–
Der auf dem Dornenpfühle
Tatloser Schmerzen ruht,
Du wunderlicher Träumer,
Wie wäre dir zumut,
Wenn plötzlich übers Meer sich
Zu dir herüberschwänge
Ein Vöglein aus der Heimat
Und wach den Träumer sänge?
Wenn es ein Lied dir sänge,
Wie sie sich drüben schlagen,
Und wie die Waffenbrüder
Nach dir im Kampfe fragen?
Du aber bist gebannet,
Gefesselt ist dein Wille
Und mit dem Schiff gewurzelt
Hier in der Meeresstille!
Boleslaw
Das Vöglein wird nicht kommen
Und singen, wie sie schlagen,
Und wie die Waffenbrüder
Nach mir im Kampfe fragen;
Doch käm es, müßt ich weinen,
Daß ich daheim nicht wär,
Und würde ungeduldig
Mich stürzen in das Meer.
Mein Geist, entfesselt, eilte
Zur lang ersehnten Schlacht,
Ein Leitstern meinen Brüdern
In dichter Pulvernacht;
Und wollt ein Feind im Dunkel
Entfliehn der Schlacht, der heißen,
Würd ich des Rauches Mantel
Ihm von den Schultern reißen,
Die Kugeln meiner Brüder
Würd ich im Fluge lenken,
Daß sie sich tief und sicher
In Feindesherzen senken.
Hippolyt
Schon regen sich die Lüfte,
Und Sturmeswolken ziehn;
Vielleicht ist Polens Freiheit
Auf immer nicht dahin.
Boleslaw
Die Winde gehn und kommen,
Die Woge ebbt und flutet,
Doch ewig ohne Hülfe
Die tiefe Wunde blutet!
Der traurige Mönch
Nach einer Sage
In Schweden steht ein grauer Turm,
Herbergend Eulen, Aare;
Gespielt mit Regen, Blitz und Sturm
Hat er neunhundert Jahre;
Was je von Menschen hauste drin,
Mit Lust und Leid, ist längst dahin.
Der Regen strömt, ein Reiter naht,
Er spornt dem Roß die Flanken;
Verloren hat er seinen Pfad
In Dämmrung und Gedanken;
Es windet heulend sich im Wind
Der Wald, wie ein gepeitschtes Kind.
Verrufen ist der Turm im Land,
Daß nachts, bei hellem Lichte,
Ein Geist dort spukt in Mönchsgewand,
Mit traurigem Gesichte;
Und wer dem Mönch ins Aug gesehn,
Wird traurig und will sterben gehn.
Doch ohne Schreck und Grauen tritt
Ins Turmgewölb der Reiter,
Er führt herein den Rappen mit
Und scherzt zum Rößlein heiter:
»Gelt du, wir nehmens lieber auf
Mit Geistern als mit Wind und Trauf?«
Den Sattel und den nassen Zaum
Entschnallt er seinem Pferde,
Er breitet sich im öden Raum
Den Mantel auf die Erde
Und segnet noch den Aschenrest
Der Hände, die gebaut so fest.
Und wie er schläft und wie er träumt
Zur mitternächtgen Stunde,
Weckt ihn sein Pferd, es schnaubt und bäumt,
Hell ist die Turmesrunde,
Die Wand wie angezündet glimmt;
Der Mann sein Herz zusammennimmt.
Weit auf das Roß die Nüstern reißt,
Es bleckt vor Angst die Zähne,
Der Rappe zitternd sieht den Geist
Und sträubt empor die Mähne;
Nun schaut den Geist der Reiter auch
Und kreuzet sich nach altem Brauch.
Der Mönch hat sich vor ihn gestellt,
So klagend still, so schaurig,
Als weine stumm aus ihm die Welt,
So traurig, o wie traurig!
Der Wandrer schaut ihn unverwandt
Und wird von Mitleid übermannt.
Der große und geheime Schmerz,
Der die Natur durchzittert,
Den ahnen mag ein blutend Herz,
Den die Verzweiflung wittert,
Doch nicht erreicht – der Schmerz erscheint
Im Aug des Mönchs, der Reiter weint.
Er ruft: »O sage, was dich kränkt?
Was dich so tief beweget?«
Doch wie der Mönch das Antlitz senkt,
Die bleichen Lippen reget,
Das Ungeheure sagen will:
Ruft er entsetzt: »Sei still! sei still!« –
Der Mönch verschwand, der Morgen graut,
Der Wandrer zieht von hinnen;
Und fürder spricht er keinen Laut,
Den Tod nur muß er sinnen;
Der Rappe rührt kein Futter an,
Um Roß und Reiter ists getan.
Und als die Sonn am Abend sinkt:
Die Herzen bänger schlagen,
Der Mönch aus jedem Strauche winkt,
Und alle Blätter klagen,
Die ganze Luft ist wund und weh –
Der Rappe schlendert in den See.
Weib und Kind
Ein schwüler Sommerabend wars, ein trüber,
Ich ging fußwandernd im Gebirg allein,
Und ich bedachte mir im Dämmerschein,
Was mir noch kommen soll, was schon vorüber.
Kein Windhauch zog, die ernsten Tale ruhten,
Und wunderbar war mir das Fernste nah;
Der Tannwald stand ein fester Bürge da,
Daß sich noch alles wenden wird zum Guten.
Mir kam ein armes Bauernweib entgegen:
»Gelobt sei Jesus Christus!« sprach sie mir;
»In Ewigkeit!« so dankt ich freundlich ihr;
Es ist der beste Gruß auf dunklen Wegen.
Ihr folgt' ein kleines Mägdlein, halb erschrocken,
Als sie mich sah und ich die Hand ihr bot;
Sie mühte sich, mit einem Bissen Brot
Ein zögernd Kälblein mit sich heim zu locken.
»Kumm, Kalberl, kumm!« so rief das Kind dem Tiere;
Das klang so innig, lieblich und vertraut,
Daß ich der Unschuld heimatlichen Laut
Aus meinem Herzen nimmermehr verliere.
Lang blickt ich ihnen nach, bis sie verschwunden.
Und daß ein Leben schön und glücklich nur,
Wenn es sich schmiegt an Gott und die Natur,
Hab ich auf jenem Berge tief empfunden.
Der Steirertanz
Robert
Laß, Freund, uns übernachten
In jenem Jägerhause,
Das uns entgegenklinget
Mit Geigen und Gesängen.
Heut ließ die Sonne sprühen
Die sommerscharfen Pfeile,
Es war ein heißes Wandern
Auf steilen Bergespfaden;
Wir wollen uns erfrischen.
Und sind des Leibes Mühen
Am raschen Wanderstabe
Belohnt mit wackerm Imbiß
Und manchem Becher Weines,
Erquicken wir die Seele
Mit heiteren Gesprächen.
Heinrich
Es war ein herrlich Wandern;
Den Abgrund überspringend,
Die Felswand überkletternd,
Fand ich in seiner hohen
Geheimnisvollen Heimat
Manch schönes Alpenblümlein,
So einsam, bis zur Stunde
Gekannt nur von den Lüften,
Besucht nur von den Wolken,
Erblickt von Sternenaugen.
Robert
Es war ein herrlich Wandern;
Vom Klippenast des Kalkes,
Vom schwarzen Beet des Abgrunds
Hab ich gepflückt Gedanken,
Niewelke Blumen Gottes,
Die werden freudig duften
Mir durch mein ganzes Leben.
(Sie treten ins Haus)
Jäger
Seid schön gegrüßt, Ihr Herren,
Glückselig guten Abend!
Robert
Wollt Ihr zwei müde Wandrer
Herbergen für die Nacht?
Jäger
Willkommen mir von Herzen!
Nur ists in meiner Hütte
Ein wenig toll und voll,
Wir haben heute Hochzeit;
Ihr müßt Euch schon begnügen,
Ein Plätzchen wo zu nehmen,
Das nicht die Lust besetzt hat,
's wird freilich knapp genug sein.
Heinrich
Hier wollen wir uns lagern,
Den Tanz zu überschauen.
Sieh dort den Jägerburschen,
Den schlanken, schönen, flinken;
Auf seinem grünen Hute
Gemsbart und Hahnenfeder;
Aus seinem festen Auge
Blitzt ihm ein Siegesstrahl;
Die Gemse, die sein Blick faßt
In ihrer Felsenheimat,
Wird nicht mehr lange weiden
Die frischen Alpenkräuter;
Die Dirne, die sein Blick faßt,
Wird nicht mehr lange wandeln
Auf ihrer grünen Alpe
Mit leichtem, freien Herzen.
Robert
Das ist der beste Schütze
Im steirischen Gebirge.
Ich wollte, Freund, es schlügen
Entschlüsse mir und Taten
So scharf getreu zusammen,
Wie diesem wackern Jäger
Sein Blick und seine Kugel.
Heinrich
Er ist der beste Schütze
Und ist der feinste Tänzer
Von diesen Burschen allen.
Wie er die schöne Dirne
So leicht und sanft und sicher
Im frohen Kreise tummelt!
Uns läßt das lustge Paar
Hintanzen vor den Augen,
Harmonischer Bewegung,
Ein freundlich Bild des Lebens.
Er reicht dem lieben Mädchen
Hoch über ihrem Haupte
Den Finger, und sie dreht sich
Um seine Faust im Kreise,
Die Anmut um die Stärke.
Er tanzt gerade vorwärts
In edler Manneshaltung
Und läßt das liebe Mädchen
Leicht wechselnd aus der Rechten
In seine Linke gleiten
Und nimmt die Flinkbewegte
Herum in seinem Rücken,
Läßt sich von ihr umtanzen,
Als wollt er sich umzirken
Rings um und um mit Liebe
Und ihr im Tanze sagen:
Du schließest mir den Kreis
Von allen meinen Freuden!
Robert
Nun fassen sich die Frohen
Zugleich an beiden Händen
Und drehen sich geschmeidig,
Sich durch die Arme schlüpfend,
Und blicken sich dabei
Glückselig in die Augen,
Als wollten sie sich sagen:
So wollen wir verbunden,
Uns meinander schmiegend,
Hintanzen leicht und fröhlich
Durchs wechselvolle Leben!
Heinrich
Hörst du den Jäger jauchzen?
Zu enge sind der Seele
Die Ufer ihres Leibes,
Und jubelnd überbrausen
Die Fluten des Entzückens.
Robert
Siehst du die Erd ihn stampfen?
Im Freudenübermute
Gibt er der Erde schallend
Den Fußtritt der Verachtung;
»Du kriegst nur unsre Asche!«
Ruft ihr sein helles Jauchzen,
Und flammend blickt sein Auge
Der Liebsten in das Auge,
Unsterblichkeitsgewiß:
»Wir haben uns auf ewig!« –
Die Blicke dieser beiden
Sind mir gewisse Bürgschaft
Für mein unsterblich Leben.
Was sich geliebt auf Erden,
Muß dort sich wiederfinden.
Heinrich
Das glaub ich nimmermehr,
So gern ich auch, o Freund
Und treuer Berggenosse,
Mit dir durchstreifen möchte
In einem andern Leben
Die himmlischen Gebirge
Und dort sie alle finden,
Die hier mein Herz verloren;
Doch kann ich es nicht glauben.
Wie diese Musikanten
Auf Geig und Zither spielen
Den lustgen Steirertanz,
Den ersten Teil des Walzers
Im zweiten wiederholend,
Nur wechselnd in der Tonart:
Meinst du, der alte Geiger,
Dem die Gestirne tanzen
Zur starken Weltenfiedel,
Wird unser Erdenleben,
Wenns einmal abgespielt ist,
Noch einmal runterspielen,
Nur höher, in der Quinte? –
Robert
Ich meine das mit nichten.
Wohl bin ich nur ein Ton
Im schönen Liede Gottes;
Doch wie das schöne Lied
Wird nimmermehr verklingen,
So wird der Ton im Liede
Auch nimmer gehn verloren,
Nicht brechen sich am Grabe:
Und was im Erdenleben
Mit ihm zusammenklang,
Wird einst mit ihm erklingen
Zu freudigen Akkorden
Im Strom des ewgen Liedes.
Die drei Zigeuner
Drei Zigeuner fand ich einmal
Liegen an einer Weide,
Als mein Fuhrwerk mit müder Qual
Schlich durch sandige Heide.
Hielt der eine für sich allein
In den Händen die Fiedel,
Spielte, umglüht vom Abendschein,
Sich ein feuriges Liedel.
Hielt der zweite die Pfeif im Mund,
Blickte nach seinem Rauche,
Froh, als ob er vom Erdenrund
Nichts zum Glücke mehr brauche.
Und der dritte behaglich schlief,
Und sein Zimbal am Baum hing,
Über die Saiten der Windhauch lief,
Über sein Herz ein Traum ging.
An den Kleidern trugen die drei
Löcher und bunte Flicken,
Aber sie boten trotzig frei
Spott den Erdengeschicken.
Dreifach haben sie mir gezeigt,
Wenn das Leben uns nachtet,
Wie mans verraucht, verschläft, vergeigt
Und es dreimal verachtet.
Nach den Zigeunern lang noch schaun
Mußt ich im Weiterfahren,
Nach den Gesichtern dunkelbraun,
Den schwarzlockigen Haaren.
Die nächtliche Fahrt
Zu öd und traurig selbst den Heidewinden
Sind diese winterlichen Einsamkeiten,
Nur Schnee und Schnee ringsaus in alle Weiten,
Nur stiller, keuscher, kalter Tod zu finden.
Hier ists umsonst, nach frohem Ton zu lauschen,
Singvögel sind geflohn von diesem Grabe,
Der Schnabel in die Federn hüllt der Rabe,
Und eingefroren ist der Bäche Rauschen.
Sieht man den Wald so tief in Tod versunken,
Will mans nicht glauben, daß er jemals wieder
Aufgrünt im Lenz, daß je hier seine Lieder
Ein Vogel singt, vom Frühlingshauche trunken.
Es glänzt der Eichenwald in Eisesklammern;
Jetzt Wölfe heulen am verschneiten Grunde,
Wie Bettler, hungerwach, in nächtger Stunde
Am Grabe eines milden Königs jammern.
Dort fährt ein Schlitten auf der blanken Wüste,
Der Kutscher treibt die ausgestreckten Pferde,
Als ob mit seinem Fuhrwerk er die Erde
Vor Sonnenaufgang noch umrennen müßte.
Drei Hengste sinds, rasch wie des Nordens Lüfte,
Ein jeder trägt das werte Probezeichen
Der Schnelligkeit im rüstigen Entweichen,
Die Narbe des Wolfsbisses an der Hüfte.
Ein Glöcklein trägt das Mittelroß der Gabel,
Zum Glöcklein tanzend fliehn vorbei die Bäume
Am Schlitten, trüb, wie schnellvergeßne Träume,
Der Wald entflieht wie eine bleiche Fabel.
Die schnellen Renner sind mit Eis behangen,
Das klirrend an den schwarzen Mähnen zittert,
Der Rosse Rücken ist mit Reif umgittert:
Der Tod will sie mit kaltem Netze fangen.
Gekauert sitzt, gehüllt vom Bärenkragen,
Der Wojewod im Schlittenkorbgeflechte
Still hinter seinem pelzverhüllten Knechte,
Der manchmal pfeift, die Pferde anzujagen.
Dem Schlitten folgt in klarer Mondeshelle
Ein zweiter nach, mit gleichgeschwinden Rennern,
Befrachtet auch mit zwei verhüllten Männern,
Und auf der Heide klingelt seine Schelle.
Die Nacht ist grimmig kalt; o Wandrer meide
Den Schlaf; hörst du das Glöcklein nicht mehr schlagen,
So wirds vom Rosse dir vorangetragen,
Dein wandernd Sterbeglöcklein auf der Heide.
Der Bäume Leben floh zum Grund hinunter;
Gib, Wandrer, acht, daß nicht auch deine Seele
Zu ihrem Grunde sich hinunterstehle,
Wenn du einnickest; Wandrer, halt dich munter!
Bist du ein Jäger, denke an ein Wildern;
Hast du ein Lieb, denk an ihr süßes Lager;
Wenn Haß dich wurmt, der scharfe Herzensnager,
So halt dich wach und warm mit Rachebildern! –
Ha! Wölfe! seht, ein ganzes Rudel Tode!
Sie folgen, eine nachgeschleifte Kette,
Die Todesangst, der Hunger rennen Wette,
Und ohne Furcht bleibt nur der Wojewode.
Es kracht der Schnee, schnell sind die grauen Horden,
Doch schneller sind, gottlob! die braven Hengste,
Die Rappen sind im Drang der Todesängste
Plötzlich wie junge Raben flügg geworden.
So fliehn sie weite Strecken, angstgetrieben;
Die Männer schießen schreckend die Gewehre
Vom Schlittenborde nach dem grausen Heere,
Bis nach und nach es ist zurückgeblieben.
Nun halten sie; die Pferde dampfend schwitzen
Und schnauben aus den Nüstern sich das Bangen;
Drei treten in die Schenke und verlangen
'nen Becher Wein, doch bleibt der Woiwod sitzen.
Da springt der Wirt, ein Jude, an den Schlitten
Und macht dem Gaste tiefe Reverenzen:
»Darf ich, Herr Wojewod, Euch nicht kredenzen
Wein, Brot und einen feinen Bratenschnitten?«
Und mit Gelächter ruft der Kutscher drinnen:
»Dem schmeckt kein Braten und kein Gläschen Roter,
Der ißt nicht, trinkt nicht, friert nicht, ist ein Toter,
An dem, Hebräer, wirst du nichts gewinnen!
Im Zweikampf ist der gute Herr geblieben,
Sein Erzfeind, Russe, hat ihn totgeschossen;
Ich fahre meinen schweigenden Genossen
Heim in die Gruft vorausgegangner Lieben.
Bald aber hätt ich ihm die Treu zerrissen,
Denn wären uns die Wölfe näher kommen,
So hätt ich ihn nicht weiter mitgenommen,
Ich hätt ihn, uns zu retten, hingeschmissen.
Ich meine immer noch sein Blut zu schauen,
Wies rauchend in den weißen Schnee gequollen,
Wie sichs nicht bergen konnte in den Schollen;
Das Bluteis darf im Frühling erst zertauen!«
Sie fahren weiter mit verhängtem Zügel
Fort über Brücken, Zäune, Teich' und Bäche,
Denn alles hat der Schnee gefüllt zur Fläche
Und gleichgefegt der Wind mit seinem Flügel.
Nur manchmal blickt der Kutscher nach dem Toten;
Noch sitzt er da, das Haupt vorunterneigend,
Wie er gesessen, unbekümmert, schweigend,
Als hinterher die grimmen Wölfe drohten.
Das Mordblei, das den Wojewoden fällte
Und stecken blieb in seinem Eingeweide;
Der Schnee, der rings bedeckt Podoliens Heide;
Sein Herz – sind alle drei von gleicher Kälte.
Der Wind erwacht und rasselt an der Föhre,
Das Glöcklein schallt, es dunkelt vor den Rossen,
Am Himmel zieht der bleiche Mond verdrossen
Den Wolkenmantel zu, als ob er fröre. –
Das mahnt uns an die Träume eines Zaren,
Der gerne möcht in winternächtgen Stunden,
Das Ruhmesglöcklein an sein Roß gebunden,
Das tote Polen durch die Heide fahren.
Vision
Vom Himmel strahlt der Mond so klar,
Greif aus, o Rappe, greif!
Im Winde fliegt des Reiters Haar,
Des Rosses Mahn und Schweif.
Auf seinem Hut der Reiter trägt
Gemsbart und Federnputz,
Ein schmerzliches Gelächter schlägt
Er auf und schwingt den Stutz.
Der Reiter sprengt um Mitternacht
Durchs Land Tirol, allein;
Der Waldstrom braust und stürzt mit Macht,
Der Reiter holt ihn ein.
Die Schneegans dort hoch oben ruft
Ihr schnatternd Wanderlied,
Schnell zieht der Vogel in der Luft,
Der Reiter schneller flieht.
Schnell ist der Wolkenschatten Flucht,
Der Reiter schneller noch,
Kaum braust er in der tiefen Schlucht,
Schon auch am Gipfel hoch.
Wo das Gebein der Helden liegt,
Gibt er dem Roß die Sporn,
An den vergeßnen Gräbern fliegt
Er wild vorbei im Zorn.
Am Wege dort ein Kruzifix,
Des Unglücks Herberg, ragt,
Seitwärts gewandten finstern Blicks
Vorbei der Reiter jagt.
So reitet er durchs Land Tirol
Und ruft so bang, so schwer:
»Mein schönes Land, leb wohl! leb wohl!
Du siehst mich nimmermehr!«
Das letzte Heldengrab zerreißt,
Der Reiter stürzt hinein,
Grab zu. Verschwunden ist der Geist
Von Achtzehnhundertneun.
Viertes Buch
Reiseblätter
Der Urwald
Es ist ein Land voll träumerischem Trug,
Auf das die Freiheit im Vorüberflug
Bezaubernd ihren Schatten fallen läßt,
Und das ihn hält in tausend Bildern fest;
Wohin das Unglück flüchtet ferneher
Und das Verbrechen zittert übers Meer;
Das Land, bei dessen lockendem Verheißen
Die Hoffnung oft vom Sterbelager sprang
Und ihr Panier durch alle Stürme schwang,
Um es am fremden Strande zu zerreißen
Und dort den zwiefach bittern Tod zu haben;
Die Heimat hätte weicher sie begraben! –
In jenem Lande bin ich einst geritten
Den Weg, der einen finstern Wald durchschnitten;
Die Sonne war geneigt im Untergang,
Nur leise strich der Wind, kein Vogel sang.
Da stieg ich ab, mein Roß am Quell zu tränken,
Mich in den Blick der Wildnis zu versenken.
Vermildernd schien das helle Abendrot
Auf dieses Urwalds grauenvolle Stätte,
Wo ungestört das Leben mit dem Tod
Jahrtausendlang gekämpft die ernste Wette.
Umsonst das Leben hier zu grünen sucht,
Erdrücket von des Todes Überwucht,
Denn endlich hat der Tod, der starke Zwinger,
Die Faust geballt, das Leben eingeschlossen,
Es sucht umsonst, hier, dort hervorzusprossen
Durch Moderstämme, dürre Todesfinger.
Wohin, o Tod, wirst du das Pflanzenleben
In deiner starken Faust und meines heben?
Wirst du sie öffnen? wird sie ewig schließen?
So frug ich bange zweifelnd und empfand
Im Wind das Fächeln schon der Todeshand
Und fühlt es kühler schon im Herzen fließen.
Und lange lag ich auf des Waldes Grund,
Das Haupt gedrückt ins alte, tiefe Laub,
Und starrte, trauriger Gedanken Raub,
Dem Weltgeheimnis in den finstern Schlund.
Wo sind die Blüten, die den Wald umschlangen,
Wo sind die Vögel, die hier lustig sangen?
Nun ist der Wald verlassen und verdorrt,
Längst sind die Blüten und die Vögel fort.
So sind vielleicht gar bald auch mir verblüht
Die schönen Ahndungsblumen im Gemüt;
Und ist der Wuchs des Lebens mir verdorrt,
Sind auch die Vögel, meine Lieder, fort;
Dann bin ich still und tot, wie dieser Baum,
Der Seele Frühling war, wie seiner – Traum.
Als einst der Baum, der nun in Staub verwittert,
So sehnsuchtsvoll empor zum Lichte drang
Und seine Arme ihm entgegen rang,
Als nach dem Himmel jedes Blatt gezittert,
Und als er seinen süßen Frühlingsduft
Beseelend strömte weithin in die Luft –
Schien nicht sein schönes Leben wert der Dauer,
Und starb es hin, ists minder wert der Trauer,
Als mein Gedanke, der sich ewig wähnt?
Als meine Sehnsucht, die nach Gott sich sehnt? –
So lag ich auf dem Grunde schwer beklommen,
Dem Tode nah, wie nie zuvor, gekommen;
Bis ich die dürren Blätter rauschen hörte
Und mich der Huftritt meines Rosses störte;
Es schritt heran zu mir, als wollt es mahnen
Mich an die Dämmerung und unsre Bahnen;
Ich aber rief: »Ists auch der Mühe wert,
Noch einmal zu beschreiten dich, mein Pferd?«
Es blickt' mich an mit stiller Lebenslust,
Die wärmend mir gedrungen in die Brust,
Und ruhebringend wie mit Zaubermacht.
Und auf den tief einsamen Waldeswegen
Ritt ich getrost der nächsten Nacht entgegen,
Und der geheimnisvollen Todesnacht.
An einem Baum
Du Baum, so morsch und lebensarm,
So ausgehöhlt, sei mir gegrüßt;
Wie doch dein froher Bienenschwarm
Die Todeswunde dir versüßt!
Sie wandern fort im raschen Zug,
Sie kehren summend wieder heim
Und bringen dir im Freudenflug
Von fernen Blumen Honigseim.
O Baum, du mahnst mein Herz so schwer
An einen lieben alten Mann;
Gott gebe, kehr ich übers Meer,
Daß ich ihn noch umarmen kann!
Baum, wie du morsch und abgedorrt,
Doch Honig birgt dein altes Reis,
So birgt der Weisheit süßen Hort
In seiner Brust der morsche Greis.
Und seine muntre Bienenschar,
Gedanken fliegen aus und ein
Und bringen Honig süß und klar,
Die reiche Beut aus Wies und Hain;
Oft locket sie von hinnen weit,
Zu Blumen, die kein Herbst uns raubt,
Der Frühlingshauch der Ewigkeit;
Dann senkt er still sein edles Haupt.
Verschiedene Deutung
1.
Sieh, wie des Niagara Wellen
Im Donnerfall zu Staub zerschellen,
Und wie sie, sprühend nun zerflogen,
Empfangen goldne Sonnenstrahlen
Und auf den Abgrund lieblich malen
Den farbenreichen Regenbogen.
O Freund, auch wir sind trübe Wellen,
Und unser Ich, es muß zerschellen,
Nur stäubend in die Luft zergangen,
Wird es das Irislicht empfangen.
2.
»Trüb, farblos waren diese Fluten,
Solang sie noch im Strome wallten;
Sie mußten vielfach sich zerspalten,
Daß sie aufblühn in Farbengluten.
Nun fliegt ein jeder Tropfen einsam,
Ein armes Ich, doch strahlen sie
Im hellen Himmelslicht gemeinsam
Des Bogens Farbenharmonie. «
Niagara
Klar und wie die Jugend heiter,
Und wie murmelnd süßen Traum,
Zieht der Niagara weiter
An des Urwalds grünem Saum;
Zieht dahin im sanften Flusse,
Daß er noch des Waldes Pracht
Widerstrahlt mit froher Muße
Und die Sterne stiller Nacht.
Also sanft die Wellen gleiten,
Daß der Wandrer ungestört
Und erstaunt die meilenweiten
Katarakte rauschen hört.
Wo des Niagara Bahnen
Näher ziehn dem Katarakt,
Hat den Strom ein wildes Ahnen
Plötzlich seines Falls gepackt.
Erd und Himmels unbekümmert
Eilt er jetzt im tollen Zug,
Hat ihr schönes Bild zertrümmert,
Das er erst so freundlich trug.
Die Stromschnellen stürzen, schießen,
Donnern fort im wilden Drang,
Wie von Sehnsucht hingerissen
Nach dem großen Untergang.
Den der Wandrer fern vernommen,
Niagaras tiefen Fall
Hört er nicht, herangekommen,
Weil zu laut der Wogenschall.
Und so mag vergebens lauschen,
Wer dem Sturze näher geht;
Doch die Zukunft hörte rauschen
In der Ferne der Prophet.
Das Blockhaus
Müdgeritten auf langer Tagesreise
Durch die hohen Wälder der Republik,
Führte zu einem Gastwirt mein Geschick;
Der empfing mich kalt, auf freundliche Weise,
Sprach gelassen, mit ungekrümmtem Rücken:
»Guten Abend!« und bot mir seine Hand,
Gleichsam guten Empfangs ein leblos Pfand,
Denn er rührte sie nicht, die meine zu drücken.
Lesen konnt ich in seinen festen Zügen
Seinen lang und treu bewahrten Entschluß:
Auch mit keinem Fingerdrucke zu lügen;
Sicher und wohl ward mir bei seinem Gruß.
Wenig eilte der Mann, mich zu bedienen,
Doch nicht fand ich die Kost so dürr und mager
Wie sein Wort, ich sollte bei ihm ein Lager
Finden weicher und wärmer als seine Mienen.
Winter wars, ich starrte vom Urwaldfroste;
Als ich eintrat in die geheizte Stube,
Sprang mit Fragen heran des Farmers Bube,
Was von meinem Gepäck dies, jenes koste?
Emsig am Tisch sah ich die Weiber schalten;
Und es wurde die Mahlzeit rasch gehalten.
Später schwatzten die männlichen Hausgenossen
Am Kamin, die scharfe Zigarr im Munde,
Von Geschäft und Betrieb, bis eine Stunde
Mir in traulicher Langweil hingeflossen.
Hörbar vor allen sprach des Hauses Vater,
Als ein vielerfahrner Lenker und Rater,
Wechselnd raucht' er und sprach, und aller Augen
Hingen an seinen Lippen, der Alte schien
Aus dem Zigarrenstumpf Erfindung zu saugen;
Schweigend ließ ich die Reden vorüberziehn.
Endlich gewann der Schlaf den stillen Sieg,
Und sie gingen zu Bett; ich blieb allein,
Trank noch eine Flasche vom lieben Rhein,
Als das englische Talergelispel schwieg.
Und zur weit gewanderten deutschen Flasche
Holt ich den Uhland aus meiner Satteltasche.
Ferne der Heimat, tiefst im fremden Wald,
Las ich mir laut den herrlichen ›Held Harald‹.
Eichenstämme warf ich ins lustige Feuer,
Mir die Stube zu hellen und zu wärmen,
Denn die Elfen Haralds sind nicht geheuer,
Lockend hörte ich sie schon im Walde schwärmen.
Aber mit einmal war die Freude geschwunden,
Und mir wollte der Rheinwein nicht mehr munden.
›Uhland! wie stehts mit der Freiheit daheim?‹ die Frage
Sandt ich über Wälder und Meer ihm zu.
Plötzlich erwachte der Sturm aus stiller Ruh,
Und im Walde hört ich die Antwortklage:
Krachend stürzten draußen die nacktgeschälten
Eichen nieder zu Boden, die frühentseelten,
Und im Sturme, immer lauter und bänger,
Hört ich grollen der Freiheit herrlichen Sänger:
»Wie sich der Sturm bricht heulend am festen Gebäude,
Bricht sich Völkerschmerz an Despotenfreude,
Sucht umsonst zu rütteln die festverstockte,
Die aus Freiheitsbäumen zusammengeblockte!«
Traurig war mir da und finster zumut,
Scheiter und Scheiter warf ich in die Glut;
Mir erschien die bewegte Menscbengeschichte
In des Kummers zweifelflackerndem Lichte.
»Diese Stämme verbrennen hier am Herde,
Auf ein kurzes Stündlein mich warm zu halten,
Der ich bald doch werde müssen erkalten,
Der ich selber zu Asche sinken werde.
Gibt es vielleicht gar keine Einsamkeit?
Bin ich selber nur ein verbrennend Scheit?
Und wie ich mich wärme am Eichenstamme,
Wärmt sich vielleicht ein unsichtbarer Gast
Heimlich an meiner zehrenden Lebensflamme,
Schürend und fachend meine Gedankenhast?«
Also führt ich mit mir ein wirres Plaudern;
(Hoffnungsloser Kummer ist ein Phantast,)
Und ich blickte mich um – und mußte schaudern.
Meeresstille
Sturm mit seinen Donnerschlägen
Kann mir nicht wie du
So das tiefste Herz bewegen,
Tiefe Meeresruh!
Du allein nur konntest lehren
Uns den schönen Wahn
Seliger Musik der Sphären,
Stiller Ozean!
Nächtlich Meer, nun ist dein Schweigen
So tief ungestört,
Daß die Seele wohl ihr eigen
Träumen klingen hört;
Daß im Schutz geschloßnen Mundes
Doch mein Herz erschrickt,
Das Geheimnis heilgen Bundes
Fester an sich drückt.
Sturmesmythe
Stumm und regungslos in sich verschlossen
Ruht die tiefe See dahingegossen,
Sendet ihren Gruß dem Strande nicht;
Ihre Wellenpulse sind versunken,
Ungespüret glühn die Abendfunken,
Wie auf einem Totenangesicht.
Nicht ein Blatt am Strande wagt zu rauschen,
Wie betroffen stehn die Bäume, lauschen,
Ob kein Lüftchen, keine Welle wacht?
Und die Sonne ist hinabgeschieden,
Hüllend breitet um den Todesfrieden
Schleier nun auf Schleier stille Nacht.
Plötzlich auf am Horizonte tauchen
Dunkle Wolken, die herüberhauchen
Schwer, in stürmischer Beklommenheit;
Eilig kommen sie heraufgefahren,
Haben sich in angstverworrnen Scharen
Um die stumme Schläferin gereiht.
Und sie neigen sich herab und fragen:
›Lebst du noch?‹ in lauten Donnerklagen,
Und sie weinen aus ihr banges Weh.
Zitternd leuchten sie mit scheuem Grauen
Auf das stille Bett herab und schauen,
Ob die alte Mutter tot, die See?
Nein, sie lebt! sie lebt! der Töchter Kummer
Hat sie aufgestört aus ihrem Schlummer,
Und sie springt vom Lager hoch empor:
Mutter – Kinder – brausend sich umschlingen
Und sie tanzen freudenwild und singen
Ihrer Lieb ein Lied im Sturmeschor.
Wandrer und Wind
Herbstwind, o sei willkommen!
Fünf Tage lag das Meer
So still, so bang beklommen,
Kein Lüftchen zog daher.
O Wind, nach deinem Rauschen
Sehnt ich mich auf der See,
Wie einst mein Jägerlauschen
Im Wald nach Hirsch und Reh,
Wie geht es meinen Wäldern
Am frischen Neckarfluß?
Den heimatlichen Feldern?
Bringst du mir keinen Gruß?
›Entlaubt hab ich die Wälder
Im raschen Wanderzug,
Nahm durch die Stoppelfelder
Den ungehemmten Flug.
Nun ich durch Feld und Auen
Mein Wanderliedlein pfiff,
Komm ich nach euch zu schauen
Im Emigrantenschiff.
Weil alter Liebesbande
Das Schifflein müd und matt,
Jag ichs vom Mutterstrande
Dahin, ein welkes Blatt!‹
Das Wiedersehen
Du heimatliches Tal,
Mir wird so wohl und wehe,
Daß ich dich nun einmal,
Ersehntes! wiedersehe.
Weinberg, sei mir gegrüßt!
Noch grünen deine Reben,
Womit du oft versüßt
Ein herbes Menschenleben;
Viel Herbste schwanden dir,
Die deine Trauben reiften,
Und die vom Herzen mir
So manche Hoffnung streiften.
Noch kenn ich jeden Baum,
Wo ich vor so viel Jahren
Gehegt den Jugendtraum,
Der scheu dahingefahren.
Noch kenn ich jedes Haus;
Doch andre Menschen schreiten
Geschäftig ein und aus,
Als wie zu meinen Zeiten.
Ich frage dort und hier
Nach einem Freund mit Zagen
Und Furcht, ich könnte schier
Nach einem Toten fragen.
Es ist nur noch der Ort,
Wo wir gefreut uns haben,
Die Lieben all sind fort,
Verreiset und begraben.
Drum bleib ich hier nicht lang,
Mich fühlend zu verlassen,
Und tu auch keinen Gang
Bei Tag mehr durch die Straßen.
Erst wenn es worden Nacht
Und schläft des Tags Gebrause,
Schleich ich heran mich sacht
Zu manchem Freundeshause.
Die süße Träumerei
Such ich dann festzuhalten,
Als ob doch alles sei
Geblieben hier beim alten.
Zum Fenster dann empor
Blick ich und lausch und grüße,
Ob mich, den ich verlor,
Der Freund erblicken müsse;
Ich lausch und scheide nicht,
Bis ich zu schauen meine
Sein liebes Angesicht
Im wirren Mondenscheine.
Die Sennin
Schöne Sennin, noch einmal
Singe deinen Ruf ins Tal,
Daß die frohe Felsensprache
Deinem hellen Ruf erwache.
Horch, o Mädchen, wie dein Sang
In die Brust den Bergen drang,
Wie dein Wort die Felsenseelen
Freudig fort und fort erzählen!
Aber einst, wie alles flieht,
Scheidest du mit deinem Lied,
Wenn dich Liebe fortbewogen
Oder dich der Tod entzogen.
Und verlassen werden stehn,
Traurig stumm herübersehn
Dort die grauen Felsenzinnen
Und auf deine Lieder sinnen.
See und Wasserfall
Die Felsen schroff und wild,
Der See, die Waldumnachtung
Sind dir ein stilles Bild
Tiefsinniger Betrachtung.
Und dort, mit Donnerhall
Hineilend zwischen Steinen,
Läßt dir der Wasserfall
Die kühne Tat erscheinen.
Du sollst, gleich jenem Teich,
Betrachtend dich verschließen;
Dann kühn, dem Bache gleich,
Zur Tat hinunterschießen.
Herbstgefühl
Der Buchenwald ist herbstlich schon gerötet,
So wie ein Kranker, der sich neigt zum Sterben,
Wenn flüchtig noch sich seine Wangen färben,
Doch Rosen sinds, wobei kein Lied mehr flötet.
Das Bächlein zieht und rieselt, kaum zu hören,
Das Tal hinab, und seine Wellen gleiten,
Wie durch das Sterbgemach die Freunde schreiten,
Den letzten Traum des Lebens nicht zu stören.
Ein trüber Wandrer findet hier Genossen,
Es ist Natur, der auch die Freuden schwanden,
Mit seiner ganzen Schwermut einverstanden,
Es ist in ihre Klagen eingeschlossen.
Ein Herbstabend
Es weht der Wind so kühl, entlaubend rings die Äste,
Er ruft zum Wald hinein: Gut Nacht, ihr Erdengäste!
Am Hügel strahlt der Mond, die grauen Wolken jagen
Schnell übers Tal hinaus, wo alle Wälder klagen.
Das Bächlein schleicht hinab, von abgestorbnen Hainen
Trägt es die Blätter fort mit halbersticktem Weinen.
Nie hört ich einen Quell so leise traurig klingend,
Die Weid am Ufer steht, die weichen Äste ringend.
Und eines toten Freunds gedenkend lausch ich nieder
Zum Quell, der murmelt stets: wir sehen uns nicht wieder!
Horch! plötzlich in der Luft ein schnatterndes Geplauder:
Wildgänse auf der Flucht vor winterlichem Schauder.
Sie jagen hinter sich den Herbst mit raschen Flügeln,
Sie lassen scheu zurück das Sterben auf den Hügeln.
Wo sind sie? ha! wie schnell sie dort vorüberstreichen
Am hellen Mond und jetzt unsichtbar schon entweichen;
Ihr ahnungsvoller Laut läßt sich noch immer hören,
Dem Wandrer in der Brust die Wehmut aufzustören.
Südwärts die Vögel ziehn mit eiligem Geschwätze;
Doch auch den Süden deckt der Tod mit seinem Netze.
Natur das Ewge schaut in unruhvollen Träumen,
Fährt auf und will entfliehn den todverfallnen Räumen.
Der abgerißne Ruf, womit Zugvögel schweben,
Ist Aufschrei wirren Traums von einem ewgen Leben.
Ich höre sie nicht mehr, schon sind sie weit von hinnen;
Die Zweifel in der Brust den Nachtgesang beginnen:
Ists Erdenleben Schein? – ist es die umgekehrte
Fata Morgana nur, des Ewgen Spiegelfährte?
Warum denn aber wird dem Erdenleben bange,
Wenn es ein Schein nur ist, vor seinem Untergange?
Ist solche Bängnis nur von dem, was wird bestehen,
Ein Widerglanz, daß auch sein Bild nicht will vergehen?
Dies Bangen auch nur Schein? – so schwärmen die Gedanken,
Wie dort durchs öde Tal die Herbstesnebel schwanken.
Liebesklänge
Am Rhein
Wir reisten zusammen mit andern
Zu Schiff hinunter den Rhein,
Es war ein seliges Wandern;
Doch waren wir selten allein.
Sie traten heran, zu lauschen,
Du ließest nur hier und dort
Mir fallen unter das Rauschen
Des Stroms ein heimliches Wort.
Ich sprach: Bald trennt uns die Reise!
Ob hier wir uns wiedersehn?
»Dort vielleicht einst!« sagtest du leise,
Ich konnte dich kaum verstehn.
Wir flogen vorüber am Strande,
Der Dampf durchbrauste den Schlot,
Wie ein zorniger Neger die Bande
Wildschnaubend zu sprengen droht.
Und sie begannen zu preisen,
Wie schnell man sich heute bewegt,
Und wie das rührige Eisen
Man über die Straßen legt;
Als wollten zu Grabe sie tragen
Des Elends türmenden Wust
Und wieder das Eden erjagen,
Den uralt bittern Verlust.
Es hat doch den rechten Fergen
Das Schifflein lange noch nicht,
Solange noch Liebe verbergen
Sich muß wie ein Sündergesicht,
Noch lange nicht hat, ihr Gesellen,
Das Eisen den rechten Guß,
Wenn sich die Liebe bestellen
Noch hinter die Gräber muß!
So dacht ich und blickte verdrossen
Hinab in die rollende Flut;
Dich umringten deine Genossen
Und scherzten; die hatten es gut.
Die Nacht war dunkelnd gekommen,
Da stiegen am Strande wir aus,
Ich folgte dir stumm und beklommen
Von ferne bis an dem Haus.
Und als du, noch einmal nickend,
Verschwunden im schließenden Tor,
Stand ich eine Weile noch, blickend
Nach deinem Fenster empor.
Ich schied von deinem Quartiere
Und ging hinüber in meins,
Das lag im fernen Reviere
Am andern Ufer des Rheins.
Ich betrat mein trauriges Zimmer
Und starrte unverwandt
Hinüber zum Kerzenschimmer,
Den mir dein Fenster gesandt.
Die Lichter drüben am Strande
Erloschen nach und nach,
Doch wie zu traulichem Pfände
Blieb deines immer noch wach.
Wie ich im einsamen Leide
Hinstarrte über die Flut:
Als wären gestorben wir beide,
Ward mir mit einmal zumut;
Als trennten uns weite Welten,
Ward mir mit einem Mal,
Den Erdengram zu vergelten
Mit ewiger Sehnsucht Qual;
Als blinkte dein Lichtlein so ferne
In meine Finsternis
Von einem entlegenen Sterne,
Der dich mir auf immer entriß.
Mir spielten, wie Tränendiebe,
Nachtwinde ums Augenlid,
Wie der Geist unglücklicher Liebe,
Der über die Erde zieht.
An *
Ach wärst du mein, es war ein schönes Leben!
So aber ists Entsagen nur und Trauern,
Nur ein verlornes Grollen und Bedauern;
Ich kann es meinem Schicksal nicht vergeben.
Undank tut wohl und jedes Leid der Erde;
Ja! meine Freund' in Särgen, Leich an Leiche,
Sind ein gelinder Gram, wenn ichs vergleiche
Dem Schmerz, daß ich dich nie besitzen werde.
Der schwere Abend
Die dunklen Wolken hingen
Herab so bang und schwer,
Wir beide traurig gingen
Im Garten hin und her.
So heiß und stumm, so trübe
Und sternlos war die Nacht,
So ganz wie unsre Liebe
Zu Tränen nur gemacht.
Und als ich mußte scheiden
Und gute Nacht dir bot,
Wünscht ich bekümmert beiden
Im Herzen uns den Tod.
Traurige Wege
Bin mit dir im Wald gegangen;
Ach, wie war der Wald so froh!
Alles grün, die Vögel sangen,
Und das scheue Wild entfloh.
Wo die Liebe frei und offen
Rings von allen Zweigen schallt,
Ging die Liebe ohne Hoffen
Traurig durch den grünen Wald. –
Bin mit dir am Fluß gefahren;
Ach, wie war die Nacht so mild!
Auf der Flut, der sanften, klaren,
Wiegte sich des Mondes Bild.
Lustig scherzten die Gesellen;
Unsre Liebe schwieg und sann,
Wie mit jedem Schlag der Wellen
Zeit und Glück vorüberrann. –
Graue Wolken niederhingen,
Durch die Kreuze strich der West,
Als wir einst am Kirchhof gingen;
Ach wie schliefen sie so fest!
An den Kreuzen, an den Steinen
Fand die Liebe keinen Halt;
Sahen uns die Toten weinen,
Als wir dort vorbeigewallt?
Einsamkeit
Wild verwachsne dunkle Fichten,
Leise klagt die Quelle fort;
Herz, das ist der rechte Ort
Für dein schmerzliches Verzichten!
Grauer Vogel in den Zweigen!
Einsam deine Klage singt,
Und auf deine Frage bringt
Antwort nicht des Waldes Schweigen.
Wenns auch immer schweigen bliebe,
Klage, klage fort; es weht,
Der dich höret und versteht,
Stille hier der Geist der Liebe.
Nicht verloren hier im Moose,
Herz, dein heimlich Weinen geht,
Deine Liebe Gott versteht,
Deine tiefe, hoffnungslose!
Wunsch
Urwald, in deinem Brausen
Und ernsten Dämmerschein
Mit der Geliebten hausen
Möcht ich allein – allein!
Von deinen schlanksten Bäumen
Baut ich ein Hüttlein traut
Mir aus zu Himmelsräumen;
O komm, du schöne Braut!
Ich legte Moosgebreite
Weich unter ihren Schritt,
Und meine Liebe streute
Ich unter ihren Tritt.
Für sie das Wild erjagen,
Aus tiefster Schlucht empört!
Für sie den Feind erschlagen,
Der unsern Frieden stört!
Ich würd in Mondesnächten,
Beim stillen Sternentanz,
Von wilden Liedern flechten
Um meine Braut den Kranz;
Und in den Abendgluten
Am Fels hier oben stehn,
Mit ihr die Donnerfluten
Zum Abgrund stürzen sehn;
Und weit hinunter blicken
Ließ' sie mein starker Arm;
Wie würd ich sie dann drücken
Ans Herz so fest und warm!
Neid der Sehnsucht
Die Bäche rauschen
Der Frühlingssonne,
Hell singen die Vögel,
Es lauschen die Blüten,
Und sprachlos ringen
Sich Wonnedüfte
Aus ihrem Busen;
Und ich muß trauern,
Denn nimmer strahlt mir
Dein Aug, o Geliebte! –
Nicht über den Wellen
Des Ozeanes,
Nicht über den Sternen
Und nicht im Lande
Der Phantasien
Ist meine Heimat;
Ich finde sie nur
In deinem Auge!
Was je mir freudig
Beseelte das Leben,
Was nach dem Tode
Mir weckte die Sehnsucht,
Entschwundner Kindheit
Fröhliche Tage
Und meiner Jugend
Himmlische Träume,
Von meinen Toten
Trauliche Grüße
Und meiner Gottheit
Stärkenden Anblick,
Das alles find ich
In deinem Auge,
O meine Geliebte!
Nun bist du ferne,
Und bitter beneiden
Muß jeden Stein ich
Und jede Blume,
Beneiden die kalten
Menschen und Sterne,
An die du vergeudest
Die süßen Blicke.
Meine Furcht
O stürzt, ihr Wolkenbrüche,
Zum Abgrund nur hinab!
O reißt, ihr Sturmesflüche,
Die Wälder in ihr Grab!
O flammt, ihr Blitzesgluten,
O rase, Donnerklang!
Ihr könnt mich nicht entmuten,
Mir wird vor euch nicht bang.
Wenn ihr aufs Herz mir zielet,
Euch acht' ich Kinder nur,
Daß ihr Vernichten spielet,
Entsprangt ihr der Natur!
Wohl spott ich Sturmesgrimme
Und wildem Donnerscherz;
Und doch vor einer Stimme
Erzittert mir das Herz;
Die schnell das Herz mir bräche,
Die Stimme fürcht ich sehr,
Wenn die Geliebte spräche:
Ich liebe dich nicht mehr!
Wunsch
Fort möcht ich reisen
Weit, weit in die See,
O meine Geliebte,
Mit dir allein!
Die Dränger und Lauscher
Und kalten Störer,
Sie hielt' uns ferne
Der wallende Abgrund,
Das drohende Meer,
Wir wären so sicher
Und selig allein.
Und käme der Sturm,
Ich würde dich halten
An meiner Brust.
Wenn donnernde Wogen
Zum Himmel schlügen,
Doch höher schlüge
Mein trunkenes Herz;
Und meine Liebe,
Die ewige, starke,
Sie würde frohlockend
Dich halten im Sturm.
Du würdest zitternd
Mir blicken ins Auge
Und würdest erblicken,
Was nimmer scheitert
In allen Stürmen,
Und würdest lächeln
Und nicht mehr zittern.
Sieh, nun ermüdet
Der tobende Aufruhr,
In Schlummer sinken
Die Wellen und Winde,
Und über den Wassern
Ist tiefe Stille.
Da ruhst du sinnend
An meiner Brust.
So tiefe Stille:
Mein lauschendes Herz
Hört Antwort pochen
Dein lauschendes Herz.
Wir sind allein,
Doch flüsterst du leise,
Um nicht zu stören
Das sinnende Meer.
Nur sanft erzittern
Die Lippen dir,
Die schwellenden Blätter
Der süßen Rose,
Ich sauge dein Wort,
Den klingenden Duft
Der süßen Rose.
Im Osten hebt sich
Der klare Mond,
Und Gott bedecket
Den Himmel mit Sternen,
Und ich bedecke,
Selig wie er,
Dein liebes Antlitz,
Den schönern Himmel,
Mit feurigen Küssen.
An den Wind
Ich wandre fort ins ferne Land;
Noch einmal blickt ich um, bewegt,
Und sah, wie sie den Mund geregt,
Und wie gewinket ihre Hand.
Wohl rief sie noch ein freundlich Wort
Mir nach auf meinen trüben Gang,
Doch hört ich nicht den liebsten Klang,
Weil ihn der Wind getragen fort.
Daß ich mein Glück verlassen muß,
Du rauher, kalter Windeshauch,
Ists nicht genug, daß du mir auch
Entreißest ihren letzten Gruß?
An die Entfernte
1.
Diese Rose pflück ich hier,
In der fremden Ferne;
Liebes Mädchen, dir, ach dir
Brächt ich sie so gerne!
Doch bis ich zu dir mag ziehn
Viele weite Meilen,
Ist die Rose längst dahin,
Denn die Rosen eilen.
Nie soll weiter sich ins Land
Lieb von Liebe wagen,
Als sich blühend in der Hand
Läßt die Rose tragen;
Oder als die Nachtigall
Halme bringt zum Neste,
Oder als ihr süßer Schall
Wandert mit dem Weste.
2.
Rosen fliehen nicht allein
Und die Lenzgesänge,
Auch dein Wangenrosenschein,
Deine süßen Klänge.
O, daß ich, ein Tor, ein Tor,
Meinen Himmel räumte!
Daß ich einen Blick verlor,
Einen Hauch versäumte!
Rosen wecken Sehnsucht hier,
Dort die Nachtigallen,
Mädchen, und ich möchte dir
In die Arme fallen!
Meine Rose
Dem holden Lenzgeschmeide,
Der Rose, meiner Freude,
Die schon gebeugt und blasser
Vom heißen Strahl der Sonnen,
Reich' ich den Becher Wasser
Aus tiefem Bronnen.
Du Rose meines Herzens!
Vom stillen Strahl des Schmerzens
Bist du gebeugt und blasser;
Ich möchte dir zu Füßen,
Wie dieser Blume Wasser,
Still meine Seele gießen!
Könnt ich dann auch nicht sehen
Dich auferstehen.
An*
O wag es nicht, mit mir zu scherzen,
Zum Scherze schloß ich keinen Bund;
O spiele nicht mit meinem Herzen,
Weißt du noch nicht, wie sehr es wund?
Weil ich so tief für dich entbrannte,
Weil ich mich dir gezeigt so weich,
Dem Herz die süße Heimat nannte
Und deinen Blick mein Himmelreich:
O rüttle nicht den Stolz vom Schlummer,
Der süßer Heimat sich entreißt,
Dem Himmel, mit verschwiegnem Kummer,
Auf immerdar den Rücken weist.
Kommen und Scheiden
So oft sie kam, erschien mir die Gestalt
So lieblich, wie das erste Grün im Wald.
Und was sie sprach, drang mir zum Herzen ein
Süß, wie des Frühlings erstes Lied im Hain.
Und als Lebwohl sie winkte mit der Hand,
Wars, ob der letzte Jugendtraum mir schwand.
Liebesfrühling
Ich sah den Lenz einmal
Erwacht im schönsten Tal;
Ich sah der Liebe Licht
Im schönsten Angesicht.
Und wandl ich nun allein
Im Frühling durch den Hain,
Erscheint aus jedem Strauch
Ihr Angesicht mir auch.
Und seh ich sie am Ort,
Wo längst der Frühling fort,
So sprießt ein Lenz und schallt
Um ihre süße Gestalt.
Frage nicht
Wie sehr ich dein, soll ich dir sagen?
Ich weiß es nicht und will nicht fragen;
Mein Herz behalte seine Kunde,
Wie tief es dein im Grunde.
O still! ich möchte sonst erschrecken,
Könnt ich die Stelle nicht entdecken,
Die unzerstört für Gott verbliebe
Beim Tode deiner Liebe.
Sonette
Frage
Bist du noch nie beim Morgenschein erwacht
Mit schwerem Herzen, traurig und beklommen,
Und wußtest nicht, wie du auch nachgedacht,
Woher ins Herz der Gram dir war gekommen?
Du fühltest nur: ein Traum wars in der Nacht;
Des Traumes Bilder waren dir verschwommen,
Doch hat nachwirkend ihre dunkle Macht
Dich, daß du weinen mußtest, übernommen.
Hast du dich einst der Erdennacht entschwungen,
Und werden, wie du meinst, am hellen Tage
Verloren sein des Traums Erinnerungen:
Wer weiß, ob nicht so deine Schuld hienieden
Nachwirken wird als eine dunkle Klage
Und dort der Seele stören ihren Frieden?
Jugend und Liebe
Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Winden;
Wenn, jung getrennt, sich wiedersehn die Alten,
Sie meinen doch, in ihren ernsten Falten
Den Strahl der süßen Jugend noch zu finden.
Des Dauerns Wahn, wer läßt ihn gerne schwinden?
Mag auch ein Herz, das uns geliebt, erkalten,
Wir suchen immer noch den Traum zu halten,
Nur stiller sei geworden sein Empfinden.
Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Lüften;
Noch leichter als die Jugend flieht die Liebe,
Die nur des Blattes wonnereiches Düften.
Und dennoch an den herben Tod des Schönen,
Im treuen Wahn, als ob es ihm noch bliebe,
Kann sich das Herz auch sterbend nicht gewöhnen.
Der Salzburger Kirchhof
O schöner Ort, den Toten auserkoren
Zur Ruhestätte für die müden Glieder!
Hier singt der Frühling Auferstehungslieder,
Vom treuen Sonnenblick zurückbeschworen.
Wenn alle Schmerzen auch ein Herz durchbohren,
Dem man sein Liebstes senkt zur Grube nieder,
Doch glaubt es leichter hier: wir sehn uns wieder,
Es sind die Toten uns nicht ganz verloren.
Der fremde Wandrer, kommend aus der Ferne,
Dem hier kein Glück vermodert, weilt doch gerne
Hier, wo die Schönheit Hüterin der Toten.
Sie schlafen tief und sanft in ihren Armen,
Worin zu neuem Leben sie erwarmen;
Die Blumen winkens, ihre stillen Boten.
Nachhall
Ein Wandrer läßt sein helles Lied erklingen:
Nun schweigt er still und schwindet in den Föhren;
Ich möchte länger noch ihn singen hören,
Doch tröst ich mich: er kann nicht ewig singen.
Der Wandrer schweigt, doch jene Felsen bringen
Mir seinen Widerhall in dunklen Chören,
Als wollten sie sein Lied zurückbeschwören,
Nun ist es still – den Quell nur hör ich springen.
Der Wandrer schwieg und schied; ich sprach gelassen:
Fahr wohl! Warum denn fühl ich jetzt ein Trauern,
Daß länger nicht sein Nachhall mochte dauern?
Mehr als des Menschen Tod will michs erfassen,
Wenn ihn bereits nach wenig Tagesneigen
Hier, dort noch einer nennt – bis alle schweigen.
Die Asketen
O spottet nicht der traurigen Asketen,
Daß sie den Leib mit scharfen Leiden plagen,
Die süßen Erdenfreuden sich versagen,
Die flüchtigen, nur allzuschnell verwehten!
Nebst solchen, die das Futter gierig mähten,
Seit des verlornen Paradieses Tagen,
Hat eine Schar von Herzen stets geschlagen,
Die, abgewandt, die Weide hier verschmähten.
Ein schüchternes Gefühl: ›Wir sind gefallen!‹
Hält sie vom lauten Freudenmarkt zurück,
Heißt sie den Pfad einsamer Dornen wallen.
Es wächst ihr Ernst, wenn sie vorüberstreifen
An einem unverdienten Erdenglück;
Die Scham verbietet, keck darnach zu greifen.
Der Seelenkranke
Ich trag im Herzen eine tiefe Wunde
Und will sie stumm bis an mein Ende tragen;
Ich fühl ihr rastlos immer tiefres Nagen,
Und wie das Leben bricht von Stund zu Stunde.
Nur eine weiß ich, der ich meine Kunde
Vertrauen möchte und ihr alles sagen;
Könnt ich an ihrem Halse schluchzen, klagen!
Die eine aber liegt verscharrt im Grunde.
O Mutter, komm, laß dich mein Flehn bewegen!
Wenn deine Liebe noch im Tode wacht,
Und wenn du darfst, wie einst, dein Kind noch pflegen,
So laß mich bald aus diesem Leben scheiden.
Ich sehne mich nach einer stillen Nacht,
O hilf dem Schmerz, dein müdes Kind entkleiden.
1. Stimme des Windes
In Schlummer ist der dunkle Wald gesunken,
Zu träge ist die Luft, ein Blatt zu neigen,
Den Blütenduft zu tragen, und es schweigen
Im Laub die Vögel und im Teich die Unken.
Leuchtkäfer nur, wie stille Traumesfunken
Den Schlaf durchgaukelnd, schimmern in den Zweigen,
Und süßer Träume ungestörtem Reigen
Ergibt sich meine Seele, schweigenstrunken.
Horch! überraschend saust es in den Bäumen
Und ruft mich ab von meinen lieben Träumen,
Ich höre plötzlich ernste Stimme sprechen;
Die aufgeschreckte Seele lauscht dem Winde
Wie Worten ihres Vaters, der dem Kinde
Zuruft, vom Spiele heimwärts aufzubrechen.
2. Stimme des Regens
Die Lüfte rasten auf der weiten Heide,
Die Disteln sind so regungslos zu schauen,
So starr, als wären sie aus Stein gehauen,
Bis sie der Wandrer streift mit seinem Kleide.
Und Erd und Himmel haben keine Scheide,
In eins gefallen sind die nebelgrauen,
Zwei Freunden gleich, die sich ihr Leid vertrauen,
Und Mein und Dein vergessen traurig beide.
Nun plötzlich wankt die Distel hin und wider,
Und heftig rauschend bricht der Regen nieder,
Wie laute Antwort auf ein stummes Fragen.
Der Wandrer hört den Regen niederbrausen,
Er hört die windgepeitschte Distel sausen,
Und eine Wehmut fühlt er, nicht zu sagen.
3. Stimme der Glocken
Den glatten See kein Windeshauch verknittert,
Das Hochgebirg, die Tannen, Klippen, Buchten,
Die Gletscher, die von Wolken nur besuchten,
Sie spiegeln sich im Wasser unzersplittert.
Das dürre Blatt vom Baume hörbar zittert,
Und hörbar rieselt nieder in die Schluchten
Das kleinste Steinchen, das auf ihren Fluchten
Die Gemse schnellt, wenn sie den Jäger wittert.
Horch! Glocken in der weiten Ferne tönend,
Den Gram mir weckend und zugleich versöhnend,
Dort auf der Wiese weiden Alpenkühe.
Das Läuten mahnt mich leise an den Frieden,
Der von der Erd auf immer ist geschieden
Schon in der ersten Paradiesesfrühe.
4. Stimme des Kindes
Ein schlafend Kind! o still! in diesen Zügen
Könnt ihr das Paradies zurückbeschwören;
Es lächelt süß, als lauscht es Engelchören,
Den Mund umsäuselt himmlisches Vergnügen.
O schweige, Welt, mit deinen lauten Lügen,
Die Wahrheit dieses Traumes nicht zu stören!
Laß mich das Kind im Traume sprechen hören
Und mich, vergessend, in die Unschuld fügen!
Das Kind, nicht ahnend mein bewegtes Lauschen,
Mit dunklen Leuten hat mein Herz gesegnet,
Mehr als im stillen Wald des Baumes Rauschen;
Ein tiefres Heimweh hat mich überfallen,
Als wenn es auf die stille Heide regnet,
Wenn im Gebirg die fernen Glocken hallen.
Doppelheimweh
Zwiefaches Heimweh hält das Herz befangen,
Wenn wir am Rand des steilen Abgrunds stehn
Und in die Grabesnacht hinuntersehn,
Mit trüben Augen, todeshohlen Wangen.
Das Erdenheimweh läßt uns trauern, bangen,
Daß Lust und Leid der Erde muß vergehn;
Das Himmelsheimweh fühlts herüberwehn
Wie Morgenluft, daß wir uns fortverlangen.
Dies Doppelheimweh tönt im Lied der Schwäne,
Zusammenfließt in unsre letzte Träne
Ein leichtes Meiden und ein schweres Scheiden.
Vielleicht ist unser unerforschtes Ich
Vor scharfen Augen nur ein dunkler Strich,
In dem sich wunderbar zwei Welten schneiden.
Einsamkeit
1.
Hast du schon je dich ganz allein gefunden,
Lieblos und ohne Gott auf einer Heide,
Die Wunden schnöden Mißgeschicks verbunden
Mit stolzer Stille, zornig dumpfem Leide?
War jede frohe Hoffnung dir entschwunden,
Wie einem Jäger an der Bergesscheide
Stirbt das Gebell von den verlornen Hunden,
Wie's Vöglein zieht, daß es den Winter meide?
Warst du auf einer Heide so allein,
So weißt du auch, wie's einen dann bezwingt,
Daß er umarmend stürzt an einen Stein;
Daß er, von seiner Einsamkeit erschreckt,
Entsetzt empor vom starren Felsen springt
Und bang dem Winde nach die Arme streckt.
2.
Der Wind ist fremd, du kannst ihn nicht umfassen,
Der Stein ist tot, du wirst beim kalten, derben
Umsonst um eine Trosteskunde werben,
So fühlst du auch bei Rosen dich verlassen;
Bald siehst du sie, dein ungewahr, erblassen,
Beschäftigt nur mit ihrem eignen Sterben.
Geh weiter: überall grüßt dich Verderben
In der Geschöpfe langen dunklen Gassen;
Siehst hier und dort sie aus den Hütten schauen,
Dann schlagen sie vor dir die Fenster zu,
Die Hütten stürzen, und du fühlst ein Grauen.
Lieblos und ohne Gott! der Weg ist schaurig,
Der Zugwind in den Gassen kalt; und du? –
Die ganze Welt ist zum Verzweifeln traurig.
Palliativ
Ist Gras gewachsen über die Geschichte,
Weiß nicht mehr recht, wie sie sich zugetragen;
Nur manchmal schwebt mirs vor im Dämmerlichte,
Als hätt ich einer Schuld mich anzuklagen.
Doch abgewandt vom störenden Gesichte,
Ruf ichs nicht an und will es nicht befragen,
Weil Blick und Mut ich in die Zukunft richte;
Ich schlage mich nicht gern mit alten Tagen.
»Wenn dir der Sensenmann den Leib hinstrecket,
Wird er auch säuberlich das Gras dir mähen,
Das jene Schuldgeschichte dir verdecket.
Kehr mutig um zu den verlaßnen Bühnen,
Die Schuld mit scharfem Reueblick zu sehen;
Soll sie dir sterben, eile, sie zu sühnen.«
Vermischte Gedichte
Zueignung
Von allen, die den Sänger lieben,
Die, was ich fühlte, nachempfanden,
Die es besprochen und beschrieben,
Hat niemand mich wie du verstanden.
Des Herzens Klagen heiß und innig,
Die liedgeworden ihm entklangen,
Hat deine Seele, tief und sinnig,
Getreuer als mein Lied empfangen.
Die Schauer, die mein Herz durchwehten,
Die unerfaßlich meinem Sänge,
Sie sprachen, tröstende Propheten,
In deines Wortes süßem Klange.
Und dürft ich ahnend in den Bronnen
Der göttlichen Gedanken sinken,
So sah ich klar die dunklen Wonnen
In deinem schönen Auge blinken.
Der Himmel taut in finstern Hainen
Zum Lied der Nachtigallen nieder,
Und deine Augen sah ich weinen
Herab auf meine bangen Lieder.
Seh ich der Augen Zauberkreise
Gesenkt, geschwellt, in trauter Nähe,
Ists, ob ich deine Seele leise
Die Luft der Tugend atmen sehe.
Dein ist mein Herz, mein Schmerz dein eigen,
Und alle Freuden, die es sprengen,
Dein ist der Wald mit allen Zweigen,
Mit allen Blüten und Gesängen.
Das Liebste, was ich mag erbeuten
Mit Liedern, die mein Herz entführten,
Ist mir ein Wort, daß sie dich freuten,
Ein stummer Blick, daß sie dich rührten.
Und sollt ich nach dem hellen Ruhme
Mich manchmal auch am Wege bücken,
So will ich mit der schönen Blume
Nur, Freundin, dir den Busen schmücken.
Traumgewalten
Der Traum war so wild, der Traum war so schaurig
So tief erschütternd, unendlich traurig.
Ich möchte gerne mir sagen:
Daß ich a fest geschlafen hab,
Daß ich ja nicht geträumet hab,
Doch rinnen mir noch die Tränen herab,
Ich höre mein Herz noch schlagen.
Ich bin erwacht in banger Ermattung,
Ich finde mein Tuch durchnäßt am Kissen,
Wie mans heimbringt von einer Bestattung;
Hab ichs im Traume hervorgerissen
Und mir getrocknet das Gesicht?
Ich weiß es nicht.
Doch waren sie da, die schlimmen Gäste,
Sie waren da zum nächtlichen Feste.
Ich schlief, mein Haus war preisgegeben,
Sie führten darin ein wüstes Leben.
Nun sind sie fort, die wilden Naturen;
In diesen Tränen find ich die Spuren,
Wie sie mir alles zusammen gerüttet
Und über den Tisch den Wein geschüttet.
Einem Greis
Das Haar schneeweiß,
Die Wangen so hohl,
Bald, bald Lebwohl;
Und noch die Stirne so heiß?
Dein Schifflein stoßt
Schon ins Meer, zum Land
Streckst du die Hand
Noch, überhangend, um Trost;
Um Trost und Genuß,
Um Hab und Halt,
Und bist schon so alt:
»O daß man sterben muß!«
Zieh ein die Hand!
Den Bück hinaus
Ins Meer! nach Haus!
Denk an den ewigen Strand!
Nicht scheide so schwer;
Wenn du rückverlangst
Und überhangst,
So sinkst du hinab ins Meer.
An die Biologen
Die Wahrheit hat die Kunde
Vom tiefen Lebensgrunde
Als winzgen Zettel
In eine Nuß getan
Und warf den Bettel
In den Ozean.
Das Meer ist groß, die Nuß ist klein;
Hat wohl am kleinen Wunderschrein
Schon ein Pilot vorbeigeflucht?
Sucht! sucht! –
Die Wahrheit schrieb die Kunde
Vom tiefen Lebensgrunde
Wohl einem Voglern auf den Kopf,
Untern Schopf,
Auf des Hirnes glatte Schale;
Das Vöglein flog in alle Welt,
Ihm ward durch Berg' und Tale
Bis jetzt vergeblich nachgestellt.
Nur zugeforscht! wer weiß denn auch,
Ob nicht der Vogel euren Strauch
Zu seinem Sitze auserkiest
Und, frohgelaunt, bei Frühlingswettern
Von seinen schopfgeborgnen Lettern
Euch singend was herunterliest!
Ist auch das Vöglein auf der Flucht,
Sucht! sucht!
Kruzifix
Hält der Mensch die Blicke himmelwärts
Und die Arme liebend ausgebreitet,
Um die Welt zu drücken an sein Herz,
Hat er sich zur Kreuzigung bereitet.
Solche Lieb ist selten auf der Erde;
Daß ihr Bild die Welt nicht ganz verläßt,
Hielt am Kreuz die Menschheit eilig fest,
Jesus, deine liebende Gebärde!
Scheu
Unglück hat sein Herz gespalten,
Laßt den stillen Mann allein;
Wie sich nicht genaht die Alten
Einem blitzgetroffnen Hain.
Stört mit Worten nicht des Streitrs,
Nicht mit Liebe seinen Schmerz;
Ehret als ein blitzgeweihtes
Enelysion dieses Herz.
Heimatklang
Als sie vom Paradiese ward gezwungen,
Kam jeder Seele eine Melodie
Zum Lebewohl süß schmerzlich nachgeklungen,
Darauf umschloß die Erdenhülle sie.
Noch ist dies Lied nicht völlig uns verdrungen,
Doch tönt es leiser stets auf Erden hie.
Gib acht, o Herz, daß in den Schütterungen
Dir nicht des Liedes letzter Hauch entflieh!
Ein Nachhall dieses Liedes ist entsprungen
Des Morgenlandes süße Poesie,
Von Jugendträumen wirds manchmal gesungen,
Doch dunkel, unbewußt woher? und wie?
Wem aber einmal klar und voll geklungen
Die wunderbare Heimatmelodie,
Der wird von bangem Heimweh tief durchdrungen,
Und er genest von seiner Sehnsucht nie.
Zuflucht
Armes Wild im Waldesgrunde,
Schlägt die Jagd dir eine Wunde,
Flüchtest du zur tiefsten Stelle,
An des Walds geheimste Quelle,
Daß sie dir mit frischer Kühle
Lindernd deine Wunde spüle.
Mensch, du flieh mit deinem Schmerz
An die heimatlichste Stelle,
An des Trostes reinste Quelle,
Flüchte an das Mutterherz.
Doch die Mütter sterben bald;
Hat man dir begraben deine,
Flüchte in den tiefsten Wald
Mit dem wunden Reh – und weine!
Zeiger
Meiner Schwester liebe Sprossen,
Ha, wie seid ihr aufgeschossen,
Seit ich über Berg und Tal
Von euch schied das letzte Mal!
Da ihr wachset und euch dehnet,
Sonnenzeiger unsrer Tage,
Mahnt ihr, wie das Leben jage,
Das ihr fest und ewig wähnet.
Kinderwuchs und Abendschatten
Zeigt dem Wandrer auf dem Steige
Abgemähter Blumenmatten,
Wie sich ihm die Sonne neige.
Frühlingsgrüße
Nach langem Frost, wie weht die Luft so lind!
Da bringt Frühveilchen mir ein bettelnd Kind.
Es ist betrübt, daß so den ersten Gruß
Des Frühlings mir das Elend bringen muß.
Und doch der schönen Tage liebes Pfand
Ist mir noch werter aus des Unglücks Hand.
So bringt dem Nachgeschlechte unser Leid
Die Frühlingsgrüße einer bessern Zeit.
An Luise
Ich höre nicht den Sarg verhämmern,
Wie Freundespflicht mir sonst gebot,
Doch denk ich hier im Waldesdämmern
Einsam gerührt an deinen Tod.
Nun läuten die Begräbnisglocken,
Der Wind, bewegt von ihrem Klang,
Flieht in den Wald, und Blütenflocken
Streift er von allen Zweigen bang.
Die jungen Blüten zittern leise
Und freudig nieder in den Staub,
Als das Gefolge deiner Reise
Sind gerne sie des Todes Raub. –
Du bist mir nah im Waldesgrunde
In der Erinnrung ewgem Strahl,
Wie einst in jener Abendstunde,
Als ich dich sah zum letzten Mal!
Ich schau dein Angesicht, dein bleiches,
Das tiefe Schwermut überzieht,
Ich schau dein Aug, dein dunkles, weiches,
Wie es in andre Welten sieht;
Und wie du ins Klavier versunken,
So träumerisch, so ernst und mild,
Und wie dem Liede, himmelstrunken,
Du selber wirst ein schönes Bild;
Wie dich der große Geist umranket,
Den sie Beethoven nannten hie,
Wie deine zarte Bildung schwanket
Im Sturme seiner Melodie;
Der Geist, dem seliges Verderben
Das Erdenleben sich entlauscht,
In dessen Lied viel süßes Sterben
Und Harmonie des Todes rauscht.
Sein Herz, von Sehnsuchtsqual zerklüftet,
Zieht dich hinab in seinen Brand,
Und deine trunkne Seele lüftet
Der Erdenhülle leichtes Band.
Mir ist das Scherzo nicht verklungen,
Wo nach Adagios wildem Schrei
Der heiße Schmerz sich matt gerungen
Zu träumerischer Tändelei:
So spielt der Jüngling an der Bahre
Der Braut, wenn schon das Herz ihm bricht,
Noch tändelnd mit dem Lockenhaare,
Und starrend in ihr tot Gesicht. –
Du bist dahin! Nichts konnte retten
Und halten dich bei uns zurück,
Kalt knickte alle Liebesketten
Das unerbittliche Geschick.
Es brachte dir in Sterbensstunden
Die frommgetäuschte gute Frau
Im letzten Wahn, du sollst gesunden,
Noch einen Becher Maientau.
Aufblüht die Heideblume wieder,
Die schon dem Tode nickte zu,
Weint still die Nacht ihr Mitleid nieder,
Doch nicht, gebrochne Blume, du! –
Mich Fernen auch erfaßt die Klage,
Die mich dem Waldesgrund entreißt,
Mir flieht das Bild vergangner Tage,
An deinem Sarge steht mein Geist.
Um den sie alle weinen müssen,
Du Jungfrau hold! zu deinem Schrein
Drängt sich, dich einmal noch zu küssen,
Dein Herzensfreund, der Frühling ein.
Das bange Scherzo hör ich klingen
Um dich, so starr und still du auch,
Mit deines Haares dunkeln Ringen
Spielt schmerzlich noch des Frühlings Hauch.
Jetzt aber wird der Sarg geschlossen,
Auf immer deine Lichtgestalt
Aus unserm Angesicht verstoßen;
Im Schollenwurf dein Lied verhallt.
Nur deine Mutter hör ich weinen;
O schwiege doch der Freunde Trost!
Für eine Mutter gibt es keinen,
Ein Dolch ins Herz ist ihr sein Frost.
Dem Schmerz nach ihrem lieben Kinde
Bleibt bis zum Tod ihr Herz geweiht,
Wenn auch des Trostes kühle Rinde
Den Freunden einst dein Grab verschneit.
Und soll sie einst dich wiederhaben,
Durchzuckt das weiche Mutterherz,
Daß sie dich hier so früh begraben,
Im Himmel noch ein leiser Schmerz.
Täuschung
Das Käuzlein traurig ruft in öder Felsenritze
Und grüßt mit seinem Lied des Himmels wilde Blitze.
Als wie ein schwarzer Aar, des Flügel Feuer fingen,
So schlägt die schwarze Nacht die feuervollen Schwingen.
Es glänzt die Regenflut, der finstern Nacht entsunken,
Manchmal im Wetterschein wie diamantne Funken.
So kann in banger Nacht ein Strom von heißen Zähren
Im hellen Wetterschein des Unglücks sich verklären.
Verfangen in der Schlucht, die lauten Winde rasen,
Die zu der Wolkenschlacht die Riesentuba blasen.
Mit Stimmen mannigfalt hör ich den Gießbach klingen,
Wie Donner, Kauz und Wind scheint er zugleich zu singen. –
Doch nein! mich täuscht mein Sinn, als ob zum Wettergrimme
Mit kläglichem Geschrei das Felsenkäuzlein stimme;
Daß Wolkenschlachtmusik die lauten Winde keuchten,
Und daß der Blitz geflammt, den Regen zu beleuchten;
Und daß der Felsenbach den Wetterstimmen allen
Antworten will zugleich in dumpfen Widerhallen.
Einsame Klagen sinds, weiß keine von der andern,
Wenn sie zusammen auch im wilden Chore wandern.
Drum ist die Erde ja ums Paradies betrogen,
Daß ihre Luft ertönt von dunklen Monologen.
Wenn alle Klagen einst in diesen Erdengründen,
Was jede heimlich meint, einander sich verstünden:
Dann wäre ja zurück das Paradies gewonnen,
In einen Freudenschrei das Klaggewirr zerronnen. –
Trotz allem Freundeswort, und Mitgefühlsgebärden,
Bleibt jeder tiefe Schmerz ein Eremit auf Erden.
Tod und Trennung
Gottes Milde mocht es fügen,
Liegt ein Mensch in letzten Zügen,
Stehn am Sterbepfühl die Seinen,
Daß sie müssen weinen, weinen;
Daß sie nicht vor Tränen schauen
Das unnennbar bange Grauen,
Wie der Geist verläßt die Hülle,
Letztes Zucken, tiefe Stille.
Weh dem Tränenlosen, wehe,
Der sich wagt in Sterbens Nähe,
Denn ihm kann durchs ganze Leben
Jenes Grauen heimlich beben.
Doch ein Anblick tiefrer Trauer,
Bänger als des Sterbens Schauer,
War es, könnt ein Aug es fassen,
Wie zwei Herzen sich verlassen.
An die Verstockten
Torenangst und Narrenzittern,
Ausparieren hin und her,
Macht den Binsenschaft zum Speer,
Schlägt die Laffen erst zu Rittern.
Wenn ein muntrer Spatz am Dache
Lärmet über eurem Haus,
Springet ihr zum Fenster aus,
Ob der Bau zusammenkrache.
Schweift in euren Waldesgründen
Von Leuchtkäfern eine Schar,
Ha, wie schreckt euch die Gefahr,
Daß sie euch den Wald anzünden.
Die Metaphern und die Tropen,
Die da pfeift ein loser Wicht,
Wandeln euch die Schafe nicht
Um zu scheuen Antilopen;
Oder gar zu wilden Bären;
Ruhig mögt ihr und noch lang
Trotz dem kecken Sang und Klang
Eure Horden scheren, scheren.
Doch vor einem zittert, Toren!
Wenn er an den Pfeilern rührt,
Wenn er seine Flammen schürt,
Wahrt euch, sonst seid ihr verloren!
Hört ihrs im Gebälke knarren,
Baut ein neues Haus geschwind,
Eh mit Habe, Weib und Kind
Euch begraben eure Sparren.
Funken sind des Feuers Boten,
Funken jagen durch das Land,
Und den großen Gottesbrand
Dämpft ihr nicht mit euren Pfoten.
Zitternd seht ihr und erschrocken,
Funken, die der Witz gefacht,
Die das Volk, indem es lacht,
Haucht in tote Aschenflocken;
Aber nicht wollt ihr erschrecken,
Wenn es blitzt im Herzensgrund,
Wenn die Sklaven, kettenwund,
Doch den Gott in sich entdecken.
Hört, es kann die Stunde kommen;
Wo das Lamm ein Löwe heißt,
Wo es brüllend euch zerreißt;
Laßt euch Gottes Zeichen frommen! –
Herbstlied
Rings trauern die Entlaubten,
Vom kalten Wind durchweht,
Die Tannen nur behaupten
Ihr dunkles Grün so spät.
Wenns Voglern baut sein Lager,
So grünt das Tannenreis
Und grünt, wenns Wild sich hager
Scharrt Wurzeln aus dem Eis.
Die Buche seh ich schwinden
Im Froste, lebenssatt,
Wie sie den kalten Winden
Hinwirft das letzte Blatt.
Zu meiner Seele Trauer
Die Buche besser stimmt,
Daß sie den Winterschauer
Sich so zu Herzen nimmt.
Schlaflose Nacht
Schlaflose Nacht, du bist allein die Zeit
Der ungestörten Einsamkeit!
Denn seine Herde treibt der laute Tag
In unsern grünenden Gedankenhag,
Die schönsten Blüten werden abgefressen,
Zertreten oft im Keime und vergessen.
Trägt aber uns der Schlaf mit weicher Hand
Ins Zauberboot, das heimlich stoßt vom Strand,
Und lenkt das Boot im weiten Ozean
Der Traum herum, ein trunkner Steuermann,
So sind wir nicht allein, denn bald gesellen
Die Launen uns der unbeherrschten Wellen
Mit Menschen mancherlei, vielleicht mit solchen,
Die feindlich unser Innres tief verletzt,
Bei deren Anblick sich das Herz entsetzt,
Getroffen von des Hasses kalten Dolchen;
An denen gerne wir vorüberdenken,
Um tiefer nicht den Dolch ins Herz zu senken. –
Dann wieder bringen uns die Wellenfluchten,
Wohin wir wachend nimmermehr gelangen,
In der Vergangenheit geheimste Buchten,
Wo uns der Jugend Hoffnungen empfangen.
Was aber hilfts? wir wachen auf – entschwunden
Ist all das Glück, es schmerzen alte Wunden.
Schlaflose Nacht, du bist allein die Zeit
Der ungestörten Einsamkeit!
An eine Witwe
Nach einem heftigen Gewitter
Wandl ich allein im tiefen Haine
Und blicke durch das nasse Gitter
Der Blätter auf zum Sternenscheine.
Die sturmesmüden Bäume schweigen;
Nur manchmal rauschen Windeshauche,
Wie eine Mahnung, in den Zweigen,
Dann tropft es nach im dunkeln Strauche.
So fand ich nach den Schmerzgewittern
Dich müd versenkt im stillen Grame;
Doch sah ich deine Tränen zittern,
Wenn dir erklang sein teurer Name.
Der Frühling kam, vor seinem Strahle
Suchst du des Schmerzes traute Schatten
Und führest nach dem fernen Tale
Die Kinder an das Grab des Gatten.
Du wanderst mit den Vaterlosen,
Mit Tränen neu das Grab zu tränken,
Auf das du deiner Wangen Rosen
Gestreut zum treuen Angedenken.
O bring zum Grabe deines Lieben
Von mir auch einen Gruß und sage,
Daß auch mein Herz ihm treu geblieben,
Bring ihm des Jugendfreundes Klage.
Wenn aus dem Aug dir Tränen brechen,
Möcht ich am Grabe dich begrüßen,
Mit dir von seiner Jugend sprechen
Und möchte seine Kinder küssen.
Auf eine goldene Hochzeit
Kennt ihr sie nicht, des Nordens alte Sage:
Von jenem Wunder an der Grönlandsküste,
Vom Lenz, den rings umstarrt die bleiche Wüste,
Des eisgen Todes niegelöste Klage?
Durch eines ruhenden Vulkanes Spalten
War dort ein warmer Quell hervorgesprungen,
War aus der Tief ein Lebenshauch gedrungen,
Die nördliche Oase zu erhalten.
Dort war ein Kloster, grüne Lämmerweide,
Ein Garten prangte frisch mit Blumen, Früchten,
Und singend kamen Vögel hinzuflüchten,
In ein Asyl vor winterlichem Leide.
Im Kloster wohnte friedlich die Gemeine;
Sie führten ihre treue warme Quelle,
Die milde Freundin, traut durch jede Zelle,
Durch Wies und Feld und durch die grünen Haine.
War Winter auch ringsum in alle Ferne,
Aus dieses Klosters frohen Paradiesen
War durch den Quell der rauhe Gast verwiesen;
Nur heller strahlten dann bei Nacht die Sterne. –
Zur Wehmut führen gerne solche Kunden
Auf des entflohnen Glückes dunklen Fährten;
Begrub das Eis nicht längst die schönen Gärten?
Sind Quell und Kloster nicht schon längst verschwunden?
Sie sind es nicht! kein Winter wird sie morden;
Ob äußres Leben auch im Frost zerstiebe,
Im Innern die Oase schützt die Liebe,
Die warme Quelle in des Alters Norden.
Das Kloster ist das Bündnis guter Herzen,
Dies mag getrost die strenge Zeit erwarten,
Umrankt von einem immergrünen Garten,
Wo Blumen blühn und Frühlingslieder scherzen. –
An den Tod
Wenns mir einst im Herzen modert,
Wenn der Dichtkunst kühne Flammen
Und der Liebe Brand verlodert,
Tod, dann brich den Leib zusammen!
Brich ihn schnell, nicht langsam wühle,
Deinen Sänger laß entschweben,
Düngen nicht das Feld dem Leben
Mit der Asche der Gefühle.
Herbstlied
Ja, ja, ihr lauten Raben
Hoch in der kühlen Luft,
's geht wieder ans Begraben,
Ihr flattert um die Gruft!
Die Wälder sind gestorben,
Hier, dort ein leeres Nest;
Die Wiesen sind verdorben;
O kurzes Freudenfest!
Ich wandre hin und stiere
In diese trübe Ruh,
Ich bin allein und friere
Und hör euch Raben zu.
Auch mir ist Herbst, und leiser
Trag ich den Berg hinab
Mein Bündel dürre Reiser,
Die mir das Leben gab.
Einst sah ich Blüten prangen
An meinem Reiserbund,
Und schöne Lieder klangen
Im Laub, das fiel zu Grund.
Die Bürde muß ich tragen
Zum letzten Augenblick;
Den Freunden nachzuklagen,
Ist herbstliches Geschick.
Soll mit dem Rest ich geizen
Und mit dem Reisig froh
Mir meinen Winter heizen?
Ihr Raben, meint ihr so?
Erinnerungen schärfen
Mir nur des Winters Weh;
Ich möchte lieber werfen
Mein Bündel in den Schnee.
Vorwurf
Du klagst, daß bange Wehmut dich beschleicht,
Weil sich der Wald entlaubt
Und über deinem Haupt
Dahin der Wanderzug der Vögel streicht.
O klage nicht, bist selber wandelhaft;
Denkst du der Liebesglut?
Wie nun so traurig ruht
In deiner Brust die müde Leidenschaft!
Der Jäger
Es zwittert schon im Tale
Grau zwischen Tag und Nacht,
Doch sucht mein Dachs noch immer,
Umspürend, flink und sacht.
Der Hund will mir was liefern
Noch heute vors Gewehr,
Der kleine Todeskuppler
Sucht überall umher.
Umsonst! ist nichts zu finden,
Mein Waldmann, als Verdruß;
Wir bringen nichts nach Hause,
Als noch im Rohr den Schuß.
Will nicht die Flint ausschießen
Mißmutig in die Luft,
Weil ich nicht mag verscheuchen
Das Wild in ferner Schluft.
Auf morgen will ich sparen
Den Schuß, mein guter Hund,
Bis wir herausgekommen
Vielleicht zur bessern Stund.
Das ist ein schlechter Jäger,
Der sich das Wild verstört,
Der ohne Ziel und Beute
Sich gerne knallen hört.
Und schieß ich morgen nimmer,
Weil krank ich oder tot,
So wird ein andrer schießen,
Dems Weidmannsheil sich bot.
Lied eines Schmiedes
Fein Rößlein, ich
Beschlage dich,
Sei frisch und fromm,
Und wieder komm!
Trag deinen Herrn
Stets treu dem Stern,
Der seiner Bahn
Hell glänzt voran!
Bergab, bergauf
Mach flinken Lauf,
Leicht wie die Luft
Durch Strom und Kluft!
Trag auf dem Ritt
Mit jedem Tritt
Den Reiter du
Dem Himmel zu!
Nun, Rößlein, ich
Beschlagen dich,
Sei frisch und fromm,
Und wieder komm!
Ohne Wunsch
Ja, mich rührt dein Angesicht
Und dein Herz, das liebevolle,
Aber, Mädchen, glaube nicht,
Daß ich dich besitzen wolle.
Kamst mir durch die Seele wie
Ein süßholdes Lied gedrungen,
Aber wie die Melodie
Mußt du wieder sein verklungen.
Meine Freuden starben mir
In der Brust, bestürmt, gespalten,
An den Bahren könnten wir
Nur mit Grauen Hochzeit halten.
Ein zu trüber Lebensgang
Führte mich an steile Ränder,
Kind, mir würde um dich bang,
Flieh, es krachen die Geländer!
Mein Türkenkopf
Mein Pfeifchen traut, mir ist dein Rauch;
Voll duftender Narkose,
Noch lieber als der süße Hauch
Der aufgeblühten Rose.
Und hält die Rose Streit mit dir,
Von beiden schöner welche?
Bist du die schönre Rose mir
Mit deinem Glutenkelche.
Denn wie die Rose duftend blüht
Im Grün der Frühlingsbäume,
Also mein Pfeifchen duftend glüht
Zum Frühling meiner Träume.
Weckt mir der Rose Freudenstrahl
Ein schmerzlich Angedenken,
Hilfst du zu kurzer Rast einmal,
Was ich verlor, – versenken.
Und wenn dein blauer Wolkenzug
Die Stirne mir umsponnen,
Umkreist mich gern der rasche Flug
Von dichterischen Wonnen.
Wenn dann die Qual versank in Ruh,
So dünket mich, mir wehte
Ein heilend Lüftchen Nebel zu
Vom stillen Tal des Lethe.
Drum, Pfeifchen traut, ist mir dein Rauch,
Voll durtender Narkose,
Noch lieber als der süße Hauch
Der aufgeblühten Rose!
Der Hagestolz
Ich hab kein Weib, ich hab kein Kind
In meiner öden Stube,
Hier tönts nicht: »Guten Morgen!« lind,
Hier tobt kein muntrer Bube.
Und auch kein treuer Hund mir naht,
Mit schmeichelndem Gewedel;
Der Rauch nur ist mein Kamerad,
Und dort der Totenschädel.
In Ringlein blau der Rauch verweht;
Des Hirnes leerer Tiegel
Dort auf dem Schrank am Spiegel steht,
Ein fortgesetzter Spiegel.
Ich habe weislich mir gepflanzt
Den Freund auf die Kommode,
Vor allzu heißem Wunsch verschanzt
Hab ich mich mit dem Tode.
Den Rauch betrachtend, Rad an Rad,
Und dort den bleichen Knochen,
Hat noch ein dritter Kamerad
Wildkalt in mir gesprochen:
Was ist es auch, was tut es auch,
Daß Weib und Kind dir fehle,
Bald wird ja doch, wie dieser Rauch,
Verblasen deine Seele!
Die Schädelpfeif hat auch geraucht,
Als drin das Leben brannte,
Als noch der Raucher drein gehaucht,
Der große Unbekannte.
Einst Wolken blies der alte Pan
Aus diesen schlechten Scherben;
Nun hat ers Pfeiflein abgetan,
Die Menschen heißens Sterben.
Der Schädel dort, so häßlich itzt,
So kahl und hohl zur Stunde,
War einst, wer weiß, wie schön geschnitzt,
Als Pan ihn hielt am Munde.
Das Bild am Kopf ist abgewischt;
Wars dumm, wars ein gescheites,
Es wird nicht wieder aufgefrischt,
's ist einerlei nun beides.
Und ob es Glück, ob Unglück hieß,
Ob Kummer oder Segen,
Was Pan hier in die Lüfte blies,
Ist wenig dran gelegen.
Vom Rauche, den der Wind vertrieb,
Vom Feuer, windverschlungen,
Nichts als ein Bild erhalten blieb
In Pans Erinnerungen. –
Das Lebensglück ist nicht geglückt,
Die Menschen mirs zertraten,
Nun will ich, in mich selbst gedrückt,
Auch einen Hund entraten.
Wenn sie mich unbeweint zuletzt,
Weib-, kinderlos, verscharren,
Ich zünde meinen Knaster jetzt,
Dem Rauche nachzustarren.
Der Schmerz
Sie ließ sich überraschen
Von diesem Trauerwort,
Und ihre Tränen waschen
Die rote Schminke fort.
Das Leben täuscht uns lange,
Du zeigst der Schminke bar
Des Lebens welke Wange,
O Schmerz; wie bist du wahr!
An den Frühling 1838
Lieber Frühling, sage mir,
Denn du bist Prophet,
Ob man auf dem Wege hier
Einst zum Heile geht?
Mitten durch den grünen Hain,
Ungestümer Hast,
Frißt die Eisenbahn herein,
Dir ein schlimmer Gast.
Bäume fallen links und rechts,
Wo sie vorwärts bricht,
Deines blühenden Geschlechts
Schont die rauhe nicht.
Auch die Eiche wird gefällt,
Die den frommen Schild
Ihrem Feind entgegenhält,
Das Marienbild.
Küsse deinen letzten Kuß,
Frühling, süß und warm!
Eiche und Maria muß
Fort aus deinem Arm!
Pfeilgeschwind und schnurgerad,
Nimmt der Wagen bald
Blüt und Andacht unters Rad,
Sausend durch den Wald.
Lieber Lenz, ich frage dich,
Holt, wie er vertraut,
Hier der Mensch die Freiheit sich,
Die ersehnte Braut?
Lohnt ein schöner Freudenkranz
Deine Opfer einst,
Wenn du mit dem Sonnenglanz
Über Freie scheinst?
Oder ist dies Wort ein Wahn,
Und erjagen wir
Nur auf unsrer Sturmesbahn
Gold und Sinnengier?
Zieht der alte Fesselschmied
Jetzt von Land zu Land,
Hämmernd, schweißend Glied an Glied
Unser Eisenband?
Braust dem Zug dein Segen zu,
Wenns vorüberschnaubt?
Oder, Frühling, schüttelst du
Traurig einst dein Haupt?
Doch du lächelst freudenvoll
Auf das Werk des Beils,
Daß ich lieber glauben soll
An die Bahn des Heils.
Amselruf und Finkenschlag
Jubeln drein so laut,
Daß ich lieber hoffen mag
Die ersehnte Braut.
Das Lied vom armen Finken
Der Finkler ist ein Schlauer;
Wann dürr die Blätter sinken,
Dann sperrt er in den Bauer
Den eingefangnen Finken.
Er macht den Finken kirre,
Daß er zu finden lerne
Das Wasser im Geschirre
Und seines Futters Kerne.
Und weiß das arme Finklein
In seinen Sprossenwänden
Bescheid in jedem Winklein,
So geht es an ein Blenden.
Der Vögelpotentate
Brennt nun dem armen Tropfe
Mit glutgehitztem Drahte
Die Äuglein aus dem Kopfe.
Und fragst du nach dem Witze
Von solchem schnöden Werke?
Ei, daß im Kerkersitze
Der Fink den Lenz nicht merke.
Der Vogler kann nicht brauchen
Des Finken Schlag im Märzen.
Daß Lust und Lied ihm tauchen
Aus lenzgewecktem Herzen.
Da sitzt er nun gefangen
Im traurigen Verstecke,
Gar fleißig überhangen,
Daß ihn kein Lüftlein wecke.
Und sollte seine Seele,
Die doch den Frühling spüret,
Sich wagen auf die Kehle,
Wenn sich der Sänger rühret:
Vertreibt ihm bald sein Dränger
Die frohen Lenzgedanken,
Er spritzt dem kecken Sänger
Kalt Wasser in die Flanken.
Und läßt sich nicht bezwingen
Der Fink mit kalten Bädern,
Will selbst der Nasse singen,
So rupft man ein paar Federn.
Er soll sein lautes Schlagen
Und seinen Frühlingsglauben
Bis in den Herbst vertagen,
Wo sich die Hain' entlauben.
Dann wird er singen dürfen
Und seine Flügel dehnen,
Die Waldeslüfte schlürfen
Und sich im Frühling wähnen.
Dann auf dem Vogelherde
Beginnt der Narr zu preisen
Die freudenwelke Erde
In frohen Frühlingsweisen.
Dann hören sein Frohlocken
Und seine Frühlingslüge,
Verwirrt und süß erschrocken,
Der Vögel Wanderzüge.
Und voller Lenzverlangen,
Dem Finkler zum Ergetzen,
Fallen sie ein und fangen
Sich auch in seinen Netzen. –
Nun ist es Lenz, nun sitzet
Der Fink in seiner Steige,
Der Vogler rupft und spritzet,
Daß er den Lenz verschweige.
Ich aber vorempfinde,
Was droht aus Ost und Norden,
Das Heer der kalten Winde,
Die unsre Wälder morden.
In den zerstörten Hagen
Hör ich am Vogelherde
Auch schon den Finken schlagen:
›Wie schön ist Gottes Erdel‹
Doch wirds dann wieder heller
Nach trüben Winternissen,
Wenn einst dem Vogelsteller
Sein altes Garn zerrissen.
Hypochonders Mondlied
Singt ihr in eurem Freudenliede:
Der heitre Mond am Himmel lacht,
Und ihm entstrahlt ein süßer Friede –
So habt ihr nie den Mond bedacht.
Seht ihr ihn dort herüberschweben,
Bleich, ohne Wasser, ohne Luft;
Er zieht mit ausgestorbnem Leben,
Ein Totengräber samt der Gruft.
Dort dringt der Mond mit seinem Schimmer
Still dem Nachtwandler ins Gemach
Und winkt und lockt aus Bett und Zimmer,
Der Schläfer folgt ihm auf das Dach
Und huscht, geschloßner Augenlider,
Hin, her, des Daches steilsten Bug,
Als hielte geistiges Gefieder
Enthoben ihn dem Erdenzug.
Der Mond zieht traurig durch die Sphären,
Denn all die Seinen ruhn im Grab;
Drum wischt er sich die hellen Zähren
Bei Nacht an unsern Blumen ab.
Darum durchschleicht er Fenster, Türen,
Auf Diebessohlen leis und lind,
Der Erde heimlich zu entführen
Im Schlafe dies und jenes Kind.
Den Schläfern um den Leib zu schlingen
Sucht er sein feines Silbernetz
Und sie zu sich hinaufzuschwingen;
Doch seine Fäden reißen stets.
Und ewig wird es ihm mißglücken,
Zu stehlen sich ein Spielgesind,
In seine Wüste zu entrücken
Ein lebenswarmes Erdenkind.
Der Mond wohl auch die Schlummerlosen
Der Erde zu entlocken sucht;
Er will mit schwärmerischem Kosen
Bereden sie zu früher Flucht.
Oft wenn ich ging durch Wald und Wiesen,
Log mir der Mondenschein so lang,
Ich sei auf Erden nur verwiesen,
Bis ich hinweg mich sehnte bang.
Weil er uns nicht vermag zu stehlen,
Nicht wachend, nicht in Schlafesruh,
Schickt er mit Blicken, stieren, scheelen,
Der Erde Todeswünsche zu.
Als Knabe schon konnt ich nicht schauen
Zum stillen blassen Mond empor,
Daß nicht ein wunderliches Grauen
Mir heimlich das Gebein durchfror.
Nirgends, auf Wald und Feld und Straßen,
Frohlockt so hell des Mondes Licht,
Wie auf dem Kirchhof, wo verlassen
Ein armes Herz vor Leide bricht.
Ja, Gräber sind für ihn die Stelle,
Und an Ruinen Dorngesträuch;
Doch vor des Mondes schlimmer Helle
Bewahrt das Brautbett, rat ich euch.
Laßt ihr den Mond ins Brautbett scheinen,
Ist euer künftig Kind bedroht,
Denn viele Stunden wird es weinen,
Und wünschen wird es sich den Tod.
Wenn Schiffer nachts das Meer befahren,
Umhüllen sie das Haupt genau,
Denn spielt der Mond mit ihren Haaren,
So färbt er sie frühzeitig grau.
Und bei Banditen geht die Kunde:
Ein Dolch, gewetzt im Mondenschein,
Sticht eine ewig stumme Wunde,
Trifft mitten durch ins Herz hinein.
Und jene grausen alten Weiber,
Die man nicht gern genauer nennt,
Weil ihnen sonst die dürren Leiber
Das tolle Volk zu Asche brennt;
(– Wenn auch von Ärzten, Philosophen,
Ein volkverwirrendes Komplott
Sie Hexen nennt und Teufelszofen,
Der aufgeklärten Zeit zum Spott –)
Die ziehn auf mondbestrahlten Heiden
Und pflücken murmelnd Gras und Kraut,
Woraus zu manchen Zauberleiden
Manch böses Tränklein wird gebraut.
Bergjäger, der kein Raubschütz, meidet
Den Mond; ein Wild, im Mondenstrahl
Geschossen oder ausgeweidet,
Verwest so frühe noch einmal.
Und eine Tann im Wald geschlagen,
Wenn hell der Mond am Himmel blinkt,
Als Mastbaum in das Meer getragen,
Zerbricht der Sturm – das Schiff versinkt.
Tief in den höchsten Steirerfelsen
Kenn ich ein Dörflein, wo man meint:
Der Mond wird schuld an dicken Hälsen,
Wenn er in einen Brunnen scheint
Dort meint man auch, wenn Mondsgefunkel
Die Spinnerin am Rad umspinnt
Und widerglänzt von ihrer Kunkel,
Daß sie ein Leichenhemd gewinnt. – –
Weil mich der Mond, ins Zimmer glotzend,
Nicht schlafen ließ in dieser Nacht,
Hab ich Poet, hinwieder trotzend,
Dies Lied zum Schimpf auf ihn gemacht.
Noch wüßt ich viel von ihm zu melden,
Doch seh ich dort im Untergang
Hinunterducken meinen Helden,
Bevor ich noch das Schlimmste sang.
Der offene Schrank
Mein liebes Mütterlein war verreist,
Und kehrte nicht heim, und lag in der Grube;
Da war ich allein und recht verwaist,
Und traurig trat ich in ihre Stube.
Ihr Schrank stand offen, ich fand ihn noch heut,
Wie sie abreisend ihn eilig gelassen,
Wie alles man durcheinanderstreut,
Wenn vor der Tür die Pferde schon passen.
Ein aufgeschlagnes Gebetbuch lag
Bei mancher Rechnung, von ihr geschrieben;
Von ihrem Frühstück am Scheidetag
War noch ein Stücklein Kuchen geblieben.
Ich las das aufgeschlagne Gebet,
Es war: wie eine Mutter um Segen
Für ihre Kinder zum Himmel fleht;
Mir pochte das Herz in bangen Schlägen.
Ich las ihre Schrift, und ich verbiß
Nicht länger meine gerechten Schmerzen,
Ich las die Zahlen, und ich zerriß
Die Freudenrechnung in meinem Herzen.
Zusammen sucht ich den Speiserest,
Das kleinste Krümlein, den letzten Splitter,
Und hatt es mir auch den Hals gepreßt,
Ich aß vom Kuchen und weinte bitter.
Prolog
Der Winter stand ein eiserner Tyrann,
Nie lösend seine Faust, die festgeballte,
Die eisig sich um Berg' und Täler krallte;
Ihr Leben lag erstarrt in seinem Bann.
Als frostbedeckt die Berg' und Tale ruhten,
Gesellig drängte doch das Menschenleben
In Lust und Spiel zusammen seine Gluten,
Ließ Freudenfeste überm Tode schweben.
Zum Tanz berauschend sangen helle Geigen,
Die schöne Jugend drehte sich im Reigen,
Nicht denkend an ein Scheiden und Vergehen,
Sorglos, wie sich die Stern am Himmel drehen.
Und übers blanke Feld des Eises glitten
Mit Geißelknall und Schellenklang die Schlitten.
So war es jüngst noch im Magyarenlande,
Am segenüberhäuften Donaustrande.
Wer hätte wohl in so beglückten Stunden
Den Donnerschlag des Unglücks vorempfunden?
Wer hörte damals in den Schlittenschellen
Prophetisch grause Totenglöcklein gellen?
Kein Tänzer ahnte dort beim Taumelfeste
Im Wassersturme tanzende Paläste.
Die Jubeltage waren bald verflogen,
Die Freude senkte die erregten Wogen,
Die Zeit des holden Frühlings war gekommen,
Die alle Herzen spüren süß beklommen,
Die Zeit, wo aus dem Eis die Knospen springen
Und hell vom Liebesfest die Wälder klingen.
O Frühling, alle Herzen harrten dein,
Auf deine Lieder, deinen Sonnenschein;
Wie schrecklich aber täuschtest du ihr Hoffen,
Mit welchen Liedern hast du sie getroffen!
Sturmläuten, Jammerruf und Hülfeschreien,
Und Flutendonner, schlagend an die Wände,
Sind diesmal, Frühling, deine Melodeien;
Und deine Blumen sind gerungne Hände,
Und rings verzweiflungsblasse Angesichter;
Diesmal bist du gekommen als Vernichter!
Danubius, der starke Riese, hat
Schon längst gebuhlt um diese schöne Stadt;
Der Riese hat an hellen Sommertagen
Auf seiner breiten Brust ihr Bild getragen,
Er trug ihr Bild gefaßt in Strahlenflimmer;
Wie hat es doch so bang gezittert immer!
Zu Winter hielt er einen festen Schlaf,
Bis weckend ihn der Hauch des Frühlings traf.
Urplötzlich ward vom Schlaf Danubius munter,
Er springt nach seiner Braut mit offnen Armen,
Sie jammert auf, er faßt sie ohn Erbarmen
Und reißt sie jauchzend in sein Bett hinunter.
Er brachte ihr, als reiche Morgengabe,
Die wüsten Trümmer mit von manchem Grabe:
Waldstämme, Dächer und zerrißne Mühlen
Ließ er heran zu ihren Füßen spülen,
Und Leichen rollt er, frische, längstversenkte,
Die nun die Flut aus ihren Grüften drängte.
Die Welle, die vordem so mild und zahm
Als treue Magd ins Haus des Menschen kam,
Die noch im Herbst als Müllerin geschaltet,
Hat jetzt sich zur Hyäne umgestaltet,
Sie wühlt hervor, was alte Gräber bergen,
Und treibt heran die Wiegen mit den Särgen.
Durch alle Schranken stürzen sich die Fluten,
Sie steigen immer höher an die Wände,
Und unaufhaltsam sieht der Mensch sein Ende,
Wie seine Jahre schrumpfen zu Minuten.
Dort auf die Dächer klettern die Bedrohten:
So sammeln sich die Schwalben auf den Dächern,
Enteilend ihren gastlichen Gemächern,
Wenn übers Meer der Süden sie entboten.
Es werden diese angstgetriebnen Seelen,
Den Schwalben gleich, des Weges nicht verfehlen,
Sie flüchten in die Heimat übers Meer,
Von wannen aber keine Wiederkehr.
Ein Schrei, ein Krach – und alles ist verschwunden –
Nun todesstill – nie wird die Spur gefunden.
Im Element verschwunden ohne Spur
Ist hier der Menschen Werk und all ihr Glück,
Als träumte wieder einmal die Natur
In ihre wilde Jugend sich zurück.
Fort ist die Stadt, die blühend sich geregt,
Als hätte dürres Laub der Sturm verfegt;
Die alten Steppen werden aufgefrischt,
Wo eines edlen Volkes Freude stand,
Als eine leere Tafel blieb das Land,
Des Volkes Rechnung ist hinweggewischt.
Und weinend wandeln auf der wüsten Heide,
Dem stillen Grab von so viel Glück und Leide,
Das Elend und der Kummer, eng verschlungen,
Und spät verblutende Erinnerungen.
Hier lernt das Herz erträumten Schmerz vergessen,
Hat ihm ein Hauch des Schicksals weh getan;
Wir lernen unsern kummervollen Wahn
An dem furchtbar gediegnen Unglück messen.
O haltet euer Herz an die gekettet,
Die aus dem Sturm als Bettler sich gerettet!
O gebt mit sanftem Wort und weichen Händen
Dem Kummer Trost, dem Elend eure Spenden!
Das ist ein böser Frühling für die Armen,
Und unersetzlich ist, was er genommen;
Doch eure Liebe wird dem Unglück frommen,
Denn Balsam jeder Wunde ist Erbarmen.
Die milden Gaben, eure Liebesboten,
Sie heilen nicht die unheilbaren Schäden,
Und nicht erwecken können sie die Toten;
Doch können sie den großen Schmerz bereden,
Daß er sich allgemach zur Wehmut mildre,
Und daß er zur Verzweiflung nicht verwildre.
Die Armen schauen mit verweinten Blicken,
Gerührt, auf ihrem Schutt des Mitleids Blüte;
Der Herzenshauch von euch wird sie erquicken;
Der schönste Frühling ist die Herzensgüte!
An eine Freundin
Dichterherzen können segnen,
Wen sie lieben; fremd und rauh
Meinem Herzen zu begegnen,
Hüte dich, du schöne Frau.
Eine Sage läßt dich grüßen,
So ich im Gebirg vernahm,
Als ich einst vor Wettergüssen
Flüchtend in ein Hüttlein kam:
In den tiefsten Einsamkeiten,
Zwischen Felsen, ruht ein See;
Dem entstieg ein Geist vor Zeiten,
Kam den Menschen in die Näh.
Kam ins Dorf, erschien beim Feste,
Brachte Segen in das Haus,
Und es blickten Wirt und Gäste
Oft gar sehnlich nach ihm aus.
Plötzlich stand er unter ihnen,
Trug ein dunkles Mönchs gewand,
Und der Mann mit ernsten Mienen
Freud an ihrer Freude fand.
Gerne weilt' er eine Stunde,
Nickte und verlor sich sacht
In den See, zum stillen Grunde
Taucht' er heim um Mitternacht.
Glücklich ward die Braut gepriesen,
Wenn er kam und ihr zum Tanz
Brachte von verborgnen Wiesen
Fremder Blumen einen Kranz.
Wohlgeruch durchquoll das Zimmer,
Schöner blühte dann die Braut,
Ward im gleichen Jugendschimmer
Viele Jahre noch geschaut.
Mutter ward sie guter Kinder,
Haus und Feld gedieh; bis spät
Sie der Tod, ein leiser, linder,
Überraschte beim Gebet.
Einst mit rauher Ungebühre
Sprach ihm eines was zuleid;
Traurig schwieg er, und zur Türe
Schwand der Saum von seinem Kleid.
Und sie sahn vom Ufer nieder,
Riefen, klagten je und je;
Doch es kam der Geist nie wieder,
Blieb in seinem tiefen See.
Tränenpflege
Ach, Freundin, ich habe dich gestört
In deinem verborgnen Weinen;
Nun hast du zu weinen aufgehört,
Und ruhig willst du scheinen.
Wenn deine Züge verhüllend auch
Vor deinen Schmerz sich reihen
Und ihn nicht nennt der Lippen Hauch,
Ich hör ihn im Herzen schreien.
Pfleg deinen Schmerz mit Tränen lind,
Als eine weinende Aja,
Einschläfre ihn, als wie ihr Kind
Die Mutter im Himalaya.
Sie legt das Kind im Schattengestein
Dem Tropfbach unter, vertrauend;
Die leisen Tropfen schläfern es ein,
Ihm auf die Wangen tauend.
An den Frühling
Noch immer, Frühling, bist du nicht
Gekommen in mein Tal,
Wo ich dein liebes Angesicht
Begrüßt das letztemal.
Noch stehn die Bäume dürr und bar
Um deinen Weg herum
Und strecken, eine Bettlerschar,
Nach dir die Arme stumm.
Frühblumen wähnten dich schon hier,
Frost bringt sie um ihr Glück,
Sie sehnten sich heraus nach dir
Und können nicht zurück.
Die Schwalbe fliegt bestürzt umher
Und ruft nach dir voll Gram,
Bereut schon, daß sie übers Meer
Zu früh herüberkam.
An ein schönes Mädchen
Wie die Ros in deinem Haare,
Mädchen, bist du bald verblüht;
Schönes Mädchen, o bewahre
Vor dem Welken dein Gemüt!
Mädchen, wenn dein Herbst gekommen
Und das ganze Paradies
Deiner Blüte dir genommen
Und dich aus dir selbst verwies;
Wenn du in des Welkens Tagen
Nicht den frohen Mut mehr hast,
Rosen in dem Haar zu tragen,
Weil den Wangen sie verblaßt;
O dann zaubert dein Gemüte,
Wenn du's vor dem Frost bewacht,
Auf dein Antlitz eine Blüte,
Leuchtend durch die Todesnacht.
Der schwarze See
Die Tannenberge rings den tiefen See umklammen
Und schütten in den See die Schatten schwarz zusammen.
Der Himmel ist bedeckt mit dunklen Wetterlasten,
Doch ruhig starrt das Rohr, und alle Lüfte rasten.
Sehr ernst ist hier die Welt und stumm in sich versunken,
Als wär ihr letzter Laut im finstern See ertrunken.
Als wie ein Scheidegruß erscheint mir diese Stille,
Ein stummes Lebewohl, ein düstrer letzter Wille.
Sehr ernst ist hier die Welt und mahnt, das Erdenweh,
Des Herzens letzten Wunsch zu werfen in den See.
O Hoffnungen, hinab! zerrißne Traumgeflechte!
O Liebe, süßer Schmerz der schlummerlosen Nächte!
Ihr habt mein Herz getäuscht; nicht heilen wird die Wunde,
Doch hab ich noch die Kraft, zu stoßen euch zum Grunde. –
Der Wind wacht auf, ich seh ihn durchs Gewässer streichen;
Will denn sein Hauch das Herz mir noch einmal erweichen?
Das Schilf am Ufer bebt und flüstert mir so bange,
Im Winde bebt der Wald am steilen Uferhange.
Ich höre kommen dich, Natur! dein Mantel rauscht,
Wie der Geliebten Kleid, wenn ich nach ihr gelauscht;
Willst du denn noch einmal an meinen Hals dich hängen?
Ins Elend locken mich mit schmeichelnden Gesängen?
Es schwillt der Wind zum Sturm, es zucken Blitze wild,
Den schwarzen See durchglüht ihr schnell verzitternd Bild;
Sie leuchten durch den See, wie aus beglückten Tagen
Durch mein verfinstert Herz Erinnerungen jagen.
Sie rufen mir: O Tor! was hat dein Wahn beschlossen!
Die Hoffnung kannst und sollst du in das Grab hier stoßen;
Doch willst in diesem See die Liebe du ertränken,
So mußt du selber dich in seine Fluten senken!
Das Ross und der Reiter
Die frische Quelle rinnt herab am Steingesenke,
Der Reiter führt sein Roß zur lang ersehnten Tränke
Aus Bergesadern kühl die klaren Fluten fließen,
In heiße Adern sich des Pferdes zu ergießen.
Der Reiter schaut sein Roß mit innigem Vergnügen,
Wie es die Flut einzieht in lustgedehnten Zügen;
Und wie die Wellen ihm die Mähne wiegend spülen,
Und wie sie eingeschlürft das heiße Blut ihm kühlen.
Der Rappe möchte gern im durstenden Verlangen
Jeglichen Wasser guß, der ihm enteilt, empfangen;
Doch wie er unten trinkt, hört oben schon sein Lauschen
Den reichen Überfluß verheißend niederrauschen.
Der Reiter hat sich auch am Quelle kühl getrunken,
Steht nun im großen Blick des Hochgebirgs versunken.
Er starrt auf Alpen hin, ihr seliges Umnachten,
Das leise Zauberspiel des Lichtes zu betrachten;
Wie mit den fernen Höhn die Strahlen dort verkehren
Und sich in stiller Glut im letzten Kuß verzehren.
Und auf den Wandrer sinkt, den düstern, sehnsuchtkranken,
Der frische Seelentau der himmlischen Gedanken,
Es strömt auf ihn herab die ewge Liebesquelle,
Es kann sein durstend Herz nicht fassen jede Welle;
Doch kann sein Herz auch nicht den ganzen Strom behausen,
So hört er oben schon die ewge Fülle brausen.
Die Blumenmalerin
Brach ein Leben bei den heitern Griechen,
Bog der Freund sich auf den Todessiechen,
Aufzuküssen seinen letzten Hauch.
Blumen, nicht im einsam wilden Grase,
Blumen, euch in der kristallnen Vase
Fiel ein schönes Los im Sterben auch!
Eure holden Äuglein blicken trüber,
In den bleichen Todesschlaf hinüber
Neigt ihr schon die Häupter traurig matt;
Während eure Blätter sich entfärben,
Während eure schönen Blüten sterben,
Blüht ihr auf an diesem weißen Blatt.
Blumen, eure letzten Blicke flehen:
›Schöne Freundin! laß uns nicht vergehen!
Tröste unser flüchtiges Geschick!
Deinen zauberischen Pinsel tauche
Eilig noch in unsre Sterbehauche,
Küß die Seele auf in deinen Blick!‹
Und sie blickt und malt und blicket wieder,
Blum an Blume neigt getrost sich nieder,
Wenn ihr Bild der Freundin schön gelang.
Und es wagt die lieblichste der Frauen
Nicht, vom schönen Werke abzuschauen,
Vom besiegten Blumenuntergang.
Husarenlieder
1.
Der Husar,
Trara!
Was ist die Gefahr?
Sein herzliebster Schatz;
Sie winkt, mit einem Satz
Ist er da, trara!
Der Husar,
Trara!
Was ist die Gefahr?
Sein Wein; flink! flink!
Säbel blink! Säbel trink!
Trink Blut! trara!
Der Husar,
Trara!
Was ist die Gefahr?
Sein herzliebster Klang,
Sein Leibgesang,
Schlafgesang, trara!
2.
Der leidige Frieden
Hat lang gewährt,
Wir waren geschieden,
Mein gutes Schwert!
Derweil ich gekostet
Im Keller den Wein,
Hingst du verrostet
An der Wand allein.
Von Sorte zu Sorte
Probiert ich den Wein,
Indessen dorrte
Das Blut dir ein.
Ist endlich entglommen
Der heiße Streit,
Mein Schwert, und gekommen
Ist deine Zeit.
Ich gab deiner Klingen
Den blanken Schliff,
Ich lasse dich singen
Den Todespfiff.
Im Pulvernebel
Die Arbeit rauscht,
Wir haben, o Säbel,
Die Freuden getauscht.
Im brausenden Moste,
Mein durstiges Erz,
Betrinke dich, koste
Von Herz zu Herz.
Derweil du gekostet
Das rote Blut,
Ist mir eingerostet
Der Hals vor Glut.
3.
Den grünen Zeigern,
Den roten Wangen,
Den lustigen Geigern
Bin ich nachgegangen
Von Schenk' zu Schenk',
Solang ich denk.
Am Tschako jetzt trag ich
Die grünen Äste,
Rote Wangen, die schlag ich
Den Feinden aufs beste,
Kanonengebrumm
Musiziert herum.
4.
Da liegt der Feinde gestreckte Schar,
Sie liegt in ihrem blutroten Blut;
Wie haut er so scharf, wie haut er so gut,
Der flinke Husar!
Da liegen sie, ha! so bleich und rot,
Es zittern und wanken noch husch! husch!
Ihre Seelen auf seinem Federbusch,
Da liegen sie tot.
Und weiter ruft der Trompetenruf,
Er wischt an die Mähne sein nasses Schwert,
Und weiter springt sein lustiges Pferd
Mit rotem Huf.
An den Ischler Himmel im Sommer 1838
Himmel! seit vierzehn Tagen unablässig
Bist du so gehässig und regennässig,
Bald ein Schütten in Strömen, bald Geträufel;
Himmel, o Himmel, es hole dich der Teufel!
Gurgelst wieder herab die schmutzigen Lieder,
Hängen vom Leibe dir die Fetzen nieder,
Taumelst gleich einem versoffnen zitternden Lumpen,
Hin von Berge zu Berge mit vollem Humpen!
Warfst den Bergen die Kinder aus ihren Betten,
Alle Bäche heraus, und plump zertreten
Hast du die reifende Saat den armen Bauern;
Unband! wie lange noch soll dein Unfug dauern?
Wenn doch endlich tüchtige Winde brausten
Und dich rasch von dannen peitschten und zausten!
Aber du wirst von Stunde zu Stunde noch frecher,
Lümmelst schon dich herein bis auf unsre Dächer.
Hast an harten Felsen den Kopf zerschlagen,
Und noch bist du nicht hin! seit vierzehn Tagen!
Blinder Unhold! es ist das Auge der Sonnen
Und das Auge des Monds dir ausgeronnen.
Ungastfreundlicher Strolch! die schönsten Frauen
Kamen, zu baden und das Gebirg zu schauen;
Baden können sie gnug, doch den Hals nie strecken
Aus dem Tale, dem riesigen Badebecken.
Hätte Ischl nur dich und seine Solen,
Hätt ich mit einem Fluche mich längst empfohlen;
Doch nebst dir und deinem Wolkengewimmel
Hat es zum Glück noch einen andern Himmel!
Der Kranich
Stoppelfeld, die Wälder leer,
Und es irrt der Wind verlassen,
Weil kein Laub zu finden mehr,
Rauschend seinen Gruß zu fassen.
Kranich scheidet von der Flur,
Von der kühlen, lebensmüden,
Freudig ruft ers, daß die Spur
Er gefunden nach dem Süden.
Mitten durch den Herbstesfrost
Schickt der Lenz aus fernen Landen
Dem Zugvogel seinen Trost,
Heimlich mit ihm einverstanden.
O wie mag dem Vogel sein,
Wenn ihm durch das Nebeldüster
Zückt ins Herz der warme Schein
Und das ferne Waldgeflüster!
Hoch im Fluge übers Meer
Stärket ihn der Duft der Auen;
O wie süß empfindet er
Ahndung, Sehnsucht und Vertrauen!
Nebel auf die Stoppeln taut;
Dürr der Wald; – ich duld es gerne,
Seit gegeben seinen Laut
Kranich, wandernd in die Ferne.
Hab ich gleich, als ich so sacht
Durch die Stoppeln hingeschritten,
Aller Sensen auch gedacht,
Die ins Leben mir geschnitten;
Hab ich gleich am dürren Strauch
Andres Welk bedauern müssen,
Als das Laub, vom Windeshauch
Aufgewirbelt mir zu Füßen:
Aber ohne Gram und Groll
Blick ich nach den Freudengrüften,
Denn das Herz im Busen scholl,
Wie der Vogel in den Lüften;
Ja, das Herz in meiner Brust
Ist dem Kranich gleich geartet,
Und ihm ist das Land bewußt,
Wo mein Frühling mich erwartet.
Das dürre Blatt
Durchs Fenster kommt ein dürres Blatt,
Vom Wind hereingetrieben;
Dies leichte, offne Brief lein hat
Der Tod an mich geschrieben.
Das dürre Blatt bewahr ich mir,
Wills in die Blätter breiten,
Die ich empfangen einst von Ihr;
Es waren schöne Zeiten!
Da draußen steht der Baum so leer;
Wie er sein Blatt im Fluge,
Kennt sie vielleicht ihr Blatt nicht mehr,
Trotz ihrem Namenszuge.
Der toten Liebe Worte flehn,
Daß ich auch sie vernichte;
Wie festgehaltne Lügner stehn
Sie mir im Angesichte.
Doch will ich nicht dem holden Wahn
Den Wurf ins Feuer gönnen;
Die Worte sehn mich traurig an,
Daß sie nicht sterben können.
Ich halte fest, zu bittrer Lust;
Was all mein Glück gewesen,
In meinen schmerzlichen Verlust
Will ich zurück mich lesen.
Das dürre Blatt leg ich dazu,
Des Todes milde Kunde,
Daß jedes Leiden findet Ruh
Und Heilung jede Wunde.
Erinnerung
Einst gingen wir auf einer Bergeswiese;
Tief atmend tranken wir die Blumenseelen,
Das Bächlein kam herab, uns zu erzählen
Den unvergeßnen Traum vom Paradiese.
Wir sahn das Abendrot die Gipfel färben,
Es war ein Spiel vom schönsten Alpenlichte,
Doch wandt ich mich nach deinem Angesichte,
Das strahlte mir wie Liebe ohne Sterben.
Bald war den Bergen ihre Glut entschwunden
Und wird vielleicht so schön nie wieder kommen;
Auch deinem Antlitz war der Strahl genommen,
Ich sah ihn nicht in allen spätern Stunden.
Hat mich vielleicht in deinen Zaubermienen
Der Widerschein der Sonne nur geblendet?
Auch dann ein Strahl der Liebe, die nicht endet,
Doch besser wärs, mir hätt er nicht geschienen.
BookishMall.com
›Schon weht es kühler auf Erden;
Es möchte Abend werden,
Es möchte werden Nacht,
Bevor durchrungen die Schlacht,
Der Menschheit altes Gefecht
Um Freiheit, Licht und Recht.
Ich reiche beiden Heeren
Beschleunigend Waffen und Wehren,
Es soll ihr Letztes wagen
Die Höll und werden erschlagen;
Daß noch ein Stündlein Frieden
Der Menschheit sei beschieden.‹
So dachte der Genius, der die Menschheit führt,
Als er die Stirne BookishMall.coms berührt.
An Agnes
Wo kein Strahl des Lichtes blinket,
Wo kein Tau von Tränen sinket,
In die Stille nieder
Und hinaus in alle Weiten
Nächtlicher Vergessenheiten
Dringen deine Lieder.
Die entflohn und nicht mehr kamen,
Freuden mit verlornen Namen
Kannst du wiederbringen;
Lauschend treten alle Schmerzen
Leiser auf in meinem Herzen,
Hören sie dich singen.
Im Vorfrühling
Am Grabe E. Mikschiks
Ringsum sind die Berge noch verschneit,
Aber Blumen seh ich hier, die frühen!
Blumen, schön, daß ihr gekommen seid,
Hier auf seinem frühen Grab zu blühen.
Freudig stieg er manchen Berg hinan,
Um des Frühlings Grüße zu empfangen;
Weil der Tote nicht mehr kommen kann,
Ist nun ihm der Frühling nachgegangen. –
Blumen! ob ihr nicht die Freuden seid,
Die dem Toten hätten kommen sollen?
Die, gehüllt in euer lichtes Kleid,
Doch auf seinem Grabe blühen wollen?
Bei Übersendung eines Straußes
In den trüben, in den kalten
Tagen, die uns heimgesucht,
Hat der Herbst auf ihrer Flucht
Letzte Blumen aufgehalten,
Um sie dir zu schenken!
Diesem Herbste will ich gleichen:
Wenn auf meine lauten Wälder,
Blumigen Gedankenfelder
Mir die Todeslüfte streichen,
Daß sie schweigen und verblühn,
Will ich mit dem letzten Grün
Deiner noch gedenken.
Der einsame Trinker
1.
»Ach, wer möchte einsam trinken,
Ohne Rede, Rundgesang,
Ohne an die Brust zu sinken
Einem Freund im Wonnedrang?«
Ich; – die Freunde sind zu selten;
Ohne Denken trinkt das Tier,
Und ich lad aus andern Welten
Lieber meine Gäste mir.
Wenn im Wein Gedanken quellen,
Wühlt ihr mir den Schlamm empor,
Wie des Ganges heilge Wellen
Trübt ein Elefantenchor.
Dionys in Vaterarme
Mild den einzlen Mann empfing,
Der, gekränket von dem Schwarme,
Nach Eleusis opfern ging.
2.
Ich trinke hier allein,
Von Freund und Feinden ferne,
In stiller Nacht den Wein
Und meide selbst die Sterne:
Da fährt man gerne mit
In Blicken und Gedanken
Und könnt auf solchem Ritt
Das volle Glas verschwanken.
Der Kerzen heller Brand
Kommt besser mir zustatten,
Da kann ich an der Wand
Doch schauen meinen Schatten.
Mein Schatten! komm, stoß an,
Du wesenloser Zecher!
Auf, schwinge, mein Kumpan,
Den vollen Schattenbecher!
Seh ich den dürren Schein
In deinem Glase schweben,
Schmeckt besser mir der Wein
Und mein lebendig Leben;
So schlürfte der Hellen
Die Lust des Erdenpfades,
Sah er vorübergehn
Als Schatten sich im Hades.
3.
Schatten, du mein Sohn,
Hast dich nicht verändert,
Warst vor Jahren schon
Eben so gerändert.
Was auf Stirn und Wang
Zeit mir eingehauen:
Jugenduntergang
Lassest du nicht schauen.
Einen Berg ich sah
Spät im Herbste ragen,
Umriß war noch da
Wie zu Frühlings Tagen.
Nicht mit seinem Grat
Gibt der Berg zu wissen:
›Meine Wälder hat
Mir der Sturm zerrissen.
Meine Herde schied
Mit den Glockenklängen,
Still das Alpenlied
Auf den Wiesenhängen.‹
Hohen Angesichts
Blickt der Berg ins Ferne,
Nahm der Herbst doch nichts
Seinem Felsenkerne.
Froh ins ferne Land
Will wie er ich blicken;
Und mein fester Stand
Trotze den Geschicken.
Süßes Traubenblut
Fließt auf meiner Schanze;
Rebe, teures Gut!
Seelenvolle Pflanze!
Soll für Recht und Licht
Andres Blut einst fließen,
Minder freudig nicht
Will ich meins vergießen.
4.
Redlich, Schatten, kannst du heben
Den Pokal, mich lassen leben;
Wenn sie meinen Leib bestatten,
Bist du mitvergangen, Schatten!
Manches Auge möchte weinen;
Schatten, doch ich wüßte keinen
Auf dem weiten Erdenringe,
Der wie du mit mir verginge.
Weil dem Sünder ohne Reue
Soll gebrochen sein die Treue,
Lassen tiefempfundne Mären
Den Verbrecher dich entbehren.
Treuer Freund, sei mir gepriesen!
Hast mir Liebes oft erwiesen;
Will zu stolz das Herz mir glänzen,
Zeigst du still mir meine Grenzen.
Frühling
Die warme Luft, der Sonnenstrahl
Erquickt mein Herz, erfüllt das Tal.
O Gott! wie deine Schritte tönen!
In tiefer Lust die Wälder stöhnen;
Die hochgeschwellten Bäche fallen
Durch Blumen hin mit trunknem Lallen;
Sein bräutlich Lied der Vogel singt,
Die Knosp in Wonne still zerspringt;
Und drüber goldner Wolken Flug;
Die Liebe ist in vollem Zug.
An jeder Stelle möcht ich liegen;
Mit jedem Vogel möcht ich fliegen,
Ich möchte fort und möchte bleiben,
Es fesselt mich und will mich treiben.
O Lenz, du holder Widerspruch:
Ersehnte Ruh und Friedensbruch,
So heimatlich und ruhebringend,
So fremd, in alle Ferne dringend.
Das Frühlingsleuchten, treu und klar,
Erscheint dem Herzen wunderbar
Ein stehngebliebner Freudenblitz,
In Gottes Herz ein offner Ritz;
Und wieder im Vorübersprung
Ein Himmel auf der Wanderung;
Ein irrer Geist, der weilend flieht
Und bang das Herz von hinnen zieht.
Ich wandle irr, dem Himmel nach,
Der rauschend auf mich niederbrach;
O Frühling! trunken bin ich dein!
O Frühling! ewig bist du mein!
An die Alpen
Alpen! Alpen! unvergeßlich seid
Meinem Herzen ihr in allen Tagen;
Bergend vor der Welt ein herbes Leid,
Hab ich es zu euch hinaufgetragen.
Für das Unglück steht ein Gnadenbild
Zwischen Felsen heimlich eingeschlossen,
Eine Kluft ists, einsam, tief und wild,
Durch den Abgrund ist ein Quell gestoßen.
Wie die Brust Marias schwertdurchbohrt
Ist zu schaun in christlicher Kapelle,
So Natur, der heilgen Mutter dort
Schien das Herz durchschnitten von dem Quelle
Grauer Felsen ewig starrer Blick
Hangt hinab zur tiefgerißnen Wunde,
Und der Mensch mit seinem Mißgeschick
Lauscht dem Strom, der immer klagt im Grunde.
Tausendstimmig braust ein dunkler Schmerz
In des Stroms zerbrochenen Akkorden,
Und aufhorchend ist des Menschen Herz
Seiner eignen Klage still geworden.
Wird des Unglücks heilger Sinn geahnt,
Hat der Kummer seinen Groll verloren;
Rauschend hat michs an der Kluft gemahnt:
Schmerz und Liebe hat die Welt geboren.
Schmerz und Liebe ist des Menschen Teil,
Der dem Weltgeschick nicht feig entwichen;
Zieht er aus dem Busen sich den Pfeil,
Ist er für die Welt und Gott verblichen.
Heimweh jagt des Abgrunds wilden Schaum;
Läßt Natur die Erd in Freuden prangen,
Schildert sie der Zukunft schönen Traum;
All ihr Herz ist Sehnen und Verlangen.
Heimweh ist es, wenn die Liebe naht,
Ist der Grund des nie gestillten Fragens,
Heimweh jede große Menschentat,
Und die Wunder himmlischen Entsagens. –
Alpen, o wie stärkte mich die Rast,
Lagernd auf dem weichen Grün der Wiesen,
Kräuterdüfte fächelten den Gast,
Eisgeharnischt ragten eure Riesen.
Lerche sang ihr lustverwirrtes Lied,
Schweigend strich der Adler durchs Gesteine,
Und die Gipfel, als die Sonne schied,
Schwelgten stumm im letzten Purpurscheine.
Eine Herde irrt' am Wiesenhang,
Kühe weidend pflückten ihre Beute,
Und die Glock an ihrem Halse klang
Für die Kräuter sanftes Sterbgeläute.
Kaum vernehmbar kam der müde Schall
Jener Kluft herüber mit den Winden;
Wo so hoher Frieden überall,
Ließ die Ruh in Gott sich vorempfinden. –
Frischen Mut zu jedem Kampf und Leid
Hab ich talwärts von der Höh getragen;
Alpen! Alpen! unvergeßlich seid
Meinem Herzen ihr in allen Tagen!
Die Poesie und ihre Störer
Im tiefen Walde ging die Poesie
Die Pfade heilger Abgeschiedenheit,
Da bricht ein lauter Schwarm herein und schreit
Der Selbstversunknen zu: »Was suchst du hie?
Laß doch die Blumen blühn, die Bäume rauschen,
Und schwärme nicht unpraktisch weiche Klage,
Denn mannhaftwehrhaft sind nunmehr die Tage,
Du wirst dem Wald kein wirksam Lied entlauschen.
Komm, komm mit uns, verding uns deine Kräfte;
Wir wollen reich dir jeden Schritt bezahlen
Mit blankgemünztem Lobe in Journalen,
Heb dich zum weltbeglückenden Geschäfte! –
Laß nicht dein Herz in Einsamkeit verdumpfen,
Erwach aus Träumen, werde sozial,
Weih dich dem Tatendrange zum Gemahl;
Zur alten Jungfer wirst du sonst verschrumpfen!«
Die Poesie dem Schwarm antwortend spricht:
»Laßt mich! verdächtig ist mir euer Streben;
Befreien wollt ihr das gejochte Leben
Und gönnt sogar der Kunst die Freiheit nicht?
Euch sank zu tief ins Aug die Nebelkappe,
Wenn euer Blick nicht straßenüber sieht,
Und wenn ihr heischt vom freigebornen Lied,
Daß es dienstbar nur eure Gleise tappe.
Ein Blumenantlitz hat noch nie gelogen,
Und sichrer blüht es mir ins Herz die Kunde,
Daß heilen wird der Menschheit tiefe Wunde,
Als euer wirres Antlitz, wutverzogen.
Prophetisch rauscht der Wald: die Welt wird freit!
Er rauscht es lauter mir als eure Blätter,
Mit all dem seelenlosen Wortgeschmetter,
Mit all der matten Eisenfresserei.
Wenn mirs beliebt, werd ich hier Blumen pflücken;
Wenn mirs beliebt, werd ich von Freiheit singen;
Doch nimmermehr laß ich von euch mich dingen!«
Sie sprichts und kehrt dem rohen Schwarm den Rücken.
Der Rationalist und der Poet
»Freund, du sitzest hier auf weichem Moose,
Ins Geruchzeug duftet dir die Rose,
Um dein Antlitz Frühlingswinde wallen,
Und da drüben lärmen Nachtigallen.
Darum singst du hier ein Lied versöhnend,
Weich und duftig, lind und zärtlich tönend.
Säßest du auf einem harten Stumpfe,
Käme dir der Duft von einem Sumpfe,
Spürtest du den Herbstwind frostig wehen,
Wärst du hier umkrächzt von rauhen Krähen:
Ha! ich wette, hart und widrig klänge,
Kühl und rauh, was deine Muse sänge.
Wäre dort die Wolke losgebrochen,
Hättest du dich ohne Lied verkrochen.
Hundert Dinge stören dirs Gehege,
Weisen deiner Phantasie die Wege,
Hundert Mitarbeitern bist du pflichtig;
All dein Dichtertreiben find ich nichtig.«
Also spricht der Rationaliste,
Der den Dichter heimlich hat belauert,
Stolzer Hahn auf dem Verstandesmiste,
Daß dem Dichter vor dem Wichte schauert.
Dichter spricht: »Wenn Vögel, Blumen, Winde
Und das ganze liebe Lenzgesinde
Meinem Liede helfen, wirds ihm frommen,
Und es wird der Welt zu Herzen kommen.
Hätt ich rauhen Felsensitz erklettert,
Schwül bedrückt von einer Sumpfeswolke,
Rauh umkrächzt von einem Rabenvolke,
Oder auch von Hagelschlag umwettert:
Säng ich! und in meinem Liede schalten
Ließ' ich gern auch die Naturgewalten.
Aber gleich entflüchten Lust und Schmerzen,
Dringt heran mir ein Gesicht wie deines,
Kalt genug, mir trotz des Maienscheines
Aus der Welt die Poesie zu merzen.«
Passiver und aktiver Beifall
Der scharfe Geist hat euch geschwind durchdrungen,
Und bald empfängt er eure Huldigungen;
Den tiefen aber sollt ihr selbst durchdringen,
Drum wird ihm eure Liebe spät gelingen.
Form
Ist die Form auch festgeschlossen,
Immer noch ists kein Gedicht,
Wenn um den Gedanken nicht
Stetig sich das Wort gegossen.
Werfen noch die Worte Falten,
Kein lebendger Leib, nur Kleid,
Was sie wecken, Lust und Leid,
Wird im Hörer bald erkalten.
Hört den losen Kern er klappern,
Wie Toneisenklapperstein,
Mag das Wort gemeistert sein,
Ist es doch nur dürres Plappern.
Irrtum
Was Ihr Bild nennt unverständig,
Ist nur Gleichnis, kalt und hohl,
Wo der Geist nicht ein Symbol
Mit der Sprache zeugt lebendig.
Und das Ringlein Salomonis,
Das die Diwen zwinget ein,
Zaubermächtig, es ist kein
Tertium comparationis.
An einen Dichter
Nur wer sich mit eignen Kräften
Durch das Dickicht einen Pfad schafft,
Kann den Kranz sich dauernd heften;
Kunst ist keine Kameradschaft.
Düngst du deinen Ruhm in Scherben
Mit dem Mist der Schmeicheleien,
Wird er über Nacht dir sterben;
Laß ihn wachsen wild im Freien.
Dann nur mag sein Hauch dich stärken,
Wenn er dir auf Dornenwegen
Und nach heiß vollbrachten Werken
Überraschend blüht entgegen.
Zweierlei Vögel
Strichvogel Reflexion,
Zugvogel Poesie,
Singt jeder andern Ton
Und andre Melodie.
Strichvogel hüpft und pfeift
Und pickt von Ast zu Ast,
Und höchstens einmal streift
Zu Nachbarn er als Gast.
Er ruft: Freund! bleib im Land
Und redlich nähre dich;
Es wagt um Fabeltand
Ein Narr nur weiter sich.
O halte deinen Flug
Von Meer und Stürmen fern,
Die Sehnsucht ist Betrug,
Hier picke deinen Kern!
Zugvogel aber spricht:
Du Flattrer, meinen Flug
Und Zug verstehst du nicht;
Klug ist hier nicht genug.
Du picke immer zu
Und bleib auf deinem Ast,
Wenn keine Ahnung du
Von meiner Ahnung hast.
Doch pfeifs nicht aus als Wahn
Und Narrenmelodei,
Daß hinterm Ozean
Auch noch ein Ufer sei.
Anna
Nach einer schwedischen Sage
1.
Anna steht in sich versunken,
Blicket in den See hinein,
Weidet, eigner Schönheit trunken,
Sich an ihrem Widerschein.
Sie beginnt hinab zu reden:
Wunderholde Jungfrau, sprich,
Schönstes Bild im Lande Schweden,
Bin ich du? und bist du ich?
Nein, o nein, ich glaub es nimmer,
Wenn es auch die Welt mir schwört,
Daß so heller Rosenschimmer
Meinen Wangen angehört.
Dieser Mund, ist er der meine,
Den dies süße Lächeln bricht?
Seh ich doch, wie auch der deine
Fragend mir entgegenspricht.
Liebes Wasser, sag, erzähle,
Hast mein Auge du gemalt?
Oder ist des Himmels Seele,
Was dein Spiegel widerstrahlt?
Anna neigt vom grünen Strande
Sich in ihres Bildes Näh,
Streift vom Busen die Gewande,
Läßt ihn leuchten in den See.
Nach dem Bilde niederhangend,
Starrt sie zweifelnd und beglückt,
Und das Bild, ihr nachverlangend,
Starrt bewundernd und entzückt.
Fragt das Bild, im Wasser schwebend:
Anna, hab ich dich erreicht?
Fragt das Mädchen, freudig bebend:
Bin ich schöner noch vielleicht?
In den seligen Gebärden,
Die das Bild ihr abgelauscht,
Sieht sich Anna schöner werden,
Und die Jungfrau steht berauscht.
»Wenn so schön ich immer bliebe!
Muß dies Bild denn auch vergehn?«
Ruft sie, eitler Eigenliebe,
Horch! die Winde sausend wehn!
Rauschend wird ihr Bild zertrümmert
Im empörten Wellenschaum;
Und das Mädchen sieht bekümmert
Sich darin vergehn wie Traum.
Und im Walde knarrt es knickend,
Und am Ufer schwankt das Rohr,
Aus den Weiden, freundlich nickend,
Huscht ein altes Weib hervor.
Alte spricht, und weint verstohlen:
»Wie dein Bild im Wind zerfuhr,
Würden deine Kinder holen
Deiner Schönheit letzte Spur.
Denn die Schönheit ihrer Mutter
Ist der Kinder liebster Fraß,
Ist der Kinder feinstes Futter;
Schöne Jungfrau, merk dir das!
Wag es nur und kehre wieder
Nach dem ersten Wochenweh,
Komm und spiegle deine Glieder
Dann im peinlich klaren See.
Komm und schau dann mit Entsetzen
Deine Brüste, junges Blut,
Gleich gezognen Fischernetzen
Zitternd schwimmen in der Flut.
O dann frage deinen Schatten:
Wangen, seid ihr mein, so bleich?
Augen mein, ihr hohlen, matten?
Weinen wirst du in den Teich.
Kommt ein Mann, um dich zu freien,
Eile du zu mir geschwind:
Und ich will den Leib dir feien,
Daß du nie empfängst ein Kind.«
Anna spricht mit dunklen Schauern:
»Wenn du mir zu helfen meinst,
Daß die Schönheit mir mag dauern,
Mütterlein, so komm ich einst.«
2.
Vor dem Fenster steht der Ritter
Singt bei Nacht mit süßem Laut,
Schlägt dazu die helle Zither:
»Willst du heißen meine Braut?
Hab ein Schloß und finstre Wälder,
Berge, hab ich, reich an Erz,
Muntre Herden, goldne Felder,
Und nach dir ein krankes Herz!
Schmücke dir mit Edelsteinen,
Gold und Perlen Hals und Hand,
Liebchen, schmücke dich mit meinen
Narben aus dem heilgen Land.
Morgen wird die Sonne steigen;
Strahlt herauf die Sonne klar,
Soll sie meinen Wuchs dir zeigen
Und dir leuchten zum Altar.
Hier an diesem Rosensprosse
Häng ich dir mein Ringlein auf!«
Sangs und schwang sich auf zu Rosse,
Sprengt' davon im flüchtgen Lauf. –
»Willst du meinen Finger tauschen,
Ringlein, mit dem Rosenreis?«
Anna nimmts, die Hecken rauschen,
Und im Dickicht naht es leis.
Schwarz verhangen Mond und Sterne
Durch den Blütenstrauch herein
Wiegt sich eine Blendlaterne,
Wie Johanniskäferschein.
Freundlich nickend, bleich verdüstert,
Steht das Mütterlein vom See,
Weint verstohlen, und sie flüstert:
»Schöne Jungfrau, weh dir, weh!
Von den Rosen hier empfangen
Hast du's Ringlein, und es droht
Bald den Rosen deiner Wangen
Dieses Ringlein bleichen Tod.
Folge mir!« – Sie schreiten beide
Weite Strecken stumm und sacht
Über eine öde Heide
In der stummen dunklen Nacht.
Und an einer Windmühl stille
Hält das alte Zauberweib:
»Bräutchen, ists dein fester Wille,
Daß unfruchtbar sei dein Leib?
Willst?« – »Ich will es!« und sie schleichen
Jetzt die Mühlentrepp empor,
Feiernd stehn die Flügelspeichen,
Taghell tritt der Mond hervor.
Braune Weizenkörner sieben
Aus dem Sack die Alte greift,
Und das Ringlein ihres Lieben
Sie der Braut vom Finger streift.
»Wenn nicht meine Zauber wären«,
– Spricht das Mütterlein vom See, –
»Würdest sieben du gebären
In der schmerzenreichen Eh.«
Durch das Ringlein wirft hinunter
Sie ein Korn zum runden Stein:
Plötzlich wird die Mühle munter,
Brausend fällt ein Windstoß drein;
Und die Mühle mahlt im Winde,
Schaudernd hört die junge Braut
Leise, wie von einem Kinde,
Wimmern einen kurzen Laut.
Drauf todstill in alle Weite,
Anna hört ihr Herz allein,
Und die Alte wirft das zweite
Weizenkorn hinab zum Stein:
Wieder mahlt die Mühl im Winde,
Schmerzend hört die junge Braut
Leise, wie von einem Kinde,
Wimmern einen kurzen Laut.
Alte wirft das dritte, vierte,
Fünfte Korn, noch zwei hinein:
Jedmal sich der Windstoß rührte,
Und zerreibend lief der Stein.
Siebenmal hat es gewimmert,
Hat ein Weh durchzuckt die Maid.
Wieder Ruh – der Vollmond schimmert
Nieder auf die stille Heid.
Mütterlein jetzt freudig kichert,
Steckt das Ringlein ihr zurück:
»Nie ergreift dich, bist gesichert,
Jammervolles Mutterglück!«
Heim, zuvor den Morgenstunden,
Eilt nun Anna, fürcht't sich schier;
Schüchtern blickt sie um – verschwunden
Ist die Alte hinter ihr.
3.
Schautet ihr das Bräutchen schwärmen
Auf der Heid im Mondenstrahl,
Würdet ihr im Schloß nicht lärmen,
Rüsten nicht das Hochzeitsmahl.
Dreier Tage galts ein Jagen,
Scholl das Horn in Wald und Kluft,
Mancher Keuler ward erschlagen,
Vögel stürzten aus der Luft.
Und der Hirsch, der Stolz der Schluchten,
Liegt mit zwanzig Enden kalt,
Liegt, als hätt er auf den Fluchten
Mitgerissen ein Stück Wald.
Denn zur Ehre seines Festes
Rief der Ritter in den Forst:
»Lieber Wald! heraus dein Bestes,
Schönstes an Geweih und Borst!«
Früh am Morgen in dem Schlosse
Werden hundert Gäste laut,
Mit dem Ritter, hoch zu Rosse,
Holen sie die schöne Braut.
Anna glänzt im Brautgeschmeide,
Strahlt in Schönheit wunderbar,
Daß das Volk aufschreit vor Freude,
Wo vorüberzieht die Schar.
Kein so schönes Weib begegnet
Heut der Sonne auf der Welt;
Und der Priester, wie er segnet,
Vor Erstaunen innehält.
Erich, dem zur Pflicht des Weibes
Sie der Priester angetraut,
In die Schönheit ihres Leibes,
Seinen offnen Himmel, schaut.
Anna freut sich all des Glanzes,
Ihres Ritters freut sie sich,
Ihres grünen Myrtenkranzes,
Ihrer selbst herzinniglich.
Bald beginnt ein festlich Schmausen,
Geigenschall und Hörnerklang,
Lebehoch! und Tanzesbrausen,
Becherklirren, Spiel und Sang.
Aber als die Nacht gekommen:
Dicht in ihres Ohres Näh
Hört die schöne Braut, beklommen,
Rauschen den bekannten See.
Trüb ihr alle Kerzen flimmern,
Und die Luft wird ihr so schwül,
Durchs Getös das leise Wimmern
Hört sie von der Heidemühl.
4.
Sieben Jahre sind verflossen,
Spurlos wie die Flut ins Meer,
Seit der Ehbund ward geschlossen,
Heute ist die Jahreskehr.
Anna wird im Land besungen
Als die allerschönste Frau;
Sie empfängt die Huldigungen,
Wie die Rose ihren Tau.
Keines von den süßen Liedern
Mag ein Blick gerührter Huld,
Mag ein süßes Wort erwidern;
Anna trägt nur eine Schuld.
Oftmals bei geschloßnem Riegel
Ist sie unbelauscht allein,
Stürzt ihr Aug sich in den Spiegel,
Schwelgt in ihrem Widerschein.
Gerne mag sich Anna zieren,
Reich geschmückt am Spiegel stehn;
Bis sie fühlt geheimes Frieren,
Wenn sie lang hineingesehn.
Klirrt und rauscht dann Gold und Seide,
Dünkt ihr oft, es werde wach
Jener bange Laut der Heide,
Der manchmal ihr wehte nach.
Anna ist so schön geblieben,
Wie als Braut einst am Altar;
Erich trauert, daß sein Lieben
Und sein Leben unfruchtbar.
Schweigend reiten sie zum Schlosse
Heim von einer Kindestauf;
Als ihr leuchtender Genosse
Zieht der volle Mond herauf.
Erich reitet in Gedanken
Hinter seinem Weibe fort,
Sieht des Waldes Schatten wanken
Unstät wechselnd hier und dort.
Als sie weiter traben beide,
In Gedanken, ohne Laut,
Als sie kommen auf die Heide,
Wo sie einst geirrt als Braut:
Sieht er ihres Pferdes Schatten
Um die Reiterin verkürzt,
Und das Bild erschreckt den Gatten,
Ob sein Weib vom Roß gestürzt?
Nein, sie sitzt! »Gott sei uns gnädig!«
Ruft er aus – »Verfluchtes Weib!
Nur dein Roß, als ging' es ledig,
Keinen Schatten wirft dein Leib!«
Aber Anna treibt den Zelter,
Zitternd vor dem Mondenstrahl,
Vor dem himmlischen Vergelter,
Und dem zürnenden Gemahl.
Jetzo stürzt sie bang zu Füßen
Ihrem Herrn im Schlafgemach,
Sie bekennt in Tränengüssen,
Flehend, was sie einst verbrach.
Schaudernd hörte er ihre Kunde;
Süßer sonst als Blumenduft,
Trifft der Hauch aus ihrem Munde
Jetzo ihn wie Grabesluft.
Erich schaut im Mondenlichte,
Leuchtend durch den Fensterspalt,
Ihr frisch blühend Angesichte,
Ihre bräutliche Gestalt.
»Unweib!« ruft er mit Entsetzen –
»Wäre deine Schönheit hin!
Mit den unterschlagnen Schätzen,
Gräßliche Betrügerin!
Eile fort aus meiner Kammer!
Eile fort aus meinem Haus!
Fahre hin in Not und Jammer!
Fluchend stoß ich dich hinaus!
Dir so wenig wird vergeben,
Wie aus dieser Diele je
Frische Rosen sich erheben!
Weh, verfluchtes Weib, dir, weh!«
5.
Anna liegt im Wald verlassen,
Klagt den Bäumen nicht ihr Los;
Schweigend drückt sie nur die nassen
Augen in das weiche Moos.
Im Gebüsch der Winde Sausen
Weckt der Reue wilden Schrei,
Und des Baches Wellen brausen
An der Sünderin vorbei.
Anna darf um Trost nicht lauschen
Zur Natur im Trostgewand,
Zwischen ihnen flatternd rauschen
Hört sie das zerrißne Band.
Und die Menschen schaudernd kehren
Ab das Herz von Annas Not;
Ihre Buße nur zu nähren,
Reichen sie das Bettelbrot.
Sieben Jahre sind es heute,
Seit ihr Gatte sie verstieß,
Seit sie, Reu und Kummers Beute,
Klagend seine Burg verließ.
Heute sind es sieben Jahre,
Daß sein Fluch sie fortgeschnellt,
Daß sie mit gelöstem Haare
Büßend weinte durch die Welt.
Mutterleid, das wonnereiche,
Hat ihr Antlitz nie versehrt,
Aber bis zur Totenbleiche
Hat der Jammer es verheert.
Als sie aufblickt von der Erde,
Naht im Strahl des Abendlichts
Ihr ein Greis, mit Freundsgebärde,
Mitleidvollen Angesichts.
»Anna, hebe dich vom Grunde!
Komm, du hast genug geweint;
Des Erbarmens milde Stunde
Deinem Kummer auch erscheint.
Folge mir zur Waldkapelle!«
Spricht der alte Eremit,
Als des Abends letzte Helle
Von den Wipfeln sich verzieht.
Dunkel wird es, dunkler immer,
Kaum manchmal durch Baum und Strauch
Zweifelt eines Sternes Flimmer,
Stiller, kühler wird es auch.
Und sie wandeln und sie schweigen,
Finster wird es ganz und gar,
Auf des Walds gewundnen Steigen
Leuchtet ihr sein weißes Haar.
In des Waldes tiefsten Schauern
Kommen sie an die Kapell;
Grabesstill sind ihre Mauern,
Doch erleuchtet ist sie hell.
Zu der traurigsten der Frauen
Spricht der Alte: »Tritt hinein!
Die du drinnen wirst erschauen,
Bitte, daß sie dir verzeihn!«
Anna zögernd und verzagend
In die Waldkapelle tritt,
Von den öden Wänden klagend
Hallt zurück ihr scheuer Schritt.
Niemand hier; doch lispelnd nennen
Ihren Namen hört sie klar;
Sieben Kerzen sieht sie brennen
Ohne Leuchter am Altar.
Hellen Schimmer auszuspenden,
Hängt die Lampe ohne Schnur;
Bilder haften an den Wänden,
Dämmernde Umrisse nur.
Und die Staffeln abgebrochen
Zum Altar; zerrißnes Tuch;
Keine Messe wird gesprochen
Aus dem unbeschriebnen Buch.
Sieben leichte Lichtgestalten
Jetzt an ihr vorüberziehn
Und mit stummem Händefalten
Vor dem Altar niederknien.
Anna sich mit zitternd leisen
Schritten den Gestalten naht:
»Meine ungebornen Waisen!
Ach, verzeiht ihr, was ich tat?
Grausam frevelnd ausgestoßen
Hab ich euer keimend Herz,
Von den Freuden ausgeschlossen,
Von dem trauten Erdenschmerz!«
Und sie nicken, ihr vergebend,
Lächelnd zugewandt, doch stumm;
Und der Alte, näher schwebend,
Schlingt die Arme ihr herum.
Anna sinkt zu Boden nieder,
Ihr entgleiten Schmerz und Not,
Und sie klagt und weint nicht wieder;
Der Einsiedel war der Tod.
Und zur Stund ein sanftes Tosen
Erich aus dem Schlafe weckt:
Ha! er sieht mit frischen Rosen
Seine Diele überdeckt.
Anna bleich und todeshager,
Grüßend ihm vorüberging,
Und sie legt ihm auf sein Lager
Leise seinen goldnen Ring.
Als sein totes Weib dem Ritter
Samt den Rosen wieder schwand
Nimmt er die bestaubte Zither
Endlich einmal von der Wand,
Und er singt ein Lied, das alte,
Aber nicht im alten Laut,
Wie es vor dem Fenster hallte
Anna einst, der schönen Braut.
»Hab ein Schloß und finstre Wälder,
Berge hab ich, reich an Erz,
Muntre Herden, goldne Felder,
Und nach dir ein krankes Herz!«
Fünftes Buch
Mischka
Mischka an der Theiss
In dem Lande der Magyaren,
Wo der Bodrog klare Wellen
Mit der Tissa grünen, klaren,
Freudig rauschend sich gesellen,
Wo auf sonnenfrohen Hängen
Die Tokayertraube lacht:
Reiten lustig mit Gesängen
Drei Husaren in der Nacht.
Und der Fischer, der die leisen
Netze warf im Mondenstrahl,
Hört vergnügt die Heldenweisen
Klingen weithin durch das Tal,
Höret durch des Liedes Pausen
Hellen Schlag von Rosseshufen
Und des Stromes Wellen brausen
Und das Echo ferne rufen.
Bald entschwunden sind die Lieder
Und der Waffen heller Schein,
Und es hört der Fischer wieder
Rauschen nur den Strom allein.
»Haben doch ein schönes Leben,
Diese flüchtigen Husaren!
Zwischen Freuden und Gefahren
Hoch zu Rosse hinzuschweben,
Jubelnd in die Schlacht zu fliegen
Und zu sterben oder siegen
Für das Vaterland, den König!
Ach, dem Fischer ziehn die Tage
Mit dem dumpfen Wellenschlage
Arm vorüber und eintönig!«
Also denkt in stillem Sinnen
Dort der Fischer trübgemut,
Sieht des Stromes muntre Flut
Mondbestrahlt hinunter rinnen.
Wie er starret in die Wellen,
Malt die Sehnsucht ihre Träume
In die schwanken lichten Räume
Ihrem nächtlichen Gesellen,
Und er schaut im Wellentanze
Kriegesszenen mancherlei,
Männer ziehn im Waffenglanze,
Und es rauscht die Schlacht vorbei;
Und ihm deucht, ob aus den Tiefen
Fernverworrne Stimmen riefen,
Kampfgetös, Trommetenklänge,
Feindesflucht und Siegsgesänge. –
Und der Fischer träumt noch lange
Sich ein froh Husarenleben,
Er vergißt, das Netz zu heben
Und zu sehn nach seinem Fange. –
Ferne reiten schon die drei
In dem Tale von Tokay.
Sie verstummten allgemach,
Still für sich ein jeder zieht,
Lauscht den Stimmen, die das Lied
Rief in seinem Herzen wach.
Wie sie reiten, wie sie schweigen
In dem schönen Tokaytal,
Bringen Winde Mal auf Mal
Klänge her von fernen Geigen.
»Zimbalschlag mit Geigenklängen,
Das ist Mischka, seine Bande!«
Ruft der eine, und sie sprengen
Schnell zur Schenk am Tissastrande,
Von den Rossen abgesprungen
Sind sie schnell, und klirrend ein
Treten die drei Reiterjungen:
»Mischka, streiche! Wirt, gib Wein!«
Manche Geige mag im schönen
Lande der Magyaren tönen,
Doch im Land die Geige keiner
Spielt wie Mischka, der Zigeuner.
Wohlgefällig trifft des Alten
Blick die hohen Mannsgestalten,
Ihre schmucken, schimmerblanken
Waffen und Husarenputz;
Auf dem Haupt, voll Kraft und Trutz,
Federbüsche drohend schwanken.
Mischka steht von seinem Sitz,
Schwingt den Wein zum Gruß empor,
Aus den schwarzen Locken vor
Fährt ein froher Augenblitz:
»Die Husaren sollen leben!«
Ruft der Geiger; »Krieg solls geben!«
Rufen die drei Schwertgenossen,
Eilen mit ihm anzustoßen.
»Hab in meinen Jugendtagen,
Denen ich nachhinke jetzt,
Auch mein Reiterschwert gewetzt,
Eh die Kugel mich geschlagen,
Focht in euren tapfern Scharen;
Mancher Franzmann mußte reisen,
Dem mein scharf Husareneisen
Zwischen Leib und Seel gefahren!«
Also spricht der Mischka heiter
An die jungen Ungarreiter;
Drauf er rasch die Geige nimmt,
Scharfgenau die Saiten stimmt,
Gibt dem Bogen noch des Harzes,
Und sein Haar, sein langes, schwarzes,
Wirft er schüttelnd ins Genick,
Drückt die Fiedel unters Kinn,
Und sein dunkler Feuerblick
Winkt der Bande zum Beginn.
Mischka voll und langsam zieht
Ein uraltes Schlachtenlied
Das vor manchen hundert Jahren
Klang versunknen Heldenscharen,
Das mit seiner wilden Klage
Aufgefacht den Kriegesmut,
Als die Ungarn ihre Tage
Tränkten noch mit Türkenblut,
Als sie speisten ihre Nächte,
Mit gehäuften Türkenleichen,
Weil des Wahnes grimme Knechte
Drohten allen Christenreichen. –
Schneller brausen jetzt die Töne,
Kühner Herzen wilde Söhne;
Ihren ungestümen Reigen
Führen die verwegnen Geigen,
Mischkas Geige doch vor allen
Hört man aus dem Kampfe schallen.
Und des Zimbals Hämmer pochen,
Bald wie Sturm hereingebrochen,
Bald hinsäuselnd durch die Saiten,
Hörbar kaum, wie nach der Schlacht
Frühlingswinde in der Nacht
Durch die Wahlstatt flüsternd gleiten,
Heiße Todeswunden kühlend,
Mit dem Haar der Leichen spielend.
Aber langsam, ernst und trübe
In der Tiefe wühlt der Baß,
Ob er dort dem wilden Haß
Grab an Grab im Boden grübe. –
Ha! wie tanzen die Husaren,
Echte Söhne der Magyaren!
In der Freude Sturmeswogen
Unaufhaltsam fortgezogen
Von des Klanges dunkeln Mächten,
Schwingen sich die Starken, Flinken,
Hoch die Flasche in der Linken,
Hoch den Säbel in der Rechten.
Und den Reitern durch die Kehlen
Strömt im Tanz das süße Feuer,
Strömt der herrliche Tokayer,
Wie das Lied durch ihre Seelen.
Nach dem Takt der kühnen Weisen
Klirrt der Sporen helles Eisen,
Und im Takt des Tanzes singen
Lassen sie die Säbelklingen.
Wie sie jetzt die Faust empören,
Im Gebrauch aus alten Tagen,
Und beim Schwertzusammenschlagen
Haß und Tod den Türken schwören!
Wilder stets Musik erwacht;
Rasen die Zigeunerleute?
Werden sie der Übermacht
Ihres Liedes selbst zur Beute?
Horch, wie scherzend, horch, wie klagend
Und das Herz von hinnen tragend,
Mischkas Wundergeige waltet,
Durch und durch die Seele spaltet.
Diese bangen, diese süßen,
Zauberhaften Töne müssen
In das Land der Schatten dringen
Und die Toten wiederbringen.
Dieses Zittern seiner Saiten
Ist das Schwanken einer Brücke,
Drauf zurück zum Erdenglücke
Sehnsuchtsvoll die Geister schreiten,
Drauf der Helden Geister wallen,
Treu der Heimat süßem Drange,
Die bei dieses Liedes Klange
In der Vorzeit sind gefallen;
Und sie schweben und sie schwanken
Um die Tänzer ungesehen,
Ihnen an die Stirn zu wehen
Flammenhelle Schlachtgedanken,
Sie mit Träumen zu berücken,
In die Vorwelt zu entzücken.
Plötzlich stürzen die Husaren
An den Strand hinaus mit Macht,
Und sie rasen in die Nacht:
»Wo? wo sind die Türkenscharen?«
Hauen pfeifend in die Luft;
Doch kein ›Allah!‹ Antwort ruft.
Nur die Tissa ist noch munter,
Zieht dahin mit dumpfem Brausen,
Und des Ufers Büsche sausen;
Friedlich strahlt der Mond herunter.
Mischka an der Marosch
1.
Von der Theiß, der klaren, fischereichen,
Ist der Geiger Mischka hingezogen,
Wo der Marosch barsche Wogen
Brausend durch beschäumte Klippen streichen.
Der Zigeuner wandert, arm und heiter,
In die Ferne, Fremde, fort und weiter;
Wenn er auch am Wohlgeschmack der Erde
Karg und selten nur sich weidet,
Ist ihm jeder Ort doch bald entleidet,
Und was heimisch, wird ihm zur Beschwerde;
Wenig brauchend kommt und geht
Dieser fiedelnde Aszet.
Mischkas Hüttlein mit dem Halmendach
Ragt empor vom Grund nur wenig Spannen,
Und vorüber wild und jach
Stürzt die Marosch durch die Felsen, Tannen.
Horch, wie rauschen Mischkas helle Saiten
Unter diesen Halmen, die vorzeiten
Bei dem Klang der Lerchenlieder
Auf dem Feld sich wiegten hin und wider.
Nicht allein an Schall und süßen Weisen
Ist dies niedre Hüttlein reich zu preisen;
Strahlen hegt es auch in Fülle,
Wie sie aus den schönsten Welten
Uns herüber, flüchtig, selten,
Leuchten durch die Menschenhülle.
Mischkas treues Liebchen ruht im Grabe;
Doch sie ließ zur Abschiedsgabe
Seines Glücks ihm einen teuren Rest,
Daß sein Herz sich minder härme;
Wie die holde Sommerwärme
Sterbend ihre Frucht uns läßt.
Mischka geigt, und seine hellen Töne
Trägt hinaus der Abendwind;
Vor der Hütte steht die wunderschöne
Mira, das Zigeunerkind.
Die vom Abendrot Geküßte
Ist vom leichten West umflogen,
Und es flattert um der Brüste
Melodiegeschwellte Wogen
Ihres Haars gelockte Nacht;
O, wenn diese schöne Brust erwacht!
Dieses Busens keusche Wellen,
Die noch Liebe nie empfanden,
Selig, wem sie einst entgegenschwellen
Und ans Herz im Sturm der Liebe branden!
Selig, wer aus diesen schwarzen Augen
Darf den ersten Blitz der Leidenschaft
Und aus diesem Mund ein Flüstern saugen,
Süß und wonneirr und zauberhaft,
Daß der Cherub beim Gesang der Worte
Sinkt in Schlummer an des Edens Pforte!
Bald doch, bald die Worte unter Küssen
In ein süßres Leben sterben müssen! –
Also glühen die Gedanken
Durch die Brust dem Liebeskranken;
Einsam dort am Waldessaume,
Harrt und lauscht er unterm Baume,
Ob kein Rascheln aus dem Tannengrunde
Ihm ein Wild verrät, zur Abendstunde
Sachte auf den freien Anger schreitend,
Freundlich aus dem Wald den Tag begleitend.
Und er stellt dem Liebesglück ein Zeichen:
Wenn ich heut ein edles Wild noch schieße,
Werd ich meinen heißen Wunsch erreichen,
Daß ich sie in meine Arme schließe.
Sieh dort eine braune Wohlgestalt,
Ruhig kommt ein Hirsch dort aus dem Wald,
Daß der Jäger kann die Enden zählen:
»Sechzehn! – sollens ihre Jahre sein?
Gott der Liebe, laß mich jetzt nicht fehlen!
Ha! er stürzt, halloh! nun ist sie mein!«
2.
Mischka spielt zu einem Hochzeitreigen,
Lustgelächter, Sporen, Gläser, Geigen
Brausen wild im Edelhaus zusammen;
Und die Tänzer schießen durcheinander,
Um das Brautpaar, sturmgejagte Brander
Auf dem Meer der Lust in hellen Flammen.
Trauben, die des Sommers Strahl und Glut
Eingesogen in ihr Blut,
Strömen den empfangnen Himmel wieder
Den Magyaren in die Glieder.
Frauen, prangend in der Jugend Glanz,
Schwebend durch den Saal im raschen Tanz,
Und im Fluge heller Liebesblicke
Zünden sich die seligsten Geschicke.
Ha! Musik! wie waltet Mischkas Bogen!
In den Rausch wird jedes Herz gezogen,
Jeder Tropfen Weines scheint zu klingen,
Jedes schöne Auge laut zu singen.
Ist die Braut auch schon entschleiert,
Noch drei Tage, noch drei Nächte
Wird die Hochzeit fortgefeiert
Von dem freuderüstigen Geschlechte.
3.
Während Mischka geigt im Edelhause,
Schleicht ein Mann zur strohgedeckten Klause.
Mira steht allein und sinnend,
Ihrem Vater eine Saite spinnend,
Und sie hört, schon will der Abend dämmern,
An der Tür, erstaunt, ein leises Hämmern.
»Ach, wer pocht?« so ruft die Maid beklommen,
»Räubern kann ihr Frevel hier nichts frommen,
Und der Bettler fürchtet, bei so Armen
Koste ihm ein Scherflein sein Erbarmen!«
Doch sie hört um Einlaß Worte bitten
Von so sicher weichem Klange,
Mit so süßem Schmeichelzwange,
Daß sie öffnen geht mit schnellen Schritten;
Einen schönen Jüngling vor sich stehen
Sieht sie, wie sie keinen noch gesehen.
Und er spricht, ihr huldigend, die Worte:
»Ja, ein Bettler kam an deine Pforte,
Ach, ein Bettler ist es, schmerzlich darbend,
Doch nicht Geld, noch Brot, kein Labekrug,
Du nur, du allein bist ihm genug;
Wund ist mir das Herz und nie vernarbend.
Seit ich dich erblickt, du schönste Maid,
Treibt mich rastlos irr mein Liebesleid.
Wenn ich jage, gleich ich selbst dem Wild,
Überall gejagt von deinem Bild.
Wie das Wild, verfolgt, zum Schatten trachtet,
Wie es blutend nach der Quelle schmachtet,
Zieht es mich zu deinen Füßen nieder,
In den Schatten deiner Augenlider,
Glüht die Seele, vor dir hinzusinken
Und ein holdes Wort von dir zu trinken.
Peinlich scheint mir nun mein wildes Roß
Unter meinen Wünschen hinzuschleichen,
Wenn mein Sporn ihm stachelt in die Weichen,
Daß es hinbraust wie ein Wetterstoß,
Schleudernd blanken Schaum aufs Heidekraut,
Und die Rossehirten jubeln laut.
Wenn die Kerzen der Kapelle brennen
Und der Priester opfert am Altare,
Bete ich von Gott, du Wunderbare,
Namen nur, die deine Reize nennen.
Dein gedenk ich wachend und im Schlafe,
Jeder Traum, von Liebesschmerz gebunden,
Ruft nach dir und klagt dir seine Wunden,
Wie nach seiner Heimat weint der Sklave!«
Mira spricht, indem sie hold errötet:
»Sind, o Jüngling, deine Worte wahr,
Werd ich sein glückselig immerdar;
Täuschen sie, so hast du mich getötet.
Eines edlen Stamms du schöner Sprosse,
Nach der Niedern treibt dich ein Verlangen;
Doch du mußt, hat dich mein Arm umfangen,
Bleiben bis zum Grabe mein Genosse!«
Wie im Land, von wannen Mira stammt,
Dort in Indien heiß die Sonne flammt,
Süße Frucht mit schnellem Strahle reifend,
Also urgewaltig, schnell ergreifend
Ist ins Herz die Liebe ihr gedrungen,
Weinend ist sie ihm ans Herz gesprungen.
Hochzeit jubelt dort im Edelhause,
Offen, mit Gepränge und Gebrause;
Hier im Hüttlein still und schlicht, allein,
Kaum belauscht von einem Dämmerschein,
Welchen durch der Scheiben trübe Blenden
Sterne nach dem Erdenhimmel senden.
Hochzeit feiernd, hat im Haus die Stille
Mit dem Dunkel traulich sich verschwistert,
Nur das Stroh des Lagers, wenn es knistert,
Spielt Musik, und zirpend eine Grille.
Vieles wird mit Worten süß begonnen
Und vollendet in des Kusses Wonnen.
Und vorüber braust an Wort und Kuß
Draußen durch die Nacht der wilde Fluß.
Nur zuweilen ruhn und horchen beide
Nach der Marosch ungestümen Wellen,
Wie einst von der Paradiesesweide
Aufgelauscht das Wild den Tigrisquellen.
4.
Niemand kann verlernen Harrens Schmerzen
Einem sehnsuchtsvollen Frauenherzen
Je vergelten, niemand ihr vergüten,
Was in solchen unermeßnen Stunden
Still der Wurm genagt von ihren Blüten,
Der auch nicht, um den sie es empfunden.
Wenn er dann auch stürzt zu ihren Füßen,
Wenn er unter Tränen, tausend Küssen
Leiden und versäumtes Glück beklagt;
Schmerz hat weh getan, der Wurm genagt.
Aber mancher kehret nie mehr wieder,
Drückt er auch ein Herz zum Grabe nieder.
Mira! herrliches Zigeunerkind!
Schnell hast du geliebt und welkst geschwind.
Er verriet, verließ dich feigen Mutes,
Weil die Liebe, die sein Herz verschönt,
Ward in einer Schilderei verhöhnt
Von den Adeligen seines Blutes.
Eines Morgens kam in goldnem Rahmen
Ihm ein Bild, und das entreißt dir ihn,
Weils dich schmäht; auch hat er schon dahin
Schnellgesprochner Liebe süßes Amen.
Stattlich zeigt das Bild auf breitem Raum
Seinen altberühmten Wappenbaum,
Wie der Stamm sich spreitet, herrlich ragend,
Ruhm und Glanz auf jedem Zweige tragend.
Neben solchem Baume, hehr und stolz,
Steht ein schlechtes, dürres Galgenholz,
Galgen hinter Galgen ist zu schauen,
Nach des Bildes Tiefe immer kleiner,
Gleichsam schindend in der Vorzeit Grauen,
Und an jedem hangend ein Zigeuner;
Und zerstreut im grausen dürren Walde
Sind viel schwarze Raben als Heralde;
Andre, auf dem Stammbaum, breit sich setzend,
An den Wappen sich den Schnabel wetzend.
5.
Mira wird mit jedem Tage blasser,
In den tiefsten Wald, auf Wildesbahnen
Flieht sie, wenn der Marosch laute Wasser
Sie zu schmerzlich jener Nacht gemahnen.
Mischka klagt, doch fern, daß er verdamme
Seines Kindes unglückselge Triebe,
Weil bei ihm und seinem wilden Stamme
Frei und heilig gilt des Menschen Liebe.
Weinend sinkt sie oft am stillen Teiche
Vor den Göttern hin um Trost und Hilfe;
Und so fand man sie, das starre, bleiche
Antlitz eingedrückt dem grünen Schilfe.
Und der Jüngling, der ein Herz gebrochen,
Läßt ein andres schon an seinem pochen.
Mischka stiehlt sich in den Stall des Grafen
Mitternachts – die müden Knechte schlafen –,
Leise tastend schleicht der Pferdekenner,
Prüfend Mähn und Schweif, von Roß zu Roß,
Bis sein Griff erkennt den schnellsten Renner,
Drauf der Graf jüngst durch die Heide schoß;
Und er schneidet sacht mit scharfer Schere
Haare aus dem Schweif der edlen Mähre,
Zu behaaren seinen Fiedelbogen,
Denn es kommt die Hochzeit angezogen;
Mischka hat, bevor ers Freie sucht,
Still des Rosses Hufe noch verflucht.
6.
Wieder soll zu einem Hochzeitreigen
Der Zigeuner frische Tänze geigen;
Zimbal, klinge hell vom Hammerschlage!
Klarinette, schmettre ins Gelage!
Im Husarenwams, vielfach geflickt,
Mit verblichnem Golde reich gestickt
Und geziert mit mottenhaftem Brame,
Nähert Mischka sich dem Bräutigame.
Und er spricht mit bückendem Verneigen:
»Möcht es Eurer Herrlichkeit gefallen,
Eh die frischen Tänze hier erschallen,
Mich zu hören erst ein Solo geigen.
Damit möcht ich Eure Gunst erwerben;
Habs zu Eurem Ehrentag erfunden,
Schön ists, Herr, so herzlich tief empfunden,
Daß vor Lust der Hörer möchte sterben.«
»Sei gewährt der Bitte«, spricht der Graf,
Den das Auge des Zigeuners traf,
Hell, wie eines Seelendolches Blinken,
»Spiele, sollst dafür Tokayer trinken!« –
Stille wird der Saal, wie Miras Gruft;
Alles hat um Mischka sich geschart,
Und er läßt den Bogen, frisch behaart,
Wie versuchend, sausen durch die Luft.
Plötzlich streicht er durch die Saiten alle
Und durch alle Herzen, schnell bemeistert;
Seine Geige in der Freudenhalle
Hat zur Rachegöttin sich begeistert.
Frevler! horch! in diesem süßen Liede
Säuselt und verweht der Unschuld Friede; –
Hörst du, wie der Blitz der Liebe zündet?
Wie ihr ganzes Herz in deines mündet? –
Jener Brautnacht unermeßne Wonnen,
Wie sie in ein Meer von Schmerz zerronnen? –
Stürmen hörst du der Verlaßnen Klagen;
Hörst den Wurm an ihrer Blüte nagen; –
Horch, wie sie, zum Tod schon auf der Flucht,
Weinend dich durch alle Wälder sucht;
Wie sie alle Götter ruft um Hilfe,
Bis sie tot zusammenbricht im Schilfe.
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