Griechische Schönheit und ägyptische Ungeheuerlichkeit bildeten ein französisches tout ensemble. Die Statue der vierten Ecke war verschleiert; sie war nicht so riesenhaft. Aber ein schmaler Fußknöchel, ein sandalenbeschuhter Fuß waren sichtbar. De l’Omelette presste die Hand aufs Herz, schloss die Augen, schlug sie wieder auf und ertappte Seine satanische Majestät auf – Erröten.

Aber die Gemälde! – Kypris! Astarte! Astoreth! – tausende und immer dieselben! Und Raffael hatte sie gesehen! Ja, Raffael war hier gewesen; denn malte er nicht die – – –? Und gehörte er nicht infolgedessen den Verdammten an? Die Gemälde! Die Gemälde! O Wollust! O Liebe! Wer kann beim Anblick dieser verbotenen Schönheiten noch Augen haben für die zarten Entwürfe der Goldrahmen, die wie Sterne von den Mauern aus Hyazinth und Porphyr leuchten?

Aber dem Duc sinkt doch das Herz. Nicht, wie man vermuten möchte, schwindlig gemacht durch die Pracht, noch auch trunken durch den sinnverwirrenden Hauch all der unzähligen Weihrauchgefäße. Il est vrai qu’à toutes ces choses il a pensé beaucoup – mais! Der Duc de l’Omelette ist ganz von Schrecken ergriffen; denn der Durchblick durch das düstere, unverhängte, einzige Fenster zeigt ihm das Funkeln eines grässlichen Feuers!

Le pauvre Duc! Er konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass die herrlichen, lockenden, nie verklingenden Melodien, die die Halle durchströmten, die Klagen und das Geheul der Verzweifelten und Verdammten seien, aber geläutert und verändert durch die Zauberkraft der verwunschenen Fensterscheiben! Und dort! – auf der Ottomane! – wer mochte der wohl sein – der petit-maître – nein, der Göttliche, der da sitzt wie aus Marmor gemeißelt, mit bleichem Antlitz, et qui sourit si amèrement?

Mais il faut agir – das heißt, ein Franzose gibt eine Sache nie ganz verloren. Außerdem hassen Seine Gnaden Szenen. De l’Omelette ist wieder er selbst. Auf einem Tisch lagen unter anderen Waffen einige Rapiere. Der Duc wusste sie zu führen; il avait tué ses six hommes. Nun denn, il peut s’échapper. Er prüft zwei der Waffen und bietet sie mit unnachahmlicher Grazie Seiner Majestät zur Wahl. Horreur! Seine Majestät ist kein Fechter.

Mais il joue! Welches Glück! Seine Gnaden hatten immer ein glänzendes Gedächtnis. Er hat einmal im »Diable« des Abbé Gualtier geblättert und dort gefunden, »que le Diablo n’ose pas refuser un jeu d’écarté.«

Aber die Chancen – die Chancen! Wahrlich verzweifelt; aber kaum weniger verzweifelt als der Duc. Doch kennt er nicht die Schliche und Kniffe? Ist er nicht mit Pierre le Brun fertig geworden? War er nicht Mitglied des Klubs Vingt-et-un? »Si je perds«, denkt er, »je serai deux fois perdu – dann habe ich eben voilà tout! doppelt verspielt –« (Hier zucken Seine Gnaden die Achseln.) »Si je gagne, je reviendrai à mes ortolans – que les cartes soient préparées!«

Seine Gnaden waren ganz Aufmerksamkeit; Seine Majestät war lässig. Ein Zuschauer würde an Karl und Franz gedacht haben. Seine Gnaden dachten ans Spiel, Seine Majestät dachte an nichts und mischte. Der Duc hob ab.

Die Karten werden ausgeteilt. Der Trumpf wird aufgelegt – es ist – es ist – der König? Nein – es ist die Dame. Seine Majestät fluchte über deren männliche Kleidung.

De l’Omelette legte die Hand aufs Herz.

Sie spielen. Der Duc zählt. Das Spiel ist zu Ende. Seine Majestät zählt aufmerksam, lächelt und trinkt. Der Duc lässt eine Karte verschwinden.

»C’est à vous à faire«, sagt Seine Majestät und hebt ab. Seine Gnaden verbeugen sich, geben und erheben sich en présentant le Roi.

Seine Majestät sieht verdrießlich aus.

Wäre Alexander nicht Alexander gewesen, so hätte er Diogenes sein mögen; der Duc versicherte beim Abschiednehmen seinem Partner, »que s’il n’eut été De l’Omelette, il n’aurait point d’objection d’être le Diable.«

* Montfleury. Der Autor des Parnasse Réformé lässt ihn im Hades folgendermaßen sprechen: »L’homme donc qui voudrait savoir ce dont je suis mort, qu’il ne demande pas si ce fut de fièvre ou de podagre ou d’autre chose, mais qu’il entende que ce fut de l’Andromaque.«

Eine Geschichte aus Jerusalem

Intonsos rigidam in frontem descendere canos passus erat.

LUCAN, PHARSALIA, II, 375/6

… eine borstige Last – –

ÜBERSETZUNG

»Lasst uns zu den Wällen eilen«, sagte Abel-Phittim zu Bazi-Ben-Levi und Simeon dem Pharisäer, am zehnten Tag des Monats Thamuz dreitausendneunhundertundeinundvierzig, »lasst uns zu den Wällen am Tor des Benjamin in der Stadt Davids eilen, das auf das Lager der Unbeschnittenen niederblickt; denn es ist Sonnenaufgang und die letzte Stunde der vierten Wache, und die Götzendiener sollten uns, dem Versprechen des Pompejus gemäß, mit den Opferlämmern erwarten.«

Simeon, Abel-Phittim und Bazi-Ben-Levi waren die Gizbarim oder Unterempfänger der Opfergaben in der heiligen Stadt Jerusalem.

»Wahrlich, lasst uns eilen«, erwiderte der Pharisäer; »denn diese Großmut der Heiden ist ungewöhnlich, und Wankelmütigkeit ist den Vaalanbetern eigentümlich.«

»Dass sie wankelmütig und hinterlistig sind, das ist so wahr wie der Pentateuch«, sagte Bazi-Ben-Levi; »aber nur gegen das Volk des Adonai. Wann hätte es sich je gezeigt, dass die Ammoniter gegen ihre eigenen Interessen gehandelt hätten? Ich meine, es sei kein besonderes Zeichen von Großmut, uns für den Altar des Herrn Lämmer zuzugestehen, wenn sie statt dessen für den Kopf dreißig Silberschekel erhalten!«

»Du vergisst jedoch, Ben-Levi«, entgegnete Abel-Phittim, »dass der Römer Pompejus, der jetzt die Stadt des Allerhöchsten gottlos belagert, keine Gewissheit hat, ob wir nicht die derart für den Altar erworbenen Lämmer mehr zur Pflege des Leibes denn des Geistes verwenden.«

»Nun, bei den fünf Ecken meines Bartes«, rief der Pharisäer, der zu der Sekte gehörte, die man »die Werfer« nannte (jene kleine Gruppe von Heiligen, deren Art, die Füße aufs Pflaster zu werfen und daran zu zerfetzen, für die weniger eifrigen Gläubigen lange ein Stachel und ein Vorwurf war – ein Stein des Anstoßes für weniger begabte Erdenpilger), »bei den fünf Ecken des Bartes, den zu scheren mir als Priester verboten ist –, müssen wir den Tag erleben, da ein gotteslästerlicher und götzendienerischer römischer Emporkömmling uns beschuldigen soll, die heiligsten und geweihtesten Dinge fleischlichen Gelüsten zuzuführen? Müssen wir den Tag erleben, da –«

»Wozu uns um die Gründe des Philisters kümmern«, fiel Abel-Phittim ein, »denn heute ziehen wir zum ersten Mal Vorteil aus seinem Geiz oder seiner Großmut; lasst uns lieber zu den Wällen eilen, sonst könnte es an Opfergaben für den Altar fehlen, dessen Flammen die Wasser des Himmels nicht auslöschen und dessen Rauchsäulen kein Sturm zur Seite beugen kann.«

Der Stadtteil, dem unsere würdigen Gizbarim nun zueilten und der den Namen seines Erbauers, des Königs David, führte, galt als der befestigtste Bezirk Jerusalems, da er auf dem steilen und hohen Berg Zion gelegen war. Hier wurde ein breiter, tiefer und in den festen Stein gehauener Wallgraben von einer auf seinem inneren Rand errichteten sehr starken Mauer verteidigt. Diese Mauer war in regelmäßigen Zwischenräumen mit Türmen aus weißem Marmor geziert, deren niedrigster sechzig und deren höchster hundertundzwanzig Ellen hoch war. In der Nähe des Tores Benjamin aber erhob sich die Mauer keineswegs auf dem Grabenrand.