Man wies mich eine breite gewundene Mosaiktreppe hinauf und in ein Gemach, dessen unvergleichliche Pracht wie ein Meer von Glanz durch die geöffnete Tür herausströmte und mich blendete und schwindlig machte.
Ich wusste, dass mein Bekannter wohlhabend war. Man hatte von seinen Reichtümern in Ausdrücken gesprochen, die ich als lächerliche Übertreibungen zurückgewiesen hatte. Als ich aber um mich blickte, schien es mir ganz unmöglich, dass die Schätze irgendeines Menschen in Europa hingereicht haben könnten, um diese fürstliche Pracht zu entfalten, die ringsumher glühte und flammte.
Obwohl, wie ich sagte, die Sonne schon aufgegangen, war das Gemach noch strahlend beleuchtet. Aus diesem Umstand sowie aus einem Zug von Abspannung im Antlitz meines Freundes schloss ich, dass er während der ganzen Nacht nicht zur Ruhe gegangen war. In der Architektur wie in der Ausschmückung des Raumes waltete die offenbare Absicht, zu blenden und zu verblüffen. In der Einrichtung war weder eine Harmonie noch irgendein nationaler Charakter zu finden. Das Auge wanderte von Gegenstand zu Gegenstand und blieb nirgends haften – weder auf den Grotesken griechischer Maler noch den Skulpturen aus Italiens größten Tagen noch den rohen Schnitzereien des unkultivierten Ägypten. Überall im Zimmer hingen kostbare Draperien und zitterten unter dem Hauch einer leisen, schwermütigen Musik, von der man nicht wusste, woher sie kam. Mannigfache und unvereinbare Düfte, die aus seltsam geformten Räucherbecken zugleich mit zahllosen leckenden, flackernden Zungen grünlichen und violetten Lichtes aufstiegen, legten sich schwer auf die Sinne. Die Strahlen der Morgensonne strömten herein auf das Ganze – herein durch Fenster, deren jedes einzelne aus einer einzigen Scheibe karminroten Glases bestand. In tausend Reflexen sich spiegelnd tanzten diese natürlichen Strahlen über die schweren Draperien, die wie Katarakte flüssigen Silbers aus ihren Nischen quollen, mischten sich schließlich mit dem künstlichen Licht und wogten in gedämpften Massen über einen Teppich, der aussah wie flüssiges Gold.
»Ha ha ha – ha ha ha!«, lachte der Herr des Hauses, als er mich zu einem Sitz geleitete und sich dann der Länge nach auf ein Ruhebett warf. »Ich sehe«, sagte er, da er bemerkte, dass ich in diesen eigenartigen Empfang mich nicht recht zu finden vermochte, »ich sehe, Sie sind verwundert über meine Wohnung, meine Statuen, meine Bilder – meinen sonderbaren Geschmack in Einrichtung und Ausschmückung! Vollkommen berauscht von meiner Prachtentfaltung, wie? Doch verzeihen Sie, mein lieber Freund (hier wurde seine Stimme die Herzlichkeit selbst), verzeihen Sie mir mein ungezogenes Lachen. Sie sehen so furchtbar erstaunt aus! Übrigens sind manche Dinge wirklich so spaßhaft, dass man lachen muss – oder sterben. Lachend zu sterben muss der herrlichste aller herrlichen Tode sein! Sir Thomas More – welch ein feiner Geist war Sir Thomas More – Sir Thomas More starb lachend, wie Sie wissen. Und in den ›Absurditäten‹ des Ravisius Textor findet sich eine lange Liste von Leuten, die ein solches köstliches Ende nahmen. – Wissen Sie übrigens«, fuhr er nachdenklich fort, »dass in Sparta, dem jetzigen Palaeochori, in Sparta, sage ich, im Westen der Zitadelle inmitten eines Chaos kaum erkennbarer Ruinen eine Art Sockel steht, auf dem noch die Lettern ΛΑΞΜ lesbar sind. Zweifellos sind sie ein Teil des Wortes ΓΕΛΑΞΜΑ. Nun gibt es in Sparta wohl tausend Tempel und Altäre für tausend verschiedene Gottheiten. Wie äußerst seltsam, dass der Altar des Lachens alle anderen überdauert hat! Doch gegenwärtig«, sprach er in ganz anderem Tonfall weiter, »habe ich kein Recht, mich auf Ihre Kosten lustig zu machen. Sie konnten allerdings verblüfft sein. Europa kann nicht zum zweiten Mal so Herrliches hervorbringen wie dies mein königliches Gemach. Meine anderen Räume sind keineswegs gleichartig, entsprechen durchaus der modernen Abgeschmacktheit. Dies hier ist besser als das Moderne – nicht wahr? Dennoch würde sich so leicht kein zweiter Mensch von Vermögen finden, der es liebte und verstände, mir es nachzumachen. Ich hüte aber auch den Raum vor jeder Profanierung. Mit einer einzigen Ausnahme sind Sie, abgesehen von mir und meinem Kammerdiener, das einzige menschliche Wesen, das ihn betreten hat, seitdem er so geschmückt ist, wie Sie ihn sehen.«
Ich verneigte mich dankend, denn der überwältigende Eindruck von Pracht und Duft und Musik, zusammen mit der eigenartigen Begrüßung, benahm mir die Worte für eine Empfindung, die ich vielleicht zu einem Kompliment hätte formen können.
»Hier«, begann er wieder, indem er aufsprang, mich beim Arm nahm und mit mir die Runde durchs Zimmer machte, »hier sind Gemälde von den Griechen bis zu Cimabue, von Cimabue bis zur Gegenwart. Gar manche sind, wie Sie sehen, ohne Rücksicht auf herrschende Sittenbegriffe ausgewählt. Sie geben jedoch alle den passenden Hintergrund für ein Zimmer wie dieses. Hier sind auch Meisterwerke unbekannter Größen und hier unfertige Entwürfe von Leuten, die zu ihrer Zeit berühmt gewesen, Entwürfe, die der Scharfblick der Akademien der Vergessenheit und mir anheimfallen ließ. Was halten Sie«, fragte er und wandte sich ganz plötzlich einem Bild zu, »was halten Sie von dieser Madonna della Pietà?«
»Sie ist ein echter Guido«, sagte ich mit all der Begeisterung, deren ich fähig bin, denn ich hatte ihre unvergleichliche Lieblichkeit beseligt in mich aufgenommen. »Sie ist ein echter Guido! – Wie konnten Sie nur dazu kommen? Sie ist unbedingt das in der Malerei, was die Venus in der Skulptur ist.«
»Oh«, sagte er gedankenvoll, »die Venus – die schöne Venus? – Die Venus von Medici? – Die mit dem kleinen Kopf und dem goldenen Haar? Ein Teil des linken Arms (hier ließ er die Stimme sinken, so dass man ihn kaum verstand) und der ganze rechte sind spätere Ersatzstücke; und in der Koketterie jenes rechten Arms liegt, finde ich, die Quintessenz aller Ziererei.
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