Denn zum Unglück war unter den Anwesenden keine, die dem schmeichelhaften Gleichnis Ehre gemacht hätte; wiewohl sie nicht ermangelten sich aufzublähen so gut sie konnten.)
– und diese reizenden Haine, fuhr er fort, vom lieblichen Gesang unzähliger Arten von Vögeln belebt, und mit tausend bunten Papageien erfüllt, deren Farben im Sonnenglanz die Augen blenden. Welch ein Land! Ich begriff nicht, warum die Göttin der Liebe Cythere zu ihrem Wohnsitz erwählt hätte, da ein Land wie dieses in der Welt war. Wo hätten die Grazien angenehmer tanzen können, als am Rande von Bächen und Quellen, wo, zwischen kurzem dichtem Gras vom lebhaftesten Grün, Lilien und Hyacinthen, und zehen Tausenden noch schönern Blumen, die in unsrer Sprache ohne Namen sind, freiwillig hervorblühn, und die Luft mit wollüstigen Wohlgerüchen erfüllen?
Die schönen Abderitinnen hatten, wie leicht zu erachten, die Einbildungskraft nicht weniger lebhaft als die Abderiten; und das Gemälde, das ihnen Demokritus, ohne dabei an Arges zu denken, vorstellte, war mehr, als ihre kleinen Seelchen aushalten konnten. Einige seufzten laut vor Behäglichkeit; andere sahen aus, als ob sie die wollüstigen Gerüche, die in ihrer Phantasie düfteten, mit Mund und Nase einschlürfen wollten; die schöne Juno sank mit dem Kopf auf ein Polster des Kanapees zurück, schloß ihre großen Augen halb, und befand sich unvermerkt am blumichten Rand einer dieser schönen Quellen, von Rosen und Zitronenbäumen umschattet, aus deren Zweigen Wolken von ambrosischen Düften auf sie herab wallten. In einer sanften Betäubung von süßen Empfindungen begann sie eben einzuschlummern: als sie einen Jüngling, schön wie Bacchus und dringend wie Amor, zu ihren Füßen liegen sah. Sie richtete sich auf, ihn desto besser betrachten zu können, und sah ihm so schön, so zärtlich, daß die Worte, womit sie seine Verwegenheit bestrafen wollte, auf ihren Lippen erstarben. Kaum hatte sie –
Und wie meinen Sie (fuhr Demokritus fort) nennt sich dies zauberische Land, von dessen Schönheiten alles, was ich davon sagen könnte, Ihnen kaum den Schatten eines Begriffs geben würde? Es ist eben dieses Aethiopien, welches mein gelehrter Freund hier mit Ungeheuern von Menschen bevölkert, die eines so schönen Vaterlandes ganz unwürdig sind. Aber eine Sache, die er mir für wahr nachsagen kann, ist: daß es im ganzen Aethiopien und Libyen, wiewohl diese Namen eine Menge verschiedener Völker umfassen, keinen Menschen gibt, der seine Nase nicht eben da trüge wo wir, nicht eben so viel Augen und Ohren hätte als wir, und kurz –
Ein großer Seufzer von derjenigen Art, wodurch sich ein von Schmerz oder Vergnügen gepreßtes Herz Luft zu machen sucht, hob in diesem Augenblicke den Busen der schönen Abderitin, welche, während daß Demokritus in seiner Rede fortfuhr, in dem Traumgesichte, worin wir sie zu belauschen Bedenken trugen, (wie es scheint,) auf einen Umstand gekommen war, an welchem ihr Herz auf die eine oder andre Art sehr lebhaft Anteil nahm. Da die übrigen Anwesenden nicht wissen konnten, daß die gute Dame einige hundert Meilen weit von Abdera unter einem äthiopischen Rosenbaum, in einem Meer der süßesten Wohlgerüche schwamm, tausend neue Vögel das Glück der Liebe singen hörte, tausend bunte Papageien vor ihren Augen herum flattern sah, und, zum Überfluß, einen Jüngling mit gelben Locken und Korallenlippen zu ihren Füßen liegen hatte, – so war es natürlich, daß man den besagten Seufzer mit einem allgemeinen Erstaunen empfing. Man begriff nichts davon, daß die letzten Worte Demokrits die Ursache einer solchen Wirkung gewesen sein könnten. Was fehlt Ihnen, Lysandra? riefen die Abderitinnen aus Einem Munde, indem sie sich sehr besorgt um sie stellten. Die schöne Lysandra, die in diesem Augenblicke wieder gewahr wurde, wo sie war, errötete, und versicherte, daß es nichts sei. Demokritus, der nun zu merken anfing was es war, stund ihnen gut dafür, daß ein paar Züge frische Luft alles wieder gut machen würden; aber in seinem Herzen beschloß er, künftig seine Gemälde nur mit Einer Farbe zu malen, wie die Maler in Thracien. Gerechte Götter! dacht er, was für eine Einbildungskraft diese Abderitinnen haben!
Nun meine schönen Neugierigen, fuhr Demokritus fort, was meinen Sie, von welcher Farbe die Einwohner eines so schönen Landes sind?
»Von welcher Farbe? – Warum sollten sie eine andre Farbe haben als die übrigen Menschen? Sagten Sie uns nicht, daß sie die Nase mitten im Gesichte trügen, und in allem Menschen wären wie wir Griechen?«
Menschen, ohne Zweifel; aber sollten sie darum weniger Menschen sein, wenn sie schwarz oder olivenfarb wären?
»Was meinen Sie damit?«
Ich meine, daß die schönsten unter den äthiopischen Nationen (nämlich diejenigen, die nach unserm Maßstabe die schönsten, das ist, uns die ähnlichsten sind,) durchaus olivenfarb wie die Aegyptier, und diejenigen, welche tiefer im festen Lande und in den mittäglichsten Gegenden wohnen, vom Kopf bis zur Fußsohle so schwarz und noch ein wenig schwärzer sind als die Raben zu Abdera.
»Was Sie sagen! – Und erschrecken die Leute nicht vor einander, wenn sie sich ansehen?«
Erschrecken: Warum dies? Sie gefallen sich sehr mit ihrer Rabenschwärze, und finden, daß nichts schöner sein kann.
»O das ist lustig! – riefen die Abderitinnen! – Schwarz am ganzen Leibe, als ob sie mit Pech überzogen wären, sich von Schönheit träumen zu lassen! Was das für ein dummes Volk sein muß! Haben sie denn keine Maler, die ihnen den Apollo, den Bacchus, die Göttin der Liebe, und die Grazien malen könnten? Oder könnten sie nicht schon vom Homer lernen daß Juno weiße Arme, Thetis Silberfüße, und Aurora Rosenfinger hat?«
Ach, erwiderte Demokritus, die guten Leute haben keinen Homer; oder wenn sie einen haben, so dürfen wir uns darauf verlassen, daß seine Juno kohlschwarze Arme hat. Von Malern habe ich in Aethiopien nichts gehört. Aber ich sah ein Mädchen, dessen Schönheit unter seinen Landesleuten beinahe eben so viel Unheil anrichtete, als die Tochter der Leda unter den Griechen und Trojanern; und diese africanische Helena war schwärzer als Ebenholz.
»O beschreiben Sie uns doch dies Ungeheuer von Schönheit« – riefen die Abderitinnen, die, aus dem natürlichsten Grunde von der Welt, an dieser Unterredung unendlich viel Vergnügen fanden.
Sie werden Mühe haben sich einen Begriff davon zu machen. Stellen Sie sich das völlige Gegenteil des griechischen Ideals der Schönheit vor: die Größe einer Grazie, und die Dicke einer Ceres; schwarze Haare, aber nicht in langen wallenden Locken um die Schultern fließend, sondern kurz und von Natur kraus wie Schafwolle. Die Stirne breit und stark gewölbt; die Nase kurz aufgestülpt, und in der Mitte des Knorpels flach gedrückt; die Wangen rund wie die Backen eines Trompeters, der Mund groß – (Philinna lächelte, um zu zeigen, wie klein der ihrige sei.)
Die Lippen sehr dick und aufgeworfen, und zwo Reihen von Zähnen wie Perlenschnuren –
(Die Schönen lachten insgesamt, wiewohl sie keine andre Ursache dazu haben konnten, als ihre eignen Zähne zu weisen: denn was war sonst hier zu lachen?)
»Aber ihre Augen?« fragte Lysandra. –
O was die betrifft, die waren so klein und so wasserfarbig, daß ich lange nicht von mir erhalten konnte, sie schön zu finden – »Demokritus ist für Homers Kuhaugen, wie es scheint«, sagte Myris, indem sie einen höhnischen Seitenblick auf die Schöne mit den großen Augen warf.
In der Tat, (versetzte Demokritus, mit einer Miene, woraus ein Tauber geschlossen hätte, daß er ihr die größte Schmeichelei sage,) schöne Augen müßten sehr groß sein, wenn ich sie zu groß finden sollte; und häßliche können, deucht mich, nie zu klein sein.
Die schöne Lysandra warf einen triumphierenden Blick auf ihre Schwestern, und schüttete dann eine ganze Glorie von Zufriedenheit aus ihren großen Augen auf den glücklichen Demokrit herab.
»Darf man wissen, was Sie unter schönen Augen verstehen?« fragte die kleine Myris, indem sich ihre Nase merklich spitzte.
Ein Blick der schönen Lysandra schien ihm zu sagen: Sie werden nicht verlegen sein, die Antwort auf diese Frage zu finden.
Ich verstehe darunter Augen, in denen sich eine schöne Seele malt, sagte Demokritus.
Lysandra sah albern aus, wie eine Person, der man etwas unerwartetes gesagt hat, und die keine Antwort darauf finden kann. Eine schöne Seele! – dachten die Abderitinnen alle zugleich – Was für wunderliche Dinge der Mann aus fernen Landen mitgebracht hat! Eine schöne Seele! Dies ist noch über seine Affen und Papageien!
»Aber mit allen diesen Subtilitäten, sagte der dicke Ratsherr, kommen wir von der Hauptsache ab. Mir deucht, die Rede war von der schönen Helena aus Aethiopien, und ich möchte doch wohl hören, was die ehrlichen Leute so schönes an ihr finden konnten?«
Alles, antwortete Demokritus.
»So müssen sie gar keinen Begriff von Schönheit haben«, sagte der Gelehrte.
Um Vergebung, erwiderte der Erzähler; weil diese äthiopische Helena der Gegenstand aller Wünsche war, so läßt sich sicher schließen, daß sie der Idee von Schönheit glich, die Jeder in seiner Einbildung fand.
»Sie sind aus der Schule des Parmenides?« sagte der Gelehrte, indem er sich in eine streitbare Positur setzte16.
Ich bin nichts – als ich selbst, welches sehr wenig ist; erwiderte Demokritus halb erschrocken. Wenn Sie dem Wort Idee gram sind, so erlauben Sie mir, mich anders auszudrücken. Die schöne Gulleru – so nannte man die Schwarze, von der wir reden –
Gulleru? riefen die Abderitinnen, indem sie in ein Gelächter ausbrachen, das kein Ende nehmen wollte; Gulleru! welch ein Name! – Und wie ging es mit Ihrer schönen Gulleru? fragte die spitznasige Myris mit einem Blick und in einem Tone, der noch dreimal spitziger als ihre Nase war.
Wenn Sie mir jemals die Ehre erweisen, mich zu besuchen, antwortete der Philosoph mit der ungezwungensten Höflichkeit, so sollen Sie erfahren, wie es mit der schönen Gulleru gegangen ist. Itzt muß ich diesem Herrn mein Versprechen halten. Die Gestalt der schönen Gulleru also –
(Der schönen Gulleru, wiederholten die Abderitinnen und lachten von neuem; aber ohne daß Demokritus sich diesmal unterbrechen ließ.)
– flößte zu ihrem Unglück den Jünglingen ihres Landes die stärkste Leidenschaft ein. Dies scheint zu beweisen, daß man sie schön gefunden habe; und ohne Zweifel lag der Grund, weswegen man sie schön fand, in allem dem, warum man sie nicht für häßlich hielt. Diese Aethiopier fanden also einen Unterschied zwischen dem was ihnen schön und was ihnen nicht schön vorkam; und wenn zehn verschiedene Aethiopier in ihrem Urteil von dieser Helena übereinstimmten, so kam es vermutlich daher, weil sie einerlei Begriff von Schönheit und Häßlichkeit hatten.
»Dies folgt nicht; (sagte der abderitische Gelehrte;) konnte nicht unter zehn jeder etwas anderes an ihr liebenswürdig finden?«
Der Fall ist nicht unmöglich; aber er beweist nichts gegen mich. Gesetzt, der eine hätte ihre kleinen Augen, ein anderer ihre schwellenden Lippen, ein dritter ihre großen Ohren bewundernswürdig würdig gefunden: so setzt auch dies immer eine Vergleichung zwischen ihr und andern äthiopischen Schönen voraus. Die übrigen hatten Augen, Ohren und Lippen, so wohl wie Gulleru. Wenn man also die ihrigen schöner fand, so mußte man ein gewisses Modell der Schönheit haben, mit welchem man z.
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