Der auf dem Dornenpfühle

Tatloser Schmerzen ruht,

Du wunderlicher Träumer,

Wie wäre dir zumut,

Wenn plötzlich übers Meer sich

Zu dir herüberschwänge

Ein Vöglein aus der Heimat

Und wach den Träumer sänge?

Wenn es ein Lied dir sänge,

Wie sie sich drüben schlagen,

Und wie die Waffenbrüder

Nach dir im Kampfe fragen?

Du aber bist gebannet,

Gefesselt ist dein Wille

Und mit dem Schiff gewurzelt

Hier in der Meeresstille!

 

Boleslaw

 

Das Vöglein wird nicht kommen

Und singen, wie sie schlagen,

Und wie die Waffenbrüder

Nach mir im Kampfe fragen;

Doch käm es, müßt ich weinen,

Daß ich daheim nicht wär,

Und würde ungeduldig

Mich stürzen in das Meer.

Mein Geist, entfesselt, eilte

Zur lang ersehnten Schlacht,

Ein Leitstern meinen Brüdern

In dichter Pulvernacht;

Und wollt ein Feind im Dunkel

Entfliehn der Schlacht, der heißen,

Würd ich des Rauches Mantel

Ihm von den Schultern reißen,

Die Kugeln meiner Brüder

Würd ich im Fluge lenken,

Daß sie sich tief und sicher

In Feindesherzen senken.

 

Hippolyt

 

Schon regen sich die Lüfte,

Und Sturmeswolken ziehn;

Vielleicht ist Polens Freiheit

Auf immer nicht dahin.

 

Boleslaw

 

Die Winde gehn und kommen,

Die Woge ebbt und flutet,

Doch ewig ohne Hülfe

Die tiefe Wunde blutet!

Der traurige Mönch

 

Nach einer Sage

 

In Schweden steht ein grauer Turm,

Herbergend Eulen, Aare;

Gespielt mit Regen, Blitz und Sturm

Hat er neunhundert Jahre;

Was je von Menschen hauste drin,

Mit Lust und Leid, ist längst dahin.

 

Der Regen strömt, ein Reiter naht,

Er spornt dem Roß die Flanken;

Verloren hat er seinen Pfad

In Dämmrung und Gedanken;

Es windet heulend sich im Wind

Der Wald, wie ein gepeitschtes Kind.

 

Verrufen ist der Turm im Land,

Daß nachts, bei hellem Lichte,

Ein Geist dort spukt in Mönchsgewand,

Mit traurigem Gesichte;

Und wer dem Mönch ins Aug gesehn,

Wird traurig und will sterben gehn.

 

Doch ohne Schreck und Grauen tritt

Ins Turmgewölb der Reiter,

Er führt herein den Rappen mit

Und scherzt zum Rößlein heiter:

»Gelt du, wir nehmens lieber auf

Mit Geistern als mit Wind und Trauf?«

 

Den Sattel und den nassen Zaum

Entschnallt er seinem Pferde,

Er breitet sich im öden Raum

Den Mantel auf die Erde

Und segnet noch den Aschenrest

Der Hände, die gebaut so fest.

 

Und wie er schläft und wie er träumt

Zur mitternächtgen Stunde,

Weckt ihn sein Pferd, es schnaubt und bäumt,

Hell ist die Turmesrunde,

Die Wand wie angezündet glimmt;

Der Mann sein Herz zusammennimmt.

 

Weit auf das Roß die Nüstern reißt,

Es bleckt vor Angst die Zähne,

Der Rappe zitternd sieht den Geist

Und sträubt empor die Mähne;

Nun schaut den Geist der Reiter auch

Und kreuzet sich nach altem Brauch.

 

Der Mönch hat sich vor ihn gestellt,

So klagend still, so schaurig,

Als weine stumm aus ihm die Welt,

So traurig, o wie traurig!

Der Wandrer schaut ihn unverwandt

Und wird von Mitleid übermannt.

 

Der große und geheime Schmerz,

Der die Natur durchzittert,

Den ahnen mag ein blutend Herz,

Den die Verzweiflung wittert,

Doch nicht erreicht – der Schmerz erscheint

Im Aug des Mönchs, der Reiter weint.

 

Er ruft: »O sage, was dich kränkt?

Was dich so tief beweget?«

Doch wie der Mönch das Antlitz senkt,

Die bleichen Lippen reget,

Das Ungeheure sagen will:

Ruft er entsetzt: »Sei still! sei still!« –

 

Der Mönch verschwand, der Morgen graut,

Der Wandrer zieht von hinnen;

Und fürder spricht er keinen Laut,

Den Tod nur muß er sinnen;

Der Rappe rührt kein Futter an,

Um Roß und Reiter ists getan.

 

Und als die Sonn am Abend sinkt:

Die Herzen bänger schlagen,

Der Mönch aus jedem Strauche winkt,

Und alle Blätter klagen,

Die ganze Luft ist wund und weh –

Der Rappe schlendert in den See.

Weib und Kind

 

Ein schwüler Sommerabend wars, ein trüber,

Ich ging fußwandernd im Gebirg allein,

Und ich bedachte mir im Dämmerschein,

Was mir noch kommen soll, was schon vorüber.

 

Kein Windhauch zog, die ernsten Tale ruhten,

Und wunderbar war mir das Fernste nah;

Der Tannwald stand ein fester Bürge da,

Daß sich noch alles wenden wird zum Guten.

 

Mir kam ein armes Bauernweib entgegen:

»Gelobt sei Jesus Christus!« sprach sie mir;

»In Ewigkeit!« so dankt ich freundlich ihr;

Es ist der beste Gruß auf dunklen Wegen.

 

Ihr folgt' ein kleines Mägdlein, halb erschrocken,

Als sie mich sah und ich die Hand ihr bot;

Sie mühte sich, mit einem Bissen Brot

Ein zögernd Kälblein mit sich heim zu locken.

 

»Kumm, Kalberl, kumm!« so rief das Kind dem Tiere;

Das klang so innig, lieblich und vertraut,

Daß ich der Unschuld heimatlichen Laut

Aus meinem Herzen nimmermehr verliere.

 

Lang blickt ich ihnen nach, bis sie verschwunden.

Und daß ein Leben schön und glücklich nur,

Wenn es sich schmiegt an Gott und die Natur,

Hab ich auf jenem Berge tief empfunden.

Der Steirertanz

 

Robert

 

Laß, Freund, uns übernachten

In jenem Jägerhause,

Das uns entgegenklinget

Mit Geigen und Gesängen.

Heut ließ die Sonne sprühen

Die sommerscharfen Pfeile,

Es war ein heißes Wandern

Auf steilen Bergespfaden;

Wir wollen uns erfrischen.

Und sind des Leibes Mühen

Am raschen Wanderstabe

Belohnt mit wackerm Imbiß

Und manchem Becher Weines,

Erquicken wir die Seele

Mit heiteren Gesprächen.

 

Heinrich

 

Es war ein herrlich Wandern;

Den Abgrund überspringend,

Die Felswand überkletternd,

Fand ich in seiner hohen

Geheimnisvollen Heimat

Manch schönes Alpenblümlein,

So einsam, bis zur Stunde

Gekannt nur von den Lüften,

Besucht nur von den Wolken,

Erblickt von Sternenaugen.

 

Robert

 

Es war ein herrlich Wandern;

Vom Klippenast des Kalkes,

Vom schwarzen Beet des Abgrunds

Hab ich gepflückt Gedanken,

Niewelke Blumen Gottes,

Die werden freudig duften

Mir durch mein ganzes Leben.

 

(Sie treten ins Haus)

 

Jäger

 

Seid schön gegrüßt, Ihr Herren,

Glückselig guten Abend!

 

Robert

 

Wollt Ihr zwei müde Wandrer

Herbergen für die Nacht?

 

Jäger

 

Willkommen mir von Herzen!

Nur ists in meiner Hütte

Ein wenig toll und voll,

Wir haben heute Hochzeit;

Ihr müßt Euch schon begnügen,

Ein Plätzchen wo zu nehmen,

Das nicht die Lust besetzt hat,

's wird freilich knapp genug sein.

 

Heinrich

 

Hier wollen wir uns lagern,

Den Tanz zu überschauen.

Sieh dort den Jägerburschen,

Den schlanken, schönen, flinken;

Auf seinem grünen Hute

Gemsbart und Hahnenfeder;

Aus seinem festen Auge

Blitzt ihm ein Siegesstrahl;

Die Gemse, die sein Blick faßt

In ihrer Felsenheimat,

Wird nicht mehr lange weiden

Die frischen Alpenkräuter;

Die Dirne, die sein Blick faßt,

Wird nicht mehr lange wandeln

Auf ihrer grünen Alpe

Mit leichtem, freien Herzen.

 

Robert

 

Das ist der beste Schütze

Im steirischen Gebirge.

Ich wollte, Freund, es schlügen

Entschlüsse mir und Taten

So scharf getreu zusammen,

Wie diesem wackern Jäger

Sein Blick und seine Kugel.

 

Heinrich

 

Er ist der beste Schütze

Und ist der feinste Tänzer

Von diesen Burschen allen.

Wie er die schöne Dirne

So leicht und sanft und sicher

Im frohen Kreise tummelt!

Uns läßt das lustge Paar

Hintanzen vor den Augen,

Harmonischer Bewegung,

Ein freundlich Bild des Lebens.

Er reicht dem lieben Mädchen

Hoch über ihrem Haupte

Den Finger, und sie dreht sich

Um seine Faust im Kreise,

Die Anmut um die Stärke.

Er tanzt gerade vorwärts

In edler Manneshaltung

Und läßt das liebe Mädchen

Leicht wechselnd aus der Rechten

In seine Linke gleiten

Und nimmt die Flinkbewegte

Herum in seinem Rücken,

Läßt sich von ihr umtanzen,

Als wollt er sich umzirken

Rings um und um mit Liebe

Und ihr im Tanze sagen:

Du schließest mir den Kreis

Von allen meinen Freuden!

 

Robert

 

Nun fassen sich die Frohen

Zugleich an beiden Händen

Und drehen sich geschmeidig,

Sich durch die Arme schlüpfend,

Und blicken sich dabei

Glückselig in die Augen,

Als wollten sie sich sagen:

So wollen wir verbunden,

Uns meinander schmiegend,

Hintanzen leicht und fröhlich

Durchs wechselvolle Leben!

 

Heinrich

 

Hörst du den Jäger jauchzen?

Zu enge sind der Seele

Die Ufer ihres Leibes,

Und jubelnd überbrausen

Die Fluten des Entzückens.

 

Robert

 

Siehst du die Erd ihn stampfen?

Im Freudenübermute

Gibt er der Erde schallend

Den Fußtritt der Verachtung;

»Du kriegst nur unsre Asche!«

Ruft ihr sein helles Jauchzen,

Und flammend blickt sein Auge

Der Liebsten in das Auge,

Unsterblichkeitsgewiß:

»Wir haben uns auf ewig!« –

Die Blicke dieser beiden

Sind mir gewisse Bürgschaft

Für mein unsterblich Leben.

Was sich geliebt auf Erden,

Muß dort sich wiederfinden.

 

Heinrich

 

Das glaub ich nimmermehr,

So gern ich auch, o Freund

Und treuer Berggenosse,

Mit dir durchstreifen möchte

In einem andern Leben

Die himmlischen Gebirge

Und dort sie alle finden,

Die hier mein Herz verloren;

Doch kann ich es nicht glauben.

Wie diese Musikanten

Auf Geig und Zither spielen

Den lustgen Steirertanz,

Den ersten Teil des Walzers

Im zweiten wiederholend,

Nur wechselnd in der Tonart:

Meinst du, der alte Geiger,

Dem die Gestirne tanzen

Zur starken Weltenfiedel,

Wird unser Erdenleben,

Wenns einmal abgespielt ist,

Noch einmal runterspielen,

Nur höher, in der Quinte? –

 

Robert

 

Ich meine das mit nichten.

Wohl bin ich nur ein Ton

Im schönen Liede Gottes;

Doch wie das schöne Lied

Wird nimmermehr verklingen,

So wird der Ton im Liede

Auch nimmer gehn verloren,

Nicht brechen sich am Grabe:

Und was im Erdenleben

Mit ihm zusammenklang,

Wird einst mit ihm erklingen

Zu freudigen Akkorden

Im Strom des ewgen Liedes.

Die drei Zigeuner

 

Drei Zigeuner fand ich einmal

Liegen an einer Weide,

Als mein Fuhrwerk mit müder Qual

Schlich durch sandige Heide.

 

Hielt der eine für sich allein

In den Händen die Fiedel,

Spielte, umglüht vom Abendschein,

Sich ein feuriges Liedel.

 

Hielt der zweite die Pfeif im Mund,

Blickte nach seinem Rauche,

Froh, als ob er vom Erdenrund

Nichts zum Glücke mehr brauche.

 

Und der dritte behaglich schlief,

Und sein Zimbal am Baum hing,

Über die Saiten der Windhauch lief,

Über sein Herz ein Traum ging.

 

An den Kleidern trugen die drei

Löcher und bunte Flicken,

Aber sie boten trotzig frei

Spott den Erdengeschicken.

 

Dreifach haben sie mir gezeigt,

Wenn das Leben uns nachtet,

Wie mans verraucht, verschläft, vergeigt

Und es dreimal verachtet.

 

Nach den Zigeunern lang noch schaun

Mußt ich im Weiterfahren,

Nach den Gesichtern dunkelbraun,

Den schwarzlockigen Haaren.

Die nächtliche Fahrt

 

Zu öd und traurig selbst den Heidewinden

Sind diese winterlichen Einsamkeiten,

Nur Schnee und Schnee ringsaus in alle Weiten,

Nur stiller, keuscher, kalter Tod zu finden.

 

Hier ists umsonst, nach frohem Ton zu lauschen,

Singvögel sind geflohn von diesem Grabe,

Der Schnabel in die Federn hüllt der Rabe,

Und eingefroren ist der Bäche Rauschen.

 

Sieht man den Wald so tief in Tod versunken,

Will mans nicht glauben, daß er jemals wieder

Aufgrünt im Lenz, daß je hier seine Lieder

Ein Vogel singt, vom Frühlingshauche trunken.

 

Es glänzt der Eichenwald in Eisesklammern;

Jetzt Wölfe heulen am verschneiten Grunde,

Wie Bettler, hungerwach, in nächtger Stunde

Am Grabe eines milden Königs jammern.

 

Dort fährt ein Schlitten auf der blanken Wüste,

Der Kutscher treibt die ausgestreckten Pferde,

Als ob mit seinem Fuhrwerk er die Erde

Vor Sonnenaufgang noch umrennen müßte.

 

Drei Hengste sinds, rasch wie des Nordens Lüfte,

Ein jeder trägt das werte Probezeichen

Der Schnelligkeit im rüstigen Entweichen,

Die Narbe des Wolfsbisses an der Hüfte.

 

Ein Glöcklein trägt das Mittelroß der Gabel,

Zum Glöcklein tanzend fliehn vorbei die Bäume

Am Schlitten, trüb, wie schnellvergeßne Träume,

Der Wald entflieht wie eine bleiche Fabel.

 

Die schnellen Renner sind mit Eis behangen,

Das klirrend an den schwarzen Mähnen zittert,

Der Rosse Rücken ist mit Reif umgittert:

Der Tod will sie mit kaltem Netze fangen.

 

Gekauert sitzt, gehüllt vom Bärenkragen,

Der Wojewod im Schlittenkorbgeflechte

Still hinter seinem pelzverhüllten Knechte,

Der manchmal pfeift, die Pferde anzujagen.

 

Dem Schlitten folgt in klarer Mondeshelle

Ein zweiter nach, mit gleichgeschwinden Rennern,

Befrachtet auch mit zwei verhüllten Männern,

Und auf der Heide klingelt seine Schelle.

 

Die Nacht ist grimmig kalt; o Wandrer meide

Den Schlaf; hörst du das Glöcklein nicht mehr schlagen,

So wirds vom Rosse dir vorangetragen,

Dein wandernd Sterbeglöcklein auf der Heide.

 

Der Bäume Leben floh zum Grund hinunter;

Gib, Wandrer, acht, daß nicht auch deine Seele

Zu ihrem Grunde sich hinunterstehle,

Wenn du einnickest; Wandrer, halt dich munter!

 

Bist du ein Jäger, denke an ein Wildern;

Hast du ein Lieb, denk an ihr süßes Lager;

Wenn Haß dich wurmt, der scharfe Herzensnager,

So halt dich wach und warm mit Rachebildern! –

 

Ha! Wölfe! seht, ein ganzes Rudel Tode!

Sie folgen, eine nachgeschleifte Kette,

Die Todesangst, der Hunger rennen Wette,

Und ohne Furcht bleibt nur der Wojewode.

 

Es kracht der Schnee, schnell sind die grauen Horden,

Doch schneller sind, gottlob! die braven Hengste,

Die Rappen sind im Drang der Todesängste

Plötzlich wie junge Raben flügg geworden.

 

So fliehn sie weite Strecken, angstgetrieben;

Die Männer schießen schreckend die Gewehre

Vom Schlittenborde nach dem grausen Heere,

Bis nach und nach es ist zurückgeblieben.

 

Nun halten sie; die Pferde dampfend schwitzen

Und schnauben aus den Nüstern sich das Bangen;

Drei treten in die Schenke und verlangen

'nen Becher Wein, doch bleibt der Woiwod sitzen.

 

Da springt der Wirt, ein Jude, an den Schlitten

Und macht dem Gaste tiefe Reverenzen:

»Darf ich, Herr Wojewod, Euch nicht kredenzen

Wein, Brot und einen feinen Bratenschnitten?«

 

Und mit Gelächter ruft der Kutscher drinnen:

»Dem schmeckt kein Braten und kein Gläschen Roter,

Der ißt nicht, trinkt nicht, friert nicht, ist ein Toter,

An dem, Hebräer, wirst du nichts gewinnen!

 

Im Zweikampf ist der gute Herr geblieben,

Sein Erzfeind, Russe, hat ihn totgeschossen;

Ich fahre meinen schweigenden Genossen

Heim in die Gruft vorausgegangner Lieben.

 

Bald aber hätt ich ihm die Treu zerrissen,

Denn wären uns die Wölfe näher kommen,

So hätt ich ihn nicht weiter mitgenommen,

Ich hätt ihn, uns zu retten, hingeschmissen.

 

Ich meine immer noch sein Blut zu schauen,

Wies rauchend in den weißen Schnee gequollen,

Wie sichs nicht bergen konnte in den Schollen;

Das Bluteis darf im Frühling erst zertauen!«

 

Sie fahren weiter mit verhängtem Zügel

Fort über Brücken, Zäune, Teich' und Bäche,

Denn alles hat der Schnee gefüllt zur Fläche

Und gleichgefegt der Wind mit seinem Flügel.

 

Nur manchmal blickt der Kutscher nach dem Toten;

Noch sitzt er da, das Haupt vorunterneigend,

Wie er gesessen, unbekümmert, schweigend,

Als hinterher die grimmen Wölfe drohten.

 

Das Mordblei, das den Wojewoden fällte

Und stecken blieb in seinem Eingeweide;

Der Schnee, der rings bedeckt Podoliens Heide;

Sein Herz – sind alle drei von gleicher Kälte.

 

Der Wind erwacht und rasselt an der Föhre,

Das Glöcklein schallt, es dunkelt vor den Rossen,

Am Himmel zieht der bleiche Mond verdrossen

Den Wolkenmantel zu, als ob er fröre. –

 

Das mahnt uns an die Träume eines Zaren,

Der gerne möcht in winternächtgen Stunden,

Das Ruhmesglöcklein an sein Roß gebunden,

Das tote Polen durch die Heide fahren.

Vision

 

Vom Himmel strahlt der Mond so klar,

Greif aus, o Rappe, greif!

Im Winde fliegt des Reiters Haar,

Des Rosses Mahn und Schweif.

 

Auf seinem Hut der Reiter trägt

Gemsbart und Federnputz,

Ein schmerzliches Gelächter schlägt

Er auf und schwingt den Stutz.

 

Der Reiter sprengt um Mitternacht

Durchs Land Tirol, allein;

Der Waldstrom braust und stürzt mit Macht,

Der Reiter holt ihn ein.

 

Die Schneegans dort hoch oben ruft

Ihr schnatternd Wanderlied,

Schnell zieht der Vogel in der Luft,

Der Reiter schneller flieht.

 

Schnell ist der Wolkenschatten Flucht,

Der Reiter schneller noch,

Kaum braust er in der tiefen Schlucht,

Schon auch am Gipfel hoch.

 

Wo das Gebein der Helden liegt,

Gibt er dem Roß die Sporn,

An den vergeßnen Gräbern fliegt

Er wild vorbei im Zorn.

 

Am Wege dort ein Kruzifix,

Des Unglücks Herberg, ragt,

Seitwärts gewandten finstern Blicks

Vorbei der Reiter jagt.

 

So reitet er durchs Land Tirol

Und ruft so bang, so schwer:

»Mein schönes Land, leb wohl! leb wohl!

Du siehst mich nimmermehr!«

 

Das letzte Heldengrab zerreißt,

Der Reiter stürzt hinein,

Grab zu. Verschwunden ist der Geist

Von Achtzehnhundertneun.

 

 

Viertes Buch

 

Reiseblätter

 

Der Urwald

Es ist ein Land voll träumerischem Trug,

Auf das die Freiheit im Vorüberflug

Bezaubernd ihren Schatten fallen läßt,

Und das ihn hält in tausend Bildern fest;

Wohin das Unglück flüchtet ferneher

Und das Verbrechen zittert übers Meer;

Das Land, bei dessen lockendem Verheißen

Die Hoffnung oft vom Sterbelager sprang

Und ihr Panier durch alle Stürme schwang,

Um es am fremden Strande zu zerreißen

Und dort den zwiefach bittern Tod zu haben;

Die Heimat hätte weicher sie begraben! –

In jenem Lande bin ich einst geritten

Den Weg, der einen finstern Wald durchschnitten;

Die Sonne war geneigt im Untergang,

Nur leise strich der Wind, kein Vogel sang.

Da stieg ich ab, mein Roß am Quell zu tränken,

Mich in den Blick der Wildnis zu versenken.

Vermildernd schien das helle Abendrot

Auf dieses Urwalds grauenvolle Stätte,

Wo ungestört das Leben mit dem Tod

Jahrtausendlang gekämpft die ernste Wette.

Umsonst das Leben hier zu grünen sucht,

Erdrücket von des Todes Überwucht,

Denn endlich hat der Tod, der starke Zwinger,

Die Faust geballt, das Leben eingeschlossen,

Es sucht umsonst, hier, dort hervorzusprossen

Durch Moderstämme, dürre Todesfinger.

Wohin, o Tod, wirst du das Pflanzenleben

In deiner starken Faust und meines heben?

Wirst du sie öffnen? wird sie ewig schließen?

So frug ich bange zweifelnd und empfand

Im Wind das Fächeln schon der Todeshand

Und fühlt es kühler schon im Herzen fließen.

Und lange lag ich auf des Waldes Grund,

Das Haupt gedrückt ins alte, tiefe Laub,

Und starrte, trauriger Gedanken Raub,

Dem Weltgeheimnis in den finstern Schlund.

Wo sind die Blüten, die den Wald umschlangen,

Wo sind die Vögel, die hier lustig sangen?

Nun ist der Wald verlassen und verdorrt,

Längst sind die Blüten und die Vögel fort.

So sind vielleicht gar bald auch mir verblüht

Die schönen Ahndungsblumen im Gemüt;

Und ist der Wuchs des Lebens mir verdorrt,

Sind auch die Vögel, meine Lieder, fort;

Dann bin ich still und tot, wie dieser Baum,

Der Seele Frühling war, wie seiner – Traum.

Als einst der Baum, der nun in Staub verwittert,

So sehnsuchtsvoll empor zum Lichte drang

Und seine Arme ihm entgegen rang,

Als nach dem Himmel jedes Blatt gezittert,

Und als er seinen süßen Frühlingsduft

Beseelend strömte weithin in die Luft –

Schien nicht sein schönes Leben wert der Dauer,

Und starb es hin, ists minder wert der Trauer,

Als mein Gedanke, der sich ewig wähnt?

Als meine Sehnsucht, die nach Gott sich sehnt? –

So lag ich auf dem Grunde schwer beklommen,

Dem Tode nah, wie nie zuvor, gekommen;

Bis ich die dürren Blätter rauschen hörte

Und mich der Huftritt meines Rosses störte;

Es schritt heran zu mir, als wollt es mahnen

Mich an die Dämmerung und unsre Bahnen;

Ich aber rief: »Ists auch der Mühe wert,

Noch einmal zu beschreiten dich, mein Pferd?«

Es blickt' mich an mit stiller Lebenslust,

Die wärmend mir gedrungen in die Brust,

Und ruhebringend wie mit Zaubermacht.

Und auf den tief einsamen Waldeswegen

Ritt ich getrost der nächsten Nacht entgegen,

Und der geheimnisvollen Todesnacht.

An einem Baum

 

Du Baum, so morsch und lebensarm,

So ausgehöhlt, sei mir gegrüßt;

Wie doch dein froher Bienenschwarm

Die Todeswunde dir versüßt!

 

Sie wandern fort im raschen Zug,

Sie kehren summend wieder heim

Und bringen dir im Freudenflug

Von fernen Blumen Honigseim.

 

O Baum, du mahnst mein Herz so schwer

An einen lieben alten Mann;

Gott gebe, kehr ich übers Meer,

Daß ich ihn noch umarmen kann!

 

Baum, wie du morsch und abgedorrt,

Doch Honig birgt dein altes Reis,

So birgt der Weisheit süßen Hort

In seiner Brust der morsche Greis.

 

Und seine muntre Bienenschar,

Gedanken fliegen aus und ein

Und bringen Honig süß und klar,

Die reiche Beut aus Wies und Hain;

 

Oft locket sie von hinnen weit,

Zu Blumen, die kein Herbst uns raubt,

Der Frühlingshauch der Ewigkeit;

Dann senkt er still sein edles Haupt.

Verschiedene Deutung

 

1.

Sieh, wie des Niagara Wellen

Im Donnerfall zu Staub zerschellen,

Und wie sie, sprühend nun zerflogen,

Empfangen goldne Sonnenstrahlen

Und auf den Abgrund lieblich malen

Den farbenreichen Regenbogen.

O Freund, auch wir sind trübe Wellen,

Und unser Ich, es muß zerschellen,

Nur stäubend in die Luft zergangen,

Wird es das Irislicht empfangen.

 

2.

»Trüb, farblos waren diese Fluten,

Solang sie noch im Strome wallten;

Sie mußten vielfach sich zerspalten,

Daß sie aufblühn in Farbengluten.

Nun fliegt ein jeder Tropfen einsam,

Ein armes Ich, doch strahlen sie

Im hellen Himmelslicht gemeinsam

Des Bogens Farbenharmonie. «

Niagara

 

Klar und wie die Jugend heiter,

Und wie murmelnd süßen Traum,

Zieht der Niagara weiter

An des Urwalds grünem Saum;

 

Zieht dahin im sanften Flusse,

Daß er noch des Waldes Pracht

Widerstrahlt mit froher Muße

Und die Sterne stiller Nacht.

 

Also sanft die Wellen gleiten,

Daß der Wandrer ungestört

Und erstaunt die meilenweiten

Katarakte rauschen hört.

 

Wo des Niagara Bahnen

Näher ziehn dem Katarakt,

Hat den Strom ein wildes Ahnen

Plötzlich seines Falls gepackt.

 

Erd und Himmels unbekümmert

Eilt er jetzt im tollen Zug,

Hat ihr schönes Bild zertrümmert,

Das er erst so freundlich trug.

 

Die Stromschnellen stürzen, schießen,

Donnern fort im wilden Drang,

Wie von Sehnsucht hingerissen

Nach dem großen Untergang.

 

Den der Wandrer fern vernommen,

Niagaras tiefen Fall

Hört er nicht, herangekommen,

Weil zu laut der Wogenschall.

 

Und so mag vergebens lauschen,

Wer dem Sturze näher geht;

Doch die Zukunft hörte rauschen

In der Ferne der Prophet.

Das Blockhaus

 

Müdgeritten auf langer Tagesreise

Durch die hohen Wälder der Republik,

Führte zu einem Gastwirt mein Geschick;

Der empfing mich kalt, auf freundliche Weise,

Sprach gelassen, mit ungekrümmtem Rücken:

»Guten Abend!« und bot mir seine Hand,

Gleichsam guten Empfangs ein leblos Pfand,

Denn er rührte sie nicht, die meine zu drücken.

Lesen konnt ich in seinen festen Zügen

Seinen lang und treu bewahrten Entschluß:

Auch mit keinem Fingerdrucke zu lügen;

Sicher und wohl ward mir bei seinem Gruß.

Wenig eilte der Mann, mich zu bedienen,

Doch nicht fand ich die Kost so dürr und mager

Wie sein Wort, ich sollte bei ihm ein Lager

Finden weicher und wärmer als seine Mienen.

Winter wars, ich starrte vom Urwaldfroste;

Als ich eintrat in die geheizte Stube,

Sprang mit Fragen heran des Farmers Bube,

Was von meinem Gepäck dies, jenes koste?

Emsig am Tisch sah ich die Weiber schalten;

Und es wurde die Mahlzeit rasch gehalten.

Später schwatzten die männlichen Hausgenossen

Am Kamin, die scharfe Zigarr im Munde,

Von Geschäft und Betrieb, bis eine Stunde

Mir in traulicher Langweil hingeflossen.

Hörbar vor allen sprach des Hauses Vater,

Als ein vielerfahrner Lenker und Rater,

Wechselnd raucht' er und sprach, und aller Augen

Hingen an seinen Lippen, der Alte schien

Aus dem Zigarrenstumpf Erfindung zu saugen;

Schweigend ließ ich die Reden vorüberziehn.

Endlich gewann der Schlaf den stillen Sieg,

Und sie gingen zu Bett; ich blieb allein,

Trank noch eine Flasche vom lieben Rhein,

Als das englische Talergelispel schwieg.

Und zur weit gewanderten deutschen Flasche

Holt ich den Uhland aus meiner Satteltasche.

Ferne der Heimat, tiefst im fremden Wald,

Las ich mir laut den herrlichen ›Held Harald‹.

Eichenstämme warf ich ins lustige Feuer,

Mir die Stube zu hellen und zu wärmen,

Denn die Elfen Haralds sind nicht geheuer,

Lockend hörte ich sie schon im Walde schwärmen.

Aber mit einmal war die Freude geschwunden,

Und mir wollte der Rheinwein nicht mehr munden.

›Uhland! wie stehts mit der Freiheit daheim?‹ die Frage

Sandt ich über Wälder und Meer ihm zu.

Plötzlich erwachte der Sturm aus stiller Ruh,

Und im Walde hört ich die Antwortklage:

Krachend stürzten draußen die nacktgeschälten

Eichen nieder zu Boden, die frühentseelten,

Und im Sturme, immer lauter und bänger,

Hört ich grollen der Freiheit herrlichen Sänger:

»Wie sich der Sturm bricht heulend am festen Gebäude,

Bricht sich Völkerschmerz an Despotenfreude,

Sucht umsonst zu rütteln die festverstockte,

Die aus Freiheitsbäumen zusammengeblockte!«

Traurig war mir da und finster zumut,

Scheiter und Scheiter warf ich in die Glut;

Mir erschien die bewegte Menscbengeschichte

In des Kummers zweifelflackerndem Lichte.

»Diese Stämme verbrennen hier am Herde,

Auf ein kurzes Stündlein mich warm zu halten,

Der ich bald doch werde müssen erkalten,

Der ich selber zu Asche sinken werde.

Gibt es vielleicht gar keine Einsamkeit?

Bin ich selber nur ein verbrennend Scheit?

Und wie ich mich wärme am Eichenstamme,

Wärmt sich vielleicht ein unsichtbarer Gast

Heimlich an meiner zehrenden Lebensflamme,

Schürend und fachend meine Gedankenhast?«

Also führt ich mit mir ein wirres Plaudern;

(Hoffnungsloser Kummer ist ein Phantast,)

Und ich blickte mich um – und mußte schaudern.

Meeresstille

 

Sturm mit seinen Donnerschlägen

Kann mir nicht wie du

So das tiefste Herz bewegen,

Tiefe Meeresruh!

 

Du allein nur konntest lehren

Uns den schönen Wahn

Seliger Musik der Sphären,

Stiller Ozean!

 

Nächtlich Meer, nun ist dein Schweigen

So tief ungestört,

Daß die Seele wohl ihr eigen

Träumen klingen hört;

 

Daß im Schutz geschloßnen Mundes

Doch mein Herz erschrickt,

Das Geheimnis heilgen Bundes

Fester an sich drückt.

Sturmesmythe

 

Stumm und regungslos in sich verschlossen

Ruht die tiefe See dahingegossen,

Sendet ihren Gruß dem Strande nicht;

Ihre Wellenpulse sind versunken,

Ungespüret glühn die Abendfunken,

Wie auf einem Totenangesicht.

 

Nicht ein Blatt am Strande wagt zu rauschen,

Wie betroffen stehn die Bäume, lauschen,

Ob kein Lüftchen, keine Welle wacht?

Und die Sonne ist hinabgeschieden,

Hüllend breitet um den Todesfrieden

Schleier nun auf Schleier stille Nacht.

 

Plötzlich auf am Horizonte tauchen

Dunkle Wolken, die herüberhauchen

Schwer, in stürmischer Beklommenheit;

Eilig kommen sie heraufgefahren,

Haben sich in angstverworrnen Scharen

Um die stumme Schläferin gereiht.

 

Und sie neigen sich herab und fragen:

›Lebst du noch?‹ in lauten Donnerklagen,

Und sie weinen aus ihr banges Weh.

Zitternd leuchten sie mit scheuem Grauen

Auf das stille Bett herab und schauen,

Ob die alte Mutter tot, die See?

 

Nein, sie lebt! sie lebt! der Töchter Kummer

Hat sie aufgestört aus ihrem Schlummer,

Und sie springt vom Lager hoch empor:

Mutter – Kinder – brausend sich umschlingen

Und sie tanzen freudenwild und singen

Ihrer Lieb ein Lied im Sturmeschor.

Wandrer und Wind

 

Herbstwind, o sei willkommen!

Fünf Tage lag das Meer

So still, so bang beklommen,

Kein Lüftchen zog daher.

 

O Wind, nach deinem Rauschen

Sehnt ich mich auf der See,

Wie einst mein Jägerlauschen

Im Wald nach Hirsch und Reh,

 

Wie geht es meinen Wäldern

Am frischen Neckarfluß?

Den heimatlichen Feldern?

Bringst du mir keinen Gruß?

 

›Entlaubt hab ich die Wälder

Im raschen Wanderzug,

Nahm durch die Stoppelfelder

Den ungehemmten Flug.

 

Nun ich durch Feld und Auen

Mein Wanderliedlein pfiff,

Komm ich nach euch zu schauen

Im Emigrantenschiff.

 

Weil alter Liebesbande

Das Schifflein müd und matt,

Jag ichs vom Mutterstrande

Dahin, ein welkes Blatt!‹

Das Wiedersehen

 

Du heimatliches Tal,

Mir wird so wohl und wehe,

Daß ich dich nun einmal,

Ersehntes! wiedersehe.

 

Weinberg, sei mir gegrüßt!

Noch grünen deine Reben,

Womit du oft versüßt

Ein herbes Menschenleben;

 

Viel Herbste schwanden dir,

Die deine Trauben reiften,

Und die vom Herzen mir

So manche Hoffnung streiften.

 

Noch kenn ich jeden Baum,

Wo ich vor so viel Jahren

Gehegt den Jugendtraum,

Der scheu dahingefahren.

 

Noch kenn ich jedes Haus;

Doch andre Menschen schreiten

Geschäftig ein und aus,

Als wie zu meinen Zeiten.

 

Ich frage dort und hier

Nach einem Freund mit Zagen

Und Furcht, ich könnte schier

Nach einem Toten fragen.

 

Es ist nur noch der Ort,

Wo wir gefreut uns haben,

Die Lieben all sind fort,

Verreiset und begraben.

 

Drum bleib ich hier nicht lang,

Mich fühlend zu verlassen,

Und tu auch keinen Gang

Bei Tag mehr durch die Straßen.

 

Erst wenn es worden Nacht

Und schläft des Tags Gebrause,

Schleich ich heran mich sacht

Zu manchem Freundeshause.

 

Die süße Träumerei

Such ich dann festzuhalten,

Als ob doch alles sei

Geblieben hier beim alten.

 

Zum Fenster dann empor

Blick ich und lausch und grüße,

Ob mich, den ich verlor,

Der Freund erblicken müsse;

 

Ich lausch und scheide nicht,

Bis ich zu schauen meine

Sein liebes Angesicht

Im wirren Mondenscheine.

Die Sennin

 

Schöne Sennin, noch einmal

Singe deinen Ruf ins Tal,

Daß die frohe Felsensprache

Deinem hellen Ruf erwache.

 

Horch, o Mädchen, wie dein Sang

In die Brust den Bergen drang,

Wie dein Wort die Felsenseelen

Freudig fort und fort erzählen!

 

Aber einst, wie alles flieht,

Scheidest du mit deinem Lied,

Wenn dich Liebe fortbewogen

Oder dich der Tod entzogen.

 

Und verlassen werden stehn,

Traurig stumm herübersehn

Dort die grauen Felsenzinnen

Und auf deine Lieder sinnen.

See und Wasserfall

 

Die Felsen schroff und wild,

Der See, die Waldumnachtung

Sind dir ein stilles Bild

Tiefsinniger Betrachtung.

 

Und dort, mit Donnerhall

Hineilend zwischen Steinen,

Läßt dir der Wasserfall

Die kühne Tat erscheinen.

 

Du sollst, gleich jenem Teich,

Betrachtend dich verschließen;

Dann kühn, dem Bache gleich,

Zur Tat hinunterschießen.

Herbstgefühl

 

Der Buchenwald ist herbstlich schon gerötet,

So wie ein Kranker, der sich neigt zum Sterben,

Wenn flüchtig noch sich seine Wangen färben,

Doch Rosen sinds, wobei kein Lied mehr flötet.

 

Das Bächlein zieht und rieselt, kaum zu hören,

Das Tal hinab, und seine Wellen gleiten,

Wie durch das Sterbgemach die Freunde schreiten,

Den letzten Traum des Lebens nicht zu stören.

 

Ein trüber Wandrer findet hier Genossen,

Es ist Natur, der auch die Freuden schwanden,

Mit seiner ganzen Schwermut einverstanden,

Es ist in ihre Klagen eingeschlossen.

Ein Herbstabend

 

Es weht der Wind so kühl, entlaubend rings die Äste,

Er ruft zum Wald hinein: Gut Nacht, ihr Erdengäste!

 

Am Hügel strahlt der Mond, die grauen Wolken jagen

Schnell übers Tal hinaus, wo alle Wälder klagen.

 

Das Bächlein schleicht hinab, von abgestorbnen Hainen

Trägt es die Blätter fort mit halbersticktem Weinen.

 

Nie hört ich einen Quell so leise traurig klingend,

Die Weid am Ufer steht, die weichen Äste ringend.

 

Und eines toten Freunds gedenkend lausch ich nieder

Zum Quell, der murmelt stets: wir sehen uns nicht wieder!

 

Horch! plötzlich in der Luft ein schnatterndes Geplauder:

Wildgänse auf der Flucht vor winterlichem Schauder.

 

Sie jagen hinter sich den Herbst mit raschen Flügeln,

Sie lassen scheu zurück das Sterben auf den Hügeln.

 

Wo sind sie? ha! wie schnell sie dort vorüberstreichen

Am hellen Mond und jetzt unsichtbar schon entweichen;

 

Ihr ahnungsvoller Laut läßt sich noch immer hören,

Dem Wandrer in der Brust die Wehmut aufzustören.

 

Südwärts die Vögel ziehn mit eiligem Geschwätze;

Doch auch den Süden deckt der Tod mit seinem Netze.

 

Natur das Ewge schaut in unruhvollen Träumen,

Fährt auf und will entfliehn den todverfallnen Räumen.

 

Der abgerißne Ruf, womit Zugvögel schweben,

Ist Aufschrei wirren Traums von einem ewgen Leben.

 

Ich höre sie nicht mehr, schon sind sie weit von hinnen;

Die Zweifel in der Brust den Nachtgesang beginnen:

 

Ists Erdenleben Schein? – ist es die umgekehrte

Fata Morgana nur, des Ewgen Spiegelfährte?

 

Warum denn aber wird dem Erdenleben bange,

Wenn es ein Schein nur ist, vor seinem Untergange?

 

Ist solche Bängnis nur von dem, was wird bestehen,

Ein Widerglanz, daß auch sein Bild nicht will vergehen?

 

Dies Bangen auch nur Schein? – so schwärmen die Gedanken,

Wie dort durchs öde Tal die Herbstesnebel schwanken.

 

Liebesklänge

 

Am Rhein

Wir reisten zusammen mit andern

Zu Schiff hinunter den Rhein,

Es war ein seliges Wandern;

Doch waren wir selten allein.

 

Sie traten heran, zu lauschen,

Du ließest nur hier und dort

Mir fallen unter das Rauschen

Des Stroms ein heimliches Wort.

 

Ich sprach: Bald trennt uns die Reise!

Ob hier wir uns wiedersehn?

»Dort vielleicht einst!« sagtest du leise,

Ich konnte dich kaum verstehn.

 

Wir flogen vorüber am Strande,

Der Dampf durchbrauste den Schlot,

Wie ein zorniger Neger die Bande

Wildschnaubend zu sprengen droht.

 

Und sie begannen zu preisen,

Wie schnell man sich heute bewegt,

Und wie das rührige Eisen

Man über die Straßen legt;

 

Als wollten zu Grabe sie tragen

Des Elends türmenden Wust

Und wieder das Eden erjagen,

Den uralt bittern Verlust.

 

Es hat doch den rechten Fergen

Das Schifflein lange noch nicht,

Solange noch Liebe verbergen

Sich muß wie ein Sündergesicht,

 

Noch lange nicht hat, ihr Gesellen,

Das Eisen den rechten Guß,

Wenn sich die Liebe bestellen

Noch hinter die Gräber muß!

 

So dacht ich und blickte verdrossen

Hinab in die rollende Flut;

Dich umringten deine Genossen

Und scherzten; die hatten es gut.

 

Die Nacht war dunkelnd gekommen,

Da stiegen am Strande wir aus,

Ich folgte dir stumm und beklommen

Von ferne bis an dem Haus.

 

Und als du, noch einmal nickend,

Verschwunden im schließenden Tor,

Stand ich eine Weile noch, blickend

Nach deinem Fenster empor.

 

Ich schied von deinem Quartiere

Und ging hinüber in meins,

Das lag im fernen Reviere

Am andern Ufer des Rheins.

 

Ich betrat mein trauriges Zimmer

Und starrte unverwandt

Hinüber zum Kerzenschimmer,

Den mir dein Fenster gesandt.

 

Die Lichter drüben am Strande

Erloschen nach und nach,

Doch wie zu traulichem Pfände

Blieb deines immer noch wach.

 

Wie ich im einsamen Leide

Hinstarrte über die Flut:

Als wären gestorben wir beide,

Ward mir mit einmal zumut;

 

Als trennten uns weite Welten,

Ward mir mit einem Mal,

Den Erdengram zu vergelten

Mit ewiger Sehnsucht Qual;

 

Als blinkte dein Lichtlein so ferne

In meine Finsternis

Von einem entlegenen Sterne,

Der dich mir auf immer entriß.

 

Mir spielten, wie Tränendiebe,

Nachtwinde ums Augenlid,

Wie der Geist unglücklicher Liebe,

Der über die Erde zieht.

An *

 

Ach wärst du mein, es war ein schönes Leben!

So aber ists Entsagen nur und Trauern,

Nur ein verlornes Grollen und Bedauern;

Ich kann es meinem Schicksal nicht vergeben.

 

Undank tut wohl und jedes Leid der Erde;

Ja! meine Freund' in Särgen, Leich an Leiche,

Sind ein gelinder Gram, wenn ichs vergleiche

Dem Schmerz, daß ich dich nie besitzen werde.

Der schwere Abend

 

Die dunklen Wolken hingen

Herab so bang und schwer,

Wir beide traurig gingen

Im Garten hin und her.

 

So heiß und stumm, so trübe

Und sternlos war die Nacht,

So ganz wie unsre Liebe

Zu Tränen nur gemacht.

 

Und als ich mußte scheiden

Und gute Nacht dir bot,

Wünscht ich bekümmert beiden

Im Herzen uns den Tod.

Traurige Wege

 

Bin mit dir im Wald gegangen;

Ach, wie war der Wald so froh!

Alles grün, die Vögel sangen,

Und das scheue Wild entfloh.

 

Wo die Liebe frei und offen

Rings von allen Zweigen schallt,

Ging die Liebe ohne Hoffen

Traurig durch den grünen Wald. –

 

Bin mit dir am Fluß gefahren;

Ach, wie war die Nacht so mild!

Auf der Flut, der sanften, klaren,

Wiegte sich des Mondes Bild.

 

Lustig scherzten die Gesellen;

Unsre Liebe schwieg und sann,

Wie mit jedem Schlag der Wellen

Zeit und Glück vorüberrann. –

 

Graue Wolken niederhingen,

Durch die Kreuze strich der West,

Als wir einst am Kirchhof gingen;

Ach wie schliefen sie so fest!

 

An den Kreuzen, an den Steinen

Fand die Liebe keinen Halt;

Sahen uns die Toten weinen,

Als wir dort vorbeigewallt?

Einsamkeit

 

Wild verwachsne dunkle Fichten,

Leise klagt die Quelle fort;

Herz, das ist der rechte Ort

Für dein schmerzliches Verzichten!

 

Grauer Vogel in den Zweigen!

Einsam deine Klage singt,

Und auf deine Frage bringt

Antwort nicht des Waldes Schweigen.

 

Wenns auch immer schweigen bliebe,

Klage, klage fort; es weht,

Der dich höret und versteht,

Stille hier der Geist der Liebe.

 

Nicht verloren hier im Moose,

Herz, dein heimlich Weinen geht,

Deine Liebe Gott versteht,

Deine tiefe, hoffnungslose!

Wunsch

 

Urwald, in deinem Brausen

Und ernsten Dämmerschein

Mit der Geliebten hausen

Möcht ich allein – allein!

 

Von deinen schlanksten Bäumen

Baut ich ein Hüttlein traut

Mir aus zu Himmelsräumen;

O komm, du schöne Braut!

 

Ich legte Moosgebreite

Weich unter ihren Schritt,

Und meine Liebe streute

Ich unter ihren Tritt.

 

Für sie das Wild erjagen,

Aus tiefster Schlucht empört!

Für sie den Feind erschlagen,

Der unsern Frieden stört!

 

Ich würd in Mondesnächten,

Beim stillen Sternentanz,

Von wilden Liedern flechten

Um meine Braut den Kranz;

 

Und in den Abendgluten

Am Fels hier oben stehn,

Mit ihr die Donnerfluten

Zum Abgrund stürzen sehn;

 

Und weit hinunter blicken

Ließ' sie mein starker Arm;

Wie würd ich sie dann drücken

Ans Herz so fest und warm!

Neid der Sehnsucht

 

Die Bäche rauschen

Der Frühlingssonne,

Hell singen die Vögel,

Es lauschen die Blüten,

Und sprachlos ringen

Sich Wonnedüfte

Aus ihrem Busen;

Und ich muß trauern,

Denn nimmer strahlt mir

Dein Aug, o Geliebte! –

Nicht über den Wellen

Des Ozeanes,

Nicht über den Sternen

Und nicht im Lande

Der Phantasien

Ist meine Heimat;

Ich finde sie nur

In deinem Auge!

Was je mir freudig

Beseelte das Leben,

Was nach dem Tode

Mir weckte die Sehnsucht,

Entschwundner Kindheit

Fröhliche Tage

Und meiner Jugend

Himmlische Träume,

Von meinen Toten

Trauliche Grüße

Und meiner Gottheit

Stärkenden Anblick,

Das alles find ich

In deinem Auge,

O meine Geliebte!

Nun bist du ferne,

Und bitter beneiden

Muß jeden Stein ich

Und jede Blume,

Beneiden die kalten

Menschen und Sterne,

An die du vergeudest

Die süßen Blicke.

Meine Furcht

 

O stürzt, ihr Wolkenbrüche,

Zum Abgrund nur hinab!

O reißt, ihr Sturmesflüche,

Die Wälder in ihr Grab!

O flammt, ihr Blitzesgluten,

O rase, Donnerklang!

Ihr könnt mich nicht entmuten,

Mir wird vor euch nicht bang.

Wenn ihr aufs Herz mir zielet,

Euch acht' ich Kinder nur,

Daß ihr Vernichten spielet,

Entsprangt ihr der Natur!

Wohl spott ich Sturmesgrimme

Und wildem Donnerscherz;

Und doch vor einer Stimme

Erzittert mir das Herz;

Die schnell das Herz mir bräche,

Die Stimme fürcht ich sehr,

Wenn die Geliebte spräche:

Ich liebe dich nicht mehr!

Wunsch

 

Fort möcht ich reisen

Weit, weit in die See,

O meine Geliebte,

Mit dir allein!

 

Die Dränger und Lauscher

Und kalten Störer,

Sie hielt' uns ferne

Der wallende Abgrund,

Das drohende Meer,

Wir wären so sicher

Und selig allein.

Und käme der Sturm,

Ich würde dich halten

An meiner Brust.

Wenn donnernde Wogen

Zum Himmel schlügen,

Doch höher schlüge

Mein trunkenes Herz;

Und meine Liebe,

Die ewige, starke,

Sie würde frohlockend

Dich halten im Sturm.

Du würdest zitternd

Mir blicken ins Auge

Und würdest erblicken,

Was nimmer scheitert

In allen Stürmen,

Und würdest lächeln

Und nicht mehr zittern.

Sieh, nun ermüdet

Der tobende Aufruhr,

In Schlummer sinken

Die Wellen und Winde,

Und über den Wassern

Ist tiefe Stille.

Da ruhst du sinnend

An meiner Brust.

So tiefe Stille:

Mein lauschendes Herz

Hört Antwort pochen

Dein lauschendes Herz.

Wir sind allein,

Doch flüsterst du leise,

Um nicht zu stören

Das sinnende Meer.

Nur sanft erzittern

Die Lippen dir,

Die schwellenden Blätter

Der süßen Rose,

Ich sauge dein Wort,

Den klingenden Duft

Der süßen Rose.

Im Osten hebt sich

Der klare Mond,

Und Gott bedecket

Den Himmel mit Sternen,

Und ich bedecke,

Selig wie er,

Dein liebes Antlitz,

Den schönern Himmel,

Mit feurigen Küssen.

An den Wind

 

Ich wandre fort ins ferne Land;

Noch einmal blickt ich um, bewegt,

Und sah, wie sie den Mund geregt,

Und wie gewinket ihre Hand.

 

Wohl rief sie noch ein freundlich Wort

Mir nach auf meinen trüben Gang,

Doch hört ich nicht den liebsten Klang,

Weil ihn der Wind getragen fort.

 

Daß ich mein Glück verlassen muß,

Du rauher, kalter Windeshauch,

Ists nicht genug, daß du mir auch

Entreißest ihren letzten Gruß?

An die Entfernte

 

1.

Diese Rose pflück ich hier,

In der fremden Ferne;

Liebes Mädchen, dir, ach dir

Brächt ich sie so gerne!

 

Doch bis ich zu dir mag ziehn

Viele weite Meilen,

Ist die Rose längst dahin,

Denn die Rosen eilen.

 

Nie soll weiter sich ins Land

Lieb von Liebe wagen,

Als sich blühend in der Hand

Läßt die Rose tragen;

 

Oder als die Nachtigall

Halme bringt zum Neste,

Oder als ihr süßer Schall

Wandert mit dem Weste.

 

2.

 

Rosen fliehen nicht allein

Und die Lenzgesänge,

Auch dein Wangenrosenschein,

Deine süßen Klänge.

 

O, daß ich, ein Tor, ein Tor,

Meinen Himmel räumte!

Daß ich einen Blick verlor,

Einen Hauch versäumte!

 

Rosen wecken Sehnsucht hier,

Dort die Nachtigallen,

Mädchen, und ich möchte dir

In die Arme fallen!

Meine Rose

 

Dem holden Lenzgeschmeide,

Der Rose, meiner Freude,

Die schon gebeugt und blasser

Vom heißen Strahl der Sonnen,

Reich' ich den Becher Wasser

Aus tiefem Bronnen.

Du Rose meines Herzens!

Vom stillen Strahl des Schmerzens

Bist du gebeugt und blasser;

Ich möchte dir zu Füßen,

Wie dieser Blume Wasser,

Still meine Seele gießen!

Könnt ich dann auch nicht sehen

Dich auferstehen.

An*

 

O wag es nicht, mit mir zu scherzen,

Zum Scherze schloß ich keinen Bund;

O spiele nicht mit meinem Herzen,

Weißt du noch nicht, wie sehr es wund?

 

Weil ich so tief für dich entbrannte,

Weil ich mich dir gezeigt so weich,

Dem Herz die süße Heimat nannte

Und deinen Blick mein Himmelreich:

 

O rüttle nicht den Stolz vom Schlummer,

Der süßer Heimat sich entreißt,

Dem Himmel, mit verschwiegnem Kummer,

Auf immerdar den Rücken weist.

Kommen und Scheiden

 

So oft sie kam, erschien mir die Gestalt

So lieblich, wie das erste Grün im Wald.

 

Und was sie sprach, drang mir zum Herzen ein

Süß, wie des Frühlings erstes Lied im Hain.

 

Und als Lebwohl sie winkte mit der Hand,

Wars, ob der letzte Jugendtraum mir schwand.

Liebesfrühling

 

Ich sah den Lenz einmal

Erwacht im schönsten Tal;

Ich sah der Liebe Licht

Im schönsten Angesicht.

 

Und wandl ich nun allein

Im Frühling durch den Hain,

Erscheint aus jedem Strauch

Ihr Angesicht mir auch.

 

Und seh ich sie am Ort,

Wo längst der Frühling fort,

So sprießt ein Lenz und schallt

Um ihre süße Gestalt.

Frage nicht

 

Wie sehr ich dein, soll ich dir sagen?

Ich weiß es nicht und will nicht fragen;

Mein Herz behalte seine Kunde,

Wie tief es dein im Grunde.

 

O still! ich möchte sonst erschrecken,

Könnt ich die Stelle nicht entdecken,

Die unzerstört für Gott verbliebe

Beim Tode deiner Liebe.

 

Sonette

 

Frage

Bist du noch nie beim Morgenschein erwacht

Mit schwerem Herzen, traurig und beklommen,

Und wußtest nicht, wie du auch nachgedacht,

Woher ins Herz der Gram dir war gekommen?

 

Du fühltest nur: ein Traum wars in der Nacht;

Des Traumes Bilder waren dir verschwommen,

Doch hat nachwirkend ihre dunkle Macht

Dich, daß du weinen mußtest, übernommen.

 

Hast du dich einst der Erdennacht entschwungen,

Und werden, wie du meinst, am hellen Tage

Verloren sein des Traums Erinnerungen:

 

Wer weiß, ob nicht so deine Schuld hienieden

Nachwirken wird als eine dunkle Klage

Und dort der Seele stören ihren Frieden?

Jugend und Liebe

 

Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Winden;

Wenn, jung getrennt, sich wiedersehn die Alten,

Sie meinen doch, in ihren ernsten Falten

Den Strahl der süßen Jugend noch zu finden.

 

Des Dauerns Wahn, wer läßt ihn gerne schwinden?

Mag auch ein Herz, das uns geliebt, erkalten,

Wir suchen immer noch den Traum zu halten,

Nur stiller sei geworden sein Empfinden.

 

Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Lüften;

Noch leichter als die Jugend flieht die Liebe,

Die nur des Blattes wonnereiches Düften.

 

Und dennoch an den herben Tod des Schönen,

Im treuen Wahn, als ob es ihm noch bliebe,

Kann sich das Herz auch sterbend nicht gewöhnen.

Der Salzburger Kirchhof

 

O schöner Ort, den Toten auserkoren

Zur Ruhestätte für die müden Glieder!

Hier singt der Frühling Auferstehungslieder,

Vom treuen Sonnenblick zurückbeschworen.

 

Wenn alle Schmerzen auch ein Herz durchbohren,

Dem man sein Liebstes senkt zur Grube nieder,

Doch glaubt es leichter hier: wir sehn uns wieder,

Es sind die Toten uns nicht ganz verloren.

 

Der fremde Wandrer, kommend aus der Ferne,

Dem hier kein Glück vermodert, weilt doch gerne

Hier, wo die Schönheit Hüterin der Toten.

 

Sie schlafen tief und sanft in ihren Armen,

Worin zu neuem Leben sie erwarmen;

Die Blumen winkens, ihre stillen Boten.

Nachhall

 

Ein Wandrer läßt sein helles Lied erklingen:

Nun schweigt er still und schwindet in den Föhren;

Ich möchte länger noch ihn singen hören,

Doch tröst ich mich: er kann nicht ewig singen.

 

Der Wandrer schweigt, doch jene Felsen bringen

Mir seinen Widerhall in dunklen Chören,

Als wollten sie sein Lied zurückbeschwören,

Nun ist es still – den Quell nur hör ich springen.

 

Der Wandrer schwieg und schied; ich sprach gelassen:

Fahr wohl! Warum denn fühl ich jetzt ein Trauern,

Daß länger nicht sein Nachhall mochte dauern?

 

Mehr als des Menschen Tod will michs erfassen,

Wenn ihn bereits nach wenig Tagesneigen

Hier, dort noch einer nennt – bis alle schweigen.

Die Asketen

 

O spottet nicht der traurigen Asketen,

Daß sie den Leib mit scharfen Leiden plagen,

Die süßen Erdenfreuden sich versagen,

Die flüchtigen, nur allzuschnell verwehten!

 

Nebst solchen, die das Futter gierig mähten,

Seit des verlornen Paradieses Tagen,

Hat eine Schar von Herzen stets geschlagen,

Die, abgewandt, die Weide hier verschmähten.

 

Ein schüchternes Gefühl: ›Wir sind gefallen!‹

Hält sie vom lauten Freudenmarkt zurück,

Heißt sie den Pfad einsamer Dornen wallen.

 

Es wächst ihr Ernst, wenn sie vorüberstreifen

An einem unverdienten Erdenglück;

Die Scham verbietet, keck darnach zu greifen.

Der Seelenkranke

 

Ich trag im Herzen eine tiefe Wunde

Und will sie stumm bis an mein Ende tragen;

Ich fühl ihr rastlos immer tiefres Nagen,

Und wie das Leben bricht von Stund zu Stunde.

 

Nur eine weiß ich, der ich meine Kunde

Vertrauen möchte und ihr alles sagen;

Könnt ich an ihrem Halse schluchzen, klagen!

Die eine aber liegt verscharrt im Grunde.

 

O Mutter, komm, laß dich mein Flehn bewegen!

Wenn deine Liebe noch im Tode wacht,

Und wenn du darfst, wie einst, dein Kind noch pflegen,

 

So laß mich bald aus diesem Leben scheiden.

Ich sehne mich nach einer stillen Nacht,

O hilf dem Schmerz, dein müdes Kind entkleiden.

1. Stimme des Windes

 

In Schlummer ist der dunkle Wald gesunken,

Zu träge ist die Luft, ein Blatt zu neigen,

Den Blütenduft zu tragen, und es schweigen

Im Laub die Vögel und im Teich die Unken.

 

Leuchtkäfer nur, wie stille Traumesfunken

Den Schlaf durchgaukelnd, schimmern in den Zweigen,

Und süßer Träume ungestörtem Reigen

Ergibt sich meine Seele, schweigenstrunken.

 

Horch! überraschend saust es in den Bäumen

Und ruft mich ab von meinen lieben Träumen,

Ich höre plötzlich ernste Stimme sprechen;

 

Die aufgeschreckte Seele lauscht dem Winde

Wie Worten ihres Vaters, der dem Kinde

Zuruft, vom Spiele heimwärts aufzubrechen.

2. Stimme des Regens

 

Die Lüfte rasten auf der weiten Heide,

Die Disteln sind so regungslos zu schauen,

So starr, als wären sie aus Stein gehauen,

Bis sie der Wandrer streift mit seinem Kleide.

 

Und Erd und Himmel haben keine Scheide,

In eins gefallen sind die nebelgrauen,

Zwei Freunden gleich, die sich ihr Leid vertrauen,

Und Mein und Dein vergessen traurig beide.

 

Nun plötzlich wankt die Distel hin und wider,

Und heftig rauschend bricht der Regen nieder,

Wie laute Antwort auf ein stummes Fragen.

 

Der Wandrer hört den Regen niederbrausen,

Er hört die windgepeitschte Distel sausen,

Und eine Wehmut fühlt er, nicht zu sagen.

3. Stimme der Glocken

 

Den glatten See kein Windeshauch verknittert,

Das Hochgebirg, die Tannen, Klippen, Buchten,

Die Gletscher, die von Wolken nur besuchten,

Sie spiegeln sich im Wasser unzersplittert.

 

Das dürre Blatt vom Baume hörbar zittert,

Und hörbar rieselt nieder in die Schluchten

Das kleinste Steinchen, das auf ihren Fluchten

Die Gemse schnellt, wenn sie den Jäger wittert.

 

Horch! Glocken in der weiten Ferne tönend,

Den Gram mir weckend und zugleich versöhnend,

Dort auf der Wiese weiden Alpenkühe.

 

Das Läuten mahnt mich leise an den Frieden,

Der von der Erd auf immer ist geschieden

Schon in der ersten Paradiesesfrühe.

4. Stimme des Kindes

 

Ein schlafend Kind! o still! in diesen Zügen

Könnt ihr das Paradies zurückbeschwören;

Es lächelt süß, als lauscht es Engelchören,

Den Mund umsäuselt himmlisches Vergnügen.

 

O schweige, Welt, mit deinen lauten Lügen,

Die Wahrheit dieses Traumes nicht zu stören!

Laß mich das Kind im Traume sprechen hören

Und mich, vergessend, in die Unschuld fügen!

 

Das Kind, nicht ahnend mein bewegtes Lauschen,

Mit dunklen Leuten hat mein Herz gesegnet,

Mehr als im stillen Wald des Baumes Rauschen;

 

Ein tiefres Heimweh hat mich überfallen,

Als wenn es auf die stille Heide regnet,

Wenn im Gebirg die fernen Glocken hallen.

Doppelheimweh

 

Zwiefaches Heimweh hält das Herz befangen,

Wenn wir am Rand des steilen Abgrunds stehn

Und in die Grabesnacht hinuntersehn,

Mit trüben Augen, todeshohlen Wangen.

 

Das Erdenheimweh läßt uns trauern, bangen,

Daß Lust und Leid der Erde muß vergehn;

Das Himmelsheimweh fühlts herüberwehn

Wie Morgenluft, daß wir uns fortverlangen.

 

Dies Doppelheimweh tönt im Lied der Schwäne,

Zusammenfließt in unsre letzte Träne

Ein leichtes Meiden und ein schweres Scheiden.

 

Vielleicht ist unser unerforschtes Ich

Vor scharfen Augen nur ein dunkler Strich,

In dem sich wunderbar zwei Welten schneiden.

Einsamkeit

 

1.

Hast du schon je dich ganz allein gefunden,

Lieblos und ohne Gott auf einer Heide,

Die Wunden schnöden Mißgeschicks verbunden

Mit stolzer Stille, zornig dumpfem Leide?

 

War jede frohe Hoffnung dir entschwunden,

Wie einem Jäger an der Bergesscheide

Stirbt das Gebell von den verlornen Hunden,

Wie's Vöglein zieht, daß es den Winter meide?

 

Warst du auf einer Heide so allein,

So weißt du auch, wie's einen dann bezwingt,

Daß er umarmend stürzt an einen Stein;

 

Daß er, von seiner Einsamkeit erschreckt,

Entsetzt empor vom starren Felsen springt

Und bang dem Winde nach die Arme streckt.

 

2.

 

Der Wind ist fremd, du kannst ihn nicht umfassen,

Der Stein ist tot, du wirst beim kalten, derben

Umsonst um eine Trosteskunde werben,

So fühlst du auch bei Rosen dich verlassen;

 

Bald siehst du sie, dein ungewahr, erblassen,

Beschäftigt nur mit ihrem eignen Sterben.

Geh weiter: überall grüßt dich Verderben

In der Geschöpfe langen dunklen Gassen;

 

Siehst hier und dort sie aus den Hütten schauen,

Dann schlagen sie vor dir die Fenster zu,

Die Hütten stürzen, und du fühlst ein Grauen.

 

Lieblos und ohne Gott! der Weg ist schaurig,

Der Zugwind in den Gassen kalt; und du? –

Die ganze Welt ist zum Verzweifeln traurig.

Palliativ

 

Ist Gras gewachsen über die Geschichte,

Weiß nicht mehr recht, wie sie sich zugetragen;

Nur manchmal schwebt mirs vor im Dämmerlichte,

Als hätt ich einer Schuld mich anzuklagen.

 

Doch abgewandt vom störenden Gesichte,

Ruf ichs nicht an und will es nicht befragen,

Weil Blick und Mut ich in die Zukunft richte;

Ich schlage mich nicht gern mit alten Tagen.

 

»Wenn dir der Sensenmann den Leib hinstrecket,

Wird er auch säuberlich das Gras dir mähen,

Das jene Schuldgeschichte dir verdecket.

 

Kehr mutig um zu den verlaßnen Bühnen,

Die Schuld mit scharfem Reueblick zu sehen;

Soll sie dir sterben, eile, sie zu sühnen.«

 

Vermischte Gedichte

 

Zueignung

Von allen, die den Sänger lieben,

Die, was ich fühlte, nachempfanden,

Die es besprochen und beschrieben,

Hat niemand mich wie du verstanden.

 

Des Herzens Klagen heiß und innig,

Die liedgeworden ihm entklangen,

Hat deine Seele, tief und sinnig,

Getreuer als mein Lied empfangen.

 

Die Schauer, die mein Herz durchwehten,

Die unerfaßlich meinem Sänge,

Sie sprachen, tröstende Propheten,

In deines Wortes süßem Klange.

 

Und dürft ich ahnend in den Bronnen

Der göttlichen Gedanken sinken,

So sah ich klar die dunklen Wonnen

In deinem schönen Auge blinken.

 

Der Himmel taut in finstern Hainen

Zum Lied der Nachtigallen nieder,

Und deine Augen sah ich weinen

Herab auf meine bangen Lieder.

 

Seh ich der Augen Zauberkreise

Gesenkt, geschwellt, in trauter Nähe,

Ists, ob ich deine Seele leise

Die Luft der Tugend atmen sehe.

 

Dein ist mein Herz, mein Schmerz dein eigen,

Und alle Freuden, die es sprengen,

Dein ist der Wald mit allen Zweigen,

Mit allen Blüten und Gesängen.

 

Das Liebste, was ich mag erbeuten

Mit Liedern, die mein Herz entführten,

Ist mir ein Wort, daß sie dich freuten,

Ein stummer Blick, daß sie dich rührten.

 

Und sollt ich nach dem hellen Ruhme

Mich manchmal auch am Wege bücken,

So will ich mit der schönen Blume

Nur, Freundin, dir den Busen schmücken.

Traumgewalten

 

Der Traum war so wild, der Traum war so schaurig

So tief erschütternd, unendlich traurig.

Ich möchte gerne mir sagen:

Daß ich a fest geschlafen hab,

Daß ich ja nicht geträumet hab,

Doch rinnen mir noch die Tränen herab,

Ich höre mein Herz noch schlagen.

 

Ich bin erwacht in banger Ermattung,

Ich finde mein Tuch durchnäßt am Kissen,

Wie mans heimbringt von einer Bestattung;

Hab ichs im Traume hervorgerissen

Und mir getrocknet das Gesicht?

Ich weiß es nicht.

Doch waren sie da, die schlimmen Gäste,

Sie waren da zum nächtlichen Feste.

 

Ich schlief, mein Haus war preisgegeben,

Sie führten darin ein wüstes Leben.

Nun sind sie fort, die wilden Naturen;

In diesen Tränen find ich die Spuren,

Wie sie mir alles zusammen gerüttet

Und über den Tisch den Wein geschüttet.

Einem Greis

 

Das Haar schneeweiß,

Die Wangen so hohl,

Bald, bald Lebwohl;

Und noch die Stirne so heiß?

 

Dein Schifflein stoßt

Schon ins Meer, zum Land

Streckst du die Hand

Noch, überhangend, um Trost;

 

Um Trost und Genuß,

Um Hab und Halt,

Und bist schon so alt:

»O daß man sterben muß!«

 

Zieh ein die Hand!

Den Bück hinaus

Ins Meer! nach Haus!

Denk an den ewigen Strand!

 

Nicht scheide so schwer;

Wenn du rückverlangst

Und überhangst,

So sinkst du hinab ins Meer.

An die Biologen

 

Die Wahrheit hat die Kunde

Vom tiefen Lebensgrunde

Als winzgen Zettel

In eine Nuß getan

Und warf den Bettel

In den Ozean.

Das Meer ist groß, die Nuß ist klein;

Hat wohl am kleinen Wunderschrein

Schon ein Pilot vorbeigeflucht?

Sucht! sucht! –

Die Wahrheit schrieb die Kunde

Vom tiefen Lebensgrunde

Wohl einem Voglern auf den Kopf,

Untern Schopf,

Auf des Hirnes glatte Schale;

Das Vöglein flog in alle Welt,

Ihm ward durch Berg' und Tale

Bis jetzt vergeblich nachgestellt.

Nur zugeforscht! wer weiß denn auch,

Ob nicht der Vogel euren Strauch

Zu seinem Sitze auserkiest

Und, frohgelaunt, bei Frühlingswettern

Von seinen schopfgeborgnen Lettern

Euch singend was herunterliest!

Ist auch das Vöglein auf der Flucht,

Sucht! sucht!

Kruzifix

 

Hält der Mensch die Blicke himmelwärts

Und die Arme liebend ausgebreitet,

Um die Welt zu drücken an sein Herz,

Hat er sich zur Kreuzigung bereitet.

 

Solche Lieb ist selten auf der Erde;

Daß ihr Bild die Welt nicht ganz verläßt,

Hielt am Kreuz die Menschheit eilig fest,

Jesus, deine liebende Gebärde!

Scheu

 

Unglück hat sein Herz gespalten,

Laßt den stillen Mann allein;

Wie sich nicht genaht die Alten

Einem blitzgetroffnen Hain.

 

Stört mit Worten nicht des Streitrs,

Nicht mit Liebe seinen Schmerz;

Ehret als ein blitzgeweihtes

Enelysion dieses Herz.

Heimatklang

 

Als sie vom Paradiese ward gezwungen,

Kam jeder Seele eine Melodie

Zum Lebewohl süß schmerzlich nachgeklungen,

Darauf umschloß die Erdenhülle sie.

Noch ist dies Lied nicht völlig uns verdrungen,

Doch tönt es leiser stets auf Erden hie.

Gib acht, o Herz, daß in den Schütterungen

Dir nicht des Liedes letzter Hauch entflieh!

Ein Nachhall dieses Liedes ist entsprungen

Des Morgenlandes süße Poesie,

Von Jugendträumen wirds manchmal gesungen,

Doch dunkel, unbewußt woher? und wie?

Wem aber einmal klar und voll geklungen

Die wunderbare Heimatmelodie,

Der wird von bangem Heimweh tief durchdrungen,

Und er genest von seiner Sehnsucht nie.

Zuflucht

 

Armes Wild im Waldesgrunde,

Schlägt die Jagd dir eine Wunde,

Flüchtest du zur tiefsten Stelle,

An des Walds geheimste Quelle,

Daß sie dir mit frischer Kühle

Lindernd deine Wunde spüle.

Mensch, du flieh mit deinem Schmerz

An die heimatlichste Stelle,

An des Trostes reinste Quelle,

Flüchte an das Mutterherz.

Doch die Mütter sterben bald;

Hat man dir begraben deine,

Flüchte in den tiefsten Wald

Mit dem wunden Reh – und weine!

Zeiger

 

Meiner Schwester liebe Sprossen,

Ha, wie seid ihr aufgeschossen,

Seit ich über Berg und Tal

Von euch schied das letzte Mal!

Da ihr wachset und euch dehnet,

Sonnenzeiger unsrer Tage,

Mahnt ihr, wie das Leben jage,

Das ihr fest und ewig wähnet.

Kinderwuchs und Abendschatten

Zeigt dem Wandrer auf dem Steige

Abgemähter Blumenmatten,

Wie sich ihm die Sonne neige.

Frühlingsgrüße

 

Nach langem Frost, wie weht die Luft so lind!

Da bringt Frühveilchen mir ein bettelnd Kind.

 

Es ist betrübt, daß so den ersten Gruß

Des Frühlings mir das Elend bringen muß.

 

Und doch der schönen Tage liebes Pfand

Ist mir noch werter aus des Unglücks Hand.

 

So bringt dem Nachgeschlechte unser Leid

Die Frühlingsgrüße einer bessern Zeit.

An Luise

 

Ich höre nicht den Sarg verhämmern,

Wie Freundespflicht mir sonst gebot,

Doch denk ich hier im Waldesdämmern

Einsam gerührt an deinen Tod.

 

Nun läuten die Begräbnisglocken,

Der Wind, bewegt von ihrem Klang,

Flieht in den Wald, und Blütenflocken

Streift er von allen Zweigen bang.

 

Die jungen Blüten zittern leise

Und freudig nieder in den Staub,

Als das Gefolge deiner Reise

Sind gerne sie des Todes Raub. –

 

Du bist mir nah im Waldesgrunde

In der Erinnrung ewgem Strahl,

Wie einst in jener Abendstunde,

Als ich dich sah zum letzten Mal!

 

Ich schau dein Angesicht, dein bleiches,

Das tiefe Schwermut überzieht,

Ich schau dein Aug, dein dunkles, weiches,

Wie es in andre Welten sieht;

 

Und wie du ins Klavier versunken,

So träumerisch, so ernst und mild,

Und wie dem Liede, himmelstrunken,

Du selber wirst ein schönes Bild;

 

Wie dich der große Geist umranket,

Den sie Beethoven nannten hie,

Wie deine zarte Bildung schwanket

Im Sturme seiner Melodie;

 

Der Geist, dem seliges Verderben

Das Erdenleben sich entlauscht,

In dessen Lied viel süßes Sterben

Und Harmonie des Todes rauscht.

 

Sein Herz, von Sehnsuchtsqual zerklüftet,

Zieht dich hinab in seinen Brand,

Und deine trunkne Seele lüftet

Der Erdenhülle leichtes Band.

 

Mir ist das Scherzo nicht verklungen,

Wo nach Adagios wildem Schrei

Der heiße Schmerz sich matt gerungen

Zu träumerischer Tändelei:

 

So spielt der Jüngling an der Bahre

Der Braut, wenn schon das Herz ihm bricht,

Noch tändelnd mit dem Lockenhaare,

Und starrend in ihr tot Gesicht. –

 

Du bist dahin! Nichts konnte retten

Und halten dich bei uns zurück,

Kalt knickte alle Liebesketten

Das unerbittliche Geschick.

 

Es brachte dir in Sterbensstunden

Die frommgetäuschte gute Frau

Im letzten Wahn, du sollst gesunden,

Noch einen Becher Maientau.

 

Aufblüht die Heideblume wieder,

Die schon dem Tode nickte zu,

Weint still die Nacht ihr Mitleid nieder,

Doch nicht, gebrochne Blume, du! –

 

Mich Fernen auch erfaßt die Klage,

Die mich dem Waldesgrund entreißt,

Mir flieht das Bild vergangner Tage,

An deinem Sarge steht mein Geist.

 

Um den sie alle weinen müssen,

Du Jungfrau hold! zu deinem Schrein

Drängt sich, dich einmal noch zu küssen,

Dein Herzensfreund, der Frühling ein.

 

Das bange Scherzo hör ich klingen

Um dich, so starr und still du auch,

Mit deines Haares dunkeln Ringen

Spielt schmerzlich noch des Frühlings Hauch.

 

Jetzt aber wird der Sarg geschlossen,

Auf immer deine Lichtgestalt

Aus unserm Angesicht verstoßen;

Im Schollenwurf dein Lied verhallt.

 

Nur deine Mutter hör ich weinen;

O schwiege doch der Freunde Trost!

Für eine Mutter gibt es keinen,

Ein Dolch ins Herz ist ihr sein Frost.

 

Dem Schmerz nach ihrem lieben Kinde

Bleibt bis zum Tod ihr Herz geweiht,

Wenn auch des Trostes kühle Rinde

Den Freunden einst dein Grab verschneit.

 

Und soll sie einst dich wiederhaben,

Durchzuckt das weiche Mutterherz,

Daß sie dich hier so früh begraben,

Im Himmel noch ein leiser Schmerz.

Täuschung

 

Das Käuzlein traurig ruft in öder Felsenritze

Und grüßt mit seinem Lied des Himmels wilde Blitze.

 

Als wie ein schwarzer Aar, des Flügel Feuer fingen,

So schlägt die schwarze Nacht die feuervollen Schwingen.

 

Es glänzt die Regenflut, der finstern Nacht entsunken,

Manchmal im Wetterschein wie diamantne Funken.

 

So kann in banger Nacht ein Strom von heißen Zähren

Im hellen Wetterschein des Unglücks sich verklären.

 

Verfangen in der Schlucht, die lauten Winde rasen,

Die zu der Wolkenschlacht die Riesentuba blasen.

 

Mit Stimmen mannigfalt hör ich den Gießbach klingen,

Wie Donner, Kauz und Wind scheint er zugleich zu singen. –

 

Doch nein! mich täuscht mein Sinn, als ob zum Wettergrimme

Mit kläglichem Geschrei das Felsenkäuzlein stimme;

 

Daß Wolkenschlachtmusik die lauten Winde keuchten,

Und daß der Blitz geflammt, den Regen zu beleuchten;

 

Und daß der Felsenbach den Wetterstimmen allen

Antworten will zugleich in dumpfen Widerhallen.

 

Einsame Klagen sinds, weiß keine von der andern,

Wenn sie zusammen auch im wilden Chore wandern.

 

Drum ist die Erde ja ums Paradies betrogen,

Daß ihre Luft ertönt von dunklen Monologen.

 

Wenn alle Klagen einst in diesen Erdengründen,

Was jede heimlich meint, einander sich verstünden:

 

Dann wäre ja zurück das Paradies gewonnen,

In einen Freudenschrei das Klaggewirr zerronnen. –

 

Trotz allem Freundeswort, und Mitgefühlsgebärden,

Bleibt jeder tiefe Schmerz ein Eremit auf Erden.

Tod und Trennung

 

Gottes Milde mocht es fügen,

Liegt ein Mensch in letzten Zügen,

Stehn am Sterbepfühl die Seinen,

Daß sie müssen weinen, weinen;

 

Daß sie nicht vor Tränen schauen

Das unnennbar bange Grauen,

Wie der Geist verläßt die Hülle,

Letztes Zucken, tiefe Stille.

 

Weh dem Tränenlosen, wehe,

Der sich wagt in Sterbens Nähe,

Denn ihm kann durchs ganze Leben

Jenes Grauen heimlich beben.

 

Doch ein Anblick tiefrer Trauer,

Bänger als des Sterbens Schauer,

War es, könnt ein Aug es fassen,

Wie zwei Herzen sich verlassen.

An die Verstockten

 

Torenangst und Narrenzittern,

Ausparieren hin und her,

Macht den Binsenschaft zum Speer,

Schlägt die Laffen erst zu Rittern.

 

Wenn ein muntrer Spatz am Dache

Lärmet über eurem Haus,

Springet ihr zum Fenster aus,

Ob der Bau zusammenkrache.

 

Schweift in euren Waldesgründen

Von Leuchtkäfern eine Schar,

Ha, wie schreckt euch die Gefahr,

Daß sie euch den Wald anzünden.

 

Die Metaphern und die Tropen,

Die da pfeift ein loser Wicht,

Wandeln euch die Schafe nicht

Um zu scheuen Antilopen;

 

Oder gar zu wilden Bären;

Ruhig mögt ihr und noch lang

Trotz dem kecken Sang und Klang

Eure Horden scheren, scheren.

 

Doch vor einem zittert, Toren!

Wenn er an den Pfeilern rührt,

Wenn er seine Flammen schürt,

Wahrt euch, sonst seid ihr verloren!

 

Hört ihrs im Gebälke knarren,

Baut ein neues Haus geschwind,

Eh mit Habe, Weib und Kind

Euch begraben eure Sparren.

 

Funken sind des Feuers Boten,

Funken jagen durch das Land,

Und den großen Gottesbrand

Dämpft ihr nicht mit euren Pfoten.

 

Zitternd seht ihr und erschrocken,

Funken, die der Witz gefacht,

Die das Volk, indem es lacht,

Haucht in tote Aschenflocken;

 

Aber nicht wollt ihr erschrecken,

Wenn es blitzt im Herzensgrund,

Wenn die Sklaven, kettenwund,

Doch den Gott in sich entdecken.

 

Hört, es kann die Stunde kommen;

Wo das Lamm ein Löwe heißt,

Wo es brüllend euch zerreißt;

Laßt euch Gottes Zeichen frommen! –

Herbstlied

 

Rings trauern die Entlaubten,

Vom kalten Wind durchweht,

Die Tannen nur behaupten

Ihr dunkles Grün so spät.

 

Wenns Voglern baut sein Lager,

So grünt das Tannenreis

Und grünt, wenns Wild sich hager

Scharrt Wurzeln aus dem Eis.

 

Die Buche seh ich schwinden

Im Froste, lebenssatt,

Wie sie den kalten Winden

Hinwirft das letzte Blatt.

 

Zu meiner Seele Trauer

Die Buche besser stimmt,

Daß sie den Winterschauer

Sich so zu Herzen nimmt.

Schlaflose Nacht

 

Schlaflose Nacht, du bist allein die Zeit

Der ungestörten Einsamkeit!

Denn seine Herde treibt der laute Tag

In unsern grünenden Gedankenhag,

Die schönsten Blüten werden abgefressen,

Zertreten oft im Keime und vergessen.

Trägt aber uns der Schlaf mit weicher Hand

Ins Zauberboot, das heimlich stoßt vom Strand,

Und lenkt das Boot im weiten Ozean

Der Traum herum, ein trunkner Steuermann,

So sind wir nicht allein, denn bald gesellen

Die Launen uns der unbeherrschten Wellen

Mit Menschen mancherlei, vielleicht mit solchen,

Die feindlich unser Innres tief verletzt,

Bei deren Anblick sich das Herz entsetzt,

Getroffen von des Hasses kalten Dolchen;

An denen gerne wir vorüberdenken,

Um tiefer nicht den Dolch ins Herz zu senken. –

Dann wieder bringen uns die Wellenfluchten,

Wohin wir wachend nimmermehr gelangen,

In der Vergangenheit geheimste Buchten,

Wo uns der Jugend Hoffnungen empfangen.

Was aber hilfts? wir wachen auf – entschwunden

Ist all das Glück, es schmerzen alte Wunden.

Schlaflose Nacht, du bist allein die Zeit

Der ungestörten Einsamkeit!

An eine Witwe

 

Nach einem heftigen Gewitter

Wandl ich allein im tiefen Haine

Und blicke durch das nasse Gitter

Der Blätter auf zum Sternenscheine.

 

Die sturmesmüden Bäume schweigen;

Nur manchmal rauschen Windeshauche,

Wie eine Mahnung, in den Zweigen,

Dann tropft es nach im dunkeln Strauche.

 

So fand ich nach den Schmerzgewittern

Dich müd versenkt im stillen Grame;

Doch sah ich deine Tränen zittern,

Wenn dir erklang sein teurer Name.

 

Der Frühling kam, vor seinem Strahle

Suchst du des Schmerzes traute Schatten

Und führest nach dem fernen Tale

Die Kinder an das Grab des Gatten.

 

Du wanderst mit den Vaterlosen,

Mit Tränen neu das Grab zu tränken,

Auf das du deiner Wangen Rosen

Gestreut zum treuen Angedenken.

 

O bring zum Grabe deines Lieben

Von mir auch einen Gruß und sage,

Daß auch mein Herz ihm treu geblieben,

Bring ihm des Jugendfreundes Klage.

 

Wenn aus dem Aug dir Tränen brechen,

Möcht ich am Grabe dich begrüßen,

Mit dir von seiner Jugend sprechen

Und möchte seine Kinder küssen.

Auf eine goldene Hochzeit

 

Kennt ihr sie nicht, des Nordens alte Sage:

Von jenem Wunder an der Grönlandsküste,

Vom Lenz, den rings umstarrt die bleiche Wüste,

Des eisgen Todes niegelöste Klage?

 

Durch eines ruhenden Vulkanes Spalten

War dort ein warmer Quell hervorgesprungen,

War aus der Tief ein Lebenshauch gedrungen,

Die nördliche Oase zu erhalten.

 

Dort war ein Kloster, grüne Lämmerweide,

Ein Garten prangte frisch mit Blumen, Früchten,

Und singend kamen Vögel hinzuflüchten,

In ein Asyl vor winterlichem Leide.

 

Im Kloster wohnte friedlich die Gemeine;

Sie führten ihre treue warme Quelle,

Die milde Freundin, traut durch jede Zelle,

Durch Wies und Feld und durch die grünen Haine.

 

War Winter auch ringsum in alle Ferne,

Aus dieses Klosters frohen Paradiesen

War durch den Quell der rauhe Gast verwiesen;

Nur heller strahlten dann bei Nacht die Sterne. –

 

Zur Wehmut führen gerne solche Kunden

Auf des entflohnen Glückes dunklen Fährten;

Begrub das Eis nicht längst die schönen Gärten?

Sind Quell und Kloster nicht schon längst verschwunden?

 

Sie sind es nicht! kein Winter wird sie morden;

Ob äußres Leben auch im Frost zerstiebe,

Im Innern die Oase schützt die Liebe,

Die warme Quelle in des Alters Norden.

 

Das Kloster ist das Bündnis guter Herzen,

Dies mag getrost die strenge Zeit erwarten,

Umrankt von einem immergrünen Garten,

Wo Blumen blühn und Frühlingslieder scherzen. –

An den Tod

 

Wenns mir einst im Herzen modert,

Wenn der Dichtkunst kühne Flammen

Und der Liebe Brand verlodert,

Tod, dann brich den Leib zusammen!

 

Brich ihn schnell, nicht langsam wühle,

Deinen Sänger laß entschweben,

Düngen nicht das Feld dem Leben

Mit der Asche der Gefühle.

Herbstlied

 

Ja, ja, ihr lauten Raben

Hoch in der kühlen Luft,

's geht wieder ans Begraben,

Ihr flattert um die Gruft!

 

Die Wälder sind gestorben,

Hier, dort ein leeres Nest;

Die Wiesen sind verdorben;

O kurzes Freudenfest!

 

Ich wandre hin und stiere

In diese trübe Ruh,

Ich bin allein und friere

Und hör euch Raben zu.

 

Auch mir ist Herbst, und leiser

Trag ich den Berg hinab

Mein Bündel dürre Reiser,

Die mir das Leben gab.

 

Einst sah ich Blüten prangen

An meinem Reiserbund,

Und schöne Lieder klangen

Im Laub, das fiel zu Grund.

 

Die Bürde muß ich tragen

Zum letzten Augenblick;

Den Freunden nachzuklagen,

Ist herbstliches Geschick.

 

Soll mit dem Rest ich geizen

Und mit dem Reisig froh

Mir meinen Winter heizen?

Ihr Raben, meint ihr so?

 

Erinnerungen schärfen

Mir nur des Winters Weh;

Ich möchte lieber werfen

Mein Bündel in den Schnee.

Vorwurf

 

Du klagst, daß bange Wehmut dich beschleicht,

Weil sich der Wald entlaubt

Und über deinem Haupt

Dahin der Wanderzug der Vögel streicht.

 

O klage nicht, bist selber wandelhaft;

Denkst du der Liebesglut?

Wie nun so traurig ruht

In deiner Brust die müde Leidenschaft!

Der Jäger

 

Es zwittert schon im Tale

Grau zwischen Tag und Nacht,

Doch sucht mein Dachs noch immer,

Umspürend, flink und sacht.

 

Der Hund will mir was liefern

Noch heute vors Gewehr,

Der kleine Todeskuppler

Sucht überall umher.

 

Umsonst! ist nichts zu finden,

Mein Waldmann, als Verdruß;

Wir bringen nichts nach Hause,

Als noch im Rohr den Schuß.

 

Will nicht die Flint ausschießen

Mißmutig in die Luft,

Weil ich nicht mag verscheuchen

Das Wild in ferner Schluft.

 

Auf morgen will ich sparen

Den Schuß, mein guter Hund,

Bis wir herausgekommen

Vielleicht zur bessern Stund.

 

Das ist ein schlechter Jäger,

Der sich das Wild verstört,

Der ohne Ziel und Beute

Sich gerne knallen hört.

 

Und schieß ich morgen nimmer,

Weil krank ich oder tot,

So wird ein andrer schießen,

Dems Weidmannsheil sich bot.

Lied eines Schmiedes

 

Fein Rößlein, ich

Beschlage dich,

Sei frisch und fromm,

Und wieder komm!

 

Trag deinen Herrn

Stets treu dem Stern,

Der seiner Bahn

Hell glänzt voran!

 

Bergab, bergauf

Mach flinken Lauf,

Leicht wie die Luft

Durch Strom und Kluft!

 

Trag auf dem Ritt

Mit jedem Tritt

Den Reiter du

Dem Himmel zu!

 

Nun, Rößlein, ich

Beschlagen dich,

Sei frisch und fromm,

Und wieder komm!

Ohne Wunsch

 

Ja, mich rührt dein Angesicht

Und dein Herz, das liebevolle,

Aber, Mädchen, glaube nicht,

Daß ich dich besitzen wolle.

 

Kamst mir durch die Seele wie

Ein süßholdes Lied gedrungen,

Aber wie die Melodie

Mußt du wieder sein verklungen.

 

Meine Freuden starben mir

In der Brust, bestürmt, gespalten,

An den Bahren könnten wir

Nur mit Grauen Hochzeit halten.

 

Ein zu trüber Lebensgang

Führte mich an steile Ränder,

Kind, mir würde um dich bang,

Flieh, es krachen die Geländer!

Mein Türkenkopf

 

Mein Pfeifchen traut, mir ist dein Rauch;

Voll duftender Narkose,

Noch lieber als der süße Hauch

Der aufgeblühten Rose.

 

Und hält die Rose Streit mit dir,

Von beiden schöner welche?

Bist du die schönre Rose mir

Mit deinem Glutenkelche.

 

Denn wie die Rose duftend blüht

Im Grün der Frühlingsbäume,

Also mein Pfeifchen duftend glüht

Zum Frühling meiner Träume.

 

Weckt mir der Rose Freudenstrahl

Ein schmerzlich Angedenken,

Hilfst du zu kurzer Rast einmal,

Was ich verlor, – versenken.

 

Und wenn dein blauer Wolkenzug

Die Stirne mir umsponnen,

Umkreist mich gern der rasche Flug

Von dichterischen Wonnen.

 

Wenn dann die Qual versank in Ruh,

So dünket mich, mir wehte

Ein heilend Lüftchen Nebel zu

Vom stillen Tal des Lethe.

 

Drum, Pfeifchen traut, ist mir dein Rauch,

Voll durtender Narkose,

Noch lieber als der süße Hauch

Der aufgeblühten Rose!

Der Hagestolz

 

Ich hab kein Weib, ich hab kein Kind

In meiner öden Stube,

Hier tönts nicht: »Guten Morgen!« lind,

Hier tobt kein muntrer Bube.

 

Und auch kein treuer Hund mir naht,

Mit schmeichelndem Gewedel;

Der Rauch nur ist mein Kamerad,

Und dort der Totenschädel.

 

In Ringlein blau der Rauch verweht;

Des Hirnes leerer Tiegel

Dort auf dem Schrank am Spiegel steht,

Ein fortgesetzter Spiegel.

 

Ich habe weislich mir gepflanzt

Den Freund auf die Kommode,

Vor allzu heißem Wunsch verschanzt

Hab ich mich mit dem Tode.

 

Den Rauch betrachtend, Rad an Rad,

Und dort den bleichen Knochen,

Hat noch ein dritter Kamerad

Wildkalt in mir gesprochen:

 

Was ist es auch, was tut es auch,

Daß Weib und Kind dir fehle,

Bald wird ja doch, wie dieser Rauch,

Verblasen deine Seele!

 

Die Schädelpfeif hat auch geraucht,

Als drin das Leben brannte,

Als noch der Raucher drein gehaucht,

Der große Unbekannte.

 

Einst Wolken blies der alte Pan

Aus diesen schlechten Scherben;

Nun hat ers Pfeiflein abgetan,

Die Menschen heißens Sterben.

 

Der Schädel dort, so häßlich itzt,

So kahl und hohl zur Stunde,

War einst, wer weiß, wie schön geschnitzt,

Als Pan ihn hielt am Munde.

 

Das Bild am Kopf ist abgewischt;

Wars dumm, wars ein gescheites,

Es wird nicht wieder aufgefrischt,

's ist einerlei nun beides.

 

Und ob es Glück, ob Unglück hieß,

Ob Kummer oder Segen,

Was Pan hier in die Lüfte blies,

Ist wenig dran gelegen.

 

Vom Rauche, den der Wind vertrieb,

Vom Feuer, windverschlungen,

Nichts als ein Bild erhalten blieb

In Pans Erinnerungen. –

 

Das Lebensglück ist nicht geglückt,

Die Menschen mirs zertraten,

Nun will ich, in mich selbst gedrückt,

Auch einen Hund entraten.

 

Wenn sie mich unbeweint zuletzt,

Weib-, kinderlos, verscharren,

Ich zünde meinen Knaster jetzt,

Dem Rauche nachzustarren.

Der Schmerz

 

Sie ließ sich überraschen

Von diesem Trauerwort,

Und ihre Tränen waschen

Die rote Schminke fort.

 

Das Leben täuscht uns lange,

Du zeigst der Schminke bar

Des Lebens welke Wange,

O Schmerz; wie bist du wahr!

An den Frühling 1838

 

Lieber Frühling, sage mir,

Denn du bist Prophet,

Ob man auf dem Wege hier

Einst zum Heile geht?

 

Mitten durch den grünen Hain,

Ungestümer Hast,

Frißt die Eisenbahn herein,

Dir ein schlimmer Gast.

 

Bäume fallen links und rechts,

Wo sie vorwärts bricht,

Deines blühenden Geschlechts

Schont die rauhe nicht.

 

Auch die Eiche wird gefällt,

Die den frommen Schild

Ihrem Feind entgegenhält,

Das Marienbild.

 

Küsse deinen letzten Kuß,

Frühling, süß und warm!

Eiche und Maria muß

Fort aus deinem Arm!

 

Pfeilgeschwind und schnurgerad,

Nimmt der Wagen bald

Blüt und Andacht unters Rad,

Sausend durch den Wald.

 

Lieber Lenz, ich frage dich,

Holt, wie er vertraut,

Hier der Mensch die Freiheit sich,

Die ersehnte Braut?

 

Lohnt ein schöner Freudenkranz

Deine Opfer einst,

Wenn du mit dem Sonnenglanz

Über Freie scheinst?

 

Oder ist dies Wort ein Wahn,

Und erjagen wir

Nur auf unsrer Sturmesbahn

Gold und Sinnengier?

 

Zieht der alte Fesselschmied

Jetzt von Land zu Land,

Hämmernd, schweißend Glied an Glied

Unser Eisenband?

 

Braust dem Zug dein Segen zu,

Wenns vorüberschnaubt?

Oder, Frühling, schüttelst du

Traurig einst dein Haupt?

 

Doch du lächelst freudenvoll

Auf das Werk des Beils,

Daß ich lieber glauben soll

An die Bahn des Heils.

 

Amselruf und Finkenschlag

Jubeln drein so laut,

Daß ich lieber hoffen mag

Die ersehnte Braut.

Das Lied vom armen Finken

 

Der Finkler ist ein Schlauer;

Wann dürr die Blätter sinken,

Dann sperrt er in den Bauer

Den eingefangnen Finken.

 

Er macht den Finken kirre,

Daß er zu finden lerne

Das Wasser im Geschirre

Und seines Futters Kerne.

 

Und weiß das arme Finklein

In seinen Sprossenwänden

Bescheid in jedem Winklein,

So geht es an ein Blenden.

 

Der Vögelpotentate

Brennt nun dem armen Tropfe

Mit glutgehitztem Drahte

Die Äuglein aus dem Kopfe.

 

Und fragst du nach dem Witze

Von solchem schnöden Werke?

Ei, daß im Kerkersitze

Der Fink den Lenz nicht merke.

 

Der Vogler kann nicht brauchen

Des Finken Schlag im Märzen.

Daß Lust und Lied ihm tauchen

Aus lenzgewecktem Herzen.

 

Da sitzt er nun gefangen

Im traurigen Verstecke,

Gar fleißig überhangen,

Daß ihn kein Lüftlein wecke.

 

Und sollte seine Seele,

Die doch den Frühling spüret,

Sich wagen auf die Kehle,

Wenn sich der Sänger rühret:

 

Vertreibt ihm bald sein Dränger

Die frohen Lenzgedanken,

Er spritzt dem kecken Sänger

Kalt Wasser in die Flanken.

 

Und läßt sich nicht bezwingen

Der Fink mit kalten Bädern,

Will selbst der Nasse singen,

So rupft man ein paar Federn.

 

Er soll sein lautes Schlagen

Und seinen Frühlingsglauben

Bis in den Herbst vertagen,

Wo sich die Hain' entlauben.

 

Dann wird er singen dürfen

Und seine Flügel dehnen,

Die Waldeslüfte schlürfen

Und sich im Frühling wähnen.

 

Dann auf dem Vogelherde

Beginnt der Narr zu preisen

Die freudenwelke Erde

In frohen Frühlingsweisen.

 

Dann hören sein Frohlocken

Und seine Frühlingslüge,

Verwirrt und süß erschrocken,

Der Vögel Wanderzüge.

 

Und voller Lenzverlangen,

Dem Finkler zum Ergetzen,

Fallen sie ein und fangen

Sich auch in seinen Netzen. –

 

Nun ist es Lenz, nun sitzet

Der Fink in seiner Steige,

Der Vogler rupft und spritzet,

Daß er den Lenz verschweige.

 

Ich aber vorempfinde,

Was droht aus Ost und Norden,

Das Heer der kalten Winde,

Die unsre Wälder morden.

 

In den zerstörten Hagen

Hör ich am Vogelherde

Auch schon den Finken schlagen:

›Wie schön ist Gottes Erdel‹

 

Doch wirds dann wieder heller

Nach trüben Winternissen,

Wenn einst dem Vogelsteller

Sein altes Garn zerrissen.

Hypochonders Mondlied

 

Singt ihr in eurem Freudenliede:

Der heitre Mond am Himmel lacht,

Und ihm entstrahlt ein süßer Friede –

So habt ihr nie den Mond bedacht.

 

Seht ihr ihn dort herüberschweben,

Bleich, ohne Wasser, ohne Luft;

Er zieht mit ausgestorbnem Leben,

Ein Totengräber samt der Gruft.

 

Dort dringt der Mond mit seinem Schimmer

Still dem Nachtwandler ins Gemach

Und winkt und lockt aus Bett und Zimmer,

Der Schläfer folgt ihm auf das Dach

 

Und huscht, geschloßner Augenlider,

Hin, her, des Daches steilsten Bug,

Als hielte geistiges Gefieder

Enthoben ihn dem Erdenzug.

 

Der Mond zieht traurig durch die Sphären,

Denn all die Seinen ruhn im Grab;

Drum wischt er sich die hellen Zähren

Bei Nacht an unsern Blumen ab.

 

Darum durchschleicht er Fenster, Türen,

Auf Diebessohlen leis und lind,

Der Erde heimlich zu entführen

Im Schlafe dies und jenes Kind.

 

Den Schläfern um den Leib zu schlingen

Sucht er sein feines Silbernetz

Und sie zu sich hinaufzuschwingen;

Doch seine Fäden reißen stets.

 

Und ewig wird es ihm mißglücken,

Zu stehlen sich ein Spielgesind,

In seine Wüste zu entrücken

Ein lebenswarmes Erdenkind.

 

Der Mond wohl auch die Schlummerlosen

Der Erde zu entlocken sucht;

Er will mit schwärmerischem Kosen

Bereden sie zu früher Flucht.

 

Oft wenn ich ging durch Wald und Wiesen,

Log mir der Mondenschein so lang,

Ich sei auf Erden nur verwiesen,

Bis ich hinweg mich sehnte bang.

 

Weil er uns nicht vermag zu stehlen,

Nicht wachend, nicht in Schlafesruh,

Schickt er mit Blicken, stieren, scheelen,

Der Erde Todeswünsche zu.

 

Als Knabe schon konnt ich nicht schauen

Zum stillen blassen Mond empor,

Daß nicht ein wunderliches Grauen

Mir heimlich das Gebein durchfror.

 

Nirgends, auf Wald und Feld und Straßen,

Frohlockt so hell des Mondes Licht,

Wie auf dem Kirchhof, wo verlassen

Ein armes Herz vor Leide bricht.

 

Ja, Gräber sind für ihn die Stelle,

Und an Ruinen Dorngesträuch;

Doch vor des Mondes schlimmer Helle

Bewahrt das Brautbett, rat ich euch.

 

Laßt ihr den Mond ins Brautbett scheinen,

Ist euer künftig Kind bedroht,

Denn viele Stunden wird es weinen,

Und wünschen wird es sich den Tod.

 

Wenn Schiffer nachts das Meer befahren,

Umhüllen sie das Haupt genau,

Denn spielt der Mond mit ihren Haaren,

So färbt er sie frühzeitig grau.

 

Und bei Banditen geht die Kunde:

Ein Dolch, gewetzt im Mondenschein,

Sticht eine ewig stumme Wunde,

Trifft mitten durch ins Herz hinein.

 

Und jene grausen alten Weiber,

Die man nicht gern genauer nennt,

Weil ihnen sonst die dürren Leiber

Das tolle Volk zu Asche brennt;

 

(– Wenn auch von Ärzten, Philosophen,

Ein volkverwirrendes Komplott

Sie Hexen nennt und Teufelszofen,

Der aufgeklärten Zeit zum Spott –)

 

Die ziehn auf mondbestrahlten Heiden

Und pflücken murmelnd Gras und Kraut,

Woraus zu manchen Zauberleiden

Manch böses Tränklein wird gebraut.

 

Bergjäger, der kein Raubschütz, meidet

Den Mond; ein Wild, im Mondenstrahl

Geschossen oder ausgeweidet,

Verwest so frühe noch einmal.

 

Und eine Tann im Wald geschlagen,

Wenn hell der Mond am Himmel blinkt,

Als Mastbaum in das Meer getragen,

Zerbricht der Sturm – das Schiff versinkt.

 

Tief in den höchsten Steirerfelsen

Kenn ich ein Dörflein, wo man meint:

Der Mond wird schuld an dicken Hälsen,

Wenn er in einen Brunnen scheint

 

Dort meint man auch, wenn Mondsgefunkel

Die Spinnerin am Rad umspinnt

Und widerglänzt von ihrer Kunkel,

Daß sie ein Leichenhemd gewinnt. – –

 

Weil mich der Mond, ins Zimmer glotzend,

Nicht schlafen ließ in dieser Nacht,

Hab ich Poet, hinwieder trotzend,

Dies Lied zum Schimpf auf ihn gemacht.

 

Noch wüßt ich viel von ihm zu melden,

Doch seh ich dort im Untergang

Hinunterducken meinen Helden,

Bevor ich noch das Schlimmste sang.

Der offene Schrank

 

Mein liebes Mütterlein war verreist,

Und kehrte nicht heim, und lag in der Grube;

Da war ich allein und recht verwaist,

Und traurig trat ich in ihre Stube.

 

Ihr Schrank stand offen, ich fand ihn noch heut,

Wie sie abreisend ihn eilig gelassen,

Wie alles man durcheinanderstreut,

Wenn vor der Tür die Pferde schon passen.

 

Ein aufgeschlagnes Gebetbuch lag

Bei mancher Rechnung, von ihr geschrieben;

Von ihrem Frühstück am Scheidetag

War noch ein Stücklein Kuchen geblieben.

 

Ich las das aufgeschlagne Gebet,

Es war: wie eine Mutter um Segen

Für ihre Kinder zum Himmel fleht;

Mir pochte das Herz in bangen Schlägen.

 

Ich las ihre Schrift, und ich verbiß

Nicht länger meine gerechten Schmerzen,

Ich las die Zahlen, und ich zerriß

Die Freudenrechnung in meinem Herzen.

 

Zusammen sucht ich den Speiserest,

Das kleinste Krümlein, den letzten Splitter,

Und hatt es mir auch den Hals gepreßt,

Ich aß vom Kuchen und weinte bitter.

Prolog

 

Der Winter stand ein eiserner Tyrann,

Nie lösend seine Faust, die festgeballte,

Die eisig sich um Berg' und Täler krallte;

Ihr Leben lag erstarrt in seinem Bann.

Als frostbedeckt die Berg' und Tale ruhten,

Gesellig drängte doch das Menschenleben

In Lust und Spiel zusammen seine Gluten,

Ließ Freudenfeste überm Tode schweben.

Zum Tanz berauschend sangen helle Geigen,

Die schöne Jugend drehte sich im Reigen,

Nicht denkend an ein Scheiden und Vergehen,

Sorglos, wie sich die Stern am Himmel drehen.

Und übers blanke Feld des Eises glitten

Mit Geißelknall und Schellenklang die Schlitten.

So war es jüngst noch im Magyarenlande,

Am segenüberhäuften Donaustrande.

Wer hätte wohl in so beglückten Stunden

Den Donnerschlag des Unglücks vorempfunden?

Wer hörte damals in den Schlittenschellen

Prophetisch grause Totenglöcklein gellen?

Kein Tänzer ahnte dort beim Taumelfeste

Im Wassersturme tanzende Paläste.

Die Jubeltage waren bald verflogen,

Die Freude senkte die erregten Wogen,

Die Zeit des holden Frühlings war gekommen,

Die alle Herzen spüren süß beklommen,

Die Zeit, wo aus dem Eis die Knospen springen

Und hell vom Liebesfest die Wälder klingen.

O Frühling, alle Herzen harrten dein,

Auf deine Lieder, deinen Sonnenschein;

Wie schrecklich aber täuschtest du ihr Hoffen,

Mit welchen Liedern hast du sie getroffen!

Sturmläuten, Jammerruf und Hülfeschreien,

Und Flutendonner, schlagend an die Wände,

Sind diesmal, Frühling, deine Melodeien;

Und deine Blumen sind gerungne Hände,

Und rings verzweiflungsblasse Angesichter;

Diesmal bist du gekommen als Vernichter!

Danubius, der starke Riese, hat

Schon längst gebuhlt um diese schöne Stadt;

Der Riese hat an hellen Sommertagen

Auf seiner breiten Brust ihr Bild getragen,

Er trug ihr Bild gefaßt in Strahlenflimmer;

Wie hat es doch so bang gezittert immer!

Zu Winter hielt er einen festen Schlaf,

Bis weckend ihn der Hauch des Frühlings traf.

Urplötzlich ward vom Schlaf Danubius munter,

Er springt nach seiner Braut mit offnen Armen,

Sie jammert auf, er faßt sie ohn Erbarmen

Und reißt sie jauchzend in sein Bett hinunter.

Er brachte ihr, als reiche Morgengabe,

Die wüsten Trümmer mit von manchem Grabe:

Waldstämme, Dächer und zerrißne Mühlen

Ließ er heran zu ihren Füßen spülen,

Und Leichen rollt er, frische, längstversenkte,

Die nun die Flut aus ihren Grüften drängte.

Die Welle, die vordem so mild und zahm

Als treue Magd ins Haus des Menschen kam,

Die noch im Herbst als Müllerin geschaltet,

Hat jetzt sich zur Hyäne umgestaltet,

Sie wühlt hervor, was alte Gräber bergen,

Und treibt heran die Wiegen mit den Särgen.

Durch alle Schranken stürzen sich die Fluten,

Sie steigen immer höher an die Wände,

Und unaufhaltsam sieht der Mensch sein Ende,

Wie seine Jahre schrumpfen zu Minuten.

Dort auf die Dächer klettern die Bedrohten:

So sammeln sich die Schwalben auf den Dächern,

Enteilend ihren gastlichen Gemächern,

Wenn übers Meer der Süden sie entboten.

Es werden diese angstgetriebnen Seelen,

Den Schwalben gleich, des Weges nicht verfehlen,

Sie flüchten in die Heimat übers Meer,

Von wannen aber keine Wiederkehr.

Ein Schrei, ein Krach – und alles ist verschwunden –

Nun todesstill – nie wird die Spur gefunden.

Im Element verschwunden ohne Spur

Ist hier der Menschen Werk und all ihr Glück,

Als träumte wieder einmal die Natur

In ihre wilde Jugend sich zurück.

Fort ist die Stadt, die blühend sich geregt,

Als hätte dürres Laub der Sturm verfegt;

Die alten Steppen werden aufgefrischt,

Wo eines edlen Volkes Freude stand,

Als eine leere Tafel blieb das Land,

Des Volkes Rechnung ist hinweggewischt.

Und weinend wandeln auf der wüsten Heide,

Dem stillen Grab von so viel Glück und Leide,

Das Elend und der Kummer, eng verschlungen,

Und spät verblutende Erinnerungen.

Hier lernt das Herz erträumten Schmerz vergessen,

Hat ihm ein Hauch des Schicksals weh getan;

Wir lernen unsern kummervollen Wahn

An dem furchtbar gediegnen Unglück messen.

O haltet euer Herz an die gekettet,

Die aus dem Sturm als Bettler sich gerettet!

O gebt mit sanftem Wort und weichen Händen

Dem Kummer Trost, dem Elend eure Spenden!

Das ist ein böser Frühling für die Armen,

Und unersetzlich ist, was er genommen;

Doch eure Liebe wird dem Unglück frommen,

Denn Balsam jeder Wunde ist Erbarmen.

Die milden Gaben, eure Liebesboten,

Sie heilen nicht die unheilbaren Schäden,

Und nicht erwecken können sie die Toten;

Doch können sie den großen Schmerz bereden,

Daß er sich allgemach zur Wehmut mildre,

Und daß er zur Verzweiflung nicht verwildre.

Die Armen schauen mit verweinten Blicken,

Gerührt, auf ihrem Schutt des Mitleids Blüte;

Der Herzenshauch von euch wird sie erquicken;

Der schönste Frühling ist die Herzensgüte!

An eine Freundin

 

Dichterherzen können segnen,

Wen sie lieben; fremd und rauh

Meinem Herzen zu begegnen,

Hüte dich, du schöne Frau.

 

Eine Sage läßt dich grüßen,

So ich im Gebirg vernahm,

Als ich einst vor Wettergüssen

Flüchtend in ein Hüttlein kam:

 

In den tiefsten Einsamkeiten,

Zwischen Felsen, ruht ein See;

Dem entstieg ein Geist vor Zeiten,

Kam den Menschen in die Näh.

 

Kam ins Dorf, erschien beim Feste,

Brachte Segen in das Haus,

Und es blickten Wirt und Gäste

Oft gar sehnlich nach ihm aus.

 

Plötzlich stand er unter ihnen,

Trug ein dunkles Mönchs gewand,

Und der Mann mit ernsten Mienen

Freud an ihrer Freude fand.

 

Gerne weilt' er eine Stunde,

Nickte und verlor sich sacht

In den See, zum stillen Grunde

Taucht' er heim um Mitternacht.

 

Glücklich ward die Braut gepriesen,

Wenn er kam und ihr zum Tanz

Brachte von verborgnen Wiesen

Fremder Blumen einen Kranz.

 

Wohlgeruch durchquoll das Zimmer,

Schöner blühte dann die Braut,

Ward im gleichen Jugendschimmer

Viele Jahre noch geschaut.

 

Mutter ward sie guter Kinder,

Haus und Feld gedieh; bis spät

Sie der Tod, ein leiser, linder,

Überraschte beim Gebet.

 

Einst mit rauher Ungebühre

Sprach ihm eines was zuleid;

Traurig schwieg er, und zur Türe

Schwand der Saum von seinem Kleid.

 

Und sie sahn vom Ufer nieder,

Riefen, klagten je und je;

Doch es kam der Geist nie wieder,

Blieb in seinem tiefen See.

Tränenpflege

 

Ach, Freundin, ich habe dich gestört

In deinem verborgnen Weinen;

Nun hast du zu weinen aufgehört,

Und ruhig willst du scheinen.

 

Wenn deine Züge verhüllend auch

Vor deinen Schmerz sich reihen

Und ihn nicht nennt der Lippen Hauch,

Ich hör ihn im Herzen schreien.

 

Pfleg deinen Schmerz mit Tränen lind,

Als eine weinende Aja,

Einschläfre ihn, als wie ihr Kind

Die Mutter im Himalaya.

 

Sie legt das Kind im Schattengestein

Dem Tropfbach unter, vertrauend;

Die leisen Tropfen schläfern es ein,

Ihm auf die Wangen tauend.

An den Frühling

 

Noch immer, Frühling, bist du nicht

Gekommen in mein Tal,

Wo ich dein liebes Angesicht

Begrüßt das letztemal.

 

Noch stehn die Bäume dürr und bar

Um deinen Weg herum

Und strecken, eine Bettlerschar,

Nach dir die Arme stumm.

 

Frühblumen wähnten dich schon hier,

Frost bringt sie um ihr Glück,

Sie sehnten sich heraus nach dir

Und können nicht zurück.

 

Die Schwalbe fliegt bestürzt umher

Und ruft nach dir voll Gram,

Bereut schon, daß sie übers Meer

Zu früh herüberkam.

An ein schönes Mädchen

 

Wie die Ros in deinem Haare,

Mädchen, bist du bald verblüht;

Schönes Mädchen, o bewahre

Vor dem Welken dein Gemüt!

 

Mädchen, wenn dein Herbst gekommen

Und das ganze Paradies

Deiner Blüte dir genommen

Und dich aus dir selbst verwies;

 

Wenn du in des Welkens Tagen

Nicht den frohen Mut mehr hast,

Rosen in dem Haar zu tragen,

Weil den Wangen sie verblaßt;

 

O dann zaubert dein Gemüte,

Wenn du's vor dem Frost bewacht,

Auf dein Antlitz eine Blüte,

Leuchtend durch die Todesnacht.

Der schwarze See

 

Die Tannenberge rings den tiefen See umklammen

Und schütten in den See die Schatten schwarz zusammen.

 

Der Himmel ist bedeckt mit dunklen Wetterlasten,

Doch ruhig starrt das Rohr, und alle Lüfte rasten.

 

Sehr ernst ist hier die Welt und stumm in sich versunken,

Als wär ihr letzter Laut im finstern See ertrunken.

 

Als wie ein Scheidegruß erscheint mir diese Stille,

Ein stummes Lebewohl, ein düstrer letzter Wille.

 

Sehr ernst ist hier die Welt und mahnt, das Erdenweh,

Des Herzens letzten Wunsch zu werfen in den See.

 

O Hoffnungen, hinab! zerrißne Traumgeflechte!

O Liebe, süßer Schmerz der schlummerlosen Nächte!

 

Ihr habt mein Herz getäuscht; nicht heilen wird die Wunde,

Doch hab ich noch die Kraft, zu stoßen euch zum Grunde. –

 

Der Wind wacht auf, ich seh ihn durchs Gewässer streichen;

Will denn sein Hauch das Herz mir noch einmal erweichen?

 

Das Schilf am Ufer bebt und flüstert mir so bange,

Im Winde bebt der Wald am steilen Uferhange.

 

Ich höre kommen dich, Natur! dein Mantel rauscht,

Wie der Geliebten Kleid, wenn ich nach ihr gelauscht;

 

Willst du denn noch einmal an meinen Hals dich hängen?

Ins Elend locken mich mit schmeichelnden Gesängen?

 

Es schwillt der Wind zum Sturm, es zucken Blitze wild,

Den schwarzen See durchglüht ihr schnell verzitternd Bild;

 

Sie leuchten durch den See, wie aus beglückten Tagen

Durch mein verfinstert Herz Erinnerungen jagen.

 

Sie rufen mir: O Tor! was hat dein Wahn beschlossen!

Die Hoffnung kannst und sollst du in das Grab hier stoßen;

 

Doch willst in diesem See die Liebe du ertränken,

So mußt du selber dich in seine Fluten senken!

Das Ross und der Reiter

 

Die frische Quelle rinnt herab am Steingesenke,

Der Reiter führt sein Roß zur lang ersehnten Tränke

 

Aus Bergesadern kühl die klaren Fluten fließen,

In heiße Adern sich des Pferdes zu ergießen.

 

Der Reiter schaut sein Roß mit innigem Vergnügen,

Wie es die Flut einzieht in lustgedehnten Zügen;

 

Und wie die Wellen ihm die Mähne wiegend spülen,

Und wie sie eingeschlürft das heiße Blut ihm kühlen.

 

Der Rappe möchte gern im durstenden Verlangen

Jeglichen Wasser guß, der ihm enteilt, empfangen;

 

Doch wie er unten trinkt, hört oben schon sein Lauschen

Den reichen Überfluß verheißend niederrauschen.

 

Der Reiter hat sich auch am Quelle kühl getrunken,

Steht nun im großen Blick des Hochgebirgs versunken.

 

Er starrt auf Alpen hin, ihr seliges Umnachten,

Das leise Zauberspiel des Lichtes zu betrachten;

 

Wie mit den fernen Höhn die Strahlen dort verkehren

Und sich in stiller Glut im letzten Kuß verzehren.

 

Und auf den Wandrer sinkt, den düstern, sehnsuchtkranken,

Der frische Seelentau der himmlischen Gedanken,

 

Es strömt auf ihn herab die ewge Liebesquelle,

Es kann sein durstend Herz nicht fassen jede Welle;

 

Doch kann sein Herz auch nicht den ganzen Strom behausen,

So hört er oben schon die ewge Fülle brausen.

Die Blumenmalerin

 

Brach ein Leben bei den heitern Griechen,

Bog der Freund sich auf den Todessiechen,

Aufzuküssen seinen letzten Hauch.

Blumen, nicht im einsam wilden Grase,

Blumen, euch in der kristallnen Vase

Fiel ein schönes Los im Sterben auch!

 

Eure holden Äuglein blicken trüber,

In den bleichen Todesschlaf hinüber

Neigt ihr schon die Häupter traurig matt;

Während eure Blätter sich entfärben,

Während eure schönen Blüten sterben,

Blüht ihr auf an diesem weißen Blatt.

 

Blumen, eure letzten Blicke flehen:

›Schöne Freundin! laß uns nicht vergehen!

Tröste unser flüchtiges Geschick!

Deinen zauberischen Pinsel tauche

Eilig noch in unsre Sterbehauche,

Küß die Seele auf in deinen Blick!‹

 

Und sie blickt und malt und blicket wieder,

Blum an Blume neigt getrost sich nieder,

Wenn ihr Bild der Freundin schön gelang.

Und es wagt die lieblichste der Frauen

Nicht, vom schönen Werke abzuschauen,

Vom besiegten Blumenuntergang.

Husarenlieder

 

1.

Der Husar,

Trara!

Was ist die Gefahr?

Sein herzliebster Schatz;

Sie winkt, mit einem Satz

Ist er da, trara!

 

Der Husar,

Trara!

Was ist die Gefahr?

Sein Wein; flink! flink!

Säbel blink! Säbel trink!

Trink Blut! trara!

 

Der Husar,

Trara!

Was ist die Gefahr?

Sein herzliebster Klang,

Sein Leibgesang,

Schlafgesang, trara!

2.

 

Der leidige Frieden

Hat lang gewährt,

Wir waren geschieden,

Mein gutes Schwert!

 

Derweil ich gekostet

Im Keller den Wein,

Hingst du verrostet

An der Wand allein.

 

Von Sorte zu Sorte

Probiert ich den Wein,

Indessen dorrte

Das Blut dir ein.

 

Ist endlich entglommen

Der heiße Streit,

Mein Schwert, und gekommen

Ist deine Zeit.

 

Ich gab deiner Klingen

Den blanken Schliff,

Ich lasse dich singen

Den Todespfiff.

 

Im Pulvernebel

Die Arbeit rauscht,

Wir haben, o Säbel,

Die Freuden getauscht.

 

Im brausenden Moste,

Mein durstiges Erz,

Betrinke dich, koste

Von Herz zu Herz.

 

Derweil du gekostet

Das rote Blut,

Ist mir eingerostet

Der Hals vor Glut.

3.

 

Den grünen Zeigern,

Den roten Wangen,

Den lustigen Geigern

Bin ich nachgegangen

Von Schenk' zu Schenk',

Solang ich denk.

 

Am Tschako jetzt trag ich

Die grünen Äste,

Rote Wangen, die schlag ich

Den Feinden aufs beste,

Kanonengebrumm

Musiziert herum.

4.

 

Da liegt der Feinde gestreckte Schar,

Sie liegt in ihrem blutroten Blut;

Wie haut er so scharf, wie haut er so gut,

Der flinke Husar!

 

Da liegen sie, ha! so bleich und rot,

Es zittern und wanken noch husch! husch!

Ihre Seelen auf seinem Federbusch,

Da liegen sie tot.

 

Und weiter ruft der Trompetenruf,

Er wischt an die Mähne sein nasses Schwert,

Und weiter springt sein lustiges Pferd

Mit rotem Huf.

An den Ischler Himmel im Sommer 1838

 

Himmel! seit vierzehn Tagen unablässig

Bist du so gehässig und regennässig,

Bald ein Schütten in Strömen, bald Geträufel;

Himmel, o Himmel, es hole dich der Teufel!

 

Gurgelst wieder herab die schmutzigen Lieder,

Hängen vom Leibe dir die Fetzen nieder,

Taumelst gleich einem versoffnen zitternden Lumpen,

Hin von Berge zu Berge mit vollem Humpen!

 

Warfst den Bergen die Kinder aus ihren Betten,

Alle Bäche heraus, und plump zertreten

Hast du die reifende Saat den armen Bauern;

Unband! wie lange noch soll dein Unfug dauern?

 

Wenn doch endlich tüchtige Winde brausten

Und dich rasch von dannen peitschten und zausten!

Aber du wirst von Stunde zu Stunde noch frecher,

Lümmelst schon dich herein bis auf unsre Dächer.

 

Hast an harten Felsen den Kopf zerschlagen,

Und noch bist du nicht hin! seit vierzehn Tagen!

Blinder Unhold! es ist das Auge der Sonnen

Und das Auge des Monds dir ausgeronnen.

 

Ungastfreundlicher Strolch! die schönsten Frauen

Kamen, zu baden und das Gebirg zu schauen;

Baden können sie gnug, doch den Hals nie strecken

Aus dem Tale, dem riesigen Badebecken.

 

Hätte Ischl nur dich und seine Solen,

Hätt ich mit einem Fluche mich längst empfohlen;

Doch nebst dir und deinem Wolkengewimmel

Hat es zum Glück noch einen andern Himmel!

Der Kranich

 

Stoppelfeld, die Wälder leer,

Und es irrt der Wind verlassen,

Weil kein Laub zu finden mehr,

Rauschend seinen Gruß zu fassen.

 

Kranich scheidet von der Flur,

Von der kühlen, lebensmüden,

Freudig ruft ers, daß die Spur

Er gefunden nach dem Süden.

 

Mitten durch den Herbstesfrost

Schickt der Lenz aus fernen Landen

Dem Zugvogel seinen Trost,

Heimlich mit ihm einverstanden.

 

O wie mag dem Vogel sein,

Wenn ihm durch das Nebeldüster

Zückt ins Herz der warme Schein

Und das ferne Waldgeflüster!

 

Hoch im Fluge übers Meer

Stärket ihn der Duft der Auen;

O wie süß empfindet er

Ahndung, Sehnsucht und Vertrauen!

 

Nebel auf die Stoppeln taut;

Dürr der Wald; – ich duld es gerne,

Seit gegeben seinen Laut

Kranich, wandernd in die Ferne.

 

Hab ich gleich, als ich so sacht

Durch die Stoppeln hingeschritten,

Aller Sensen auch gedacht,

Die ins Leben mir geschnitten;

 

Hab ich gleich am dürren Strauch

Andres Welk bedauern müssen,

Als das Laub, vom Windeshauch

Aufgewirbelt mir zu Füßen:

 

Aber ohne Gram und Groll

Blick ich nach den Freudengrüften,

Denn das Herz im Busen scholl,

Wie der Vogel in den Lüften;

 

Ja, das Herz in meiner Brust

Ist dem Kranich gleich geartet,

Und ihm ist das Land bewußt,

Wo mein Frühling mich erwartet.

Das dürre Blatt

 

Durchs Fenster kommt ein dürres Blatt,

Vom Wind hereingetrieben;

Dies leichte, offne Brief lein hat

Der Tod an mich geschrieben.

 

Das dürre Blatt bewahr ich mir,

Wills in die Blätter breiten,

Die ich empfangen einst von Ihr;

Es waren schöne Zeiten!

 

Da draußen steht der Baum so leer;

Wie er sein Blatt im Fluge,

Kennt sie vielleicht ihr Blatt nicht mehr,

Trotz ihrem Namenszuge.

 

Der toten Liebe Worte flehn,

Daß ich auch sie vernichte;

Wie festgehaltne Lügner stehn

Sie mir im Angesichte.

 

Doch will ich nicht dem holden Wahn

Den Wurf ins Feuer gönnen;

Die Worte sehn mich traurig an,

Daß sie nicht sterben können.

 

Ich halte fest, zu bittrer Lust;

Was all mein Glück gewesen,

In meinen schmerzlichen Verlust

Will ich zurück mich lesen.

 

Das dürre Blatt leg ich dazu,

Des Todes milde Kunde,

Daß jedes Leiden findet Ruh

Und Heilung jede Wunde.

Erinnerung

 

Einst gingen wir auf einer Bergeswiese;

Tief atmend tranken wir die Blumenseelen,

Das Bächlein kam herab, uns zu erzählen

Den unvergeßnen Traum vom Paradiese.

 

Wir sahn das Abendrot die Gipfel färben,

Es war ein Spiel vom schönsten Alpenlichte,

Doch wandt ich mich nach deinem Angesichte,

Das strahlte mir wie Liebe ohne Sterben.

 

Bald war den Bergen ihre Glut entschwunden

Und wird vielleicht so schön nie wieder kommen;

Auch deinem Antlitz war der Strahl genommen,

Ich sah ihn nicht in allen spätern Stunden.

 

Hat mich vielleicht in deinen Zaubermienen

Der Widerschein der Sonne nur geblendet?

Auch dann ein Strahl der Liebe, die nicht endet,

Doch besser wärs, mir hätt er nicht geschienen.

BookishMall.com

 

›Schon weht es kühler auf Erden;

Es möchte Abend werden,

Es möchte werden Nacht,

Bevor durchrungen die Schlacht,

Der Menschheit altes Gefecht

Um Freiheit, Licht und Recht.

Ich reiche beiden Heeren

Beschleunigend Waffen und Wehren,

Es soll ihr Letztes wagen

Die Höll und werden erschlagen;

Daß noch ein Stündlein Frieden

Der Menschheit sei beschieden.‹

 

So dachte der Genius, der die Menschheit führt,

Als er die Stirne BookishMall.coms berührt.

An Agnes

 

Wo kein Strahl des Lichtes blinket,

Wo kein Tau von Tränen sinket,

In die Stille nieder

Und hinaus in alle Weiten

Nächtlicher Vergessenheiten

Dringen deine Lieder.

 

Die entflohn und nicht mehr kamen,

Freuden mit verlornen Namen

Kannst du wiederbringen;

Lauschend treten alle Schmerzen

Leiser auf in meinem Herzen,

Hören sie dich singen.

Im Vorfrühling

 

Am Grabe E. Mikschiks

 

Ringsum sind die Berge noch verschneit,

Aber Blumen seh ich hier, die frühen!

Blumen, schön, daß ihr gekommen seid,

Hier auf seinem frühen Grab zu blühen.

 

Freudig stieg er manchen Berg hinan,

Um des Frühlings Grüße zu empfangen;

Weil der Tote nicht mehr kommen kann,

Ist nun ihm der Frühling nachgegangen. –

 

Blumen! ob ihr nicht die Freuden seid,

Die dem Toten hätten kommen sollen?

Die, gehüllt in euer lichtes Kleid,

Doch auf seinem Grabe blühen wollen?

Bei Übersendung eines Straußes

 

In den trüben, in den kalten

Tagen, die uns heimgesucht,

Hat der Herbst auf ihrer Flucht

Letzte Blumen aufgehalten,

Um sie dir zu schenken!

Diesem Herbste will ich gleichen:

Wenn auf meine lauten Wälder,

Blumigen Gedankenfelder

Mir die Todeslüfte streichen,

Daß sie schweigen und verblühn,

Will ich mit dem letzten Grün

Deiner noch gedenken.

Der einsame Trinker

 

1.

»Ach, wer möchte einsam trinken,

Ohne Rede, Rundgesang,

Ohne an die Brust zu sinken

Einem Freund im Wonnedrang?«

 

Ich; – die Freunde sind zu selten;

Ohne Denken trinkt das Tier,

Und ich lad aus andern Welten

Lieber meine Gäste mir.

 

Wenn im Wein Gedanken quellen,

Wühlt ihr mir den Schlamm empor,

Wie des Ganges heilge Wellen

Trübt ein Elefantenchor.

 

Dionys in Vaterarme

Mild den einzlen Mann empfing,

Der, gekränket von dem Schwarme,

Nach Eleusis opfern ging.

2.

 

Ich trinke hier allein,

Von Freund und Feinden ferne,

In stiller Nacht den Wein

Und meide selbst die Sterne:

 

Da fährt man gerne mit

In Blicken und Gedanken

Und könnt auf solchem Ritt

Das volle Glas verschwanken.

 

Der Kerzen heller Brand

Kommt besser mir zustatten,

Da kann ich an der Wand

Doch schauen meinen Schatten.

 

Mein Schatten! komm, stoß an,

Du wesenloser Zecher!

Auf, schwinge, mein Kumpan,

Den vollen Schattenbecher!

 

Seh ich den dürren Schein

In deinem Glase schweben,

Schmeckt besser mir der Wein

Und mein lebendig Leben;

 

So schlürfte der Hellen

Die Lust des Erdenpfades,

Sah er vorübergehn

Als Schatten sich im Hades.

3.

 

Schatten, du mein Sohn,

Hast dich nicht verändert,

Warst vor Jahren schon

Eben so gerändert.

 

Was auf Stirn und Wang

Zeit mir eingehauen:

Jugenduntergang

Lassest du nicht schauen.

 

Einen Berg ich sah

Spät im Herbste ragen,

Umriß war noch da

Wie zu Frühlings Tagen.

 

Nicht mit seinem Grat

Gibt der Berg zu wissen:

›Meine Wälder hat

Mir der Sturm zerrissen.

 

Meine Herde schied

Mit den Glockenklängen,

Still das Alpenlied

Auf den Wiesenhängen.‹

 

Hohen Angesichts

Blickt der Berg ins Ferne,

Nahm der Herbst doch nichts

Seinem Felsenkerne.

 

Froh ins ferne Land

Will wie er ich blicken;

Und mein fester Stand

Trotze den Geschicken.

 

Süßes Traubenblut

Fließt auf meiner Schanze;

Rebe, teures Gut!

Seelenvolle Pflanze!

 

Soll für Recht und Licht

Andres Blut einst fließen,

Minder freudig nicht

Will ich meins vergießen.

4.

 

Redlich, Schatten, kannst du heben

Den Pokal, mich lassen leben;

Wenn sie meinen Leib bestatten,

Bist du mitvergangen, Schatten!

 

Manches Auge möchte weinen;

Schatten, doch ich wüßte keinen

Auf dem weiten Erdenringe,

Der wie du mit mir verginge.

 

Weil dem Sünder ohne Reue

Soll gebrochen sein die Treue,

Lassen tiefempfundne Mären

Den Verbrecher dich entbehren.

 

Treuer Freund, sei mir gepriesen!

Hast mir Liebes oft erwiesen;

Will zu stolz das Herz mir glänzen,

Zeigst du still mir meine Grenzen.

Frühling

 

Die warme Luft, der Sonnenstrahl

Erquickt mein Herz, erfüllt das Tal.

O Gott! wie deine Schritte tönen!

In tiefer Lust die Wälder stöhnen;

Die hochgeschwellten Bäche fallen

Durch Blumen hin mit trunknem Lallen;

Sein bräutlich Lied der Vogel singt,

Die Knosp in Wonne still zerspringt;

Und drüber goldner Wolken Flug;

Die Liebe ist in vollem Zug.

An jeder Stelle möcht ich liegen;

Mit jedem Vogel möcht ich fliegen,

Ich möchte fort und möchte bleiben,

Es fesselt mich und will mich treiben.

O Lenz, du holder Widerspruch:

Ersehnte Ruh und Friedensbruch,

So heimatlich und ruhebringend,

So fremd, in alle Ferne dringend.

Das Frühlingsleuchten, treu und klar,

Erscheint dem Herzen wunderbar

Ein stehngebliebner Freudenblitz,

In Gottes Herz ein offner Ritz;

Und wieder im Vorübersprung

Ein Himmel auf der Wanderung;

Ein irrer Geist, der weilend flieht

Und bang das Herz von hinnen zieht.

Ich wandle irr, dem Himmel nach,

Der rauschend auf mich niederbrach;

O Frühling! trunken bin ich dein!

O Frühling! ewig bist du mein!

 

An die Alpen

 

Alpen! Alpen! unvergeßlich seid

Meinem Herzen ihr in allen Tagen;

Bergend vor der Welt ein herbes Leid,

Hab ich es zu euch hinaufgetragen.

 

Für das Unglück steht ein Gnadenbild

Zwischen Felsen heimlich eingeschlossen,

Eine Kluft ists, einsam, tief und wild,

Durch den Abgrund ist ein Quell gestoßen.

 

Wie die Brust Marias schwertdurchbohrt

Ist zu schaun in christlicher Kapelle,

So Natur, der heilgen Mutter dort

Schien das Herz durchschnitten von dem Quelle

 

Grauer Felsen ewig starrer Blick

Hangt hinab zur tiefgerißnen Wunde,

Und der Mensch mit seinem Mißgeschick

Lauscht dem Strom, der immer klagt im Grunde.

 

Tausendstimmig braust ein dunkler Schmerz

In des Stroms zerbrochenen Akkorden,

Und aufhorchend ist des Menschen Herz

Seiner eignen Klage still geworden.

 

Wird des Unglücks heilger Sinn geahnt,

Hat der Kummer seinen Groll verloren;

Rauschend hat michs an der Kluft gemahnt:

Schmerz und Liebe hat die Welt geboren.

 

Schmerz und Liebe ist des Menschen Teil,

Der dem Weltgeschick nicht feig entwichen;

Zieht er aus dem Busen sich den Pfeil,

Ist er für die Welt und Gott verblichen.

 

Heimweh jagt des Abgrunds wilden Schaum;

Läßt Natur die Erd in Freuden prangen,

Schildert sie der Zukunft schönen Traum;

All ihr Herz ist Sehnen und Verlangen.

 

Heimweh ist es, wenn die Liebe naht,

Ist der Grund des nie gestillten Fragens,

Heimweh jede große Menschentat,

Und die Wunder himmlischen Entsagens. –

 

Alpen, o wie stärkte mich die Rast,

Lagernd auf dem weichen Grün der Wiesen,

Kräuterdüfte fächelten den Gast,

Eisgeharnischt ragten eure Riesen.

 

Lerche sang ihr lustverwirrtes Lied,

Schweigend strich der Adler durchs Gesteine,

Und die Gipfel, als die Sonne schied,

Schwelgten stumm im letzten Purpurscheine.

 

Eine Herde irrt' am Wiesenhang,

Kühe weidend pflückten ihre Beute,

Und die Glock an ihrem Halse klang

Für die Kräuter sanftes Sterbgeläute.

 

Kaum vernehmbar kam der müde Schall

Jener Kluft herüber mit den Winden;

Wo so hoher Frieden überall,

Ließ die Ruh in Gott sich vorempfinden. –

 

Frischen Mut zu jedem Kampf und Leid

Hab ich talwärts von der Höh getragen;

Alpen! Alpen! unvergeßlich seid

Meinem Herzen ihr in allen Tagen!

Die Poesie und ihre Störer

 

Im tiefen Walde ging die Poesie

Die Pfade heilger Abgeschiedenheit,

Da bricht ein lauter Schwarm herein und schreit

Der Selbstversunknen zu: »Was suchst du hie?

Laß doch die Blumen blühn, die Bäume rauschen,

Und schwärme nicht unpraktisch weiche Klage,

Denn mannhaftwehrhaft sind nunmehr die Tage,

Du wirst dem Wald kein wirksam Lied entlauschen.

Komm, komm mit uns, verding uns deine Kräfte;

Wir wollen reich dir jeden Schritt bezahlen

Mit blankgemünztem Lobe in Journalen,

Heb dich zum weltbeglückenden Geschäfte! –

Laß nicht dein Herz in Einsamkeit verdumpfen,

Erwach aus Träumen, werde sozial,

Weih dich dem Tatendrange zum Gemahl;

Zur alten Jungfer wirst du sonst verschrumpfen!«

Die Poesie dem Schwarm antwortend spricht:

»Laßt mich! verdächtig ist mir euer Streben;

Befreien wollt ihr das gejochte Leben

Und gönnt sogar der Kunst die Freiheit nicht?

Euch sank zu tief ins Aug die Nebelkappe,

Wenn euer Blick nicht straßenüber sieht,

Und wenn ihr heischt vom freigebornen Lied,

Daß es dienstbar nur eure Gleise tappe.

Ein Blumenantlitz hat noch nie gelogen,

Und sichrer blüht es mir ins Herz die Kunde,

Daß heilen wird der Menschheit tiefe Wunde,

Als euer wirres Antlitz, wutverzogen.

Prophetisch rauscht der Wald: die Welt wird freit!

Er rauscht es lauter mir als eure Blätter,

Mit all dem seelenlosen Wortgeschmetter,

Mit all der matten Eisenfresserei.

Wenn mirs beliebt, werd ich hier Blumen pflücken;

Wenn mirs beliebt, werd ich von Freiheit singen;

Doch nimmermehr laß ich von euch mich dingen!«

Sie sprichts und kehrt dem rohen Schwarm den Rücken.

Der Rationalist und der Poet

 

»Freund, du sitzest hier auf weichem Moose,

Ins Geruchzeug duftet dir die Rose,

Um dein Antlitz Frühlingswinde wallen,

Und da drüben lärmen Nachtigallen.

Darum singst du hier ein Lied versöhnend,

Weich und duftig, lind und zärtlich tönend.

Säßest du auf einem harten Stumpfe,

Käme dir der Duft von einem Sumpfe,

Spürtest du den Herbstwind frostig wehen,

Wärst du hier umkrächzt von rauhen Krähen:

Ha! ich wette, hart und widrig klänge,

Kühl und rauh, was deine Muse sänge.

Wäre dort die Wolke losgebrochen,

Hättest du dich ohne Lied verkrochen.

Hundert Dinge stören dirs Gehege,

Weisen deiner Phantasie die Wege,

Hundert Mitarbeitern bist du pflichtig;

All dein Dichtertreiben find ich nichtig.«

Also spricht der Rationaliste,

Der den Dichter heimlich hat belauert,

Stolzer Hahn auf dem Verstandesmiste,

Daß dem Dichter vor dem Wichte schauert.

Dichter spricht: »Wenn Vögel, Blumen, Winde

Und das ganze liebe Lenzgesinde

Meinem Liede helfen, wirds ihm frommen,

Und es wird der Welt zu Herzen kommen.

Hätt ich rauhen Felsensitz erklettert,

Schwül bedrückt von einer Sumpfeswolke,

Rauh umkrächzt von einem Rabenvolke,

Oder auch von Hagelschlag umwettert:

Säng ich! und in meinem Liede schalten

Ließ' ich gern auch die Naturgewalten.

Aber gleich entflüchten Lust und Schmerzen,

Dringt heran mir ein Gesicht wie deines,

Kalt genug, mir trotz des Maienscheines

Aus der Welt die Poesie zu merzen.«

Passiver und aktiver Beifall

 

Der scharfe Geist hat euch geschwind durchdrungen,

Und bald empfängt er eure Huldigungen;

Den tiefen aber sollt ihr selbst durchdringen,

Drum wird ihm eure Liebe spät gelingen.

Form

 

Ist die Form auch festgeschlossen,

Immer noch ists kein Gedicht,

Wenn um den Gedanken nicht

Stetig sich das Wort gegossen.

 

Werfen noch die Worte Falten,

Kein lebendger Leib, nur Kleid,

Was sie wecken, Lust und Leid,

Wird im Hörer bald erkalten.

 

Hört den losen Kern er klappern,

Wie Toneisenklapperstein,

Mag das Wort gemeistert sein,

Ist es doch nur dürres Plappern.

Irrtum

 

Was Ihr Bild nennt unverständig,

Ist nur Gleichnis, kalt und hohl,

Wo der Geist nicht ein Symbol

Mit der Sprache zeugt lebendig.

 

Und das Ringlein Salomonis,

Das die Diwen zwinget ein,

Zaubermächtig, es ist kein

Tertium comparationis.

An einen Dichter

 

Nur wer sich mit eignen Kräften

Durch das Dickicht einen Pfad schafft,

Kann den Kranz sich dauernd heften;

Kunst ist keine Kameradschaft.

 

Düngst du deinen Ruhm in Scherben

Mit dem Mist der Schmeicheleien,

Wird er über Nacht dir sterben;

Laß ihn wachsen wild im Freien.

 

Dann nur mag sein Hauch dich stärken,

Wenn er dir auf Dornenwegen

Und nach heiß vollbrachten Werken

Überraschend blüht entgegen.

Zweierlei Vögel

 

Strichvogel Reflexion,

Zugvogel Poesie,

Singt jeder andern Ton

Und andre Melodie.

 

Strichvogel hüpft und pfeift

Und pickt von Ast zu Ast,

Und höchstens einmal streift

Zu Nachbarn er als Gast.

 

Er ruft: Freund! bleib im Land

Und redlich nähre dich;

Es wagt um Fabeltand

Ein Narr nur weiter sich.

 

O halte deinen Flug

Von Meer und Stürmen fern,

Die Sehnsucht ist Betrug,

Hier picke deinen Kern!

 

Zugvogel aber spricht:

Du Flattrer, meinen Flug

Und Zug verstehst du nicht;

Klug ist hier nicht genug.

 

Du picke immer zu

Und bleib auf deinem Ast,

Wenn keine Ahnung du

Von meiner Ahnung hast.

 

Doch pfeifs nicht aus als Wahn

Und Narrenmelodei,

Daß hinterm Ozean

Auch noch ein Ufer sei.

Anna

 

Nach einer schwedischen Sage

 

1.

Anna steht in sich versunken,

Blicket in den See hinein,

Weidet, eigner Schönheit trunken,

Sich an ihrem Widerschein.

 

Sie beginnt hinab zu reden:

Wunderholde Jungfrau, sprich,

Schönstes Bild im Lande Schweden,

Bin ich du? und bist du ich?

 

Nein, o nein, ich glaub es nimmer,

Wenn es auch die Welt mir schwört,

Daß so heller Rosenschimmer

Meinen Wangen angehört.

 

Dieser Mund, ist er der meine,

Den dies süße Lächeln bricht?

Seh ich doch, wie auch der deine

Fragend mir entgegenspricht.

 

Liebes Wasser, sag, erzähle,

Hast mein Auge du gemalt?

Oder ist des Himmels Seele,

Was dein Spiegel widerstrahlt?

 

Anna neigt vom grünen Strande

Sich in ihres Bildes Näh,

Streift vom Busen die Gewande,

Läßt ihn leuchten in den See.

 

Nach dem Bilde niederhangend,

Starrt sie zweifelnd und beglückt,

Und das Bild, ihr nachverlangend,

Starrt bewundernd und entzückt.

 

Fragt das Bild, im Wasser schwebend:

Anna, hab ich dich erreicht?

Fragt das Mädchen, freudig bebend:

Bin ich schöner noch vielleicht?

 

In den seligen Gebärden,

Die das Bild ihr abgelauscht,

Sieht sich Anna schöner werden,

Und die Jungfrau steht berauscht.

 

»Wenn so schön ich immer bliebe!

Muß dies Bild denn auch vergehn?«

Ruft sie, eitler Eigenliebe,

Horch! die Winde sausend wehn!

 

Rauschend wird ihr Bild zertrümmert

Im empörten Wellenschaum;

Und das Mädchen sieht bekümmert

Sich darin vergehn wie Traum.

 

Und im Walde knarrt es knickend,

Und am Ufer schwankt das Rohr,

Aus den Weiden, freundlich nickend,

Huscht ein altes Weib hervor.

 

Alte spricht, und weint verstohlen:

»Wie dein Bild im Wind zerfuhr,

Würden deine Kinder holen

Deiner Schönheit letzte Spur.

 

Denn die Schönheit ihrer Mutter

Ist der Kinder liebster Fraß,

Ist der Kinder feinstes Futter;

Schöne Jungfrau, merk dir das!

 

Wag es nur und kehre wieder

Nach dem ersten Wochenweh,

Komm und spiegle deine Glieder

Dann im peinlich klaren See.

 

Komm und schau dann mit Entsetzen

Deine Brüste, junges Blut,

Gleich gezognen Fischernetzen

Zitternd schwimmen in der Flut.

 

O dann frage deinen Schatten:

Wangen, seid ihr mein, so bleich?

Augen mein, ihr hohlen, matten?

Weinen wirst du in den Teich.

 

Kommt ein Mann, um dich zu freien,

Eile du zu mir geschwind:

Und ich will den Leib dir feien,

Daß du nie empfängst ein Kind.«

 

Anna spricht mit dunklen Schauern:

»Wenn du mir zu helfen meinst,

Daß die Schönheit mir mag dauern,

Mütterlein, so komm ich einst.«

2.

 

Vor dem Fenster steht der Ritter

Singt bei Nacht mit süßem Laut,

Schlägt dazu die helle Zither:

»Willst du heißen meine Braut?

 

Hab ein Schloß und finstre Wälder,

Berge, hab ich, reich an Erz,

Muntre Herden, goldne Felder,

Und nach dir ein krankes Herz!

 

Schmücke dir mit Edelsteinen,

Gold und Perlen Hals und Hand,

Liebchen, schmücke dich mit meinen

Narben aus dem heilgen Land.

 

Morgen wird die Sonne steigen;

Strahlt herauf die Sonne klar,

Soll sie meinen Wuchs dir zeigen

Und dir leuchten zum Altar.

 

Hier an diesem Rosensprosse

Häng ich dir mein Ringlein auf!«

Sangs und schwang sich auf zu Rosse,

Sprengt' davon im flüchtgen Lauf. –

 

»Willst du meinen Finger tauschen,

Ringlein, mit dem Rosenreis?«

Anna nimmts, die Hecken rauschen,

Und im Dickicht naht es leis.

 

Schwarz verhangen Mond und Sterne

Durch den Blütenstrauch herein

Wiegt sich eine Blendlaterne,

Wie Johanniskäferschein.

 

Freundlich nickend, bleich verdüstert,

Steht das Mütterlein vom See,

Weint verstohlen, und sie flüstert:

»Schöne Jungfrau, weh dir, weh!

 

Von den Rosen hier empfangen

Hast du's Ringlein, und es droht

Bald den Rosen deiner Wangen

Dieses Ringlein bleichen Tod.

 

Folge mir!« – Sie schreiten beide

Weite Strecken stumm und sacht

Über eine öde Heide

In der stummen dunklen Nacht.

 

Und an einer Windmühl stille

Hält das alte Zauberweib:

»Bräutchen, ists dein fester Wille,

Daß unfruchtbar sei dein Leib?

 

Willst?« – »Ich will es!« und sie schleichen

Jetzt die Mühlentrepp empor,

Feiernd stehn die Flügelspeichen,

Taghell tritt der Mond hervor.

 

Braune Weizenkörner sieben

Aus dem Sack die Alte greift,

Und das Ringlein ihres Lieben

Sie der Braut vom Finger streift.

 

»Wenn nicht meine Zauber wären«,

– Spricht das Mütterlein vom See, –

»Würdest sieben du gebären

In der schmerzenreichen Eh.«

 

Durch das Ringlein wirft hinunter

Sie ein Korn zum runden Stein:

Plötzlich wird die Mühle munter,

Brausend fällt ein Windstoß drein;

 

Und die Mühle mahlt im Winde,

Schaudernd hört die junge Braut

Leise, wie von einem Kinde,

Wimmern einen kurzen Laut.

 

Drauf todstill in alle Weite,

Anna hört ihr Herz allein,

Und die Alte wirft das zweite

Weizenkorn hinab zum Stein:

 

Wieder mahlt die Mühl im Winde,

Schmerzend hört die junge Braut

Leise, wie von einem Kinde,

Wimmern einen kurzen Laut.

 

Alte wirft das dritte, vierte,

Fünfte Korn, noch zwei hinein:

Jedmal sich der Windstoß rührte,

Und zerreibend lief der Stein.

 

Siebenmal hat es gewimmert,

Hat ein Weh durchzuckt die Maid.

Wieder Ruh – der Vollmond schimmert

Nieder auf die stille Heid.

 

Mütterlein jetzt freudig kichert,

Steckt das Ringlein ihr zurück:

»Nie ergreift dich, bist gesichert,

Jammervolles Mutterglück!«

 

Heim, zuvor den Morgenstunden,

Eilt nun Anna, fürcht't sich schier;

Schüchtern blickt sie um – verschwunden

Ist die Alte hinter ihr.

3.

 

Schautet ihr das Bräutchen schwärmen

Auf der Heid im Mondenstrahl,

Würdet ihr im Schloß nicht lärmen,

Rüsten nicht das Hochzeitsmahl.

 

Dreier Tage galts ein Jagen,

Scholl das Horn in Wald und Kluft,

Mancher Keuler ward erschlagen,

Vögel stürzten aus der Luft.

 

Und der Hirsch, der Stolz der Schluchten,

Liegt mit zwanzig Enden kalt,

Liegt, als hätt er auf den Fluchten

Mitgerissen ein Stück Wald.

 

Denn zur Ehre seines Festes

Rief der Ritter in den Forst:

»Lieber Wald! heraus dein Bestes,

Schönstes an Geweih und Borst!«

 

Früh am Morgen in dem Schlosse

Werden hundert Gäste laut,

Mit dem Ritter, hoch zu Rosse,

Holen sie die schöne Braut.

 

Anna glänzt im Brautgeschmeide,

Strahlt in Schönheit wunderbar,

Daß das Volk aufschreit vor Freude,

Wo vorüberzieht die Schar.

 

Kein so schönes Weib begegnet

Heut der Sonne auf der Welt;

Und der Priester, wie er segnet,

Vor Erstaunen innehält.

 

Erich, dem zur Pflicht des Weibes

Sie der Priester angetraut,

In die Schönheit ihres Leibes,

Seinen offnen Himmel, schaut.

 

Anna freut sich all des Glanzes,

Ihres Ritters freut sie sich,

Ihres grünen Myrtenkranzes,

Ihrer selbst herzinniglich.

 

Bald beginnt ein festlich Schmausen,

Geigenschall und Hörnerklang,

Lebehoch! und Tanzesbrausen,

Becherklirren, Spiel und Sang.

 

Aber als die Nacht gekommen:

Dicht in ihres Ohres Näh

Hört die schöne Braut, beklommen,

Rauschen den bekannten See.

 

Trüb ihr alle Kerzen flimmern,

Und die Luft wird ihr so schwül,

Durchs Getös das leise Wimmern

Hört sie von der Heidemühl.

4.

 

Sieben Jahre sind verflossen,

Spurlos wie die Flut ins Meer,

Seit der Ehbund ward geschlossen,

Heute ist die Jahreskehr.

 

Anna wird im Land besungen

Als die allerschönste Frau;

Sie empfängt die Huldigungen,

Wie die Rose ihren Tau.

 

Keines von den süßen Liedern

Mag ein Blick gerührter Huld,

Mag ein süßes Wort erwidern;

Anna trägt nur eine Schuld.

 

Oftmals bei geschloßnem Riegel

Ist sie unbelauscht allein,

Stürzt ihr Aug sich in den Spiegel,

Schwelgt in ihrem Widerschein.

 

Gerne mag sich Anna zieren,

Reich geschmückt am Spiegel stehn;

Bis sie fühlt geheimes Frieren,

Wenn sie lang hineingesehn.

 

Klirrt und rauscht dann Gold und Seide,

Dünkt ihr oft, es werde wach

Jener bange Laut der Heide,

Der manchmal ihr wehte nach.

 

Anna ist so schön geblieben,

Wie als Braut einst am Altar;

Erich trauert, daß sein Lieben

Und sein Leben unfruchtbar.

 

Schweigend reiten sie zum Schlosse

Heim von einer Kindestauf;

Als ihr leuchtender Genosse

Zieht der volle Mond herauf.

 

Erich reitet in Gedanken

Hinter seinem Weibe fort,

Sieht des Waldes Schatten wanken

Unstät wechselnd hier und dort.

 

Als sie weiter traben beide,

In Gedanken, ohne Laut,

Als sie kommen auf die Heide,

Wo sie einst geirrt als Braut:

 

Sieht er ihres Pferdes Schatten

Um die Reiterin verkürzt,

Und das Bild erschreckt den Gatten,

Ob sein Weib vom Roß gestürzt?

 

Nein, sie sitzt! »Gott sei uns gnädig!«

Ruft er aus – »Verfluchtes Weib!

Nur dein Roß, als ging' es ledig,

Keinen Schatten wirft dein Leib!«

 

Aber Anna treibt den Zelter,

Zitternd vor dem Mondenstrahl,

Vor dem himmlischen Vergelter,

Und dem zürnenden Gemahl.

 

Jetzo stürzt sie bang zu Füßen

Ihrem Herrn im Schlafgemach,

Sie bekennt in Tränengüssen,

Flehend, was sie einst verbrach.

 

Schaudernd hörte er ihre Kunde;

Süßer sonst als Blumenduft,

Trifft der Hauch aus ihrem Munde

Jetzo ihn wie Grabesluft.

 

Erich schaut im Mondenlichte,

Leuchtend durch den Fensterspalt,

Ihr frisch blühend Angesichte,

Ihre bräutliche Gestalt.

 

»Unweib!« ruft er mit Entsetzen –

»Wäre deine Schönheit hin!

Mit den unterschlagnen Schätzen,

Gräßliche Betrügerin!

 

Eile fort aus meiner Kammer!

Eile fort aus meinem Haus!

Fahre hin in Not und Jammer!

Fluchend stoß ich dich hinaus!

 

Dir so wenig wird vergeben,

Wie aus dieser Diele je

Frische Rosen sich erheben!

Weh, verfluchtes Weib, dir, weh!«

5.

 

Anna liegt im Wald verlassen,

Klagt den Bäumen nicht ihr Los;

Schweigend drückt sie nur die nassen

Augen in das weiche Moos.

 

Im Gebüsch der Winde Sausen

Weckt der Reue wilden Schrei,

Und des Baches Wellen brausen

An der Sünderin vorbei.

 

Anna darf um Trost nicht lauschen

Zur Natur im Trostgewand,

Zwischen ihnen flatternd rauschen

Hört sie das zerrißne Band.

 

Und die Menschen schaudernd kehren

Ab das Herz von Annas Not;

Ihre Buße nur zu nähren,

Reichen sie das Bettelbrot.

 

Sieben Jahre sind es heute,

Seit ihr Gatte sie verstieß,

Seit sie, Reu und Kummers Beute,

Klagend seine Burg verließ.

 

Heute sind es sieben Jahre,

Daß sein Fluch sie fortgeschnellt,

Daß sie mit gelöstem Haare

Büßend weinte durch die Welt.

 

Mutterleid, das wonnereiche,

Hat ihr Antlitz nie versehrt,

Aber bis zur Totenbleiche

Hat der Jammer es verheert.

 

Als sie aufblickt von der Erde,

Naht im Strahl des Abendlichts

Ihr ein Greis, mit Freundsgebärde,

Mitleidvollen Angesichts.

 

»Anna, hebe dich vom Grunde!

Komm, du hast genug geweint;

Des Erbarmens milde Stunde

Deinem Kummer auch erscheint.

 

Folge mir zur Waldkapelle!«

Spricht der alte Eremit,

Als des Abends letzte Helle

Von den Wipfeln sich verzieht.

 

Dunkel wird es, dunkler immer,

Kaum manchmal durch Baum und Strauch

Zweifelt eines Sternes Flimmer,

Stiller, kühler wird es auch.

 

Und sie wandeln und sie schweigen,

Finster wird es ganz und gar,

Auf des Walds gewundnen Steigen

Leuchtet ihr sein weißes Haar.

 

In des Waldes tiefsten Schauern

Kommen sie an die Kapell;

Grabesstill sind ihre Mauern,

Doch erleuchtet ist sie hell.

 

Zu der traurigsten der Frauen

Spricht der Alte: »Tritt hinein!

Die du drinnen wirst erschauen,

Bitte, daß sie dir verzeihn!«

 

Anna zögernd und verzagend

In die Waldkapelle tritt,

Von den öden Wänden klagend

Hallt zurück ihr scheuer Schritt.

 

Niemand hier; doch lispelnd nennen

Ihren Namen hört sie klar;

Sieben Kerzen sieht sie brennen

Ohne Leuchter am Altar.

 

Hellen Schimmer auszuspenden,

Hängt die Lampe ohne Schnur;

Bilder haften an den Wänden,

Dämmernde Umrisse nur.

 

Und die Staffeln abgebrochen

Zum Altar; zerrißnes Tuch;

Keine Messe wird gesprochen

Aus dem unbeschriebnen Buch.

 

Sieben leichte Lichtgestalten

Jetzt an ihr vorüberziehn

Und mit stummem Händefalten

Vor dem Altar niederknien.

 

Anna sich mit zitternd leisen

Schritten den Gestalten naht:

»Meine ungebornen Waisen!

Ach, verzeiht ihr, was ich tat?

 

Grausam frevelnd ausgestoßen

Hab ich euer keimend Herz,

Von den Freuden ausgeschlossen,

Von dem trauten Erdenschmerz!«

 

Und sie nicken, ihr vergebend,

Lächelnd zugewandt, doch stumm;

Und der Alte, näher schwebend,

Schlingt die Arme ihr herum.

 

Anna sinkt zu Boden nieder,

Ihr entgleiten Schmerz und Not,

Und sie klagt und weint nicht wieder;

Der Einsiedel war der Tod.

 

Und zur Stund ein sanftes Tosen

Erich aus dem Schlafe weckt:

Ha! er sieht mit frischen Rosen

Seine Diele überdeckt.

 

Anna bleich und todeshager,

Grüßend ihm vorüberging,

Und sie legt ihm auf sein Lager

Leise seinen goldnen Ring.

 

Als sein totes Weib dem Ritter

Samt den Rosen wieder schwand

Nimmt er die bestaubte Zither

Endlich einmal von der Wand,

 

Und er singt ein Lied, das alte,

Aber nicht im alten Laut,

Wie es vor dem Fenster hallte

Anna einst, der schönen Braut.

 

»Hab ein Schloß und finstre Wälder,

Berge hab ich, reich an Erz,

Muntre Herden, goldne Felder,

Und nach dir ein krankes Herz!«

 

 

Fünftes Buch

 

Mischka

 

Mischka an der Theiss

In dem Lande der Magyaren,

Wo der Bodrog klare Wellen

Mit der Tissa grünen, klaren,

Freudig rauschend sich gesellen,

Wo auf sonnenfrohen Hängen

Die Tokayertraube lacht:

Reiten lustig mit Gesängen

Drei Husaren in der Nacht.

Und der Fischer, der die leisen

Netze warf im Mondenstrahl,

Hört vergnügt die Heldenweisen

Klingen weithin durch das Tal,

Höret durch des Liedes Pausen

Hellen Schlag von Rosseshufen

Und des Stromes Wellen brausen

Und das Echo ferne rufen.

Bald entschwunden sind die Lieder

Und der Waffen heller Schein,

Und es hört der Fischer wieder

Rauschen nur den Strom allein.

»Haben doch ein schönes Leben,

Diese flüchtigen Husaren!

Zwischen Freuden und Gefahren

Hoch zu Rosse hinzuschweben,

Jubelnd in die Schlacht zu fliegen

Und zu sterben oder siegen

Für das Vaterland, den König!

Ach, dem Fischer ziehn die Tage

Mit dem dumpfen Wellenschlage

Arm vorüber und eintönig!«

Also denkt in stillem Sinnen

Dort der Fischer trübgemut,

Sieht des Stromes muntre Flut

Mondbestrahlt hinunter rinnen.

Wie er starret in die Wellen,

Malt die Sehnsucht ihre Träume

In die schwanken lichten Räume

Ihrem nächtlichen Gesellen,

Und er schaut im Wellentanze

Kriegesszenen mancherlei,

Männer ziehn im Waffenglanze,

Und es rauscht die Schlacht vorbei;

Und ihm deucht, ob aus den Tiefen

Fernverworrne Stimmen riefen,

Kampfgetös, Trommetenklänge,

Feindesflucht und Siegsgesänge. –

Und der Fischer träumt noch lange

Sich ein froh Husarenleben,

Er vergißt, das Netz zu heben

Und zu sehn nach seinem Fange. –

Ferne reiten schon die drei

In dem Tale von Tokay.

Sie verstummten allgemach,

Still für sich ein jeder zieht,

Lauscht den Stimmen, die das Lied

Rief in seinem Herzen wach.

Wie sie reiten, wie sie schweigen

In dem schönen Tokaytal,

Bringen Winde Mal auf Mal

Klänge her von fernen Geigen.

»Zimbalschlag mit Geigenklängen,

Das ist Mischka, seine Bande!«

Ruft der eine, und sie sprengen

Schnell zur Schenk am Tissastrande,

Von den Rossen abgesprungen

Sind sie schnell, und klirrend ein

Treten die drei Reiterjungen:

»Mischka, streiche! Wirt, gib Wein!«

Manche Geige mag im schönen

Lande der Magyaren tönen,

Doch im Land die Geige keiner

Spielt wie Mischka, der Zigeuner.

Wohlgefällig trifft des Alten

Blick die hohen Mannsgestalten,

Ihre schmucken, schimmerblanken

Waffen und Husarenputz;

Auf dem Haupt, voll Kraft und Trutz,

Federbüsche drohend schwanken.

Mischka steht von seinem Sitz,

Schwingt den Wein zum Gruß empor,

Aus den schwarzen Locken vor

Fährt ein froher Augenblitz:

»Die Husaren sollen leben!«

Ruft der Geiger; »Krieg solls geben!«

Rufen die drei Schwertgenossen,

Eilen mit ihm anzustoßen.

»Hab in meinen Jugendtagen,

Denen ich nachhinke jetzt,

Auch mein Reiterschwert gewetzt,

Eh die Kugel mich geschlagen,

Focht in euren tapfern Scharen;

Mancher Franzmann mußte reisen,

Dem mein scharf Husareneisen

Zwischen Leib und Seel gefahren!«

Also spricht der Mischka heiter

An die jungen Ungarreiter;

Drauf er rasch die Geige nimmt,

Scharfgenau die Saiten stimmt,

Gibt dem Bogen noch des Harzes,

Und sein Haar, sein langes, schwarzes,

Wirft er schüttelnd ins Genick,

Drückt die Fiedel unters Kinn,

Und sein dunkler Feuerblick

Winkt der Bande zum Beginn.

Mischka voll und langsam zieht

Ein uraltes Schlachtenlied

Das vor manchen hundert Jahren

Klang versunknen Heldenscharen,

Das mit seiner wilden Klage

Aufgefacht den Kriegesmut,

Als die Ungarn ihre Tage

Tränkten noch mit Türkenblut,

Als sie speisten ihre Nächte,

Mit gehäuften Türkenleichen,

Weil des Wahnes grimme Knechte

Drohten allen Christenreichen. –

Schneller brausen jetzt die Töne,

Kühner Herzen wilde Söhne;

Ihren ungestümen Reigen

Führen die verwegnen Geigen,

Mischkas Geige doch vor allen

Hört man aus dem Kampfe schallen.

Und des Zimbals Hämmer pochen,

Bald wie Sturm hereingebrochen,

Bald hinsäuselnd durch die Saiten,

Hörbar kaum, wie nach der Schlacht

Frühlingswinde in der Nacht

Durch die Wahlstatt flüsternd gleiten,

Heiße Todeswunden kühlend,

Mit dem Haar der Leichen spielend.

Aber langsam, ernst und trübe

In der Tiefe wühlt der Baß,

Ob er dort dem wilden Haß

Grab an Grab im Boden grübe. –

Ha! wie tanzen die Husaren,

Echte Söhne der Magyaren!

In der Freude Sturmeswogen

Unaufhaltsam fortgezogen

Von des Klanges dunkeln Mächten,

Schwingen sich die Starken, Flinken,

Hoch die Flasche in der Linken,

Hoch den Säbel in der Rechten.

Und den Reitern durch die Kehlen

Strömt im Tanz das süße Feuer,

Strömt der herrliche Tokayer,

Wie das Lied durch ihre Seelen.

Nach dem Takt der kühnen Weisen

Klirrt der Sporen helles Eisen,

Und im Takt des Tanzes singen

Lassen sie die Säbelklingen.

Wie sie jetzt die Faust empören,

Im Gebrauch aus alten Tagen,

Und beim Schwertzusammenschlagen

Haß und Tod den Türken schwören!

Wilder stets Musik erwacht;

Rasen die Zigeunerleute?

Werden sie der Übermacht

Ihres Liedes selbst zur Beute?

Horch, wie scherzend, horch, wie klagend

Und das Herz von hinnen tragend,

Mischkas Wundergeige waltet,

Durch und durch die Seele spaltet.

Diese bangen, diese süßen,

Zauberhaften Töne müssen

In das Land der Schatten dringen

Und die Toten wiederbringen.

Dieses Zittern seiner Saiten

Ist das Schwanken einer Brücke,

Drauf zurück zum Erdenglücke

Sehnsuchtsvoll die Geister schreiten,

Drauf der Helden Geister wallen,

Treu der Heimat süßem Drange,

Die bei dieses Liedes Klange

In der Vorzeit sind gefallen;

Und sie schweben und sie schwanken

Um die Tänzer ungesehen,

Ihnen an die Stirn zu wehen

Flammenhelle Schlachtgedanken,

Sie mit Träumen zu berücken,

In die Vorwelt zu entzücken.

Plötzlich stürzen die Husaren

An den Strand hinaus mit Macht,

Und sie rasen in die Nacht:

»Wo? wo sind die Türkenscharen?«

Hauen pfeifend in die Luft;

Doch kein ›Allah!‹ Antwort ruft.

Nur die Tissa ist noch munter,

Zieht dahin mit dumpfem Brausen,

Und des Ufers Büsche sausen;

Friedlich strahlt der Mond herunter.

Mischka an der Marosch

 

1.

Von der Theiß, der klaren, fischereichen,

Ist der Geiger Mischka hingezogen,

Wo der Marosch barsche Wogen

Brausend durch beschäumte Klippen streichen.

 

Der Zigeuner wandert, arm und heiter,

In die Ferne, Fremde, fort und weiter;

Wenn er auch am Wohlgeschmack der Erde

Karg und selten nur sich weidet,

Ist ihm jeder Ort doch bald entleidet,

Und was heimisch, wird ihm zur Beschwerde;

Wenig brauchend kommt und geht

Dieser fiedelnde Aszet.

 

Mischkas Hüttlein mit dem Halmendach

Ragt empor vom Grund nur wenig Spannen,

Und vorüber wild und jach

Stürzt die Marosch durch die Felsen, Tannen.

 

Horch, wie rauschen Mischkas helle Saiten

Unter diesen Halmen, die vorzeiten

Bei dem Klang der Lerchenlieder

Auf dem Feld sich wiegten hin und wider.

 

Nicht allein an Schall und süßen Weisen

Ist dies niedre Hüttlein reich zu preisen;

Strahlen hegt es auch in Fülle,

Wie sie aus den schönsten Welten

Uns herüber, flüchtig, selten,

Leuchten durch die Menschenhülle.

 

Mischkas treues Liebchen ruht im Grabe;

Doch sie ließ zur Abschiedsgabe

Seines Glücks ihm einen teuren Rest,

Daß sein Herz sich minder härme;

Wie die holde Sommerwärme

Sterbend ihre Frucht uns läßt.

 

Mischka geigt, und seine hellen Töne

Trägt hinaus der Abendwind;

Vor der Hütte steht die wunderschöne

Mira, das Zigeunerkind.

 

Die vom Abendrot Geküßte

Ist vom leichten West umflogen,

Und es flattert um der Brüste

Melodiegeschwellte Wogen

Ihres Haars gelockte Nacht;

O, wenn diese schöne Brust erwacht!

Dieses Busens keusche Wellen,

Die noch Liebe nie empfanden,

Selig, wem sie einst entgegenschwellen

Und ans Herz im Sturm der Liebe branden!

Selig, wer aus diesen schwarzen Augen

Darf den ersten Blitz der Leidenschaft

Und aus diesem Mund ein Flüstern saugen,

Süß und wonneirr und zauberhaft,

Daß der Cherub beim Gesang der Worte

Sinkt in Schlummer an des Edens Pforte!

Bald doch, bald die Worte unter Küssen

In ein süßres Leben sterben müssen! –

Also glühen die Gedanken

Durch die Brust dem Liebeskranken;

Einsam dort am Waldessaume,

Harrt und lauscht er unterm Baume,

Ob kein Rascheln aus dem Tannengrunde

Ihm ein Wild verrät, zur Abendstunde

Sachte auf den freien Anger schreitend,

Freundlich aus dem Wald den Tag begleitend.

 

Und er stellt dem Liebesglück ein Zeichen:

Wenn ich heut ein edles Wild noch schieße,

Werd ich meinen heißen Wunsch erreichen,

Daß ich sie in meine Arme schließe.

 

Sieh dort eine braune Wohlgestalt,

Ruhig kommt ein Hirsch dort aus dem Wald,

Daß der Jäger kann die Enden zählen:

»Sechzehn! – sollens ihre Jahre sein?

Gott der Liebe, laß mich jetzt nicht fehlen!

Ha! er stürzt, halloh! nun ist sie mein!«

2.

 

Mischka spielt zu einem Hochzeitreigen,

Lustgelächter, Sporen, Gläser, Geigen

Brausen wild im Edelhaus zusammen;

Und die Tänzer schießen durcheinander,

Um das Brautpaar, sturmgejagte Brander

Auf dem Meer der Lust in hellen Flammen.

 

Trauben, die des Sommers Strahl und Glut

Eingesogen in ihr Blut,

Strömen den empfangnen Himmel wieder

Den Magyaren in die Glieder.

Frauen, prangend in der Jugend Glanz,

Schwebend durch den Saal im raschen Tanz,

Und im Fluge heller Liebesblicke

Zünden sich die seligsten Geschicke.

 

Ha! Musik! wie waltet Mischkas Bogen!

In den Rausch wird jedes Herz gezogen,

Jeder Tropfen Weines scheint zu klingen,

Jedes schöne Auge laut zu singen.

 

Ist die Braut auch schon entschleiert,

Noch drei Tage, noch drei Nächte

Wird die Hochzeit fortgefeiert

Von dem freuderüstigen Geschlechte.

3.

 

Während Mischka geigt im Edelhause,

Schleicht ein Mann zur strohgedeckten Klause.

Mira steht allein und sinnend,

Ihrem Vater eine Saite spinnend,

Und sie hört, schon will der Abend dämmern,

An der Tür, erstaunt, ein leises Hämmern.

»Ach, wer pocht?« so ruft die Maid beklommen,

»Räubern kann ihr Frevel hier nichts frommen,

Und der Bettler fürchtet, bei so Armen

Koste ihm ein Scherflein sein Erbarmen!«

 

Doch sie hört um Einlaß Worte bitten

Von so sicher weichem Klange,

Mit so süßem Schmeichelzwange,

Daß sie öffnen geht mit schnellen Schritten;

Einen schönen Jüngling vor sich stehen

Sieht sie, wie sie keinen noch gesehen.

 

Und er spricht, ihr huldigend, die Worte:

»Ja, ein Bettler kam an deine Pforte,

Ach, ein Bettler ist es, schmerzlich darbend,

Doch nicht Geld, noch Brot, kein Labekrug,

Du nur, du allein bist ihm genug;

Wund ist mir das Herz und nie vernarbend.

 

Seit ich dich erblickt, du schönste Maid,

Treibt mich rastlos irr mein Liebesleid.

Wenn ich jage, gleich ich selbst dem Wild,

Überall gejagt von deinem Bild.

Wie das Wild, verfolgt, zum Schatten trachtet,

Wie es blutend nach der Quelle schmachtet,

Zieht es mich zu deinen Füßen nieder,

In den Schatten deiner Augenlider,

Glüht die Seele, vor dir hinzusinken

Und ein holdes Wort von dir zu trinken.

Peinlich scheint mir nun mein wildes Roß

Unter meinen Wünschen hinzuschleichen,

Wenn mein Sporn ihm stachelt in die Weichen,

Daß es hinbraust wie ein Wetterstoß,

Schleudernd blanken Schaum aufs Heidekraut,

Und die Rossehirten jubeln laut.

Wenn die Kerzen der Kapelle brennen

Und der Priester opfert am Altare,

Bete ich von Gott, du Wunderbare,

Namen nur, die deine Reize nennen.

Dein gedenk ich wachend und im Schlafe,

Jeder Traum, von Liebesschmerz gebunden,

Ruft nach dir und klagt dir seine Wunden,

Wie nach seiner Heimat weint der Sklave!«

 

Mira spricht, indem sie hold errötet:

»Sind, o Jüngling, deine Worte wahr,

Werd ich sein glückselig immerdar;

Täuschen sie, so hast du mich getötet.

Eines edlen Stamms du schöner Sprosse,

Nach der Niedern treibt dich ein Verlangen;

Doch du mußt, hat dich mein Arm umfangen,

Bleiben bis zum Grabe mein Genosse!«

 

Wie im Land, von wannen Mira stammt,

Dort in Indien heiß die Sonne flammt,

Süße Frucht mit schnellem Strahle reifend,

Also urgewaltig, schnell ergreifend

Ist ins Herz die Liebe ihr gedrungen,

Weinend ist sie ihm ans Herz gesprungen.

 

Hochzeit jubelt dort im Edelhause,

Offen, mit Gepränge und Gebrause;

Hier im Hüttlein still und schlicht, allein,

Kaum belauscht von einem Dämmerschein,

Welchen durch der Scheiben trübe Blenden

Sterne nach dem Erdenhimmel senden.

Hochzeit feiernd, hat im Haus die Stille

Mit dem Dunkel traulich sich verschwistert,

Nur das Stroh des Lagers, wenn es knistert,

Spielt Musik, und zirpend eine Grille.

Vieles wird mit Worten süß begonnen

Und vollendet in des Kusses Wonnen.

Und vorüber braust an Wort und Kuß

Draußen durch die Nacht der wilde Fluß.

Nur zuweilen ruhn und horchen beide

Nach der Marosch ungestümen Wellen,

Wie einst von der Paradiesesweide

Aufgelauscht das Wild den Tigrisquellen.

4.

 

Niemand kann verlernen Harrens Schmerzen

Einem sehnsuchtsvollen Frauenherzen

Je vergelten, niemand ihr vergüten,

Was in solchen unermeßnen Stunden

Still der Wurm genagt von ihren Blüten,

Der auch nicht, um den sie es empfunden.

Wenn er dann auch stürzt zu ihren Füßen,

Wenn er unter Tränen, tausend Küssen

Leiden und versäumtes Glück beklagt;

Schmerz hat weh getan, der Wurm genagt.

Aber mancher kehret nie mehr wieder,

Drückt er auch ein Herz zum Grabe nieder.

 

Mira! herrliches Zigeunerkind!

Schnell hast du geliebt und welkst geschwind.

Er verriet, verließ dich feigen Mutes,

Weil die Liebe, die sein Herz verschönt,

Ward in einer Schilderei verhöhnt

Von den Adeligen seines Blutes.

Eines Morgens kam in goldnem Rahmen

Ihm ein Bild, und das entreißt dir ihn,

Weils dich schmäht; auch hat er schon dahin

Schnellgesprochner Liebe süßes Amen.

 

Stattlich zeigt das Bild auf breitem Raum

Seinen altberühmten Wappenbaum,

Wie der Stamm sich spreitet, herrlich ragend,

Ruhm und Glanz auf jedem Zweige tragend.

Neben solchem Baume, hehr und stolz,

Steht ein schlechtes, dürres Galgenholz,

Galgen hinter Galgen ist zu schauen,

Nach des Bildes Tiefe immer kleiner,

Gleichsam schindend in der Vorzeit Grauen,

Und an jedem hangend ein Zigeuner;

Und zerstreut im grausen dürren Walde

Sind viel schwarze Raben als Heralde;

Andre, auf dem Stammbaum, breit sich setzend,

An den Wappen sich den Schnabel wetzend.

5.

 

Mira wird mit jedem Tage blasser,

In den tiefsten Wald, auf Wildesbahnen

Flieht sie, wenn der Marosch laute Wasser

Sie zu schmerzlich jener Nacht gemahnen.

 

Mischka klagt, doch fern, daß er verdamme

Seines Kindes unglückselge Triebe,

Weil bei ihm und seinem wilden Stamme

Frei und heilig gilt des Menschen Liebe.

 

Weinend sinkt sie oft am stillen Teiche

Vor den Göttern hin um Trost und Hilfe;

Und so fand man sie, das starre, bleiche

Antlitz eingedrückt dem grünen Schilfe.

Und der Jüngling, der ein Herz gebrochen,

Läßt ein andres schon an seinem pochen.

 

Mischka stiehlt sich in den Stall des Grafen

Mitternachts – die müden Knechte schlafen –,

Leise tastend schleicht der Pferdekenner,

Prüfend Mähn und Schweif, von Roß zu Roß,

Bis sein Griff erkennt den schnellsten Renner,

Drauf der Graf jüngst durch die Heide schoß;

Und er schneidet sacht mit scharfer Schere

Haare aus dem Schweif der edlen Mähre,

Zu behaaren seinen Fiedelbogen,

Denn es kommt die Hochzeit angezogen;

Mischka hat, bevor ers Freie sucht,

Still des Rosses Hufe noch verflucht.

6.

 

Wieder soll zu einem Hochzeitreigen

Der Zigeuner frische Tänze geigen;

Zimbal, klinge hell vom Hammerschlage!

Klarinette, schmettre ins Gelage!

 

Im Husarenwams, vielfach geflickt,

Mit verblichnem Golde reich gestickt

Und geziert mit mottenhaftem Brame,

Nähert Mischka sich dem Bräutigame.

Und er spricht mit bückendem Verneigen:

»Möcht es Eurer Herrlichkeit gefallen,

Eh die frischen Tänze hier erschallen,

Mich zu hören erst ein Solo geigen.

Damit möcht ich Eure Gunst erwerben;

Habs zu Eurem Ehrentag erfunden,

Schön ists, Herr, so herzlich tief empfunden,

Daß vor Lust der Hörer möchte sterben.«

 

»Sei gewährt der Bitte«, spricht der Graf,

Den das Auge des Zigeuners traf,

Hell, wie eines Seelendolches Blinken,

»Spiele, sollst dafür Tokayer trinken!« –

 

Stille wird der Saal, wie Miras Gruft;

Alles hat um Mischka sich geschart,

Und er läßt den Bogen, frisch behaart,

Wie versuchend, sausen durch die Luft.

Plötzlich streicht er durch die Saiten alle

Und durch alle Herzen, schnell bemeistert;

Seine Geige in der Freudenhalle

Hat zur Rachegöttin sich begeistert.

Frevler! horch! in diesem süßen Liede

Säuselt und verweht der Unschuld Friede; –

Hörst du, wie der Blitz der Liebe zündet?

Wie ihr ganzes Herz in deines mündet? –

Jener Brautnacht unermeßne Wonnen,

Wie sie in ein Meer von Schmerz zerronnen? –

Stürmen hörst du der Verlaßnen Klagen;

Hörst den Wurm an ihrer Blüte nagen; –

Horch, wie sie, zum Tod schon auf der Flucht,

Weinend dich durch alle Wälder sucht;

Wie sie alle Götter ruft um Hilfe,

Bis sie tot zusammenbricht im Schilfe.