Ich bin gewiß, daß ich heute nicht besser aussehe als das letztemal, da du mich sahest; aber deine Phantasie ist höher gestimmt als gewöhnlich, und du schreibst den Einfluß, den sie auf deine Augen hat, großmütig auf die Rechnung des Gegenstands, den du vor dir hast; ich wollte wetten, daß die häßlichste meiner Kammermädchen, dir in diesem Augenblick eine Grazie scheinen würde. Ich habe, versetzte Hippias, keine Ansprüche an eine lebhaftere Einbildungskraft zu machen als Zeuxes und Aglaophon, welche sich nichts vollkommners zu erfinden getrauten als Danae. Welche schöne Gelegenheit zu einer neuen Verwandlung, wenn ich Jupiter wäre! – »Und was für eine Gestalt wolltest du annehmen, um zu gleicher Zeit meine Sprödigkeit und deine liebe Gemahlin zu hintergehen? Denn ich glaube kaum, daß unter allen geflügelten, vierfüßigen und kriechenden Tieren eines ist, das nicht schon einem Unsterblichen hätte dienen müssen, irgend ein ehrliches Mädchen zu beschleichen.« Ich würde mich nicht lange besinnen, sagte Hippias; was für eine Gestalt könnte ich annehmen, die dir angenehmer und mir zu meiner Absicht bequemer wäre, als dieses Sperlings, der deine Liebhaber so oft zu einer gerechten Eifer sucht reizt; der, durch die zärtlichsten Namen aufgemuntert, mit solcher Freiheit um deinen Nacken flattert, oder mit mutwilligem Schnabel den schönsten Busen neckt, und die Liebkosungen allezeit doppelt wieder empfängt, die er dir gemacht hat. Es ist dir leichter wie es scheint, versetzte die Dame, einen Sperling an deine Stelle, als dich an die Stelle eines Sperlings zu setzen; bald könntest du mir die Schmeicheleien meines kleinen Lieblings verdächtig machen. Aber genug von den Wundern, die du meiner Schönheit zutrauest; wir wollen von was anderm reden. Weißest du, daß ich meinem Liebhaber den Abschied gegeben habe? »Dem schönen Hyacinthus?« Ihm selbst, und was noch mehr ist, mit dem festen Entschluß, seine Stelle nimmer zu ersetzen. »Das ist eine tragische Entschließung, schöne Danae.« Nicht so sehr als du denkest. Ich versichre dich, Hippias, meine Geduld reicht nicht mehr zu, alle Torheiten dieser abgeschmackten Gecken auszustehen, welche die Sprache der Empfindung reden wollen und nichts fühlen; deren Herz nicht so viel als mit einer Nadelritze verwundet ist, ob sie gleich von Martern und von Flammen reden; die unfähig sind etwas anders zu lieben als sich, und denen meine Augen nur zum Spiegel dienen sollen, um darin den Wert ihrer kleinen unverschämten Figur zu bewundern. Kaum glauben sie ein Recht an unsre Gütigkeit zu haben, so bilden sie sich ein, daß sie uns viel Ehre erweisen, wenn sie unsere Liebkosungen mit einer zerstreuten Mine dulden. Ein jeder Blick, den sie auf mich werfen, sagt mir, daß ich ihnen nur zum Spielzeug diene; und die Hälfte meiner Reizungen geht an ihnen verloren, weil sie keine Seele haben, um die Schönheiten einer Seele zu empfinden. Dein Unwille ist gerecht, versetzte der Sophist; es ist verdrießlich, daß man diesen Mannsleuten nicht begreiflich machen kann, daß die Seele das liebenswürdigste an einem schönen Frauenzimmer ist. Aber beruhige dich; nicht alle Männer denken so unedel, und ich kenne einen, der dir gefallen würde, wenn du, zur Abwechslung, einmal Lust hättest, es mit einem geistigen Liebhaber zu versuchen. »Und wer kann das sein, wenn man fragen darf?« Es ist ein Jüngling, gegen den deine Hyacinthe nur Meerkatzengesichter sind, schöner als Adonis. – »Fi, Hippias, das ist als wie wenn du sagtest, süßer als Honigseim. Du begreifst nicht, wie sehr mir vor diesen schönen Herren ekelt.« O! das hat nichts zu bedeuten; ich stehe dir für diesen. Er hat keinen von den Fehlern der schönen Narcissen, die dir so ärgerlich sind. Kaum scheint er es zu wissen, daß er einen Leib hat. Das ist ein Mensch wie man nicht viele sieht, schön wie Apollo, aber geistig wie ein Zephyr; ein Mensch, der lauter Seele ist, der dich, wie du hier bist, für eine bloße Seele ansehen würde, und der alles auf eine geistige Art tut, was wir andere körperlich tun. Du verstehst mich ja, schöne Danae? »Nicht allzuwohl; aber deine Beschreibung gefällt mir nichts desto minder. Du sprichst doch im Ernst?« In ganzem Ernst: Wenn du Lust hast die metaphysische Liebe zu kosten, so habe ich deinen Mann gefunden. Er ist platonischer als Plato selbst – denn ich denke, du könntest uns geheime Nachrichten von diesem berühmten Weisen geben. »Ich erinnere mich, antwortete Danae lächelnd, daß er einmal mit einer meiner Freundinnen eine kleine Zerstreuung gehabt hat, die du ihm nicht übel nehmen mußt. Wo ist ein Geist, dem ein hübsches Mädchen von achtzehn Jahren nicht einen Körper geben könnte?« Du kennest meinen Mann noch nicht, erwiderte Hippias; die Göttin von Paphos, ja du selbst würdest es bei ihm so weit nicht bringen. Du kannst ihn Tag und Nacht um dich haben. Du kannst ihn auf alle Proben stellen, du kannst ihn bei dir schlafen lassen, Danae, ohne daß er dir Gelegenheit geben wird, nur die mindeste kleine Ausrufung anzubringen; kurz, bei ihm kann deine Tugend ganz ruhig einschlummern, ohne jemals in Gefahr zu kommen, aufgeweckt zu werden. »Ach! nun verstehe ich dich; es verlohnte sich der Mühe nicht, den Scherz so weit zu treiben. Ich verlange keinen Liebhaber der sich nur darum an meine Seele hält, weil ihm das übrige zu nichts nütze ist.« Auch ist derjenige, den ich dir anpreise, weit entfernt in diese Classe zu gehören; mache dir darüber keinen Kummer. Was du für die Folge einer physischen Notwendigkeit hältst, ist bei ihm die Würkung der Tugend, und der erhabnen Philosophie, von der er Profession macht. »Du machst mich sehr neugierig ihn zu sehen; aber weißt du, Hippias, daß meine Eitelkeit nicht zu frieden wäre, auf eine so kaltsinnige Art geliebt zu sein. Es ist wahr, ich bin dieser mechanischen Liebhaber von Herzen überdrüssig; aber ich würde mit einem andern eben so übel zu frieden sein, der gegen dasjenige ganz unempfindlich wäre, wofür jene allein empfindlich sind.