Ein Frauenzimmer findet allezeit ein Vergnügen darin, Begierden einzuflößen, auch wann sie nicht im Sinn hat, sie zu vergnügen. Die Spröden selbst sind von dieser Schwachheit nicht ausgenommen. Wozu haben wir nötig, daß uns ein Liebhaber sagt, daß wir reizend sind? Wir wollen es aus den Würkungen sehen, die wir auf ihn machen. Je weiser er ist, desto schmeichelnder ist es für unsre Eitelkeit, wenn wir ihn aus seiner Fassung setzen können. Nein, du begreifst nicht, wie sehr das Vergnügen, das uns der Anblick aller der Torheiten macht, wozu wir diese Herren der Schöpfung bringen können, alle andre übertrifft, die sie uns zu machen fähig sind. Ein Philosoph, der zu meinen Füßen wie eine Turteldaube girret, der mir zu Gefallen seine Haare und seinen Bart kräuseln läßt, der so wohl riecht wie ein Arabischer Salbenhändler, der mir den Hof zu machen, mit meinem Schoßhund schwatzt und Oden auf meinen Sperling macht – ah! Hippias, man muß ein Frauenzimmer sein, um zu begreifen, was das für ein Vergnügen ist!« – Ich bedaure dich; erwiderte der schalkhafte Sophist, daß du diesem Vergnügen bei dem Liebhaber, von dem ich rede, entsagen mußt. Er hat seine Proben schon gemacht. Er ist zärtlich wie ein junger Seufzer, aber, wie gesagt, er ist es nur für die Seele der Schönen; alles übrige macht keinen größern Eindruck auf ihn, als ein Gemälde, oder eine Bildsäule. »Das wollen wir sehen, versetzte Danae; ich verlange schlechterdings, daß du ihn diesen Abend zu mir bringest; du wirst nur eine kleine Gesellschaft finden, die uns nicht hindern soll. Aber wer ist denn dieser Ungenannte, von dem wir schon so lange schwatzen?« Es ist ein Sclave, den ich vor etlichen Wochen von einem Cilicier gekauft habe, aber ein Sclave, wie man sonst nirgends sieht. Er ist zu Delphi im Tempel des Apollo erzogen worden, und, so viel ich vermute, wird er sein Dasein der antiplatonischen Liebe dieses Gottes zu irgend einer artigen Schäferin zu danken haben, die sich zu weit in seinen Lorbeerhain gewagt haben mag. Er ist hernach eine geraume Zeit zu Athen gewesen, und die schönen Reden des Plato haben die romanhafte Erziehung vollendet, die er in den geheiligten Hainen zu Delphi erhalten. Er geriet durch einen Zufall in die Hände Cilicischer Seeräuber, und aus diesen in die meinige. Er nannte sich Pythokles; aber weil ich diese Art von Namen nicht leiden kann, so hieß ich ihn Callias, und er verdient so zu heißen, denn er ist der schönste Mensch, den ich jemals gesehen habe. Seine übrigen Gaben bestätigen die gute Meinung, die sein Anblick von ihm erweckt. Er hat Verstand, Geschmack, und Wissenschaft; er ist ein Liebhaber und ein Günstling der Musen; aber mit allen diesen Vorzügen ist er doch nichts weiter als ein wunderlicher Kopf, ein Schwärmer und ein unbrauchbarer Mensch. Er nennt seinen Eigensinn Tugend, weil er sich einbildet, die Tugend müsse die Antipode der Natur sein; er hält die Ausschweifungen seiner Phantasie für Vernunft, weil er sie in einen gewissen Zusammenhang gebracht hat; und sich selbst für weise, weil er auf eine methodische Art raset. Er gefiel mir beim ersten Anblick, ich faßte den Entschluß, etwas aus diesem jungen Menschen zu machen; aber alle meine Mühe war umsonst; und wenn es möglich ist, daß er durch jemand zu recht gebracht werden kann, so muß es durch ein Frauenzimmer geschehen; denn ich glaube bemerkt zu haben, daß man nur durch sein Herz in seinen Kopf kommen kann. Die Unternehmung wäre deiner würdig, schöne Danae, und wenn sie dir nicht gelingt, so ist er unverbesserlich, und verdient nichts, als daß man ihn seiner Torheit und seinem Schicksal überlasse.
Du hast meinen ganzen Ehrgeiz rege gemacht, Hippias, versetzte die schöne Danae; bringe ihn diesen Abend mit; ich will ihn sehen, und wenn er aus eben denselben Elementen zusammengesetzt ist, wie andre Erder eine Probe machen, ob Danae ihrer Lehrmeisterin würdig ist.
Hippias war sehr erfreut, den Zweck seines Besuchs so glücklich erreicht zu haben, und versprach beim Abschied, zur bestimmten Zeit diesen wunderbaren Jüngling aufzuführen, an welchem die schöne Danae so begierig war, die Macht ihrer Reizungen zu versuchen.
Drittes Capitel
Geschichte der schönen Danae
Die Dame, mit welcher unsre Leser im vorigen Capitel Bekanntschaft gemacht, hat vermutlich einem guten Teil derselben nicht so übel gefallen, daß sie nicht eine nähere Nachricht von dem Character und der Geschichte derselben erwarten sollten; und wir sind desto geneigter, ihrem Verlangen ein Genüge zu tun, je nötiger der Verfolg unsrer Geschichten zu machen scheint, daß der Leser in den Stand gesetzt werde, der schönen Danae Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Die allgemeine Meinung zu Smyrna war, daß sie eine Tochter der berühmten Aspasia von Milet sei, die, nachdem sie in ihrer Vaterstadt die Kunst der Galanterie, wovon sie Profession machte, durch die Verbindung derselben mit der Philosophie und den Künsten der Musen, zu jenem Grade der Vollkommenheit erhoben hatte, der sie zur wahren Erfinderin derselben zu machen schien, nach Athen gezogen war, wo sie sich ihrer seltnen Vorzüge auf eine so kluge Art zu bedienen gewußt, daß sie sich endlich zur unumschränkten Beherrscherin des großen Perikles, der das ganze Griechenland beherrschte, oder wie die comischen Dichter ihrer Zeit sich ausdrückten, zur Juno dieses atheniensischen Jupiters erhoben hatte. Allein die Vermutungen, worauf sich diese Meinung von der Abkunft der Danae gründete, können nicht für hinlänglich angesehen werden, das Zeugnis verschiedner Geschichtschreiber zu überwägen, welche versichern, daß sie aus der Insel Scios gebürtig gewesen, und nach dem Tod ihrer Eltern, in ihrem vierzehnten Jahr mit einem Bruder nach Athen gekommen, um in dieser Stadt, worin alle angenehmen Talente willkommen waren, durch die ihrigen ihren Unterhalt zu gewinnen. Die Kunst, welche sie hier trieb, war eine Art von pantomimischen Tänzen, wozu gemeiniglich nur eine oder zwo Personen erfordert wurden, und worin die tanzende Person, nach der Modulation einer Flöte oder Leier, gewisse Stücke aus der Götter- und Heldengeschichte der Griechen, durch Gebärden und Bewegungen vorstellte. Allein, da diese Kunst wegen der Menge derer die sie trieben, nicht zureichte sie zu unterhalten, so sahe sich die junge Danae genötiget, den Künstlern zu Athen die Dienste eines Models zu tun; und erhielt dadurch außer dem Nutzen, den sie davon zog, die schmeichelnde Ehre, bald als Diana, bald als Venus auf die Altäre gestellt, die Bewunderung der Kenner und die Anbetung des Pöbels zu erhalten. Bei einer solchen Gelegenheit trug es sich zu, daß sie von dem jungen Alcibiades überraschet, und in der Stellung der Danae des Acrisius, welche sie eben vorstellte, allzureizend befunden wurde, als daß einem geringern als Alcibiades auch nur der Anblick so vieler Schönheiten erlaubt sein sollte. Auf der andern Seite wurde die junge Danae von der Figur, den Manieren, dem Stand und den Reichtümern dieses liebenswürdigen Verführers so sehr eingenommen, daß er keine große Mühe hatte, sie zu bereden sich in seinen Schutz zu begeben. Er brachte sie also in das Haus der Aspasia, welches zu gleicher Zeit eine Academie der schönsten Geister von Athen, und eine Frauenzimmer-Schule war, worin junge Mädchen von den vorzüglichsten Gaben, unter der Aufsicht einer so vollkommnen Meisterin, eine Erziehung erhielten, welche sie zu der Bestimmung geschickt machen sollte, die Großen und die Weisen der Republik in ihren Ruhestunden zu ergötzen. Danae machte sich diese Gelegenheit so wohl zu Nutze, daß sie die Gunst, und endlich selbst die Vertraulichkeit der Aspasia erhielt, welche, weit über die Niederträchtigkeit gemeiner Seelen erhaben, sich mit so vielem Vergnügen in dieser jungen Person wieder hervorgebracht sah, daß sie dadurch zu der Vermutung Anlaß gab, deren wir bereits Erwähnung getan haben. Inzwischen genoß Alcibiades allein der Früchte einer Erziehung, wodurch die natürlichen Gaben seiner jungen Freundin zu einer Vollkommenheit entwickelt wurden, die ihr den Namen der zweiten Aspasia erwarb; und die schöne Danae legte sich selbst die Pflicht auf, eine Treue gegen ihn zu beobachten, die er nicht zu erwidern nötig fand. Da die Liebe zur Veränderung eine stärkere Leidenschaft bei ihm war, als die Liebe die ihm irgend ein Frauenzimmer einflößen konnte, so mußte auch Danae, nachdem sie sich eine geraume Zeit in dem ersten Platz bei ihm erhalten hatte, einer andern weichen, die keinen Vorzug vor ihr hatte, als daß sie ihm neu war. So schwach Danae von einer gewissen Seite sein mochte, so edel war ihr Herz in andern Stücken. Sie liebte den Alcibiades, weil sie von seiner Person und von seinen Eigenschaften bezaubert war, und dachte wenig daran, von seinen Reichtümern Vorteil zu ziehen.
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