Furchtbar läßt der Alte deinem Lauschen

Durch die Saiten die Vergeltung rauschen! –

Aus dem Saal ist jede Lust gewichen,

Dunkles Weh durch alle Herzen schlägt;

Und nicht wissend, was sie tief bewegt,

Hat die Braut sich weinend fortgeschlichen.

 

Von der Macht gejagt des Racheschalls,

Eilt der junge Bräutigam zu Rosse,

Sprengt in finstrer Nacht aus seinem Schlosse,

Stürzt und bricht im Graben sich den Hals.

 

Die Zigeuner leeren ihre Neige,

»Gute Nacht!« – Früh sieht ein Hirtenknab

Mischka stehn an seines Kindes Grab

Und hinein verscharren seine Geige.

Meisterlos zerstreut sich seine Bande,

Und fortan sah niemand ihn im Lande.

 

Vermischte Gedichte

 

Neue Folge

Einem Gemütskranken

Seitdem du mit den höchsten Mächten

Begannst zu hadern und zu rechten,

Kann dir der kleinste, stillste Wurm

Im Herzen wecken einen Sturm,

 

Wie einst in jenen Frühlingstagen,

Die dir kein Gott zurück mehr ruft,

Ein grünes Blatt, ein Hauch der Luft

Dir oft gebracht ein seliges Behagen.

An einem Grabe

 

Kühl herbstlicher Abend, es weht der Wind,

Am Grabe der Mutter weint das Kind,

Die Freunde, Verwandten umdrängen dicht

Den Prediger, der so rührend spricht.

Er gedenkt, wie fromm die Tote war,

Wie freundlich und liebvoll immerdar,

Und wie sie das Kind so treu und wach

Stets hielt am Herzen; wie schwer dies brach.

Daß grausam es ist, in solcher Stund

Die Toten zu loben, ist ihm nicht kund,

Der eifrige Priester nicht ahnt und fühlt,

Wie er im Herzen des Kindes wühlt.

Es regnet, immer dichter, herab,

Als weinte der Himmel mit, aufs Grab,

Doch stört es nicht den Leichensermon,

Auch schleicht kein Hörer sich still davon.

Die Tote hört der Rede Laut

So wenig, als wie der Regen taut,

So wenig als das Rauschen des Winds,

Als die Klagen ihres verwaisten Kinds.

Der Priester am Grabe doch meint es gut,

Er predigt dem Volk mit Kraft und Glut,

Verwehender Staub dem Staube,

Daß er ans Verwehen nicht glaube.

Veränderte Welt

 

Die Menschheit ist dahinter kommen,

Trotz aller Gaukelei der Frommen,

Daß mit dem Leben vor dem Grabe

Man endlich Ernst zu machen habe.

 

Zerbrochen ist des Wahnes Kette,

Die Erde sei nur Übungsstätte,

Nur Voltigierbock sei das Leben,

Aufs Roß werd uns der Himmel heben.

 

Auf freiem grünem Erdengrunde

Wird jeder bald schon hier, zur Stunde,

Bevor das Grab ihn deckt mit Schollen,

Sein Rößlein weiden, tummeln wollen.

Naturbehagen

 

Der Seerab hat ein gutes Leben!

So überm Wasser hinzuschweben,

Wo lustig plätschern, zierlich kreisen,

Einladend, seine leckern Speisen.

Sein scharfes Auge weiß auf Strecken

Die feinsten Fischlein zu entdecken,

Sein treues Auge sieht beizeiten

Am Strand den Jäger lauernd schreiten,

Und plötzlich unter taucht der Rab,

Schwimmt unsichtbar vom Jäger ab

Und taucht erst fröhlich wieder auf,

Wohin nicht reicht der Flintenlauf.

Sanft fällt des Jägers Schuß dort nieder,

Wie schlafergriffne Augenlider,

Den Augenlidern gleich des Raben,

Der nach genoßnen Meeresgaben

Am sichern Fels, im Sonnenschein,

Beim Wellenmurmeln schlummert ein.

Trinksprüche

 

Ihr stoßet an, die Gläser klingen,

Ihr lasset leben manchen Mann;

Und morgen schon denkt keiner dran,

Ihm eine Freud ins Herz zu bringen.

 

Ich hör ein Pereat! euch brüllen,

Auf Tod habt ihr das Glas geleert,

Doch keinem ist der Mut beschert,

Das Grab des Feindes anzufüllen.

 

Ich trinke nicht zum Segensspruche,

Wo nicht mein Herz beglücken will;

Zum bösen Wunsche bleib ich still,

Wenn nicht die Klinge folgt dem Fluche.

Studentenreise

 

Wir hatten im Sacke nur wenig Geld,

Doch lachend wogte das goldene Feld

In lustigen Sommerwinden,

Das übrige würde sich finden.

 

Die Rößlein schlichen den lahmsten Trab,

Als wäre die Erde ein weites Grab

Und fürchteten sie, zu versinken

Auf Tote zur Rechten und Linken.

 

Der Fuhrmann schmauchte schlechten Tabaks,

Er war hartmäulig, stumpfen Geschmacks,

Wie seine Gäule nicht wissen,

Daß sie werden im Maule gerissen.

 

Doch ging es auch langsam, ging es doch froh;

Wir rauchten Bessern, mein Studio

Schrie mir homerische Zeilen,

Wie die Helden sich tapfer zerkeilen.

 

Das Straßenpulver ward Schlachtenstaub,

Rings tobte die Rache um Helenas Raub,

Die Reiter stürzten zur Erde, so

Drum schlichen so traurig die Pferde.

 

Der dampfende Kutscher auf seinem Thron,

Ein rauchender Turm von Ilion;

Nur Helena könnt ich nicht schauen

Vor Staub, die schönste der Frauen.

 

Da dacht ich, sie zu finden geschwind,

An ein vielleicht noch schöneres Kind,

Homerische Klänge versäumend,

Zum seligen Paris mich träumend.

Der arme Jude

 

1.

Armer Jude, der du wandeln

Mußt von Dorf zu Dorf hausierend,

Schlecht genährt und bitter frierend,

Allwärts rufend: »Nichts zu handeln?«!

 

Holt die Seuche Mann und Frauen,

Ziehst du nach auf ihrer Fährte,

Und die Kleider, die sie leerte,

Schleppst du fort, dir darf nicht grauen.

 

Auf dem Baume krächzt der Rabe,

Hunde zerren dich am Rocke,

Schneegestöber Flock an Flocke,

Fleißig wanderst du am Stabe.

 

Ein Jerusalem, papieren,

Bauen deine Stammgenossen,

Doch für dich ist es verschlossen,

Wandern mußt du, darben, frieren.

 

Jene habens hoch getrieben,

Du verschacherst alte Kleider;

Aber alle seid ihr leider

Ein geknicktes Volk geblieben.

 

2.

Jud ist an ein Kreuz gekommen,

Speist am fremden Heiligtume

Auf der Bank ein Stücklein Krume,

Ruhe soll den Gliedern frommen,

 

Nickend träumt er: seine Väter

Jubeln um das Kreuz im Ringe,

Und er hört die Silberlinge

Klirren Judas dem Verräter.

 

Zieht ein Jäger, heimbeflissen,

Doch es schnüffelt noch sein Hündlein

Um den Schläfer, um das Bündlein,

Stiehlt ihm aus der Hand den Bissen.

 

Zieht des Wegs daher ein Bauer,

Und er rüttelt wach den Armen,

»Schlaf nicht!« ruft er mit Erbarmen,

»Sonst erfrierst im Winterschauer.

 

Leg wahrhaftig deine Bürde

Hin am Kreuze, samt dem Fluche;

Jude, irres Schäflein, suche

Jesu Christi warme Hürde.

 

Jude, wolle dich bekehren!

Dir vom ganzen alten Bunde

Blieb dies Bündlein nur zur Stunde,

Dich zu schützen, dich zu nähren.

 

Laß dich taufen und verwandeln;

Mancher tats, und mit vier Rossen,

Hornklang kommt er nun geschossen,

Der einst umrief; Nichts zu handeln?

 

Nimm mich an zu deinem Paten;

Nebst dem Angebind, dem werten,

– Gott gesegnets dem Bekehrten, –

Labst du dich an Wein und Braten.«

 

Drauf der Jude spricht, der echte:

»Laß mich nie und nimmer taufen.

Wollt Ihr nicht Gewänder kaufen

Für die Dirnen, für die Knechte?

 

Mancher trägt das Kreuz am Rücken,

Jude noch im Herzensgrunde,

Schwerer als des Bündels Pfunde;

Wählt Euch was von meinen Stücken!«

 

Doch er sieht den Bauer scheiden,

Und sein Bündel schnürt er wieder,

Müde senkt er drauf sich nieder,

Traurig von des Weges Leiden.

 

Wieder hat am Kreuz den Armen

Schlaf und froher Traum befallen,

Eine Stimme hört er schallen,

Süß, wie himmlisches Erbarmen:

 

»Harret, meine Kinder, harret!«

Ruft Messias, näher, näher. –

Wandrer finden den Hebräer

Liegen an dem Kreuz erstarret.

Der kriegslustige Waffenschmied

 

Spritze Funken, Säbelklinge,

Werde meinen Hammerschlägen

Hart, geschmeidig, scharf, du Degen,

Daß dich froh der Reiter schwinge!

 

Schwert, wie dir mein Hammerschwingen

Helle Funken ausgetrieben,

Sollen bald von deinen Hieben

Seelen aus den Leibern springen.

 

Friede ist ein falscher Engel,

Unkraut wuchert auf zu Wäldern,

Steuern wachsen auf den Feldern

Mehr als Korn und Weizenstengel.

 

Friede hat das Menschenleben

Still verwahrlost, sanft verwüstet;

Wie er seiner Tat sich brüstet!

Alles hängt voll Spinneweben.

 

Ha! nun fährt der Krieg dazwischen;

Klafft und gähnt erst manche Wunde,

Gähnt man seltner mit dem Munde,

Kampf und Tod die Welt erfrischen.

 

Feige Lüge aus dem Herzen

Treibt der Krieg, der offne, scharfe,

Weil der Tod zerreißt die Larve,

Weil die Wunden ehrlich schmerzen.

 

Wieder soll in Kampfgewittern

Frische Luft der Wahrheit wehen,

Tote werden auferstehen,

Menschentreter werden zittern.

Der Pechvogel

 

Ein Stück des Lebens ward verträumt,

Das beste Glück hab ich versäumt;

Die Winde sausen durch die Stoppeln,

Ich möchte meinen Schritt verdoppeln.

 

Doch sausen sie mir lange gut,

Ich andre drum nicht meinen Mut,

Und nicht erhitz ich meine Sohlen,

Um das Versäumte nachzuholen.

 

Drei Dinge hätt ich gern vollbracht:

Gestanden einmal in der Schlacht,

Ein holdes Weib als Braut umschlungen,

Ein Söhnlein froh im Arm geschwungen.

 

Drei Wünsche blieben mir versagt,

Doch seis mit keinem Hauch beklagt;

Das Glück, mir feindlich allerwegen,

Hätt sie gewendet zu drei Schlägen.

 

Mich hätt, eh ich den Ruhm geschmeckt,

Die erste Kugel hingestreckt,

Nachdem mein Söhnlein mir gestorben,

Mein Weib treulos mirs Bett verdorben.

Der Kranke im Garten

 

Noch eine Nachtigall, so spät?

Schon sind die Blüten längst verweht,

Der Sommer reift die Felder schon,

Und noch ein Frühlingston?

 

O Lenz, ward es dir offenbar,

Daß ich noch sterbe dieses Jahr?

Und riefest aus der Ferne du

Noch einen Gruß mir zu? –

Beethovens Büste

 

Traurig kehrt ich eines Abends

In mein einsam düstres Zimmer,

Überraschend drin entgegen

Blinkte mir ein Freudenschimmer.

 

Mit dem sichern Blick der Liebe

Hatt ein Freund den Spalt getroffen,

Wo des Unmuts düstre Zelle

Blieb dem Strahl der Freude offen.

 

Ha! ich fand des Mannes Büste,

Den ich höchst als Meister ehre

Nebst dem schroffen Urgebirge

Und dem grenzenlosen Meere.

 

Ein Gewitter in den Alpen,

Stürme auf dem Ozeane

Und das große Herz Beethovens,

Laut im heiligen Orkane,

 

Sind die Wecker mir des Mutes,

Der das Schicksal wagt zu fodern,

Der den letzten Baum des Edens

Lächelnd sieht zu Asche lodern.

 

Kämpfen lern ich ohne Hassen,

Glühend lieben und entsagen,

Und des Todes Wonneschauer,

Wenn Beethovens Lieder klagen;

 

Wenn sie jubeln, Leben schmetternd,

Daß die tiefsten Gräber klüften

Und ein dionysisch Taumeln

Rauschet über allen Grüften.

 

Wenn sie zürnen, hör ich rasseln

Menschenwillens heilge Speere,

Und besiegt zum Abgrund, heulend,

Flüchten die Dämonenheere. –

 

Sanftes Wogen, holdes Rieseln;

Sind des Weltmeers kühle Wellen

Süß beseelt zu Liebesstimmen?

Wie sie steigen, sinken, schwellen!

 

Auf der glatten Muscheldiele

Halten Nixen ihren Reigen,

Keime künftger Nachtigallen

Träumen auf Korallenzweigen.

 

Horch! noch leiser! dem Naturgeist

Abgelauschte Lieder sind es,

Die er flüstert in das erste

Träumen eines schönen Kindes;

 

Die er spielt auf Mondstrahlsaiten,

Ob dem Abgrund ausgespannten,

Deren Rhythmen in der Erdnacht

Starren zu Kristallenkanten;

 

Und nach deren Zaubertakten

Rose läßt die Knospe springen,

Kranich aus des Herbstes Wehmut

Lüftet seine Wanderschwingen. –

 

Ach, Coriolan! vorüber

Ist das Ringen, wilde Pochen,

Plötzlich sinds die letzten Töne,

Dumpf verhallend und gebrochen.

 

Wie der Held im schönen Frevel

Überstürmte alle Schranken,

Dann – der tragisch Überwundne

Stehn geblieben in Gedanken.

 

Sinnend starrt er in den Boden,

Sein Verhängnis will Genüge;

Fallen muß er, stummes Leiden

Zuckt um seine edlen Züge. –

 

Horch! im Zwiespalt dieser Töne

Klingt der Zeiten Wetterscheide,

Jetzo rauschen sie Versöhnung

Nach der Menschheit Kampf und Leide.

 

In der Symphonien Rauschen,

Heiligen Gewittergüssen,

Seh ich Zeus auf Wolken nahn und

Christi blutge Stirne küssen;

 

Hört das Herz die große Liebe

Alles in die Arme schließen,

Mit der alten Welt die neue

In die ewige zerfließen.

Am Sarge eines Schwermütigen

 

der sich selbst den Tod gegeben

 

Naturgeister singen:

 

Er ist von uns gewichen,

Er ist so früh verblichen,

Laßt uns in tiefste Schatten

Dies heiße Herz bestatten!

 

Wir singen manche Weisen,

Wenn wir die Erd umkreisen,

die bängste aller bangen

Hat lauschend er empfangen.

 

Das Lied, das dumpf wir klagen,

Wenn wir den Wildbach jagen,

Und wenn wir Blitze flechten

In schwülen Sommernächten.

 

Im Rufe tönts der Unken,

Von dunkler Schwermut trunken,

Und in den Widerhallen

Bewegter Nachtigallen.

 

»Fahr wohl!« nachruft es leise

Dem Frühling auf die Reise;

Wir hauchen es gelinde

Durchs Haar dem toten Kinde.

 

Die Röslein all zerpflücken

Und zu die Äuglein drücken

Dem Lenz wir und dem Kleinen,

Und niemand sieht uns weinen.

 

Wenn Wolf im Eise suchen

Ihr Leben und verfluchen,

Und wenn das Käuzlein grelle

Aufstöhnt in seiner Zelle,

 

Wenn sich die Meereswellen

Auftürmen und zerschellen,

Im Sturm die Möwen zagen,

Erhebt das Lied sein Klagen.

 

O Möwenschrei und Schwanken!

O menschliche Gedanken

Vom Leben ewger Dauer,

Hört ihr des Liedes Trauer?! –

 

Doch sind die Stimmen alle

Nur abgebrochne Halle,

Ein ahnendes Besinnen

Kaum auf des Lieds Beginnen.

 

Bei seinem vollen Klange,

Ach, würde uns zu bange,

Wir stünden schmerzlich träumend,

Das Erdenwerk versäumend.

 

Dies Herz hat es vernommen

Und sang es fort beklommen;

Dies Herz hat ausgesungen

Das Lied und ist gesprungen.

Die Drei

 

Drei Reiter nach verlorner Schlacht,

Wie reiten sie so sacht, so sacht!

 

Aus tiefen Wunden quillt das Blut,

Es spürt das Roß die warme Flut.

 

Vom Sattel tropft das Blut, vom Zaum,

Und spült hinunter Staub und Schaum.

 

Die Rosse schreiten sanft und weich,

Sonst flöß das Blut zu rasch, zu reich.

 

Die Reiter reiten dicht gesellt,

Und einer sich am andern hält.

 

Sie sehn sich traurig ins Gesicht,

Und einer um den andern spricht:

 

»Mir blüht daheim die schönste Maid,

Drum tut mein früher Tod mir leid.«

 

»Hab Haus und Hof und grünen Wald,

Und sterben muß ich hier so bald!«

 

»Den Blick hab ich in Gottes Welt,

Sonst nichts, noch schwer mirs Sterben fällt.«

 

Und lauernd auf den Todesritt

Ziehn durch die Luft drei Geier mit.

 

Sie teilen kreischend unter sich:

»Den speisest du, den du, den ich.«

Welke Rose

 

In einem Buche blätternd, fand

Ich eine Rose welk, zerdrückt,

Und weiß auch nicht mehr, wessen Hand

Sie einst für mich gepflückt.

 

Ach, mehr und mehr im Abendhauch

Verweht Erinnrung; bald zerstiebt

Mein Erdenlos, dann weiß ich auch

Nicht mehr, wer mich geliebt.

Der fromme Pilger

 

Selig wandelt dort ein Ritter

Durch Jerusalems Gefilde;

Weinend trat er auf den Boden,

Wo einst wallte Jesus Christus,

Und die Lippen senkt er küssend

Auf den Grund, der Ihn getragen.

Alles Erdenleids genesen

Fühlt sich hier der fromme Pilger;

Mit der Bürde seiner Sünden

Sind die Lasten seiner Sorgen

Hinter ihm ins Meer versunken. –

 

Anders rauschen hier die Wasser,

Anders wehen ihm die Lüfte,

Wie erquickend und geheiligt

Sind die Züge seines Odems!

Wunderbar bewegte Hauche

Säuseln durch das Laub der Bäume,

Gleich als hätte hier die Erde

Ihn noch immer nicht vergessen,

Der hier einst geliebt, geduldet

Und am Kreuz für uns gestorben;

Gleich als rauschten holde Mären

Sein Gedächtnis durch die Wipfel,

Frohe Kunden, Festgesänge,

Göttlich leise Traditionen,

Von den Blättern, welk und sinkend,

Zugerauscht den frischen, grünen,

Und von Blüte hin zu Blüte

Fortgehaucht durch all die Zeiten.

Inneres Gericht

 

Als ein strenger Richter und Hinrichter,

Vieler süßen Hoffnungen Vernichter,

Mag auch ihre ganze Sippschaft weinen,

Mußt du einmal in dir selbst erscheinen,

Wenn du noch gewinnen willst den Frieden,

Eh der Tod den seinen dir beschieden.

Als Gedanke ist der Geist das Licht,

Wärme ist im Herzen er als Liebe;

Was nicht sein, verfalle dem Gericht,

Lust und Schmerz – es sterbe und zerstiebe!

Die Nonne und die Rose

 

Dunkle Wolken niederdrohten,

Und es zuckten Wetterscheine,

Brausend jagten schon die Boten

Des Gewitters durch die Haine.

 

Eine Rose dort am Aste,

Schöne Nonne, sahst du beben,

Und ein Bangen dich erfaßte

Um der Rose zartes Leben.

 

Sie zu wahren vor den Wettern,

Schnittest du sie schnell vom Strauche,

Eh der Sturm sie kann entblättern

Und entführen ihre Hauche.

 

Draußen tobt des Frühlings Eile,

Rosen flattern weithin, irre;

Deine blüht noch eine Weile

Scheinlebendig im Geschirre.

 

Teilte sie nicht, schnell verglühend,

Lieber solche Frühlingslose?

Schöne Nonne, still verblühend,

O wie gleichst du dieser Rose!

Das Kind geboren, die Mutter tot

 

Die schöne Mutterliebe hat dem Leben

Ein Opfer hier, ein blühend Kind gegeben,

Vertrauend und mit innigstem Verlangen,

Daß alle Götter huldvoll es empfangen;

Doch als sie weihend will den Segen sprechen

In ihres Herzens heißem Überwallen,

Ließ ihre Hand, vor Freude zitternd, fallen

Den Mutterleib, die Opferschale brechen.

Die Albigenser

 

Das Aug der Liebe weiß im Freudensaale

Durchs Tanzgewühl, durch die Gestaltenßucht,

Den Liebesblick zu finden, den sie sucht,

Und weidet sich an seinem süßen Strahle.

Mein Auge sieht auf wüsten Degenklingen,

Die Feuer sprühend durch die Helme dringen,

Und auf den Spitzen fluchbeschwingter Lanzen

Hier, dort verirrte Funken Gottes tanzen.

Zweifelnder Wunsch

 

Wenn Worte dir vom Rosenmunde wehen,

Bist du so schön! – gesenkten Angesichts

Und still, bist du so schön! – was soll ich flehen:

O rede mir!? o sage nichts!?

 

Drum laß mich zwischen beiden Himmeln schwanken,

Halb schweigend, sprechend halb, beglücke mich

Und flüstre mir, wie heimlich in Gedanken,

Das süße Wort: »Ich liebe dich!«

Die Bauern am Tissastrande

 

Törichte Freunde des toten Alten,

Fahrend in ausgeleierten Gleisen,

Tanzend nach verklungenen Weisen,

Möge dies Märlein euch unterhalten!

 

Warme lebendige Lüfte wallen

Über dem schönen Magyarenlande,

In den Gebüschen die Nachtigallen

Singen entzückt am Tissastrande.

Fischlein, springend mit stillem Ergetzen,

Holen vom Lenz sich flüchtigen Kuß,

Fürchten sich nicht vor den silbernen Netzen,

Welche der Mond warf über den Fluß.

 

Brausend vor Freude, münden die Quellen,

Und das lenzbezauberte Land,

Weil es nicht blühn kann unter den Wellen,

Blüht es hier doppelt als üppiger Strand,

Weil es nicht singen kann unter den Wogen,

Singt es dafür hier doppelt so laut,

Liebestönen, schmachtend gezogen,

Lauscht des Sprossers glückselige Braut.

 

Rüstig rudern dort über die Wellen

Lustige Bauern mit Scherzen und Lachen,

Und die Zigeuner, ihre Gesellen,

Stimmen die Geigen bereits im Nachen,

Stoßen ans Land und eilen zur Schenke;

Weil so laut das heischende Rufen,

Springen die Wirte schon mit dem Getränke

Über die finsteren Kellerstufen.

 

Um den Eichtisch sitzen die Alten,

Vor dem Tanze noch Schmaus zu halten.

Zum Abschnitt gereicht, in der Runde

Geht das köstliche Weizenbrot,

Und sie führen behaglich zum Munde

Feurigen Wein, tiefdunkelrot;

Wischen sich trocken und schieben zur Seite,

Daß er den Speisen den Weg nicht bestreite,

Schnurrbarts buschigten halben Kranz;

Braten und Schinken, warme und kühle,

Wandern geschwind in die knöcherne Mühle,

Dort die Jungen fliegen zum Tanz.

 

Hei! wie die Geigen singen und klingen!

Heil wie die Hämmer des Zimbals springen

Über die Saiten frisch auf und nieder,

Pochender Herzschlag heimischer Lieder.

Himmel! wie jauchzen die Geigen so helle,

Schmetternd schreit Klarinette, die grelle.

 

Weinendes Klagen, Freudengekicher

Schüttern im schroffen Wechsel die Luft,

Setzen gewaltig, keck und sicher

Über des Mißklangs drohende Kluft.

Alle die Töne, sie klettern, sie tanzen,

Wildverschlungen wie Urwaldpflanzen,

Wildhinfahrend wie schwelgende Flammen,

Aber der Brummbaß hält sie zusammen.

 

Kräftige Bursche tanzen im Saale,

Schwingen empor die hurtigen Weiber,

Werfen empor die blühenden Leiber

Hoch in die Luft, wie süße Pokale;

Drehen sie schnell im wechselnden Kreise

Nach der Musik beschleunigter Weise,

Wie der wirbelnde Strom den Kahn,

Wie ein Rosenblatt der Orkan.

Zitternd dröhnt die gestampfte Diele

Zu der Zigeuner mächtigem Spiele.

 

Auch die Alten sind aufgesprungen,

Als die beliebte ›Werbung‹ erklungen,

Uralt immer willkommne Klänge,

Nie vergeßne Ahnengesänge.

Was längst Asche ruht in den Grüften,

Tanzte und jauchzte bei diesen Tönen;

Von den Toten klingt in den Lüften

Freuden Vermächtnis den späten Söhnen.

Wie gebannt von den Geistern der Alten,

Wollen nichts Neues hören die Bauern;

Und der Zigeuner muß ausdauern,

Darf nicht wechseln noch innehalten.

Also tanzen sie Stund auf Stunde

Immer zur alten beliebten Weise,

 

Bis die Zigeuner, müd zum Grunde,

Heimlich sich winken und – spielen leise.

Doch die Berauschten merken es nimmer,

Hören des Liedes Vollklang noch immer.

Leiser und leiser, bis zur Ersterbung

Hallt und verhallt die lustige Werbung;

Baß und Flöte, Zimbal und Geigen

Haben sich stille hinaus verloren,

Doch der Musik und des Weines Toren,

Hören sie immer noch, springen den Reigen;

Springen ihn, bis der Sonnenschein

Strahlend bricht durch die Fenster herein

Und der Wirt rings »Guten Tag!«

Wünscht mit kräftigem Schulterschlag. –

Weithin das lachende Märlein fliegt

Von den Toren, die immer noch sprangen,

Während schon längst, erschöpft und versiegt

Ihre Musik war heimgegangen.

Johannes Ziska

 

Bilder aus dem Hussitenkriege

 

1.

Ruhig ist der Wald bei Trocznow

In der abendlichen Stunde,

Alle Wipfel sind so stille,

Wie die Wurzeln tief im Grunde.

 

In Gedanken naht ein Reiter,

Um den Arm den Zaum geschlungen,

Schlendernd senkt den Kopf sein Rappe

In Gedankendämmerungen.

 

Plötzlich hält der Reiter inne,

Wie erwacht aus einem Traume,

Schreitet ab und zieht den Degen,

Spricht an einem Eichenbaume:

 

»Hier an dieser festen Eiche

Hat in einer Wetternacht,

Überrascht von scharfen Wehen,

Mutter mich zur Welt gebracht.

 

Nur der Wald vernahm ihr Kreißen,

Windsbraut war die Hebeamme,

Und sie goß dem Kinde segnend

Übers Haupt die Blitzesflamme.

 

Für Geschosse mich zu stärken

Und ein hartes Heldenlos,

Schlug der Hagel meiner Mutter

In den schmerzgesprengten Schoß.

 

Donner war mein erstes Hören,

Sturm mein erster Atemzug;

Als ein rauher Wettersäugling

Nehm ich meinen Heldenflug.

 

Huß! an dieser festen Eiche

Schwör ich Rache deinem Tod;

Huß! vom Blute deiner Schergen

Wird es bald auf Erden rot.

 

Huß! so reich aus ihren Adern

Soll das Blut zu Boden laufen,

Daß es hundertmal dir könnte

Löschen deinen Scheiterhaufen.

 

Huß! vom Brandschutt ihrer Burgen

Soll die Erde schwarz sich färben;

Wo ich einen Priester treffe,

Soll er fallen, soll er sterben.

 

Rotgebeizt von Raucheswolken

Soll des Himmels Aug sich trüben,

Weil sie durften solchen Frevel

Ihm ins Angesicht verüben.

 

Mir im Herzen brennt ein Funken,

Huß! von deinem Todesfeuer,

Unauslöschbar; wie der Frevel

Sei die Rache ungeheuer.

 

Mann des Lichtes, Mann der Freiheit,

Bester, den die Welt getragen,

Schnöd verraten, hingerichtet! –

Mordend will ich um dich klagen.

 

O wie still die Lüfte Böhmens

Horchen meinem Racheschwören,

Und die vaterländschen Blätter

Wollen mein Gelübde hören.

 

Leib und Seele will ich brauchen,

Schwert und Flammen und Geschoß,

Bis ich sterbe – hör es, Böhmen!

Stille! stampfe nicht, mein Roß!«

2.

 

Frühling, schönster Held auf Erden!

Wonniglich sind deine Kriege

Gegen starre Todesmächte,

Wie holdselig deine Siege!

 

Sieh, dort kommt ein Held, ein rauher,

Deinem Walde zugeritten,

Freudig tanzt der Staub zum Himmel

Über seines Rosses Tritten.

 

Heiße festlich ihn willkommen,

Lenz, in deinen grünen Hallen,

Laß ihm deine reinste Quelle

Huldigend zu Füßen fallen;

 

Sprenge Duft aus Blumenkelchen,

Rühre deine süßen Flöten

Und entzünde Freudenfackeln,

Pappeln an den Abendröten;

 

Bette Moos für seine Mannen,

Tränk und füttre seine Rosse;

Denn der Held, den du bewirtest,

Frühling, ist dein Stammgenosse. –

 

In die Buche holden Namen

Ritzte hier verliebtes Härmen,

Daß ihn Blütenhauche küssen

Und die Vöglein ihn umschwärmen;

 

Ziska will den Namen ›Freiheit‹,

Der sein Herz zu Taten schwellt,

Tief mit seinem Heldendegen

Schneiden in das Mark der Welt.

 

Seine Brautfahrt gilt der Freiheit,

Rache ist die starre Rüstung,

Die er trägt auf seinem Gange,

Seine Werbung heißt Verwüstung.

 

Ziska bringt als Morgengabe

Seinen Leichenschatz ihr dar,

Hussens Schatten sei der Priester,

Flammen bauen den Altar.

 

Frühling, sieh, von seinem Rappen

Hat der Wilde sich geschwungen,

Und er sucht ein kurzes Schlummern

In des Waldes Dämmerungen.

 

Seine Krieger rings am Boden

Haben sich um ihn gelagert,

Gierig weiden schon die Rosse,

Müd, vom Schlachtenritt gemagert.

 

Mahlzeit halten die Hussiten

Fröhlich in der Abendkühle,

Es versinken ihre Panzer

In des Mooses weiche Pfühle.

 

Vögel singen durch die Schatten,

Locken Schlummer auf die Wimpern,

Und melodisch säuselnd, rauschend,

Im Gezweig die Lüfte klimpern.

 

Ziskas Auge blicket schläfrig

Durchs Entspinnen eines Traumes

Nach dem abendroten Stamme

Dort des alten Eichenbaumes;

 

Zweifelnd mischen Aug und Seele

Ihren Blick in eins zusammen:

Ists die Sonne? ists ein Blutstrom?

Steht dort eine Burg in Flammen?

 

Und womit ihm Maienlüfte

Überstreuen Bart und Locken,

Weiß er nicht mehr im Entschlummern,

Ob es Blüten, Aschenflocken?

 

Mann und Roß hier, schlummernd, weidend,

Lenz, erquicke sie und stärke

Sie zur heißen Heldenarbeit,

Zu dem blutgen Frühlingswerke.

 

Lenz, wie dich und deine Wonnen

Stürme zur Nachtgleiche melden,

Hat dein Bruder Geistesfrühling

Sich vorausgesandt den Helden.

 

Ziska ist erwacht; es duften,

Klingen rings um ihn die Schatten,

Gleich als wollten sie des Helden

Zorn in weicher Lust bestatten;

 

Doch zum Aufbruch schon gerüstet,

Weckt er, stoßend in sein Horn,

Aus des holden Lenzes Armen

Seine Krieger, seinen Zorn.

3.

 

Wer zum heilgen Kampf berufen,

Ist glückselig dann zu preisen,

Wenn vor sich er seinen Feind hat,

Draufzuschlagen mit dem Eisen;

 

Wer nicht streitet nur mit Worten,

Die er zweifelnd muß vertrauen

Windeslaunen, Wetterlaunen;

Wer da weiß, wohin zu hauen.

 

Ziska, wildbeherzter Böhme!

Schwinge fröhlich Lanz und Keule!

Bürgen sind dir deines Wirkens

Ströme Bluts und Sterbgeheule. –

 

Wieder hat er, Tod vergeudend,

Einen Tag hindurch geschlagen,

Möchte in der Nacht und Kühle

Weiter fechten mit Behagen.

 

Vorwärts treibt er seine Scharen

Auf den nachtverhüllten Pfaden,

Um der Freiheit, seinem Liebchen,

Aufzuspielen Serenaden

 

Mit der Feldschlacht, seiner Orgel,

Die er weiß so stark zu greifen;

Pfaffenvolk und Fürstenknechte

Sind die gellen Orgelpfeifen.

 

Doch es dunkelt tiefer immer

Ein Gewitter in die Schlucht,

Nur zuweilen übers Tal weg

Setzt ein Blitz in wilder Flucht.

 

Hemmend lagert sich das Dunkel

Um die Wagenburg, die Rosse,

Die Geschirr' im Winde rasseln

Und die Bündel der Geschosse.

 

Ziska spricht: »O wie so flüchtig

Dieser schöne Blitz entfährt!

Könnt ich doch hier an die Tanne

Nageln ihn mit meinem Schwert!

 

Daß ich Gottes Welt befreie,

Zahle heim die Racheschuld,

Brüder, könnt euch doch das Feuer

Leuchten meiner Ungeduld!« –

 

Ha! ein Blitz, ein sonnenheller!

Herrlich strahlen aus der Nacht

Der Hussiten Schreckgestalten,

Ziskas Herz in Freude lacht.

 

Donner rollen, fern verhallend,

Aus des Himmels tiefster Brust,

Dem Gewitter lauscht der Feldherr,

Nachtgebannt, mit Neideslust:

 

»Könnt ich fliegen wie die Wolken,

Nachts in ungehemmter Eile!

Könnt ich auf verschanzte Sünder

Schießen meine Todeskeile!« –

 

Festgekoppelt stehn die Rosse,

Stampfend im Gewitterregen,

Manche Streiter, schlachtermüdet,

Schnarchen unter ihren Wägen;

 

Andre lagernd im Gebüsche

Singen Taboritenchöre;

Ziska harrt des Morgengrauens

Unter einer alten Föhre.

4.

 

In des Donners Klängen lauschet

Ziska der verwandten Seele,

Als ein Mann ihm naht behutsam,

Sprechend aus gedämpfter Kehle:

 

»Welche Wonne muß durchs große

Herz dem Donnergotte wallen,

Wenn er läßt die starke Stimme

Jauchzend durch die Lüfte schallen!

 

Welche Wonne in der Feldschlacht

Glüht durchs edle Heldenmark

Einem Mann wie du, o Ziska,

Der so haßt und ist so stark!

 

Aber süßre Wonne gibt es,

Als sie wird dem Helden kund,

Der, wie Wetter kalte Schloßen,

Leichen hagelt auf den Grund:

 

Süßre Wonne, Liebeswonne;

Hat dein Herz ihr nie geschlagen,

Als du einst am Königshofe

Lebtest in beglückten Tagen?

 

Königin Sophia sandte

Mich zu dir und deinem Grimme,

Daß ich in der Brust dir wecke

Eine holde Friedensstimme;

 

Königin Sophia sendet

Einen Gruß dir und die Kunde:

Isabella, die du liebtest,

Trauert sich um dich zugrunde.

 

Als ich scheidend stieg zu Rosse,

Sah ich noch die Edeldame

Senkend ihr gebleichtes Antlitz,

Still verzehrt von Liebesgrame.

 

Eilend spornt ich meinen Renner,

Denn die schönste Frau indessen

Welket rasch und unaufhaltsam,

Stirbt, wenn du sie hast vergessen.

 

Kehre heim, dir ist vergeben;

Laß des Glaubens wilde Streiter,

Nimm der Liebe sichern Himmel,

Denn dir winkt vielleicht kein zweiter.«

 

Also flüsternd sprach der Bote,

Scheu sich schmiegend an die Föhre;

Ihm entgegnet Ziska leise,

Daß es kein Hussite höre:

 

»O sie sterbe! als das reinste

Opfer sei sie hingegeben

Für die Freiheit, der ich opfre

Jede Freude, all mein Leben.

 

Isabella, Stern der Liebe,

Sinke! – meinem Pfade muß

Leuchten nur des Zornes Fackel; –

Bring ihr meinen letzten Gruß!

 

Doch nun raffe dich von hinnen,

Eile, Bote, und entweiche,

Weil du nanntest einen Namen,

Der dich schützt vor meinem Streiche!«

5.

 

Gerne sehn wir schöne Spiegel

Im Gemache schöner Frauen;

Möge froh ihr holdes Antlitz

Ihnen draus entgegenschauen!

 

Hat ja selbst Natur, die ernste,

Nichts so schön gemacht auf Erden,

Wie den Spiegel, drin sie anschaut

Ihre Züge und Gebärden.

 

Sie betrachtet durch des reinen

Menschenauges Zauberspiegel

Ihrer Züge schöne Rätsel,

Wie ein lächelnd Gottessiegel.

 

Rings hinaus in alle Weiten

Ist das Weltmeer hingegossen,

Doch ein Ozean der Tiefe

Ist das Auge, eng umschlossen.

 

Welten schwimmen auf den Fluten

Dieses Meers an uns heran,

In den ewgen Geist hinunter

Reicht der stille Ozean.

 

Lieben kann ich Ungeschautes,

Klang es hold mir; doch anbeten

Werd ich nur, was schön und göttlich

Vor das Auge mir getreten.

 

Schauen ist die höchste Wonne;

Wehe, wer das Licht verloren!

Jedes Glück ist seinem Dunkel

Wie ein Grüßen vor den Toren;

 

Jeder Schmerz wird doppelt heftig

In der Brust dem Blinden schlagen,

Weil die Mächte ihm des Lebens

Jeden stillen Trost versagen.

 

Weinen hört er die Entrückten,

Lachen hört er sie beklommen,

Doch der Wehmut stilles Lächeln

Und ihr Trost ist ihm genommen.

 

Tiefer stürzt der Schmerz beim Anruf

Gleich dem Hirsche, dem erschrocknen,

In die Wildnis; doch das stumme

Lächeln kann das Auge trocknen

 

Ziska hat gen Rabys Mauern

Seines Heeres Sturm gewendet,

Als ein Pfeil ihm auch das zweite

Auge trifft, er ist geblendet.

 

Tiefer wird er nun betrauern

Hussens Tod, des edlen Helden,

Heißer, wilder, schreckenvoller

Wird sein Zorn der Welt sich melden.

6.

 

Ragend steht der blinde Führer

Ziska dort auf seinem Wagen,

Mit der Donnerstimme herrschend,

Wie die heiße Schlacht zu schlagen.

 

Steht ein Hauptmann ihm zur Linken

Und ein andrer ihm zur Rechten,

Schildern ihm den Ort getreulich,

Wo es gilt, den Kampf zu fechten.

 

Lager, Zahl und Zug der Feinde

Melden sie, daß er befehle;

Alles schaut er klar im Strahle

Seiner lichten Feldherrnseele.

 

In den Tagen, eh der Pfeilschuß

Ihm geraubt das Augenlicht,

Blickt' er scharf dem Vaterlande

Ins geliebte Angesicht;

 

All die Wälder, Ström und Buchten,

Talgewind' und Bergesrücken

Eilt' er damals, dem Gedächtnis

Unauslöschlich einzudrücken.

 

Und der Genius der Rache

Weiß im Finstern zu erspähen

Jedes Grundstück, wo am besten

Feindesleichen hinzusäen.

 

Dunkelt auch um Ziskas Körper

Tiefe, schimmerlose Nacht,

Gängelt er doch mit dem Geiste

Leicht sein wildes Kind, die Schlacht.

 

Hüben lenkt die Nacht des Leibes,

Drüben Geistesnacht die Krieger;

Noch in keiner Schlacht bezwungen,

Bleibt auch heute Ziska Sieger.

 

Ha! wie lauscht dem Kampf der Blinde!

Er erkennt im Sturm der Luft

Jede Waffe an der Stimme,

Wie herbei den Tod sie ruft.

 

Wildharmonisch seinem Ohre

Rauscht das Ringen zweier Heere,

Waffen, Schlachtruf, Ziskas Leiblied,

Und im Hinsturz Mann und Mähre.

 

Freudig hört er, wie die Knechte

Sigismunds hinüberfahren,

All die sächsischen Geschwader

Samt den ungrischen Husaren.

 

Und dem wilden blinden Ziska

Geht im Heldenrausch der Ohren

Doch die klare Feldherrnruhe

Seines Geistes nie verloren.

7.

 

Durstig zieht die Karawane

Durch die Wüste, sucht die Quelle;

Horch! da rauscht auf grüner Matte

Die ersehnte, frische, helle!

 

Nach dem süßen Brunnenklange

Stürzen alle froh und eilig,

Doch sie sollen hier nicht trinken,

Denn es ist der Brunnen heilig.

 

Auserwählte Männer nahmen

Die Oase sich zu eigen,

Niemand sonst, wie heiß er schmachte,

Darf zum Quell die Lippen neigen.

 

Wächter stehen vor der Quelle

Reichen, gottvergoßnen Wonnen;

Doch der Wüstendurst ist mächtig,

Schwerter klirren um den Bronnen.

 

Und mit kampferhöhtem Durste

Stürzen an den Quell die Sieger,

Und sie trinken gierig, hastig,

Wie das Blut der heiße Tiger.

 

Mancher, schon vom Schwert getroffen,

Schlürft noch einen vollen Zug,

Um die Seele zu erfrischen

Auf den weiten Scheideflug.

 

Tigerhaft gereizten Durstes

Schmachten Ziskas Kampfgenossen

Nach dem Kelch des Abendmahles,

Den die Priester streng verschlossen.

 

Furchtbar rufen sie den Priestern:

»Habt ihr Christi Werk auf Erden,

Uns das Sakrament verstümmelt,

Sollt ihr selbst verstümmelt werden!«

 

Jauchzend schwingen sie die Kelche

Nach der Schlacht auf offner Wiese,

Mancher sterbend riecht im Weine

Blumen schon vom Paradiese.

 

Mit dem Blut des Liebevollsten

Will des Hasses Glut sich laben;

Drüben aber werden Tote

Von Verstümmelten begraben.

 

Wenn der lang und schwer Bedrückte

Freiheit sucht, so haßt der Wilde

Und zerbricht, wie andre Schranken,

Auch das eignen Herzens Milde.

8.

 

O wie ward der Tod ein andrer,

Als die Griechen ihn geschildert!

Aus dem milden Götterboten

Ist zum Schreckbild er verwildert.

 

Als ein Genius, der die Reise

Sterblichen verkünden soll,

Seine Hand zur Wange haltend

Stand der Tod gedankenvoll;

 

Oder zeigte, mildsymbolisch,

Daß die Erdenlust zu Ende,

Löschend die gestürzte Fackel,

Kreuzt' er drüber seine Hände.

 

Leise trat sein Fuß die Psyche;

Wie der Freund dem Freund ein Zeichen

Leise gibt, vom Festgelage

Ohne Störung fortzuschleichen.

 

Schlaf und Tod als Zwillingsbrüder

Standen oft auf einem Bilde;

Beiden, ach, so weit Verschiednen

Gleiche Bildung gab die Milde.

 

Zweifelhaft erschien der Genius,

Fragen sollte der Beschauer:

Ists der Schlaf und die Erholung?

Ists das Sterben und die Trauer?

 

Nur zuweilen ward gesondert,

Und das herbre Bildnis trug,

Daß der Blick den Tod erkenne,

Falter, Kranz und Aschenkrug.

 

Dort den Charos sieht der Grieche

Noch in späten, rauhern Zeiten

Mit der dunkeln Schar der Seinen

Über das Gebirge reiten;

 

Ihm voraus die Jungen wandern,

Alte kommen nachgeschlichen;

Und gereiht am Sattel sitzen

Zarte Kinder, frühverblichen. –

 

Heiter kam er noch als Fiedler,

Sein Gesinde trat den Reigen,

Und zu Lust und Tanz von hinnen

Rief sein Pfeifen, helles Geigen. – –

 

Thanatos, ach, ward ein Krieger,

Auf die Opfer Speere schwingend;

Ein Athlet, auf glattem Boden

Jeden Helden niederringend;

 

Thanatos, der edle Genius,

Ist zum Sensenmann verbauert,

Mäht den Menschen, einen Grashalm,

Der zur Erde niederschauert.

 

Fischer, mit dem leisen Köder,

Angelt er im Meer der Luft;

Legt uns Schlingen als ein Vogler,

Der mit falschen Stimmen ruft.

 

Nur noch feindlich naht der Wilde,

Drohend, ins Verderben lockend,

Auch dem Menschen wie ein Kobold,

Irrwisch auf dem Halse hockend.

 

Gräßlich naht uns mit der Sense,

Schreck- und Vorbild, das Gerippe;

Für ein mildes Lächeln hat es

Keine Wange, keine Lippe. –

 

So in wechselnden Gestalten

Macht der Tod die Erdenrunde;

Heute aber geht im Heere

Sigismunds die Schreckenskunde:

 

»Weil den Ziska, schlachtermüdet,

Leichter Schlummer überkommen,

Hat der Tod, ihn zu ersetzen,

Seine Rüstung umgenommen;

 

Denn unwiderstehlich jeden,

Der ihm naht im Schlachtgebraus,

Winkt der schwarze Helmbusch Ziskas

In die ewge Nacht hinaus.«

9.

 

Finster sitzt, abseit vom Heere,

Ein Hussit im Walde dort,

Einsam in des Baches Rauschen

Murmelt er sein Trauerwort.

 

Waschend in der Flut die Waffen,

Ruft er: »Heule, Bächlein, heule!

Ziska liegt im Zelte sterbend,

Schwingt nicht Lanze mehr, noch Keule!

 

Ziska liegt in seinem Zelte,

Sterbend liegt er auf dem Grunde;

Doch es ist kein Weibgeborner,

Der ihm schlug die Todeswunde.

 

Ha! wie kamen sie geritten,

Einen Kampf mit ihm zu wagen,

Hoch auf schwarzen, weißen Rossen;

Alle hat er sie erschlagen.

 

Ja, der Tod, der andre Männer

Niederschmettert und zerschellt,

Hat dem Ziska, dem Gewaltgen,

Feig und tückisch nachgestellt.

 

Heule, Bächlein, heult ihr Wälder,

Aller Welt den Schmerz zu melden,

Böhmen und der ganze Erdkreis

Sind verwaist des größten Helden.« –

 

Ziska tröstet die Betrübten,

Die an seinem Lager trauern:

»Brüder, heute werd ich sterben;

Doch die Taten werden dauern.

 

Denn es wird in späten Tagen

Unsern Leid- und Kampfgenossen

Stärkend aus Hussitengräbern

Trost und grüner Mut entsprossen.

 

Darum sollt ihr meinem Tode

Stark, nicht trüb und weich erscheinen;

Habt ihr nicht gelernt von Ziska,

Keinen Toten zu beweinen?

 

Seid gehorsam, wackre Brüder,

Meinem letzten Tagsbefehle:

Nehmt mein Sterben, nehmt mein Scheiden

Hin mit heitrer Kriegerseele.

 

Hochzeit ist in diesem Zelte,

Mit der Pest bin ich getraut;

Furchtbar war Johannes Ziska,

Furchtbar auch ist seine Braut.

 

Mit der Rache heißen Träumen

Hat kein Weib mein Bett geteilt,

Sie allein, von deren Kusse

Nimmer wird mein Herz geheilt.

 

Daß ein Teil von mir noch immer

In der Schlacht den Mut euch wecke,

Spannet lustig auf die Trommel

meines Leibes kalte Decke.

 

Ha! schon hör ich Schlachten brausen;

Fliehend geben sie die Sporen,

Da den Feinden mein Vermächtnis

Schrecken trommelt in die Ohren.«

 

Also sprach er, wieder sinkt er

In den Traum der Fieberhitze,

Tummelt mitten in der Feldschlacht

Seine Keul und Lanzenspitze.

 

Alle, die sein Arm getötet,

Tötet er im neuen Strauß,

Alle, die schon längst im Grabe,

Müssen noch einmal heraus.

 

Ja! heraus! heraus! Husaren!

Panzerdicke deutsche Reiter!

Ziska kolbt euch eure Tage

Kürzer und die Köpfe breiter.

 

Reichen Schnee zur Erde nieder

Ließ der Himmel Böhmens fallen,

Daß der Feinde Blut in grellem

Abstich möge drüber wallen.

 

Ziska bohrt die Lanzenspitze

Tief den Feinden ins Gedärme,

Daß vom Frost des harten Winters

Sich das Eisen gütlich wärme.

 

Der beglückte Wahn des Traumes

Gab ihm seine Augen wieder,

All die Pfaffen, Fürstenknechte

Schaut er klar und haut sie nieder.

 

Also träumt er, also kämpft er,

Bis die letzte Kraft geschwunden,

In der Schlacht ein Held verscheidend,

Unversehrt, unüberwunden.

Waldlieder

 

1.

Am Kirchhof dort bin ich gestanden,

Wo unten still das Rätsel modert

Und auf den Grabesrosen lodert;

Es blüht die Welt in Todesbanden.

 

Dort lächelt auf die Gräber nieder

Mit himmlisch duldender Gebärde

Vom Kreuz das höchste Bild der Erde;

Ein Vogel drauf, sang seine Lieder.

 

Doch kaum daß sie geklungen hatten,

Flog scheu zum Wald zurück der Wilde;

Ich sang, wie er, ein Lied dem Bilde

Und kehrte heim in meine Schatten.

 

Natur! will dir ans Herz mich legen!

Verzeih, daß ich dich konnte meiden,

Daß Heilung ich gesucht für Leiden,

Die du mir gabst zum herben Segen.

 

In deinen Waldesfinsternissen

Hab ich von mancher tiefen Ritze,

Durch die mir leuchten deine Blitze,

Den trüglichen Verband gerissen.

2.

 

Die Vögel fliehn geschwind

Zum Nest im Wetterhauche,

Doch schleudert sie der Wind

Weitab von ihrem Strauche.

 

Das Wild mit banger Hast

Ist ins Gebüsch verkrochen;

Manch grünend frischer Ast

Stürzt nieder, sturmgebrochen.

 

Das Heer der Wolken schweift

Mit roten Blitzesfahnen,

Aufspielend wirbelt, pfeift

Die Bande von Orkanen.

 

Das Bächlein, sonst so mild,

Ist außer sich geraten,

Springt auf an Bäumen wild,

Verwüstend in die Saaten.

 

Der Donner bricht herein,

Es kracht die Welt in Wettern,

Als wollt am Felsgestein

Der Himmel sich zerschmettern.

 

Der Regen braust; nun schwand

Das Tal in seiner Dichte;

Verpfählt hat er das Land

Vor meinem Augenlichte.

 

Doch mir im Herzensgrund

Ist Heiterkeit und Stille;

Mir wächst in solcher Stund

Und härtet sich der Wille.

3.

 

Durch den Hain mit bangem Stoße

Die Gewitterlüfte streichen;

Tropfen sinken, schwere, große,

Auf die Blätter dieser Eichen.

 

An ein banges Herzensklopfen

Mahnt mich dieser Bäume Schwanken,

Mahnt mich an Gewittertropfen,

Die aus lieben Augen sanken.

 

Muß ein großer Schmerz in Zähren

Sich entlasten unaufhaltsam,

Stürzen ihm die großen, schweren

Tropfen plötzlich und gewaltsam.

 

War die Träne noch zu fassen,

Kam sie nicht hervorgebrochen,

Denn der Schmerz will sie nicht lassen,

Will sie heißer, herber kochen.

 

O! es waren heiße, herbe,

Die aus ihren Augen quollen;

Und ich werde, bis ich sterbe,

Sehen diese Tränen rollen.

4.

 

Bist fremd du eingedrungen,

So fürcht Erinnerungen,

Sie stürzen auf Waldwegen

Wie Räuber dir entgegen.

 

Willst du im Walde weilen,

Um deine Brust zu heilen,

So muß dein Herz verstehen

Die Stimmen, die dort wehen.

 

In froher Kinder Kreise

Verjüngen sich die Greise,

Und Grambeladne werden

Noch einmal froh auf Erden.

 

Verjüngender doch wirken

In heimlichen Bezirken,

Im Schoß der Waldesnächte

Natur und ihre Mächte.

 

Hier quillt die träumerische,

Urjugendliche Frische,

In ahndungsvoller Hülle

Die ganze Lebensfülle.

 

Es rauschet wie ein Träumen

Von Liedern in den Bäumen,

Und mit den Wellen ziehen

Verhüllte Melodien.

 

Im Herzen wird es helle,

Und heim zum ewgen Quelle

Der Jugend darfst du sinken,

Dich frisch und selig trinken.

 

Sehnsüchtig zieht entgegen

Natur auf allen Wegen,

Als schöne Braut im Schleier,

Dem Geiste, ihrem Freier.

 

Tautropfen auf den Spitzen

Der dunklen Halme blitzen

Wie helle Liebeszähren,

Ein süß nach Ihm Begehren.

 

Sie schweigt in Sehnsucht lauschend,

Dann plötzlich, freudig rauchend,

Scheint selig sie zu spüren,

Daß er sie heim wird führen.

 

All ihre Pulse beben,

In ihm, in ihm zu leben,

Von ihm dahinzusinken,

Den Todeskuß zu trinken.

 

So lauscht und rauscht die Seele,

Daß Gott sich ihr vermähle,

Fühlt schon den Odem wehen,

In dem sie wird vergehen.

5.

 

Wie Merlin

Möcht ich durch die Wälder ziehn;

Was die Stürme wehen,

Was die Donner rollen

Und die Blitze wollen,

Was die Bäume sprechen,

Wenn sie brechen,

Möcht ich wie Merlin verstehen.

 

Voll Gewitterlust

Wirft im Sturme hin

Sein Gewand Merlin,

Daß die Lüfte kühlen,

Blitze ihm bespülen

Seine nackte Brust.

 

Wurzelfäden streckt

Eiche in den Grund,

Unten saugt versteckt

Tausendfach ihr Mund

Leben aus geheimen Quellen,

Die den Stamm gen Himmel schwellen.

 

Flattern läßt sein Haar Merlin

In der Sturmnacht her und hin,

Und es sprühn die feurig falben

Blitze, ihm das Haupt zu salben;

Die Natur, die offenbare,

Traulich sich mit ihm verschwisternd,

Tränkt sein Herz, wenn Blitze knisternd

Küssen seine schwarzen Haare. – –

 

Das Gewitter ist vollbracht,

Stille ward die Nacht;

Heiter in die tiefsten Gründe

Ist der Himmel nach dem Streite;

Wer die Waldesruh verstünde

Wie Merlin, der Eingeweihte!

 

Frühlingsnacht! kein Lüftchen weht,

Nicht die schwanksten Halme nicken,

Jedes Blatt, von Mondesblicken

Wie bezaubert, stille steht.

 

Still die Götter zu beschleichen

Und die ewigen Gesetze,

In den Schatten hoher Eichen

Wacht der Zaubrer, einsam sinnend,

Zwischen ihre Zweige spinnend

Heimliche Gedankennetze.

 

Stimmen, die den andern schweigen,

Jenseits ihrer Hörbarkeiten,

Hört Merlin vorübergleiten,

Alles rauscht im vollen Reigen

Denn die Königin der Elfen

Oder eine kluge Norn

Hält, dem Sinne nachzuhelfen,

Ihm ans Ohr ein Zauberhorn.

Rieseln hört er, springend schäumen

Lebensfluten in den Bäumen;

Vögel schlummern auf den Ästen

Nach des Tages Liebesfesten,

Doch ihr Schlaf ist auch beglückt;

Lauschend hört Merlin entzückt

Unter ihrem Brustgefieder

Träumen ihre künftgen Lieder.

Klingend strömt des Mondes Licht

Auf die Eich und Hagerose,

Und im Kelch der feinsten Moose

Tönt das ewige Gedicht.

6.

 

Der Nachtwind hat in den Bäumen

Sein Rauschen eingestellt,

Die Vögel sitzen und träumen

Am Aste traut gesellt.

 

Die ferne schmächtige Quelle,

Weil alles andre ruht,

Läßt hörbar nun Welle auf Welle

Hinflüstern ihre Flut.

 

Und wenn die Nähe verklungen,

Dann kommen an die Reih

Die leisen Erinnerungen

Und weinen fern vorbei.

 

Daß alles vorübersterbe,

Ist alt und allbekannt;

Doch diese Wehmut, die herbe,

Hat niemand noch gebannt.

7.

 

Schläfrig hangen die sonnenmüden Blätter,

Alles schweigt im Walde, nur eine Biene

Summt dort an der Blüte mit mattem Eifer;

Sie auch ließ vom sommerlichen Getöne,

Eingeschlafen vielleicht im Schoß der Blume.

Hier, noch Frühlings, rauschte die muntre Quelle;

Still versiegend ist in die Luft zergangen

All ihr frisches Geplauder, helles Schimmern.

Traurig kahlt die Stätte, wo einst ein Quell floß;

Horchen muß ich noch dem gewohnten Rauschen,

Ich vermisse den Bach, wie liebe Grüße,

Die sonst fernher kamen, nun ausgeblieben.

Alles still, einschläfernd, des dichten Mooses

Sanft nachgiebige Schwellung ist so ruhlich;

Möge hier mich holder Schlummer beschleichen,

Mir die Schlüssel zu meinen Schätzen stehlen

Und die Waffen entwenden meines Zornes,

Daß die Seele, rings nach außen vergessend,

Sich in ihre Tiefen hinein erinnre.

Preisen will ich den Schlummer, bis er leise

Naht in diesem Dunkel und mir das Aug schließt.

Schlaf, du kindlicher Gott, du Gott der Kindheit!

Du Verjünger der Welt, die, dein entbehrend,

Rasch in wenig Stunden wäre gealtert.

Wundertätiger Freund, Erlöser des Herzens!

Rings umstellt und bewacht am hellen Tage

Ist das Herz in der Brust und unzugänglich

Für die leiseren Genien des Lebens,

Denn ihm wandeln voran auf allen Wegen

Die Gedanken, bewaffnet, als Liktoren,

Schreckend und verscheuchend lieblichen Zauber.

Aber in der Stille der Nacht, des Schlummers,

Wacht die Seele heimlich und lauscht wie Hero,

Bis verborgen ihr Gott ihr naht, herüber

Schwimmend durch das wallende Meer der Träume.

 

Eine Flöte klang mir im Schlaf zuweilen,

Wie ein Gesang der Urwelt, Sehnsucht weckend,

Daß ich süß erschüttert erwacht' in Tränen

Und noch lange hörte den Ruf der Heimat;

Bliebe davon ein Hauch in meinen Liedern!

 

Schlaf, melodischer Freund, woher die Flöte?

Ist sie ein Ast des Walds, durchhaucht vom Gotte,

Hört ich im Traum des heiligen Pan Syringe?

8.

 

Abend ists, die Wipfel wallen,

Zitternd schon im Purpurscheine,

Hier im lenzergriffnen Haine

Hör ich noch die Liebe schallen.

 

Kosend schlüpfen durch die Äste

Muntre Vöglein, andre singen,

Rings des Frühlings Schwüre klingen,

Daß die Liebe ist das beste.

 

Wo die frischen Wellen fließen,

Trinken Vöglein aus der Quelle,

Keins will unerquickt zur Stelle

Seinen Tagesflug beschließen.

 

Wie ins dunkle Dickicht schweben

Vöglein nach dem Frühlingstage,

Süß befriedigt, ohne Klage,

Möcht ich scheiden aus dem Leben;

 

Einmal nur, bevor mirs nachtet,

An den Quell der Liebe sinken,

Einmal nur die Wonne trinken,

Der die Seele zugeschmachtet,

 

Wie vor Nacht zur Flut sich neigen

Dort des Waldes durstge Sänger;

Gern dann schlaf ich, tiefer, länger,

Als die Vöglein in den Zweigen.

9.

 

Rings ein Verstummen, ein Entfärben;

Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,

Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;

Ich liebe dieses milde Sterben.

 

Von hinnen geht die stille Reise,

Die Zeit der Liebe ist verklungen,

Die Vögel haben ausgesungen,

Und dürre Blätter sinken leise.

 

Die Vögel zogen nach dem Süden

Aus dem Verfall des Laubes tauchen

Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,

Die Blätter fallen stets, die müden.

 

In dieses Waldes leisem Rauschen

Ist mir, als hör ich Kunde wehen,

Daß alles Sterben und Vergehen

Nur heimlichstill vergnügtes Tauschen.

 

 

Sechstes Buch

Nachlaß und Nachlese

 

 

Erste Gedichte

 

Glückwunsch

welchen Nickolaus Nimbsch. Seiner Schätzbarsten Mutter zu dem Neuen Jahre Gewidmet hat Anno 1814.

 

Itzt näherte sich uns das neue Jahr,

In welchen ich meinen Dank bring dar,

Vor all Ihre Wohltaten, O geliebten

Eltern, an mir den vorigen ausgeübten.

Ich Wünsche Ihnen Glück und langes Leben

Und bitte Gott damit er dießes möchte geben

Ich empfele mich der Mütterlichen Huld in der Noth,

Und bleib Ihr gehorsamster Sohn bis in Todt.

In einer Sommernacht gesungen

 

Sei mir gegrüßet, o Nacht, du Freundin stiller Betrachtung!

Sei der erwachten Natur erhabnem Genusse geheiligt!

Hoch auf luftigen Pfaden im weiten Himmelsgefilde

Wandelt der Mond und bescheinet die Flur, die vom Walde begrenzt wird,

Der mich schweigend empfängt, und hebet die nächtliche Feier.

Tiefe Stille ringsum – nur einsame Laute vernehm ich,

Die wie Töne des Traums dem schlummernden Walde entschweben,

Und mit rührender Macht, als wären es Sprecher des Himmels,

In die Seele mir dringen und wecken die schlummernde Gottheit.

Nacht! du enthebest das Herz der Macht betörender Lüste,

Und mit Zaubergewalt entstreifst du dem Auge die Binde,

Von der Leidenschaft um ihren Vasallen geschlungen.

Einem entheiligten Tempel gleichet die sündige Seele,

Der den Götzen geweiht, gefüllet mit Bildern des Wahns ist;

Doch dein Ernst, o Nacht! erreget des weiseren Lebens

Kräftigen Keim, das Denken ans letzte Verstummen des Menschen;

Denn vom bewegten Gemüt wird jede Erscheinung gedeutet.

Plötzlich birgt nun der Mond sich hinter die schleierne Wolke,

Dämmerungslicht verbreitend über die waldige Gegend,

Gleich dem Lichte Vernunft; auch dies wird vom Schleier gedunkelt,

Der den himmlischen Gast der irdischen Hülle verwahret.

Weiter verfolg ich den Weg, den gefallene Blüten bedecken.

Lange nicht währet die Blüte, es sinkt das schöne Gebilde,

Wenns den ätherischen Duft in die wogenden Lüft verhaucht hat.

Wie die Blüte des Baums muß sinken die Blüte der Schöpfung,

Sinken der Mensch; – doch gleicht er in allem der Blüte, und wird die

Menschliche Seele dereinst der Blüte verwehetem Hauch gleich?

Oder lebet sie fort und lebt, ohne je zu vergehen,

Immer sich weitend und inniger immer die Gottheit erfassend?

Seligster aller Gedanken! vielleicht gedacht auch vom Ewgen

Und gewecket in mir durch seinen empfindbaren Abdruck,

Durch die Natur! Doch jetzt hemmt liebliche Störung den Fortgang

Meiner Betrachtung, es ist das schmelzende Lied Philomelens.

Der begeisterte Vogel feiert nun jubelnd sein Dasein.

Wie mich der Strom melodischer Töne süß zwingend dahinreißt,

Wiegend die horchende Seel im Wechselschwunge des Wohlklangs.

Heil dir, herrlicher Sänger! als Schöpfungsgenosse verwandt mir,

Wie ein jegliches Wesen der großen Verbrüderung Mitglied!

(Schöne Ansicht der Dinge, sie knüpfet mit liebendem Bande

Uns an die Welt und ist die Mutter beständiger Freuden.)

An Mathilde

 

Schon verrauscht der Tag, und des Abends sanftere Seele

Fließt wie süße Musik sänftigend uns in die Brust.

Horch, Mathilde, wie leise der West durch Blüten dahinscherzt,

Leiser noch weht sein Hauch, kost er um deine Gestalt.

Sieh die Biene, sie wandelt von Blume zu Blume geschäftig,

Süße Bereicherung lockt weiter die summende stets;

Also wandelt die Seele dereinst von Blume zu Blume,

Welche zum strahlenden Kranz sich der Unendliche wand:

Also wandelt sie einst von Welten weiter zu Welten,

Näher dem liebenden Gott, liebender, göttlicher stets.

Aber die Wechselgestalten des Lebens, sie teilen nicht alle

Gleich der Unsterblichkeit Los, wenn uns der Ewige winkt;

Nur das Schönste des Lebens, worin der Himmel uns kund wird,

Nimmt die Seele mit fort, schwingt sie den Sternen sich zu.

Doch die trüben Gestalten verhüllt Nacht, ewige Nacht dann.

Heil der Stunde, die selbst dann noch uns wonnig umstrahlt!

O Mathilde, dein Auge voll himmlischer, tiefer Bedeutung,

Blickt mir ins Auge so ernst, und so entzückend zugleich,

Daß die Seele mir bebt, o Geliebte! ahnet dir etwa,

Daß auch diesen Moment hüllen nicht werde die Nacht?

Rezept

 

Rp. Von diesem romantischen Unsinn alle Stund 2 Eßlöffel voll

 

Gleichwie des Frühlings Sonnenblick

Den Busen der Natur durchglüht,

Dem neues Leben nun entblüht,

So traf auch mich dein Engelblick.

Er krönet all die stillen Stunden,

In denen ich dem Ideal gelebt;

Denn nun hat sich das Zauberbild gefunden,

Dem Wesen selbst die Brust entgegenbebt.

 

Wenn mich des Waldes düstre Nacht umschlingt,

Wo Zephir seufzend durch Gebüsche schleicht,

Wo sich die Seel ins Land der Träume schwingt

Und kaltes Denken der Empfindung weicht:

Da schwebt dein Bild vor meinen trunknen Blicken,

Und ich verliere mich in himmlisches Entzücken.

Erinnerung

 

Selige Stunde! Da mir meine Bertha

Mächtig ergriffen von der Liebe Sehnen

An den bewegten, ihr allein geweihten

Busen gesunken.

 

Nächtliche Stille lag auf Flur und Hain, es

Ruhten die Weste, um die leisen Seufzer

Nicht zu verwehn, dem Pochen unsrer Herzen

Lauschten die Sterne

 

Glühende Küsse bebten durch die Seele,

Innig umschlungen hielt ich dich, Geliebte!

Göttliche Bertha! Zierde meines Lebens!

Selige Stunde!

Das Rosenmädchen

 

1.

Ein Mädchen zart und engelrein

Erzog mit liebenden Sorgen

Sich Rosen, doch nur sich allein,

Denn tief im Haine verborgen,

Wo in der Quelle rauschenden Fall

Sich mengen die Lieder der Nachtigall,

Lag sanft erhöht

Das Rosenbeet.

 

2.

Da stand das Mädchen unschuldsvoll

Und schaut' mit Wonne die Blüten;

Und höher ihr der Busen schwoll,

Die Augen heller ihr glühten.

So sah ich das liebliche Mädchen dort,

Doch ewig blühen die Rosen nicht fort.

Des Mädchens Freud

Währt' kurze Zeit.

 

3.

Und als die Rosen nicht mehr blühn

Und nimmer flötet die Nachtigall,

War auch des Mädchens Lust dahin –

Sie stand am murmelnden Wasserfall,

Sie stand – von säuselnden Lüften umweht,

Und dachte mit Wehmut: daß alles vergeht,

Das Auge naß,

Die Wange blaß.

 

4.

Da naht ich freundlich ihr und sprach:

»Die Rose sinket wohl nieder,

Doch weine nicht der welken nach,

Es kehrt der Frühling ja wieder;

Und wie im Frühling das Leben erwacht,

So folgt auf des Grames düstere Nacht

Mit Sonnenblick

Das beßre Glück.«

Trias Harmonica

 

Drei Seelen hab ich offenbar,

Denn eine kann drei Dinge nicht

Zugleich vollbringen, wie sogar

Der weise Psychologe spricht.

 

Die eine hängt voll Liebesglut

An schönen Munds Korallenrand;

Die andre schwimmt auf Weinesflut

Hinüber an den Götterstrand;

 

Die dritt in freudigem Tumult

Braust ihre Dithyramben laut

Und schleudert ihren Katapult

Ans kalte Herz, metallverbaut.

 

So gehts, bis an den Bettelstab

Sie ihren Wirt, den Leib, gezehrt;

Bis jubilierend dann hinab

Die tolle Drei zur Hölle fährt.

Abendbild

 

Schon zerfließt das ferne Gebirg mit Wolken

In ein Meer; den Wogen entsteigt der Mond, er

Grüßt die Flur, entgegen ihm grüßt das schönste

Lied Philomelens.

 

Aus dem Blütenstrauche, der um das Plätzchen

Zarter Liebe heimlichend sich verschlinget:

Mirzi horcht am Busen des Jünglings ihrem

Zaubergeflöte.

 

Dort am Hügel weiden die Schafe beider

Traulichen Gemenges in einer Herde,

Ihre Glöcklein stimmen so lieblich ein zu

Frohen Akkorden.

Das Ideal

 

Tief in des Waldes heiligen Schatten saß

Ich, und der Stimme, welche zu edleren

Gedanken lädt im Laubgesäusel,

Horchte die Seele mit leisrem Ohre.

 

Und es ergriff mich schnell die Begeistrung,

Riß mich fort, – der Busen stürmete lauter mir,

Und weiter riß michs fort, als wollt es

Mich in der Welten Umarmung stürzen.

 

Schon hört ich nimmer säuseln das Eichenlaub,

Weit wich zurück die Erde mit meinem Grab;

Und jenseits war ich der Verwesung,

In dem Gefilde der Ideale.

 

Da schwebt' ein Mädchen lächelnd entgegen mir;

Wie aus gelüpftem Schleier der Abendwolk

Der Mond, so strahlte stille Tugend

Ihr aus dem himmlischen Angesichte. –

 

Donnergeroll jetzt zankte zurück mich, und

Ein kalter Tropfen fiel auf die glühende Stirn:

Da war mein Ideal dahin, – es

Strömte Regen herab vom Himmel.

 

O schönes Bild! oft sucht ich im Leben dich;

Doch hing die Seele sehnend nach dir hin, ach,

So flohst du mich, und meine Tränen

Netzten das flatternde Lockenhaar dir!

An einen Tyrannen

 

Tyrann! des Blutes, welches in Schlachten du

Vergossen kalt, das rauchte vom Henkerbeil,

Das, deinen Qualen zu entrinnen,

Strömte dein Sklave mit eigner Hand hin:

 

Des Blutes soll ein jeglicher Tropfen einst

Vor deinem Aug in streifender Ewigkeit

Aufschäumen, schwellen zum Vulkane,

Der von den Seligen streng dich scheidet!

 

Erwacht dann Sehnsucht heiß in der Seele dir

Hinüber in die Täler Elysiums,

Willst überklimmen du die Höhn, dann

Schleudern sie dich in die Tiefe donnernd!

 

Entgegen gleiße deinem entsetzten Blick

Ein Schneegebirg von Menschengebeinen, hoch;

Darüber bleich und unbeweglich

Starre des Mondes bekümmert Antlitz.

 

Dann stocke, schweige jenes Gebirg des Bluts,

Herüberklinge deinem verlaßnen Ohr

Das Wonnelied der Auserwählten,

Säuselnd, unendliche Sehnsucht weckend.

 

Doch plötzlich störe Kettengerassel dich,

Und Sterbgewinsel, das durch die Lüfte klagt,

Und heulend rolle dir die Windsbraut

Schädellawinen vor deine Füße!

König und Dichter

 

Stolz flammt ein König dort auf erhabnem Thron,

Befehl den Völkern winkt in die Fernen er,

Denn scheu vor ihm zurück stets weiter

Weichen die Grenzen des Reichs, und weiter.

 

Zum nahen Flug jetzt lüftet der schnelle Tod

Den Fittig, und – was flammte, das glimmt nur mehr:

Er rauscht heran – sein starker Flügel

Fächelt vom Throne herab die Asche. –

 

Dort singt ein Sänger hohe Begeisterung:

Die Welle horcht, Wald, Täler und Berge, selbst

Die Götter horchen, seliger, und

Sehnen vom hohen Olymp herab sich. –

 

Du winkst, o Tod; – er schweigt: der erstarrten Hand

Entsinkt die Leier; doch im Triumphe führt

Die Ewigkeit sein Lied davon, das

Zürnend die Stärkere dir entrissen.

An Seneca

 

Durchs enge Tal nachts irret ein Wanderer;

Dumpf braust der Waldstrom, drängt an die Klippenwand

Den Pfad, der mühsam durch Gesträuch und

Bodentragende Wurzeln fortkriecht.

 

Der laute Sturmwind kämpft mit dem Föhrenwald;

Der Felsensohn trotzt seiner Gewalt: nun stürzt

Zornschnaubend sich der Rückgeworfne

In das Gefummel des Wogenkampfes.

 

Erstorben sind am Himmel die Lichter rings,

Der Sturm entfacht auf seltne Momente nur

Der Asche des Gewölkes einen

Funken, der spärlich herunterdämmert.

 

Die Nacht ist wild, mit wachsender Macht empört

Sturm sich und Strom! der Wanderer bebt, und weilt,

Und zaget vorwärts, zu verschlingen

Droht ihn der schwellenden Wogen Andrang.

 

Wie sehnt ins Heimatland sich die Seele dir!

Wie sucht dein Aug, o Wandrer, den lieben Mond!

Er bricht hervor dort und beleuchtet

Freundlich dir, eile! des Tales Ausgang!

 

So leuchte mir, wenn Stürme den Lebenspfad

Begraben einst in finstere Nacht, dein Strahl,

O Seneca, geleite freundlich

Mich ins elysische Feld hinüber!

Bettlers Klage

 

Bin einsam, schwach und alt,

Mich hüllen Lumpen ein,

Wie bläst der Wind so kalt,

Geht mir durch Mark und Bein.

 

Ich bettle vor der Tür,

Und hab ich lang gefleht,

So tönt es oft herfür:

»In Gottes Namen geht!«

 

Da fährt durchs hohe Tor

Ein Herr, – der Rosse Huf

Verstampfet seinem Ohr

Des Bettelmannes Ruf.

 

Die Dame wendt den Blick

Voll Ekel von mir; ach,

Mein schreckliches Geschick

Fühl ich dann siebenfach!

In der Nacht

 

Alles schläft, und übers Gefild der Ruhe

Wandelt leisen Schrittes dahin des Lebens

Genius; sanft schimmert vom Weltendom die

Lampe des Mondes.

 

Sieh! den ernsten Zügen des Gotts entringet

Holdes Lächeln sich, denn er sieht die Lieben

In des Schlafes süßer Umarmung ihrer

Qualen vergessen.

 

Hüll in deine Schatten mich tief, geliebte

Linde, daß die kummergebleichte Wange

Und die bange Träne sein holdes Lächeln

Nimmer verscheuche!

 

Ach, schon dreimal sank dir die Blut, o Linde,

Seit der Stunde, wo das Gespräch der Freunde

Von Unsterblichkeit du behorchtest, und ein

Sanftes Gesäusel

 

Durch dem mondversilbertes Laub uns Hoffnung

In die Seele goß, daß wir einst uns wieder

Finden; – dreimal welkte der Halm am Grabe

Meines Geliebten!

Bruchstück einer Ode

 

Der Stadt Getös ward banges Gemurmel, und

Es schlagen mattern Schlages die Pulse nun

Des vielgeschäftgen Lebens, – schrecklich

Hallt noch im Ohre das Donnerwort ihr. –

 

Klagt, Glocken, klagt! Der Herrliche sank! mit ihm

Das große Werk des Brüdervereins der streng

Geschiedenen Völker! – Hülle tiefer,

Tiefer, o Seele, dich ein in Wehmut!

Der geldgierige Pfaffe

 

Der Pfaffe weiß mit Dampf, Gesang und Glocken,

Mit Mummerei, Gebärd und schlauem Segen

Den Pöbel zum Guckkasten hinzulocken,

Worin sich Höll und Himmel bunt bewegen.

Derweil, entzückt, der Pöbel, und erschrocken,

Ans Wunderloch nun tut das Auge legen,

Umschleichet ihn der Pfaffe, aus den Taschen

Die schweißgetränkten Kreuzer ihm zu haschen.

Das Veilchen und der Schmetterling

 

Ein Veilchen stand

An Baches Rand,

Und sandte ungesehen

Bei sanftem Frühlingswehen

Süßen Duft

Durch die Luft.

Da kommt auf schwankendem Flügel

Ein Schmetterling über den Hügel

Und senket zur kurzen Rast

Zum Veilchen sich nieder als Gast.

 

Schmetterling

 

Ei! Veilchen! wie du töricht bist,

Zu blühn, wo niemand dein genießt!

 

Veilchen

 

Nicht ungenossen blüh ich hier,

Ein Schäfer kommt gar oft zu mir

Und atmet meinen Duft und spricht:

»Ein solches Blümchen fand ich nicht,

Wie Veilchen du! auf Wiesen, Auen

Ist keines mehr wie du zu schauen!«

 

Schmetterling

 

's ist schöner doch, glaub meinem Wort

Zu blühn auf freier Wiese dort,

In jener bunten Blumenwelt, Als hier im dunklen Schattenzelt!

 

Veilchen

 

Hier bin ich meines Schäfers Wonne,

Dort aber bleichet mich die Sonne,

Und ohne Farbe, ohne Duft,

Find ich zu früh dort meine Gruft.

Drum blüh ich in der Einsamkeit,

Wenn auch nur Einer mein sich freut.

Die Mutter am Grabe ihres Kindes

 

Husch! husch! wie braust der kalte Wind

Über beschneite Gräber her!

Unter dem Schnee da liegt mein Kind,

In meinen Armen nicht mehr!

 

Wie seufzt das Totenkreuz so bang

Vom Sturm geschüttelt hin und her!

Ach! als die Totenglocke klang,

Wie ward der Mutter so schwer!

 

O weh! nun liegt mein armes Kind

In der Erde tief verscharrt!

Über dem Grabe weht der Wind,

Die Träne zu Eis mir erstarrt!

 

Der Wangen schöne Röselein

Zerknickte der grause Tod so bald!

Und die holden Äugelein

Sind geschlossen und kalt!

 

O weh! nun liegt mein armes Kind

In der Erde tief verscharrt!

Über dem Grabe weht der Wind,

Die Träne zu Eis mir erstarrt!

Dahin!

 

Einst, o nächtlicher Himmel! blickt ich

Selig empor zu dir, umschlungen

Von der Geliebten, und ich weinte

Dank dem ewigen Gott!

 

Und sie pflückte mit Küssen mir die

Blüte der Wonne von der Wang, und

Mächtiger zog ich die Geliebte

An die klopfende Brust.

 

Doch nun sind sie dahin! die Stunden

Seliger Lust; und ach! nun weht der

Brausende Sturm die heiße Träne

Banger Wehmut dahin!

Erinnerung

 

Erinnrungsvoller Baum, du stehst in Trauer;

Dein Laub ist welk, mein Leben ist es auch.

Mein Herz durchziehen bange Wehmutschauer,

Wie dein Gezweig des Herbstes kühler Hauch.

 

Hier saßen wir in abendlicher Stille,

Sanft bebte über uns dein flüsternd Grün,

Auf jenen Höhn, die nun in Nebelhülle,

Verweilte noch der Sonne letztes Glühn.

 

Wie selig hielt das Mädchen ich umfangen

Und horchte ihrem leisen Liebesschwur;

Und holder lachten uns die Blütenwangen

Der auferwachten göttlichen Natur.

 

Doch hatte kaum der Lenz die sanfte Seele

Verhaucht und seine Blüten hingestreut,

Kaum war verhaucht im Hain die süße Kehle:

War auch dahin der Liebe Seligkeit.

 

O traure, Herz, vorüber sind die Tage,

Da liebend dir ein Herz entgegenschlug,

Die andern schleichen hin in stiller Klage,

Der toten Liebe finstrer Leichenzug.

An die Hoffnung

 

Hoffnung! laß allein mich wallen,

Gaukle nicht um meine Bahn!

Deine Sterne sind gefallen,

Und mich täuscht kein holder Wahn!

 

Dieser streckt nach einer Krone

Seine Hand verwegen aus;

Doch ihn stoßt der Tod mit Hohne

In sein enges, kühles Haus.

 

Und ein andrer hat errungen,

Was der erste nur gewollt;

Hat die höchste Höh erschwungen:

Throne wanken, wenn er grollt.

 

Hoffnung! o warum entzündest

Du sein Herz zum stolzen Plan,

Da du schmeichelnd ihm verkündest

Einen Weltteil untertan?!

 

Über Völkern klirrt die Kette,

Da sein Schritt nach Osten stürmt;

Bang ruft eins dem andern: rette!

Von der Schreckensmacht umtürmt.

 

Nun ergreift ihn sein Verhängnis,

Reißt ihm Krön und Purpur ab,

Schleudert ihn ins Meergefängnis;

Bald verschlingt ihn dort sein Grab. –

 

In der Nächte stiller Feier

Hebt der heiligen Natur

Kühn ein Forscher ihre Schleier

Und verfolget Gottes Spur.

 

Denn du lassest schön erglänzen

Ihm ein Mal der Ewigkeit,

Enkel seine Gruft bekränzen; –

Und ihn lohnt – Vergessenheit!

 

Nach der Liebe treuem Glücke,

Das er nirgends finden soll,

Kehrt ein andrer seine Blicke,

Dir vertrauend, sehnsuchtsvoll.

 

Ach, sie liebt ihn, der Entglühte

Hält sie wonnevoll umstrickt;

Doch der Liebe zarte Blüte

Wird im Rausche bald zerknickt! –

 

All dein Wort ist Windesfächeln;

Hoffnung! dann nur trau ich dir,

Weisest du mit Trosteslächeln

Mir des Todes Nachtrevier!

Bei Gelegenheit einer ländlichen Unterhaltung in Bordacs

 

Die Göttin des Glücks

 

Was rauscht durch diese Pappeln? – horchet, Brüder!

Als naht' ein Genius aus Himmelshöhn

Und senkte sich auf ihre Wipfel nieder,

So rauscht es durch den Hain mit leisem Wehn.

 

Welch Schimmer! ha! mich faßt ein süßes Bangen!

Ein Mädchen seh ich dort am Schattenrand

Mit güldnem Fittig, rosenroten Wangen,

Ihr Antlitz ist uns lächelnd zugewandt.

 

Die Göttin ists des Glücks! o Brüder, eilet

Und rafft ihn auf, den frohen Augenblick,

Solange noch ihr rascher Flügel weilet;

Denn der verlorne kehret nicht zurück!

 

Es kommt ein Tag, die frohe Lust verklinget,

Es zieht die Göttin fort im schnellen Flug;

Und diese Hand, die jetzt den Becher schwinget,

Hält bebend den betränten Aschenkrug.

 

Drum soll, solang das Mädchen dort uns lächelt

Und manches andre noch, solang der Wein

Noch schmeckt, die Wange Frühlingsluft umfächelt,

Der eitle Gram von uns geächtet sein!

 

Das Glas gefüllt! Es lebe hoch die Freude

In Euren Herzen! und die Priesterin

Der Freude lebe hoch! die hier uns heute

An ihren Altar rief mit frommem Sinn!

 

Was Ihr auf Erden Liebes habt, es lebe!

Die Maid, die Euch mit Küssen labt, sie lebe!

Der Freund, der mit Euch lacht und weint, er lebe!

Der Tag, der wieder uns vereint, er lebe!!!

Die bezaubernde Stelle

 

Liebende, die weinend mußten scheiden, –

Wenn nach heißer Sehnsucht langen Leiden

Sie ans Herz sich endlich dürften pressen,

Würden sich zu küssen hier vergessen.

Abschied von Galizien

 

Nach dem Polnischen des N. Boloz von Antonievicz

 

Lebt wohl, lebt wohl, ihr trauten Lindenbäume,

Die ihr ans stille Vaterhaus euch schmiegt!

Ihr seid die Zeugen meiner Jugendträume,

In die mich euer Flüstern oft gewiegt.

 

Nahm auch dem Knaben einst auf Augenblicke

Ein eingebildet Unglück seine Ruh,

Und kam er trostlos dann zu euch zurücke,

So rauschtet ihr ihm Trost und Freude zu.

 

Von meinen frohen Spielen seid ihr Zeugen,

Von meinem raschen, leichten Jugendsinn;

Nun säuselt Wehmut mir aus euren Zweigen,

Die Tage meiner Jugend sind dahin!

 

Sie sind dahin! – Ein Knabe noch vor Jahren,

Nehm Abschied heute ich als Mann von euch;

Ich ziehe fort zu Taten und Gefahren,

Es gilt der Tyrannei den Todesstreich.

 

So lebet wohl! – Du Werkzeug meiner Spiele,

Das einst ich trug, du kleines Schwert von Holz!

Sei nun ein Blitz in der Gewitterschwüle,

Du Ritterschwert, sei des Sarmaten Stolz!

 

Lebt wohl, Geschwister! mög euch Gott bewahren!

Ich bin ein Pole bis zum letzten Hauch!

Hurra! ihr vaterländschen Heldenscharen!

Leb wohl, du mein geliebtes Mädchen auch! –

 

Schmach, Jüngling, dir! hält dich der Glanz von Tränen

Zurück vom ewig hellen Waffenglanz!

Dir, Jungfrau, Schmach! die du, bei Polens Sehnen

Nach Freiheit, nun empfängst den Myrtenkranz!

 

Schmach, Mutter, dir! den du zur Schmach geboren,

Umklammre deinen Sohn! entlaß ihn nicht!

Der Freiheit Ruf schlug nicht an seine Ohren,

Er fühlt für Polen keine Kindespflicht!

 

Dem Vater Schmach! – – doch dort, mit Silberhaaren

Wer ist der schwache Greis in Kriegertracht?

Du Alter, läßt du Weib und Kinder fahren?

Kehrst du vom Grabe um und wankst zur Schlacht?

 

»Ich habe Weib und Kinder Gott befohlen!

Mein Haupt ist weiß, es zittert meine Hand;

Doch kämpf ich mit den heilgen Kampf der Polen:

Wohl mir! ich folge meinem Vaterland!

 

Und möge nicht mein Vaterland verschmähen

Des schwachen Greises ärmlichen Tribut:

Dies treue Herz, das bald wird stille stehen,

Und, der es noch erwärmt, den Tropfen Blut.«

 

So opfre ihn! komm, komm zu jenem Hügel,

Den unsre Scharen decken, eilen wir!

Der weiße Adler lüftet seine Flügel,

Bald wird sein Auge flammen für und für!

 

Lebt wohl, Geschwister! mög euch Gott bewahren!

Mir nach! wer Pole bis zum letzten Hauch!

Hurra! ihr vaterländschen Heldenscharen!

Leb wohl, du mein geliebtes Mädchen auch!

 

O weine nicht, bin ich dir nun entschwunden,

Und teile mit der Freiheit du mein Herz;

Sie sei Gespielin dir in bangen Stunden,

Und sterb ich, mag sie trösten deinen Schmerz!

 

Mein Liebchen, ich empfehle dich dem Himmel!

Hurra! Sieg oder Tod im heilgen Streit!

Kanonendonner pocht im Schlachtgetümmel

Wild an die Pforten schon der Ewigkeit! –

Auf dem Hochberg

 

(12. Juli)

 

An Agnes

 

Die Gletscher glühen in dem goldnen Lichte

Und rötlich glänzt die Felsenwand,

Um diese Gipfel wehen Traumgesichte,

Aus frühen Tagen mir bekannt.

 

Im Purpurmeer seh ich den Nachen treiben:

Die Sonne spiegelt sich im weiten See.

Am fernen Kloster zähl ich alle Scheiben,

Im Herzen wird mirs wohl und weh.

 

Es locken Täler hinter Felsentoren,

Ein Sehnen faßt mich im Gemüt,

Nach Glück, besessen – nie – und nie verloren,

Verwelkt und niemals doch erblüht!

 

Den Blick laß in die blaue Ferne tauchen

– Dort ist es nicht, nur Trug und Pein!

Da unten, wo die stillen Hütten rauchen,

Da muß es oder nirgend sein!

 

Auf Alpenhöhe mit dir, Seelenschwester,

Im Abendschein ich schweigend stand,

Nicht reden könnt ich, drückte fest und fester

Nur deine liebe, treue Hand.

 

Die Glocken riefen zum Gebet die Müden,

Und aller Zauber der Natur

Kam über uns mit seinem tiefen Frieden,

Doch blieb auch eine Wehmutspur.

 

Wann stehen wir wie jetzt so eng verbunden

Wohl wieder in dem Abendstrahl,

Wann bringen späte Jahre solcher Stunden

Verein im grünen Alpental?

 

Bald wird der Abschied mir die Brust zerschneiden,

Vom Vaterland, vom Vaterhaus.

Getrennt von dir, muß Herzensfrost ich leiden,

Zur Fremde treibt es mich hinaus.

 

Du bist mir mehr als meine Heimatschwelle,

Dein Herz ist mir ein Heilgenschrein,

Mir wie dem müden Pilgrim die Kapelle;

Ich legte Wonn und Schmerz hinein!

 

Wir werden oft uns, einst gewiß ach! trennen,

Vereint doch sein in Lieb, Gebet.

Wir werden wieder sehen uns, erkennen:

Ein Trost ist dies, der fest besteht.

 

Ausfahrt

 

Frau von Reinbeck

Ich hab es lange schon gewußt:

Ein tiefer Zauber wohnt in dir.

Wie hast du süße Märchenlust

Noch eben erst erschlossen mir!

 

Hast mich gewiegt in Frühlingstraum,

Trotz Schnee und strenger Winterszeit;

Im Blätterschmucke Baum an Baum –

Wie lieblich lockt Waldeinsamkeit! –

 

Du stiller Liebling der Natur!

Ihr Rätsel hast du tief geschaut,

Und was sie schafft auf Berg und Flur –

Dir hat sie alles anvertraut.

 

»Die Heimwehkranken heile du,

Ich lehrte dir die Wunderschrift!« –

So ruft sie dir im Traume zu,

Und ahnend greifst du nach dem Stift. –

 

Gehorsam deinem Genius,

Dir senden Farbe, Licht und Luft

Durch Schnee den leisen Maienkuß

Im schwesterlichen Blütenduft.

 

Hesperien! Du treues Herz!

Wenn wir erstarrt im Lebensfrost,

So winkst doch du uns himmelwärts,

So hast du Sonne, Lieb und Trost.

Mit Orangen

 

Hier bring ich süße Früchte,

Die auf gar ferner Au,

Dort unter jenem Himmel

Gereift, der ewig blau.

Wenn du sie wirst genießen,

So werden sie dir gern

Den freien Blick erschließen

In weite Länderfern.

 

Du denke dir die Bäume,

Die sie erzogen groß,

Das saftig-dunkelgrüne

Laubwerk, das sie umschloß,

Wie sie wohl mochten winken

Hell aus der Blätternacht,

Wie Edelsteine blinken

Aus dunklem Bergesschacht.

 

Du denk dir die Olive,

Wie sie ihr Grün, so licht,

Mit der Zypresse Dunkel

Zu buntem Kranze flicht.

Du denke dir die Pinien,

Gewaltig, breit und dicht,

Der Pappeln schlanke Linien

Zum Himmel aufgericht.

 

Die Rebe, die die Stämme

Mit süßem Netz umringt,

Die leicht von Baum zu Baume

Die Liebesketten schlingt.

Denk dir die Rosen glühend

Im schönsten Purpurschein

Und süße Düfte sprühend

Durch nächtlich dunkeln Hain.

 

Denk dir die Pracht des Kaktus,

Die blühnde Aloe

Und drüber hin die Palme,

Strebend hinauf zur Höh!

Sieh, Schmetterlinge fliegen

Durch all die Blumen hin

Eidechsen, die sich wiegen

Auf Rosen, goldengrün.

 

Denk dir durch dieses alles

Der Lüfte leisen Tanz

Und über diesem allem

Des Mondes Zauberglanz,

Der wandelnd still und milde

Im Äther, wolkenlos,

Sich unten schau im Bilde

Aus blauem Meeresschoß.

 

Und durch die See hin fahre

Ein Nachen, fischervoll,

Aus dem die Barkarole

Dir lustig schallen soll,

Wechselnd mit frohem Lachen

Aus süßer Mädchen Mund,

Die, schaukelnd sich im Nachen.

Schauen in Meeres Grund.

Mit unaufgeblühten Blumen

 

Der Frühling ist gekommen,

Er zieht durch sein Revier,

Du hast es nicht vernommen

Im Krankenzimmer hier,

 

Wie er durch seine Strahlen

Den Winter ganz vertrieb,

Daß ihm in Berg und Talen

Nicht eine Stätte blieb,

 

Wie er den Grund erschlossen

Und alle Keime weckt,

Daß man ein lustig Sprossen

Schon überall entdeckt.

 

Doch um dir zu ersetzen,

Was unterdes dahin,

Schickt er, dein Äug zu letzen,

Dir dieses frische Grün.

 

Er schickt dir diese Pflanzen,

Daß sie dir ungefähr

Anzeigten, wie's im ganzen

Nun aussieht rings umher.

 

Zwar sind noch leider offen

Die schönen Blüten nicht,

Doch steht es wohl zu hoffen,

Daß bald die Knospe bricht.

 

So hoff ich, daß dein Leben

Die Krankheit brech entzwei,

Daß es in regem Streben

Erblühe frisch und neu,

 

Und hoff, wenn aufgegangen

Der Kelch der Blumen ganz,

So sollest wieder prangen

Auch du im Blumenglanz.

 

Doch aller Schein der Sonnen,

Der Blüten schönstes Rot

Und alle Frühlingswonnen

Sind für uns hin und tot,

 

Wenn Gott, der gnadenreiche,

Dies eine nicht erteilt,

Daß er von schwerer Seuche

Die liebe Mutter heilt.

 

Drum wünsch ich dir dies eine

Nur zum Geburtstag heut,

Daß bald ihr im Vereine

Frisch und genesen seid.

Charade

 

Die ersten Silben nennen dir den Fluß,

Nach dessen schönem Strande

Aus fernem, fernem Lande

Ertönen wird mein sehnsuchtsvoller Gruß.

 

Die dritte bildet dir dein Haus im Leben,

Und wird, bist du geschieden

Zum ewigstillen Frieden,

Auf deinem Hügel ehrend sich erheben.

 

Der Hauch der letzten ist dem Herzen eigen,

Wenn ihm das Wort gebricht,

Doch tief die Liebe spricht

In ihrer Sehnsucht selig bangem Schweigen.

 

Das Ganze zeigt ehrwürdiges Gemäuer

Vier alternder Ruinen

Mit schwesterlichen Mienen,

Die meiner Seele als Erinnrung teuer.

Nie zurück!

 

Als der Cherub aus dem Paradies

Ihn und seine Klagen streng verwies,

Weinte Adam noch am Gartensaume

Still zurück nach seinem schönen Traume.

 

Und durch einen weichen Morgenwind

Sandten Rosen ihm erbarmungslind

Duftend ihre süßen Scheideküsse,

Paradiesesvögel letzte Grüße.

 

Wie er trauernd an der Grenze stand,

Wie er tief das ›Nie zurück!‹ empfand! –

Mich durchdrangen alle seine Leiden,

Als ich mußt auf immer von dir scheiden.

 

Mir auch ward zum milden Scheidegruß

Deiner Lippenrosen noch ein Kuß,

Und wie Edens Vögel ihn umsungen,

Kam dein Lebewohl mir nachgeklungen.

Ein Heimatbruder!

 

Der Wandrer, irrend in der Ferne,

Wo fremd das Tier, der Baum, das Kraut,

Wo fremd die Nacht und ihre Sterne,

Wo fremd und tot der Menschenlaut,

Wie fühlt er sich allein, verstoßen,

Wie jauchzt sein Herz im fremden Land,

Wenn plötzlich er den Sprachgenossen,

Den heimatlichen Bruder fand!

Protest

 

Wenn ich verachte heimliches Verschwören,

Und wenn ich hasse Meuchelmörderhand,

Wenn in des Volkserretters Ruhmgewand

Verhüllte Schufte meinen Groll empören,

 

Reih ich das Königstum den Himmelsgaben,

Verlaßner Völker Vaterhaus und Hort.

O glaubet nicht, ich liebe drum sofort,

Was jetzt und hier an Königen wir haben.

 

O glaubet nicht, ich führe keinen Zunder

Im Herzen für des Zornes edle Glut,

Tritt wo ein Fürst sein Volk im Übermut,

Noch daß ich ehren kann gekrönten Plunder.

 

Nie wird mein Flügelroß zum Schindergaule

Für meine Ehre, und mich strafe Gott,

Sing ich ein Fürstenlied, daß mir, zum Spott,

Die Hand vom Saitenspiel herunterfaule.

Frl. von Hünersdorff ins Album

 

Gleichwie Nachtlüfte wehn in Blütenhagen,

Wehmütig säusem, doch kein Blatt entführen;

Wie Nachtigallen in den Büschen klagen,

Doch keine Rose je zu Tode rühren,

So soll, Verehrte, meiner Lieder Trauern

Durch deine reichen Freudenblüten schauern.

An Wilhelm Kirchhoff

 

zu freundlicher Erinnerung. Der Verfasser

 

In einen Band seiner Gedichte

 

Kirchhoff! wandelt auch von dannen mein Gebein,

Laß mich tief in dir begraben sein.

An Fräulein Julie

 

zu ihrem Geburtstage

 

Als du gingst auf eine Reise,

Tratst du noch in deinen Garten,

Jeder Blume deiner Pflege

Noch ein Lebewohl zu sagen.

 

Als du warst davongezogen,

Tränkte sie der frische Quell auch,

Neigten trauernd sich die Blumen,

Und sie waren nicht zu trösten.

 

Wie du pflegst des Frühlings Kinder,

Pflegtest du das Kind der Schwester

Und das edle Reis des Herbstes:

Deinen lieben alten Vater.

 

Sei gesegnet, meine Freundin!

Froher blühn die Blumen, schöner,

Die du pflegst mit treuen Händen,

Und die Menschen leben lieber.

Der Laudachsee

 

Ein Bruchstück

 

Laß meiner Einsamkeit das Angedenken

Der schönsten Stunden jetzt vorüberziehn,

Die mir das Erdenleben durfte schenken,

Geist der Natur! der öden Gegenwart entfliehn

Und in Erinnerungen mich versenken,

Zeig mir den See im stillen Felsentale,

Von Schilf und Wald die Ufer rings umsäumt,

Der Felsenhäupter Glühn im Abendstrahle,

Den Rasensitz, wo ich so süß geträumt.

Komm du auch, meine Freundin Phantasie,

Erweck mir Echos Geisterchöre

In dieser Heimat der Melancholie,

Daß ich durch sie jetzt alles wieder höre,

Was damals wie aus schönern Welten mir erklang

Und in die tiefste Seele drang.

Begraben will ich in des Sees Gruft

Und ihrer Dunkelheit vertrauen meine Leiden,

Ob dann die Zeit auch wieder wach sie ruft;

Nie wird mein Herz von dieser Stelle scheiden,

Wo einst so schöne Stunde mir gelacht

Und überglänzt hat meines Lebens Nacht.

Wie nun dies Bild vor meiner Seele schwebt,

Helft mirs zutage fördern, daß es lebt,

Ihr mächtgen Geister, gebt ihm eure Weihe,

Daß ihre Sprache auch Natur ihm leihe.

Vergönnt euch dann ein freundliches Geschick,

Daß eines Auserwählten warmer Blick

Befriedigt, angezogen drauf verweilt

Und im Erkennen die Empfindung teilt,

Die es beseelt; – dann saget laut,

Ihr Wald- und Felsenstimmen, was euch ward vertraut.

 

Wien

 

Impromptu

O Einsamkeit! wie trink ich gerne

Aus deiner frischen Waldzisterne!

Traum

 

Ein Bruchstück

 

Nächtlich hatt ich einen Traum,

Liebe Mutter, einen guten,

Ob wir unter einem Baum,

Wanderungsmüde, beide ruhten.

 

In den Schoß zu süßer Ruh

Legt ich dir mein Haupt, das schwüle,

Und du fächeltest mir zu

Eine himmlisch süße Kühle.

 

Ahnung faßte mir das Herz,

Daß es würde besser werden,

Und ich fühlte himmelwärts

Mich gehoben von der Erden.

 

Sitze nieder, will mein Haupt

An die treue Brust dir legen,

Daß es fühle, lang beraubt,

Deiner Liebe Himmelssegen.

An die medisierenden Damen

 

Sproßt ihr wie des Frühlings junge Triebe,

Ahmt die Wange seiner Rosen Glut,

Soll das Herz auch ahmen seine Liebe,

Wie das Herz des Frühlings – mild und gut.

Medisiert das Blümlein auf der Wiese,

Seinem un verlernen Paradiese?

Tuns im Wald die jungen, grünen Blätter,

Wenn sie beim Gedröhn der Frühlingswetter

Wonnig rauschen und zusammenschauern?

Geht und lauscht und lernet euch bedauern!

Liebe singt der Vogel von den Zweigen,

Und im frohen Jugendreigen

Rauben liebestrunken Maienlüfte

Aufgeblühten Blumen ihre Düfte;

Aber keinen guten Namen.

Medisiert nicht, junge Damen!

Saß ich einst in einem Mädchenkreise,

Da begann in ihrem Blütenkranze

Erst geheim zu zischeln, klug und leise,

Doch bald laut die Schlange: Medisance.

Und sie rümpften ihre feine Nase,

Ekel zuckte mancher Rosenmund,

Weil ein Name, wacker und gesund,

Von dem Biß der Schlange ward zum Aase. –

Ist der Name krank, so laßt den kranken

Ungeneckt an euch vorüberwanken;

Wollt ihr lindern nicht die Namenswunde

Mit des Frauenmitleids weichem Öle,

Laßt ihn ziehn; doch nicht in eure Runde

Reißt ihn als in eine Räuberhöhle! –

Wandelt ihr im Herbste eurer Tage,

Ist in jedem Mienenzug zu lesen

Des Verwelkens untröstbare Klage,

Daß ihr nimmer seid, was ihr gewesen;

Dann, ihr Damen, lernt vom Herbst die Wehmut,

Lernet die gedankenvolle Demut,

Nehmet mit Bedacht

Euer Grab in acht,

Statt in andrer Fehler schnöd zu kramen;

Medisiert nicht, alte Damen!

Fliegt ein schuldlos Vöglein unbewußt

Über Guas-Upas giftgen See,

Stürzt es schnell, die liedervolle Brust

Ist verstummt in bittrem Todesweh.

In den Borden eurer Kessel, Kannen

Flutet Guas-Upas: Tee, Kaffee,

Und es zog kein Name heil von dannen,

Dessen Flug verirrt an diesem See;

Klang der arme Flattrer auch

Erst im heimatlichen Strauch

Wie das Lied des Vogels rein und gut,

Stürzt er tot in eure braune Flut. –

Aber, gilt es auch nicht gleich den Namen,

Noch vor einem hütet euch, ihr Damen:

Flieht auch vor dem spöttischen Belächeln,

Diesem Schleicher, weichbesohlten Diebe,

Diesem Vampir, der mit leisem Fächeln

Lullt in Schlaf die Achtung und die Liebe;

Wenn sie einnickt, aus den Adern ihr

Saugt das Herzblut mit verstohlner Gier!

Mit einem Edelmardermuff

 

Schöne Frau! die ich verehre,

Wenn ich ein Naturgeist wäre,

Würd ich heut zur Weihnachtspende

Für die vielgelobten

Kunst- und fleißerprobten

Blumenschöpferischen Hände

Nicht das Fell des Marders geben;

Nein! zum Schutz vor Frostesqualen

Würde ich aus Frühlingssonnenstrahlen

Einen Zaubermuff dir weben.

Der Fingerhut

 

Hast du noch immer nicht gefunden den teuren, teuren Fingerhut,

Um den du plötzlich aufgesprungen

Und meinen Armen dich entrungen?

Ich ließ dich fahren mit verbißner, doch wahrlich nicht geringer Wut.

War ich ein Forscher, sprach ich trocken:

Indes du 's Hütlein suchst erschrocken,

Such ich, worauf das Herz des Weibes, das wandelbare Ding, beruht?

War ich ein Schwärmer, rief ich fluchend:

O wär ich doch, den Rhein besuchend,

Ertrunken in den tiefsten Wirbeln der weitverrufnen Bingerflut!

Als Egoiste würd ich sprechen:

Das Hütlein schützt sie vor dem Stechen,

Ich wills mit meinem Herzen halten, wie sie mit ihrem Finger tut,

Ich leg ans Herz, daß sie's nicht raube,

Mir eine Sturm- und Pickelhaube,

Das ist für ihre Liebesblicke, die scharfen Herzdurchdringer, gut.

Doch bin ich nichts davon und sage:

Such überall herum und frage;

Kannst doch das Meer nicht meiner Liebe ausschöpfen mit dem Fingerhut,

Hat die Romantik deiner Liebe auch Platz in einem Fingerhut.

Albumblatt

 

Bedenk, wenn Undank herb dich kränket,

Daß dankbar bis zum letzten Hauch

Der Mensch nur dann der Huld gedenket,

Wenn Wohltat ihn gebessert auch.

Poetisches Votum

 

an die verehrte Frau Hofrätin v. Kleyle, über den herzkläglichen Unfall, welcher sich in deroselben berühmten Speisekammer ereignet hat in der Nacht vom 10. auf 11. Oktober, im Jahre diesmal des Unheils 1837, zu Penzing in der Schmiedgasse

 

Es füllt die Speisekammer

Ein bitterlicher Jammer,

Und wohl mit Fug und wohl mit Recht,

Denn wie die Welt geworden schlecht,

Zeigt sich ein schnöd Exempel

In diesem Magentempel.

Die Mutter steht betroffen

An den beraubten Brettern

Und ruft in Zorneswettern:

»Wer ließ das Fenster offen?«

Wenn sie nicht Christin wäre

Und eingedenk der Lehre:

›Du sollst dem Feind vergeben‹,

Der Eingriff in ihr Leben,

In ihren Speiseständer,

Er könnte sie versuchen,

Den Räuber zu verfluchen,

Den Magentempelschänder.

Sie blickt nach ihren Schätzen,

Und ach! erblickt sie nicht,

Da bleicht ihr Angesicht

Hausfrauliches Entsetzen.

Sie forscht in ihrem Schrecke

Vergebens nach dem Specke,

Er ist bei Nacht verschwunden,

Trotz unseren drei Hunden.

Sie sucht in ihrem Gram

Das Leibgericht der Wiener,

Das auch abhanden kam,

Die braungebacknen Hühner.

Hühnlein sind abgezogen,

Dem Specke nachgeflogen,

Sie sind vorbeigeschwunden

An drei verschlafnen Hunden.

Jetzt faßt ein tödlich Grauen

Die häuslichste der Frauen,

Sie ist ins Herz verletzt,

Der Jammer packt sie jetzt

Mit seiner ganzen Stärke,

Es ist ein Streich zum Weinen:

Geraubt sind auch die feinen

Geburtstagszuckerwerke!

Nun steht sie da ergrimmt,

Ihr Auge glüht und schwimmt

In wirtschaftlichen Tränen,

Unchristlich, doch von Herzen

Wünscht sie drei Tage Schmerzen

Den frechen Diebeszähnen.

Jetzt sammeln sich die Kinder

Und klagen nicht gelinder,

Und aus der bittern Klage

Entspringt die große Frage:

»Hat sich ein Mensch vergessen?

Hat dies ein Tier gefressen?«

Als eurer Zweifel Richter

Laßt gelten einen Dichter:

Was hier dem Dieb gefiel,

Zu vielerlei und viel

Wills meinem Sinne scheinen

Für eines Tieres Fraß;

Drum soll ich lieber meinen,

Daß sich ein Mensch vergaß.

Doch muß ich wieder glauben

Trotz viel und vielerlei,

Bei solchem frechen Rauben

War auch ein Tier dabei.

Wie auch der Fall sich wende,

's ist alles eins am Ende:

In diesem Duftrevier

Hat beides: Mensch und Tier

Zu eurem Herzeleide

Heut nacht sichs lassen schmecken,

Ob in zwei Leibern beide,

Ob sie in einem stecken.

Scherz nach einer zufällig aufgeschlagenen Bibelstelle

 

Ahimaaz, der Sohn des Zadok, sprach,

Sprach wiederholten Males zu Joab:

»Wie, wenn ich liefe auch dem Chusi nach,

Schnell hinter seiner Ferse Staub im Trab?«

 

Da sprach Joab: »Gemach, mein Sohn, gemach!

Bleib, gib dem Winkel deinen Wanderstab,

Laß deine Botschaft unter meinem Dach,

Der König kauft sie dir mit Prügeln ab!«

 

Doch jener spricht: »Wie, wenn ich dennoch laufe,

Und bald zurück den Chusi spring und schnaufe?«

Da sprach Joab: »So laufe doch mein Sohn!«

 

Und also lief stracks fort Ahimaaz

Und springt dem Chusi vor im schnellen Satz,

Und Chusi kommt um seinen Botenlohn.

Lebe hoch! Sofie! Die edle Frau!

 

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