

 

Freundlich schmiegt des Herbstes Ruh

Sich an die verlaßnen Grüfte;

Dort, dem fernen Süden zu,

Wandern Vögel durch die Lüfte.

 

Alles schlummert, alles schweigt,

Mancher Hügel ist versunken,

Und die Kreuze stehn geneigt

Auf den Gräbern – schlafestrunken.

 

Und der Baum im Abendwind

Läßt sein Laub zu Boden wallen,

Wie ein schlafergriffnes Kind

Läßt sein buntes Spielzeug fallen. –

 

Hier ist all mein Erdenleid

Wie ein trüber Duft zerflossen;

Süße Todesmüdigkeit

Hält die Seele hier umschlossen.

Sommerfäden

 

Mädchen, sieh, am Wiesenhange,

Wo wir oft gewandelt sind,

Sommerfäden, leichte, lange,

Gaukeln hin im Abendwind.

 

Deine Worte, laut und munter,

Flattern in die kühle Luft;

Keines mehr, wie sonst, hinunter

In des Herzens Tiefe ruft.

 

Winter spinnet los und leise

An der Fäden leichtem Flug,

Webt daran aus Schnee und Eise

Bald den Leichenüberzug.

 

Künden mir die Sommerfäden,

Daß der Sommer welk und alt,

Merk ich es an deinen Reden,

Mädchen, daß dein Herz wird kalt!

Herbst

 

Nun ist es Herbst, die Blätter fallen,

Den Wald durchbraust des Scheidens Weh;

Den Lenz und seine Nachtigallen

Versäumt ich auf der wüsten See.

 

Der Himmel schien so mild, so helle,

Verloren ging sein warmes Licht;

Es blühte nicht die Meereswelle,

Die rohen Winde sangen nicht.

 

Und mir verging die Jugend traurig,

Des Frühlings Wonne blieb versäumt;

Der Herbst durchweht mich trennungschaurig,

Mein Herz dem Tod entgegenträumt.

Herbstentschluß

 

Trübe Wolken, Herbstesluft,

Einsam wandl ich meine Straßen,

Welkes Laub, kein Vogel ruft –

Ach, wie stille! wie verlassen!

 

Todeskühl der Winter naht;

Wo sind, Wälder, eure Wonnen?

Fluren, eurer vollen Saat

Goldne Wellen sind verronnen!

 

Es ist worden kühl und spät,

Nebel auf der Wiese weidet,

Durch die öden Haine weht

Heimweh; – alles flieht und scheidet.

 

Herz, vernimmst du diesen Klang

von den felsentstürzten Bächen?

Zeit gewesen wär es lang,

Daß wir ernsthaft uns besprächen!

 

Herz, du hast dir selber oft

Wehgetan und hast es andern,

Weil du hast geliebt, gehofft;

Nun ists aus, wir müssen wandern!

 

Auf die Reise will ich fest

Ein dich schließen und verwahren,

Draußen mag ein linder West

Oder Sturm vorüberfahren;

 

Daß wir unsern letzten Gang

Schweigsam wandeln und alleine,

Daß auf unsern Grabeshang

Niemand als der Regen weine!

 

Phantasien

 

Die Zweifler

Zwei Freunde traten schweigend ein

In einen blütenvollen Hain.

Die Sonne ließ den Strahl im Neigen

Erzittern auf den Erlenzweigen,

Und Leben, Lieben überall

Schien schwellend sich hervorzudrängen.

Aus Büschen ruft die Nachtigall

Hervor in schmerzlich süßen Klängen,

Als ob die Sängerin aus Eden

Den Tod sanft möchte überreden

Mit ihrem Liede zaubervoll,

Daß er den Lenz nicht rauben soll.

Die Freunde schwiegen, nur der Bach

In das Geflöte murmelnd sprach;

Viel Blumen standen bunt herum

Und wiegten ihre Häupter stumm,

In das geschwätzig muntre Rauschen

Des Baches froh hinabzulauschen,

Wie Kinder lauschen, frohgespannt,

Dem Wandrer, der von fernem Land,

Von schönen Wundern viel erzählt

Auf seiner Irrfahrt durch die Welt. –

O Nachtigall! du rufst vergebens

Um Dauer dieses Wonnelebens!

Bald glüht dein letztes Abendrot,

In seinem Durste wird der Tod

Hinweg dein süßes Lied auch trinken,

Du wirst vom stillen Aste sinken!

Ihr lieben Blümlein! trauet nicht

Dem Märchen, das der Wandrer spricht;

Seht, seht, schon schwillt er brausend an,

Im Walde schon die Stürme nahn;

Der Donner kommt, und voller schwillt

Der Bach, der immer lauter brüllt;

Er faßt euch an, er reißt euch los

Aus eurer Mutter grünem Schoß!

Wie dort die Rosenstaude bebt,

Nun sich zu ihr der Wilde hebt!

Sie schwankt in ihrem Blütenkleid,

Da sie der Strom frohlockend wiegt:

So wiegt der Bursche seine Maid,

Bevor mit ihr zum Tanz er fliegt. –

 

Der eine von den Freunden sann

Hinunter in den Wogendrang,

Und seine Stimme nun begann

Zu tönen, ernst, wie Grabgesang:

Vergänglichkeit! wie rauschen deine Wellen

Dahin durchs Lebenslabyrinth so laut!

In deine Wirbel flüchten alle Quellen,

Kein Damm, kein Schutz sich dir entgegenbaut!

Es wächst dein Strom mit jeglicher Minute,

Stets lauter klagt der dumpfe Wellenschlag;

Doch wie die Flut auch unaufhaltsam flute,

Ist mancher doch, der sie nicht hören mag.

Wenn auch die Wellen ihre Ufer fressen

Und du zum Meer hinwucherst, unermessen,

Doch stehn an deinem Ufer frohe Toren,

In ihren Traum ›Unsterblichkeit‹ verloren.

Am Ufer? – nein! es ist von deinem Bronnen

Tiefinnerst jede Kreatur durchronnen;

Es braust in meines Herzens wildem Takt,

Vergänglichkeit, dein lauter Katarakt!

Wenn ich dem Strome zu entfliehen meine,

Aufblickend zu der Sterne hellem Scheine,

Aufsehnend mich mit zitterndem Verlangen,

Daß rettend meinen Geist sie einst empfangen:

Ich habe mich getäuscht! ich seh erbleichen

Die Sterne selbst und zitternd rückwärts weichen;

Sie hören, wie die Woge braust, sie ahnen,

Daß sie nicht sicher sind auf ihren Bahnen;

Sie schauen, wie es wächst, das grause Meer,

Und fürchten wohl: – mir sagts ihr zitternd Blinken –

Einst wird vom raschen Flug ihr strahlend Heer,

Ein müdes Schwalbenvolk, heruntersinken.

Dann brütet auf dem Ozean die Nacht,

Dann ist des Todes großes Werk vollbracht;

Dann stockt und starrt zu Eis die grause Flut,

Worin der Wunsch des finstern Gottes ruht;

Er wandelt auf der Fläche und ermißt,

Wie alles nun so still, so dunkel ist;

Er lächelt dann voll selbstzufriedner Freude

In seine Welt, in seine Nacht hinein,

Und es erglänzt des Eises stille Heide

Nur noch von seines Lächelns Widerschein! –

 

Der andre sprach: mir gilt es gleich,

Ob Leben – Tod – im Schattenreich!

Strahlt jenseits auch ein mildes Licht,

So fehlt gewiß der Donner nicht,

Der, was das Licht in Liebe hegt,

Mit seinem Zorne niederschlägt.

Denn glauben kann ich nimmermehr,

Es habe sich das ganze Heer

Von Qualen, die gebar Natur,

Gelagert auf die Erde nur;

Daß sie von dieser Welt nicht wandern

Mit uns hinüber in die andern,

Die doch in unsrer Brust voll Wunden

So traute Herberg stets gefunden. –

Solang dies Herz auf Erden schlug,

Hab ich erlebt genug, genug,

Um ein Vergehen, ein Verschwinden –

Ein Los der Sehnsucht wert zu finden.

Und schlaf ich einst im Grab so tief,

Und tiefer, denn als Kind ich schlief,

So mag der Tod sich immerhin

Davor als Wächter stellen hin:

Er steht am stillen Grabverlies,

Ein Engel vor dem Paradies. –

Doch ist es anders mir beschlossen,

Soll drüben neu mein Leben sprossen:

Werd ich gelassen, ohne Zagen,

Auch meine Ewigkeit ertragen.

Glauben. Wissen. Handeln

 

Ein allegorischer Traum

 

Schon ist der Berge Purpurglut verglommen,

Und zitternd flieht des Tages letzter Strahl

Der Nacht schon aus dem Wege. Sei willkommen,

O Dunkelheit, im ernsten Eichental! –

Hier zünd ich nachts mein Herz zum hellen Feuer

Des Schmerzes an und starre stumm hinein;

Und schwillt die Flamme, wird sie ungeheuer,

Ich steh dabei und starre stumm hinein.

Gelockt vom Scheine, schwirren dann in Scharen,

Wie Mücken auf der Lüfte lauer Flut,

Erinnerungen her aus fernen Jahren

Und werfen dürre Reiser in die Glut.

Sie singen mir, ums Feuer dicht gekauert,

Viel längstverklungne Melodien vor,

Wie einst gejubelt ich und wie getrauert,

Und wie der Seele Frieden ich verlor.

Sie singen mir von meinen Jugendträumen,

Wie mir das Leben einst so hold, so traut,

Umsäuselt von Hesperiens Blütenbäumen,

Entgegentrat als eine schöne Braut.

Ein Schleier hielt das Liebchen mir umschlungen,

Der geizig zwar mit meinen Blicken rang;

Doch mancher Reiz, der leichten Haft entsprungen,

Flog mir ans Herz, das ihm entgegendrang.

Die schöne Braut gab mir die Hand zur Reise,

Und selig schritten wir und rasch dahin;

Wir sahn am Himmel goldne Wolken ziehn,

Voreilend trat die Freude uns die Gleise.

Wir wallten durch des Glaubens Paradiese,

Wo jedes Lüftchen uns von Gott erzählt,

Wo uns von ihm jed Blümchen auf der Wiese,

Ein Liebeszeichen froh entgegenhält;

Wo die beschwingte Sehnsucht Philomele

Laut ruft und innig in die Mondennacht,

Daß ihre Schwester, die verwandte Seele,

Von ihrem Ruf in unsrer Brust erwacht,

Erwacht und Gottes süßen Namen singt

Und aus der Brust zu ihm hinüberdringt. –

Wo der Sturm, ein trunkener Sänger Gottes, dahinbraust,

Mit fliegender Locke, mit rauschendem Nachtgewand,

Die Harfe schlagend, im feurigen Fluge dahinbraust

Durch Tal und Gebirg, durch Meer und Wüstensand.

Wie zwingt er die Donnerakkorde hervor aus den Saiten!

Wie sucht sein strahlender Blick nach Gott durch die Weiten!

Ihn hören die Wogen des Meeres berauscht und springen

Vom schaukelnden Schoße des Schlummers zu Gott empor

Und taumeln entzückt in die Arme sich und singen:

›Allmächtiger Gott!‹ im tausendstimmigen Chor;

Ihn hören die Berg', und seine gewaltigen Lieder,

Sie tönen von ihrem erschütterten Busen wieder;

Tief seufzen die Wälder und neigen ihr Angesicht,

Die Ufer fassen den Jubel der Ströme nicht;

Sehnsuchtergriffen, stürzen vom Fels sich herab

Die Tannen und suchen im Wonnetumult ihr Grab.

Des Sturmes Gesang durchtönt die glühende Wüste,

Der grimmige Leu, vom heiligen Klang umweht,

Läßt fahren die Beut, es schweigt sein blutig Gelüste,

Er flieht zur Höhl und zittert sein Gebet.

Dem Menschen entstürzt der Tränen seliger Schwall,

Und lauter ruft im Busen die Nachtigall. –

Doch zogen fort wir aus dem Paradiese,

Wo jedes Lüftchen uns von Gott erzählt,

Wo uns von ihm jed Blümchen auf der Wiese

Ein Liebeszeichen froh entgegenhält;

Wo eine Blum, aus allen Blumen ragend,

Prangt, hold umstrahlt vom ewgen Morgenlicht,

Die schönste Liebesblüte Gottes tragend,

Des toten Heilands lächelnd Angesicht.

Und in der Forschung Wälder trat, ein Tor, ich

Aus jenem gottbeseelten Paradies,

Und all des Herzens fromme Lust verlor ich,

Seit ich des Glaubens treue Spur verließ.

Im Labyrinthe floß in kargen Tropfen

Durchs Laubgewölb das Licht, Staubregen kaum;

Mich aber trieb mein Herz mit lautem Klopfen,

Zu suchen der Erkenntnis hohen Baum.

Scheu floh der Pfad die ungeweihten Tritte,

Entschlüpfend in des Dickichts wirre Nacht;

Doch hascht ich ihn, bis in des Waldes Mitte

Vor mir aufragt' in wunderbarer Pracht

Der Baum, nach dem mein lautes Herz sich sehnte,

Des Gliederbau sich rings in stolzem Drang

Unübersehbar in die Lüfte dehnte; –

Ich stand entzückt und lauscht erwartungsbang:

Da hört ich leise rätselhaftes Flüstern

Im dunkeln Laub, rasch flog von Ast zu Ast

Mein Blick empor und fragte jeden lüstern:

Trägst du vielleicht der Früchte süße Last?

Nun sah ich sie an hohen Zweigen blinken,

Und meine Seele seufzte heiß empor,

Der goldnen Frucht erquickend Süß zu trinken;

Da sprach es aus der Blätternacht hervor:

›Wohl siehst du hier die goldnen Früchte ragen;

Doch zarte, schwanke Zweige halten sie,

Die deines Leibes Schwere nicht ertragen,

Drum klimme nicht, du pflückst die Früchte nie!‹

Und trauernd wandt ich meinen Schritt von dannen;

Rückfiel mein Blick auf meine liebe Braut,

Und meines Schmerzes erste Tränen rannen,

Als ich ins bleiche Antlitz ihr geschaut.

Am Fußgesträuch des Baumes blieb er hangen,

Der Schleier, der so lieblich sie umfangen,

Und ihr entsanken alle Reize, tot,

Wie, frostverhaucht, der Ros ihr welkes Rot.

»Zurück, zurück, mein Liebchen, laß uns fliehen«, –

So rief ich, – »wo die Wunderblume blüht!

Wir wollen fromm vor ihr im Staube knien,

Vielleicht, daß dort dein Auge wieder glüht,

Daß, auferweckt von ihrem Wunderhauche,

Die Schönheit frisch auf deiner Wange keimt,

Die du verlorst am unheilvollen Strauche!«

Doch all der Trost war leider nur geträumt;

Denn wie wir auch im Labyrinthe suchten,

Wir fanden nimmermehr den Weg zurück. – –

Als wir entronnen endlich jenen Schluchten,

Hob sich ein stolzer Bau vor unserm Blick.

Eintraten wir in eine weite Halle:

Da trieb in lautem Wirbel ohne Rast

Ein Menschenschwarm herum, Wettkämpfer alle,

Bewaffnet bunt, umflirrt von eitlem Glast.

Dort saß erhöht in einer Nische, schweigend,

Ein Weib, ehrwürdiger Gestalt, und schien,

Ihr Haupt hinab zur lauten Bühne neigend,

Zu lauschen dem entbrannten Kampfesmühn.

Schnell lief durchs wirre Volk ein Jubelklang,

Und, sieh! ein Mann der Schlachten trat hervor,

Von Leichendunst hoch aufgebläht, und schwang

Zur Nische seinen Eichenkranz empor:

»Für dich, o Mutter, hab ich ihn gebrochen,

Und blutig bist, Germania, du gerochen!«

Doch hörte man die Frau kein Wörtchen sagen,

Als nahm sie's hin mit ruhigem Behagen.

Dann trat begeistert auf und feierlich

Ein Sängerchor und sang zum Harfenspiele:

»Wie lieben wir, erhabne Mutter, dich!«

Doch diese schwieg, ob solches ihr gefiele.

Zur Nische streckten viele noch die Arme,

Frohlockend: »Heil der großen Mutter, Heil!«

Und Zepter taucht' und Inful aus dem Schwarme,

Und klirrend tauchten Ketten auf und Beil.

Noch immer saß das Weib in stummer Spähe,

Da trat ich forschend zu in ihre Nähe:

Tot war sie, tot! – In ihrer Züge Schatten

Stand noch des Grames stille Siedelei,

Fort war die Seele zu den dunkeln Matten

Der Vorzeit, wo der Seelen heilge Drei

Nun irrt: die hohe Roma, stumm und düster,

Die schöne Hellas, bang mit Klaggeflüster,

Und, ihren Schwestern traulich sich vereinend,

Germania, die gute, leise weinend. – –

Das Schicksal ging nun finster mir vorüber,

Mit Majestät und Schrecken angetan,

Und winkte mir, zu wandern meine Bahn

Durch Heideland, verlaßner stets und trüber.

Und dir, mein Leben, warf zur stillen Feier

Den Gram das Schicksal um dein Angesicht,

Von ihm gewoben dir zum zweiten Schleier,

Der fester sich um deine Züge flicht.

Erst wenn wir uns zu seligem Vergessen

Hinlegen in das traute, dunkle Grab,

Löst er von deinem Angesicht sich ab

Und hängt sich an die säuselnden Zypressen.

 

Heidebilder

 

Himmelstrauer

Am Himmelsantlitz wandelt ein Gedanke,

Die düstre Wolke dort, so bang, so schwer;

Wie auf dem Lager sich der Seelenkranke,

Wirft sich der Strauch im Winde hin und her.

 

Vom Himmel tönt ein schwermutmattes Grollen,

Die dunkle Wimper blinzet manches Mal, –

So blinzen Augen, wenn sie weinen wollen, –

Und aus der Wimper zuckt ein schwacher Strahl. –

 

Nun schleichen aus dem Moore kühle Schauer

Und leise Nebel übers Heideland;

Der Himmel ließ, nachsinnend seiner Trauer,

Die Sonne lässig fallen aus der Hand.

Robert und der Invalide

 

Robert

 

Siehst unser Hüttlein du im Abend schimmern? –

Es lacht hinaus ins öde Heideland,

Als wohnt' in ihm das Glück, das uns entschwand,

Und nicht ein finstres Paar von Menschentrümmern.

Aus einer andern Zeit, der guten alten,

Als noch das Glück geruht in Hüttleins Schoß

Und reicher Segen das Gefild umfloß,

Hat es die heitre Miene sich erhalten.

Hier sah man einst in schönen Sommertagen

Die frommen Lämmer auf der Weide springen,

Hier hörte man die Hirtenflöte klingen

Und im Getreide hell die Wachtel schlagen.

Hier zog der Pfad durch frische Wiesengründe,

Daß abends er dem fröhlichen Gesellen

Den schnellsten Weg zu seinem Liebchen künde.

Nun wiegt kein Saatfeld seine goldnen Wellen,

Und alles schläft in tiefer Heideruh;

Der Pfad hat nichts der Liebe mehr zu künden,

Schloß trauernd seine grünen Lippen zu;

Und ringsumher Vergessen und Verschwinden.

Das Hüttlein nur mit seinem Lindenbaume

Ist nicht erwacht aus seinem holden Traume.

– Ihm gleicht die Erde jenseits unsrer Heide;

Ob längst das Glück aus ihren Armen floh,

Die Erde tut, wie einst, noch immer froh

Und schmückt sich gerne mit dem Blütenkleide;

Getreu der alten, schon gedankenlosen

Gewohnheit, trägt sie jährlich ihre Rosen. –

Hab meine Lust, im Hüttlein dort zu hausen,

Es ist so leicht gezimmert, leicht bedacht;

Da hören recht wirs, wenn die Winde brausen,

Wenn unser Schätzel kommt, die Wetternacht.

Bin gerne dort in heitern Abendstunden,

Wenn schon der letzte Sonnenstrahl geschwunden;

Wenn hell zu Sternen Sterne sich gesellen

Und unsre Hunde auf zum Monde bellen,

Weil sich der stille, blasse schleicht heran,

Als wollt er diebisch unsrer Hütte nahn

Und uns mit seinen leisen Silberhänden

Den leichten Schlaf durchs Fensterlein entwenden. –

Freund! höre doch! wo wandert deine Seele,

Derweil ich hier von Hütt und Mond erzähle?

 

Der Invalide

 

Es bellen – sagtest du – zum Mondenschein

Die Hunde; – ja – den Hunden hätt ich sollen,

Als einst der laute Ruf zur Schlacht erschollen,

Zum Futter werfen lieber vor mein Bein,

Als daß ichs im berauschten Sturmesflug

Zum blutgetränkten Opferherde trug.

Zum Opferherde trug ichs? – Herd der Küche

War jenes Leipzigfeld voll Flamm und Rauch!

Zerrißne Glieder, Leichen, Donnerflüche,

Gebrochne Waisen-, Mutterherzen auch,

Das Schlachtgeflügel auch, – vom bösen Wetter

Napoleon gejagt aus Frankreichs Auen: –

Das alles ward vom Chor der Freiheitsretter

In ein Gericht zusammen dort gehauen,

Woran das Glück nun der Aristokraten

Sich schwelgend mästet, da zu ihrer Schmach

Im Lande ziehn verstümmelte Soldaten

Und betteln müssen um ein mildes Dach.

Man hat ein Glied vom Leibe mir gerissen,

Den schlechten Rest dem Hunger vorgeschmissen.

Das sind die Menschen ohne Dank nicht wert,

Daß ich für sie gezogen einst mein Schwert,

Daß ich, ein Bettelkrüppel, auf der Heide

Umhinke, deinen Bissen trag im Magen

Und decke meinen Leib mit deinem Kleide,

Bis diese dumpfe Trommel ausgeschlagen

Den Trauermarsch: das Herz da – stille steht

Und den vergeßnen Staub der Wind verweht! –

 

Robert

 

Dich trösten wollen mag ein bittrer Spötter!

Was einmal tief und wahrhaft dich gekränkt,

Das bleibt auf ewig dir ins Mark gesenkt;

Hier steht das Unglück höher als die Götter!

Der Himmel mag vor deinen Gram sich lagern,

All seine Götterkräfte laß erglühn,

Daß er die Seele dir von ihren Nagern

Rein schaffe und sie wieder mache blühn:

Wird er den Seelenwurm hinausbeschwören,

Will er nicht Seel und Wurm zugleich zerstören?! –

Daß einen treuen Freund an mir du hast,

Bis sie mir einst im Dorfe drüben läuten,

Wenn sie mich tragen zur ersehnten Rast,

Das ist wohl wahr, doch hier kanns nichts bedeuten. –

Die Sonn ist unter; – wie die Nebel flattern,

Vom Herbstwind aufgejagt aus dunklem Moor! –

So war der Abend, als mir Laura schwor!

Hörst du die Wildgans in den Lüften schnattern?

Das kündet Frost, mein Freund, und trübe Zeit! –

Schon wieder gaukelt da die böse Sippe

Von Nachtgestalten der Vergangenheit.

Nun mag ich fliehn durch Gräser und Gestrüppe,

Sie folgt mir stets, sie spottet stets mir nach:

»Du Tor, mit deinem fabelhaften Sehnen!

Hast du's noch nicht ersäuft mit deinen Tränen?«

Und alle meine Wunden werden wach.

Wie Buben einen Narren durch die Straßen

Nicht ungeneckt hingehn und träumen lassen,

So folgt es höhnend mir durch diese Heide

Und läßt nicht rasten mich von meinem Leide.

An die Wolke

 

Zieh nicht so schnell vorüber

An dieser stillen Heide,

Zieh nicht so scheu vorüber

An meinem tiefen Leide,

Du Wolke in der Höh,

Steh still bei meinem Weh!

 

O nimm auf deine Schwingen

Und trag zu ihr die Kunde,

Wie Schmerz und Groll noch ringen

Und bluten aus der Wunde,

Die mir mit ihrem Trug

Die Ungetreue schlug.

 

Und kommst auf deinen Wegen

Du an vor ihrem Hause,

So stürze dich als Regen

Herunter mit Gebrause,

Daß sie bei dunkler Nacht

Aus ihrem Traum erwacht.

 

Schlag an die Fensterscheibe

Und schlag an ihre Türe

Und sei dem falschen Weibe

Ein Mahner an die Schwüre,

Die sie mir weinend sprach,

Und die sie lächelnd brach.

 

Und will sie das nicht hören,

So magst von deinem Sitze

Du, Donner, dich empören,

Dann rüttelt, all ihr Blitze,

Wenn ihr vorüberzieht,

An ihrem Augenlid!

Die Heideschenke

 

Ich zog durchs weite Ungarland;

Mein Herz fand seine Freude,

Als Dorf und Busch und Baum verschwand

Auf einer stillen Heide.

 

Die Heide war so still, so leer,

Am Abendhimmel zogen

Die Wolken hin, gewitterschwer,

Und leise Blitze flogen.

 

Da hört ich in der Ferne was,

In dunkler, meilenweiter;

Ich legte 's Ohr ans knappe Gras,

Mir war, als kämen Reiter.

 

Und als sie kamen näherwärts,

Begann der Grund zu zittern,

Stets bänger, wie ein zages Herz

Vor nahenden Gewittern.

 

Hertobte nun ein Pferdehauf,

Von Hirten angetrieben

Zu rastlos wildem Sturmeslauf

Mit lauten Geißelhieben.

 

Der Rappe peitscht den Grund geschwind

Zurück mit starken Hufen,

Wirft aus dem Wege sich den Wind,

Hört nicht sein scheltend Rufen.

 

Gezwungen ist in strenge Haft

Des Wildfangs tolles Jagen,

Denn klammernd herrscht des Reiters Kraft,

Um seinen Bauch geschlagen.

 

Sie flogen hin, woher mit Macht

Das Wetter kam gedrungen;

Verschwanden – ob die Wolkennacht

Mit einmal sie verschlungen.

 

Doch meint ich nun und immer noch

Zu hören und zu sehen

Der Hufe donnerndes Gepoch,

Der Mähnen schwarzes Wehen.

 

Die Wolken schienen Rosse mir,

Die eilend sich vermengten,

Des Himmels hallendes Revier

Im Donnerlauf durchsprengten.

 

Der Sturm ein wackrer Rosseknecht,

Sein muntres Liedel singend,

Daß sich die Herde tummle recht,

Des Blitzes Geißel schwingend.

 

Schon rannten sich die Rosse heiß,

Matt ward der Hufe Klopfen,

Und auf die Heide sank ihr Schweiß

In schweren Regentropfen.

 

Nun brach die Dämmerung herein,

Mir winkt von fernen Hügeln

Herüber weißer Wände Schein,

Die Schritte zu beflügeln.

 

Es schwieg der Sturm, das Wetter schwand;

Froh, daß es fortgezogen,

Sprang übers ganze Heideland

Der junge Regenbogen.

 

Die Hügel nahten allgemach;

Die Sonne wies im Sinken

Mir noch von Rohr das braune Dach,

Ließ hell die Fenster blinken.

 

Am Giebel tanzte wie berauscht

Des Weines grüner Zeiger,

Und als ich freudig hingelauscht,

Hört ich Gesang und Geiger.

 

Bald kehrt ich ein und setzte mich

Allein mit meinem Kruge;

An mir vorüber drehte sich

Der Tanz im raschen Fluge.

 

Die Dirnen waren frisch und jung

Und hatten schlanke Leiber,

Gar flink im Drehen, leicht im Sprung,

Die Bursche – waren Räuber.

 

Die Hände klatschten, und im Takt

Hell klirrt des Spornes Eisen;

Das Lied frohlocket, und es klagt

Schwermütig kühne Weisen.

 

Ein Räuber singt: »Wir sind so frei,

So selig, meine Brüder!«

Am Jubeln seines Munds vorbei

Schleicht eine Träne nieder.

 

Der Hauptmann sitzt, auf seinen Arm

Das braune Antlitz senkend,

Er scheint entrückt dem lauten Schwarm,

Wie an sein Schicksal denkend.

 

Das Feuer seiner Augen bricht

Hindurch die finstern Brauen,

Wie nachts im Wald der Flamme Licht

Durch Büsche ist zu schauen.

 

Wächst aber Sang und Sporngeklirr

Nun kühner den Genossen,

Seh ich das leere Weingeschirr

Ihn kräftig niederstoßen.

 

Ein Mädel sitzt an seiner Seit,

Scheint ihn als Kind zu ehren

Und gerne hier der Fröhlichkeit

Des Tanzes zu entbehren.

 

Auf ihren Reizen ruht sein Blick

Mit innigem Behagen,

Zugleich auf seines Kinds Geschick

Mit heimlichem Beklagen. –

 

Stets wilder in die Seelen geigt

Nun die Zigeunerbande,

Der Freude süßes Rasen steigt

Laut auf zum höchsten Brande.

 

Und selbst des Hauptmanns Angesicht

Hat Freude überkommen; –

Da dacht ich an das Hochgericht

Und ging hinaus, beklommen.

 

Die Heide war so still, so leer,

Am Himmel nur war Leben;

Ich sah der Sterne strahlend Heer,

Des Mondes Völle schweben.

 

Der Hauptmann auch entschlich dem Haus;

Mit wachsamer Gebärde

Rings horcht' er in die Nacht hinaus,

Dann horcht' er in die Erde,

 

Ob er nicht höre schon den Tritt

Ereilender Gefahren,

Ob leise nicht der Grund verriet

Ansprengende Husaren.

 

Er hörte nichts, da blieb er stehn,

Um in die hellen Sterne,

Um in den hellen Mond zu sehn,

Als möcht er sagen gerne:

 

›O Mond im weißen Unschuldskleid!

Ihr Sterne dort unzählig!

In eurer stillen Sicherheit,

Wie wandert ihr so selig!‹

 

Er lauschte wieder, – und er sprang

Und rief hinein zum Hause,

Und seiner Stimme Macht verschlang

Urplötzlich das Gebrause.

 

Und eh das Herz mir dreimal schlug,

So saßen sie zu Pferde,

Und auf und davon im schnellen Flug,

Daß rings erbebte die Erde.

 

Doch die Zigeuner blieben hier,

Die freurigen Gesellen,

Und spielten alte Lieder mir

Rakoczys, des Rebellen.

Ahasver, der ewige Jude

 

Ein Wäldchen rauscht auf weiter grüner Heide;

Hier lebt die Erde still und arm und trübe;

Das Wäldchen ist ihr einziges Geschmeide,

Daran ihr Herz noch hangen mag in Liebe,

Wie eine Witwe, eine einsam arme,

Den Brautschmuck aufbewahrt, daß sie die Blicke,

Die tränenvollen, spät daran erquicke,

Wird sie zu bang erfaßt von ihrem Harme.

Rings um das Wäldchen alles öd und einsam;

Nicht Baum und Strauch, nur Wiesengrund zu sehn

Bis an die Grenze, wo die Wolken gehn,

Wo Heid und Himmel zweifelnd wird gemeinsam.

Strohhütten stehn umher zerstreut im Haine;

Hier hat ein traulich stilles Los gefunden

Von Hirten eine friedliche Gemeine;

Doch ist kein Menschenleben ohne Wunden.

Die Linde säuselt, blütenreich und hoch,

Die Sonne geht im Westen still verloren,

Und auf den Blüten, die sie jüngst geboren,

Verweilen ihre warmen Blicke noch;

Auch strahlen sie zum letztenmal auf einen,

Um dessen Leiche dort die Hirten weinen.

Sie stellten seine Bahre an die Linde,

Als sollt ihn einmal noch der Lenz begrüßen,

Der schon als Jüngling hat hinsterben müssen.

Die bleiche Mutter kniet an ihrem Kinde;

Mit Rosenkränzen schmücken ihn Jungfrauen,

Und aller Blicke haften schmerzumflossen

Auf ihrem lieben, freundlichen Genossen,

Sein Bild sich recht ins treue Herz zu schauen.

Der Vater hält des Toten Flöt und Stab,

Benetzend sie mit mancher heißen Zähre;

Dem Jüngling sollen folgen in sein Grab

Die schlichten Zeichen seiner Hirtenehre.

Im Ohr des Alten summen noch die Lieder,

Die dieser Flöte einst so froh entquollen,

Und die auf immer nun ihm schweigen sollen;

Das beugt ihm tiefer noch die Seele nieder. –

Wer aber kommt die Heide hergezogen,

Gejagt, so scheints, von drängender Gewalt,

Das Haupt von greisen Locken wild umflogen,

Das tiefgefurchte Antlitz fahl und kalt?

Es ragt ins Leben ernst und schroff herein

Wie altes, längst verwittertes Gestein;

Vom Antlitz fließt herab der Bart so hell,

Wie düsterm Fels entstürzt der Silberquell.

Aus dunkler Höhle glüht des Auges Stern,

Als sähs auf dieser Erde nichts mehr gern.

Das Auge scheint mit seiner Glut zu sagen:

›Müßt ich nicht leuchten dem unsteten Fuß,

Ich hätte längst mit eklem Überdruß

Vor dieser Welt die Türe zugeschlagen!‹

Der Wandrer ist der Jude Ahasver,

Der, fluchtgetrieben, rastlos irrt umher.

Zur Bahre tritt er feierlich und leise

Und spricht im bang erschrocknen Hirtenkreise:

»So! betet still, daß ihr ihn nicht erweckt!

Hemmt eurer Tränen undankbare Flut!

Sein Schlaf ist gut, o dieser Schlaf ist gut!

Wenn er auch Toren euresgleichen schreckt.

O süßer Schlaf! o süßer Todesschlaf!

Könnt ich mich rastend in die Grube schmiegen!

Könnt ich, wie der, in deinen Armen liegen,

Den schon so früh dein milder Segen traf!

Den Staub nicht schütteln mehr vom müden Fuße!

Wie tiefbehaglich ist die Todesmuße!

Das Auge festverschlossen, ohne Tränen;

Die Brust so still, so flach und ohne Sehnen;

Die Lippen bleich, versunken, ohne Klage,

Verschwunden von der Stirn die bange Frage.

Wohl ihm! er starb in seinen Jugendtagen;

Er hat gar leicht, vom Schicksal liebgewonnen,

Die große Schuld des Schmerzes abgetragen,

Das Leben ihm umsonst Verrat gesponnen.

Sein Herz ist still; das meine, ohne Rast,

Pocht Tag und Nacht in ungeduldger Hast,

Auf daß es einmal endlich fertig werde

Und seinen Sabbat find in kühler Erde.

Es schläft der Mensch in seiner Mutter Hüften,

Dann eine Weile noch, mit Augen offen,

Irrt er, Schlafwandler, in den Morgenlüften

Und träumt ein buntes, himmlisch frohes Hoffen,

Bis plötzlich ihm ans Herz das Leben greift,

Den schönen Traum von trunkner Stirne streift

Und ihn mit kalter Hand ins Wachen schüttelt,

Wie meine Hand hier Blüten niederrüttelt.

Den hat die kalte Faust noch nicht erfaßt,

Er ist, unaufgeschreckt vom Traum, erblaßt;

Ich sehs an seinen ruhig schönen Zügen,

Die, selig lächelnd, fast den Tod verhehlen

Und immer noch das Märchen still erzählen,

Die Erde noch zum Paradiese lügen!«

Er rüttelt wieder Blüten von den Zweigen,

Die niederflattern ihren Todesreigen:

»Noch immer, Erde, den uralten Tand

Von Blüten treiben und zerstören, immer?

Verdrießt, Natur, das öde Spiel dich nimmer?

Ergreift nicht Schläfrigkeit die müde Hand?

Du gleichest mit dem wüsten Zeitvertreib

Im Dorfe drüben dem Zigeunerweib,

Die Karten schlägt, mit ihren bunten Bildern

Vergangnes wie Zukünftiges zu schildern

Und, blöd begafft, belauscht, neugierigen Leuten,

Was sie gedacht, was sie geträumt, zu deuten.

Die Blätter werden aufgemengt und frisch

Gelegt in neuer Ordnung auf den Tisch,

Den Glauben äffend mit prophetschen Spuren;

Doch immer sinds die nämlichen Figuren!

Ich schaute zu seit achtzehnhundert Jahren,

Die machtlos über mich dahingefahren. –

Laß dich umarmen, Tod, in dieser Leiche!

Mein Auge laben an der Wangen Bleiche!

Balsamisch rieselt ihre frische Kühle

Durch mein Gebein, durch meines Hirnes Schwüle.« –

Derweil die Hirten jetzt den Sarg verschließen,

Starrt Ahasver aufs Kruzifix der Decke,

Als ob er plötzlich, tiefgemahnt, erschrecke,

Aus seinem finstern Auge Tränen fließen:

»Hier ist sein Bildnis an den Sarg geheftet,

Der einst gekommen, schmachtend und entkräftet,

Der einst vor meiner Tür zusammenbrach,

Gebeugt vom Druck des Kreuzes und der Schmach,

Der mich um kurze Rast so bang beschwor;

Ich aber stieß ihn fort, verfluchter Tor!

Nun bin auch ich vom Fluche fortgestoßen,

Und alle Gräber sind vor mir verschlossen.

Ich stand, ein Bettler, weinend vor der Türe

Der Elemente, flehte um den Tod;

Doch, ob ich auch den Hals mit Stricken schnüre,

Mein fester Leib erträgt des Odems Not.

Das Feuer und die Flut, die todesreichen,

Versagten das ersehnte Todesglück;

Ich sah die scheue Flamme rückwärts weichen,

Mit Ekel spie die Welle mich zurück.

War ich geklettert auf die Felsenmauer,

Wo nichts gedeiht als süßer Todesschauer,

Und rief ich weinend, wütend abgrundwärts:

›O Mutter Erde, dein verlorner Sohn!

Reiß mich zerschmetternd an dein steinern Herz!‹

Der Zug der Erdentiefe sprach mir Hohn,

Sanft senkten mich die fluchgestärkten Lüfte,

Und lebend, rasend, irrt ich durch die Klüfte.

›Tod!‹ rief ich, ›Tod!‹ mich in die Erde krallend,

›Tod!‹ höhnte Klipp an Klippe widerhallend.

Zu Bette stieg ich lüstern mit der Pest;

Ich habe sie umsonst ans Herz gepreßt.

Der Tod, der in des Tigers Rachen glüht,

Der zierlich in der giftgen Pflanze blüht,

Der schlängelnd auf dem Waldespfade kriecht,

Den Wandrer lauernd in die Ferse sticht,

Mich nahm er nicht!« –

Da wandte sich der Jude von den Hirten,

Und weiter zog der Wandrer ohne Ruh,

Dem letzten Strahl der Abendsonne zu;

Ob seinem Haupt die Heidevögel schwirrten.

Und wie er fortschritt auf den öden Matten,

Zog weithingreifend sich sein Schattenstrich

Bis zu den Hirten, die bekreuzten sich,

Die Weiber schauderten an seinem Schatten.

 

Polenlieder

 

In der Schenke

Am Jahrestag der unglücklichen Polenrevolution

 

Unsre Gläser klingen hell,

Freudig singen unsre Lieder;

Draußen schlägt der Nachtgesell

Sturm sein brausendes Gefieder,

Draußen hat die rauhe Zeit

Unsrer Schenke Tür verschneit.

 

Haut die Gläser an den Tisch!

Brüder, mit den rauhen Sohlen

Tanzt nun auch der Winter frisch

Auf den Gräbern edler Polen,

Wo verscharrt in Eis und Frost

Liegt der Freiheit letzter Trost.

 

Um die Heldenleichen dort

Rauft der Schnee sich mit den Raben,

Will vom Tageslichte fort

Tief die Schmach der Welt begraben;

Wohl die Leichen hüllt der Schnee,

Nicht das ungeheure Weh.

 

Wenn die Lerche wieder singt

Im verwaisten Trauertale;

Wenn der Rose Knospe springt,

Aufgeküßt vom Sonnenstrahle:

Reißt der Lenz das Leichentuch

Auch vom eingescharrten Fluch.

 

Rasch aus Schnee und Eis hervor

Werden dann die Gräber tauchen;

Aus den Gräbern wird empor

Himmelwärts die Schande rauchen,

Und dem schwarzen Rauch der Schmach

Sprüht der Rache Flamme nach.

Der Maskenball

 

Wirres Durcheinanderwallen

In den lichten Säulenhallen.

Der Trommeten hell Gedröhne

Und der Geigen tolle Lieder

Stürzen vom Gerüste nieder

Als ein Wildbach froher Töne;

Von dem Strome leicht bezwungen

Wird der Gäste bunte Menge,

Wird vom seligen Gedränge

Rascher Tänze schnell verschlungen.

Blumen und Orangenbäume

Blühen, duften rings im Saale,

Mahnen, holde Frühlingsträume,

Mich an ferne Blütentale,

Wecken mit dem stillen Gruß

Mir ein banges Hinverlangen,

Hauchen ihren leisen Kuß

Schönen Mädchen an die Wangen.

Doch den Frohen, Ruhelosen

Weht nicht Sehnsucht in dem Hauche,

Sind ja selber junge Rosen,

Die entflogen ihrem Strauche,

Flatternd in geliebten Tänzen,

Dem Gewinde bald entbunden,

Bald zu anmutvollen Kränzen

Von der Freude frisch gewunden;

Können sinnend nicht verweilen,

Müssen im Vergnügen eilen,

Denn des Welkens Klage naht.

Nie zu sühnender Verrat

An der Blüte Augenblicken

Wäre jede trübe Säumnis.