Er wird warten, bis ihr kommt.
Einige aus dem Gefolge ab.
KÖNIG.
Hamlet, für deine eigne Sicherheit,
Die uns so wert ist, wie uns innig kränkt,
Was du begangen hast, muß diese Tat
In feur'ger Eile dich von hinnen senden.
Drum rüste dich: das Schiff liegt schon bereit,
Der Wind ist günstig, die Gefährten warten,
Und alles treibt nach England auf und fort.
HAMLET.
Nach England?
KÖNIG.
Ja, Hamlet.
HAMLET.
Gut.
KÖNIG.
So ist es, wenn du unsre Absicht wüßtest.
HAMLET. Ich sehe einen Cherub, der sie sieht. – Aber kommt! nach England! – Lebt wohl, liebe Mutter!
KÖNIG. Dein liebevoller Vater, Hamlet!
HAMLET. Meine Mutter: Vater und Mutter sind Mann und Weib; Mann und Weib sind ein Fleisch: also meine Mutter. Kommt, nach England! Ab.
KÖNIG.
Folgt auf dem Fuß ihm, lockt ihn schnell an Bord;
Verzögert nicht: er muß zu Nacht von hinnen.
Fort! Alles ist versiegelt und geschehn,
Was sonst die Sache heischt. Ich bitt' euch, eilt!
Rosenkranz und Güldenstern ab.
Und, England! gilt dir meine Liebe was
(Wie meine Macht sie dich kann schätzen lehren,
Denn noch ist deine Narbe wund und rot
Vom Dänenschwert, und deine Ehrfurcht leistet
Uns willig Lehenspflicht), so darfst du nicht
Das oberherrliche Geheiß versäumen,
Das durch ein Schreiben solchen Inhalts dringt
Auf Hamlets schnellen Tod. O tu' es, England!
Denn wie die Hektik rast er mir im Blut:
Du mußt mich heilen! Mag mir alles glücken,
Bis dies geschehn ist, kann mich nichts erquicken.
Ab.
Vierte Szene.
Eine Ebne in Dänemark.
Fortinbras und Truppen, im Marsch begriffen.
FORTINBRAS.
Geht, Hauptmann, grüßt von mir den Dänenkönig;
Sagt ihm, daß Fortinbras auf sein Gestatten
Für den versprochnen Zug durch sein Gebiet
Geleit begehrt, Ihr wißt, wo wir uns treffen.
Wenn Seine Majestät uns sprechen will,
So wollen wir pflichtmäßig ihn begrüßen;
Das meldet ihm!
HAUPTMANN.
Ich will es tun, mein Prinz.
FORTINBRAS.
Rückt langsam vor!
Fortinbras und Truppen ab.
Hamlet, Rosenkranz, Güldenstern und andre kommen.
HAMLET.
Wes sind die Truppen, lieber Herr?
HAUPTMANN.
Sie sind von Norweg, Herr.
HAMLET.
Wozu bestimmt, ich bitt' Euch?
HAUPTMANN.
Sie rücken gegen Polen.
HAMLET.
Wer führt sie an?
HAUPTMANN.
Des alten Norwegs Neffe, Fortinbras.
HAMLET.
Und geht es auf das ganze Polen, oder
Auf einen Grenzort nur?
HAUPTMANN.
Um wahr zu reden und mit keinem Zusatz,
Wir gehn, ein kleines Fleckchen zu gewinnen,
Das keinen Vorteil als den Namen bringt.
Für fünf Dukaten, fünf, möcht' ich's nicht pachten.
Auch bringt's dem Norweg oder Polen sicher
Nicht mehr, wenn man auf Erbzins es verkauft.
HAMLET.
So wird es der Polack nicht halten wollen.
HAUPTMANN.
Doch; es ist schon besetzt.
HAMLET.
Zweitausend Seelen, zwanzigtausend Goldstück
Entscheiden diesen Lumpenzwist noch nicht.
Dies ist des Wohlstands und der Ruh' Geschwür,
Das innen aufbricht, während sich von außen
Kein Grund des Todes zeigt. – Ich dank' Euch, Herr.
HAUPTMANN.
Geleit' Euch Gott!
Ab.
ROSENKRANZ.
Beliebt es Euch zu gehn?
HAMLET.
Ich komme gleich euch nach. Geht nur voran!
Rosenkranz und die übrigen ab.
Wie jeder Anlaß mich verklagt und spornt
Die träge Rache an! Was ist der Mensch,
Wenn seiner Zeit Gewinn, sein höchstes Gut
Nur Schlaf und Essen ist? Ein Vieh, nichts weiter.
Gewiß, der uns mit solcher Denkkraft schuf,
Voraus zu schaun und rückwärts, gab uns nicht
Die Fähigkeit und göttliche Vernunft,
Um ungebraucht in uns zu schimmeln. Nun,
Sei's viehisches Vergessen, oder sei's
Ein banger Zweifel, welcher zu genau
Bedenkt den Ausgang – ein Gedanke, der,
Zerlegt man ihn, ein Viertel Weisheit nur
Und stets drei Viertel Feigheit hat – ich weiß nicht,
Weswegen ich noch lebe, um zu sagen:
»Dies muß geschehn«, da ich doch Grund und Willen
Und Kraft und Mittel hab', um es zu tun.
Beispiele, die zu greifen, mahnen mich:
So dieses Heer von solcher Zahl und Stärke,
Von einem zarten Prinzen angeführt,
Des Mut, von hoher Ehrbegier geschwellt,
Die Stirn dem unsichtbaren Ausgang beut,
Und gibt sein sterblich und verletzbar Teil
Dem Glück, dem Tode, den Gefahren preis,
Für eine Nußschal'. Wahrhaft groß sein, heißt,
Nicht ohne großen Gegenstand sich regen, –
Doch einen Strohhalm selber groß verfechten,
Wenn Ehre auf dem Spiel. Wie steh' denn ich,
Den seines Vaters Mord, der Mutter Schande,
Antriebe der Vernunft und des Geblüts,
Den nichts erweckt? Ich seh' indes beschämt
Den nahen Tod von zwanzigtausend Mann,
Die für 'ne Grille, ein Phantom des Ruhms,
Zum Grab gehn wie ins Bett: es gilt ein Fleckchen,
Worauf die Zahl den Streit nicht führen kann;
Nicht Gruft genug und Raum, um die Erschlagnen
Nur zu verbergen. Oh, von Stund' an trachtet
Nach Blut, Gedanken, oder seid verachtet!
Ab.
Fünfte Szene.
Helsingör. Ein Zimmer im Schlosse.
Die Königin und Horatio treten auf.
KÖNIGIN.
– Ich will nicht mir ihr sprechen.
HORATIO.
Sie ist sehr dringend; wirklich, außer sich.
Ihr Zustand ist erbarmenswert.
KÖNIGIN.
Was will sie?
HORATIO.
Sie spricht von ihrem Vater; sagt, sie höre,
Die Welt sei schlimm, und ächzt und schlägt die Brust;
Ein Strohhalm ärgert sie; sie spricht verworren
Mit halbem Sinn nur: ihre Red' ist nichts,
Doch leitet ihre ungestalte Art
Die Hörenden auf Schlüsse; man errät,
Man stückt zusammen ihrer Worte Sinn,
Die sie mit Nicken gibt, mit Winken, Mienen,
So daß man wahrlich denken muß, man könnte
Zwar nichts gewiß, jedoch viel Arges denken.
KÖNIGIN.
Man muß doch mit ihr sprechen: sie kann Argwohn
In Unheil brütende Gemüter streun.
Laßt sie nur vor!
Horatio ab.
Der kranken Seele, nach der Art der Sünden,
Scheint jeder Tand ein Unglück zu verkünden.
Von so betörter Furcht ist Schuld erfüllt,
Daß, sich verbergend, sie sich selbst enthüllt.
Horatio kommt mit Ophelia.
OPHELIA.
Wo ist die schöne Majestät von Dänmark?
KÖNIGIN.
Wie geht's, Ophelia?
OPHELIA singt.
Wie erkenn' ich dein Treu-lieb
Vor den andern nun?
An dem Muschelhut und Stab
Und den Sandelschuh'n.
KÖNIGIN.
Ach, süßes Fräulein, wozu soll dies Lied?
OPHELIA.
Was beliebt? Nein, bitte, hört!
Singt.
Er ist lange tot und hin,
Tot und hin, Fräulein!
Ihm zu Häupten ein Rasen grün,
Ihm zu Fuß ein Stein.
Oh!
KÖNIGIN.
Aber sagt, Ophelia –
OPHELIA.
Bitt' Euch, hört:
Singt.
Sein Leichenhemd weiß wie Schnee zu sehn –
Der König tritt auf.
KÖNIGIN. Ach, mein Gemahl, seht hier!
OPHELIA singt.
Geziert mit Blumensegen,
Das unbetränt zum Grab mußt' gehn
Von Liebesregen.
KÖNIG. Wie geht's Euch, holdes Fräulein?
OPHELIA. Gottes Lohn! recht gut! Sie sagen, die Eule war eines Bäckers Tochter. Ach, Herr! wir wissen wohl, was wir sind, aber nicht, was wir werden können. Gott segne Euch die Mahlzeit!
KÖNIG. Anspielung auf ihren Vater.
OPHELIA. Bitte, laßt uns darüber nicht sprechen; aber wenn sie Euch fragen, was es bedeutet, so sagt nur:
Singt.
Auf morgen ist Sankt Valentins Tag,
Wohl an der Zeit noch früh,
Und ich, 'ne Maid, am Fensterschlag
Will sein Eu'r Valentin.
Er war bereit, tät an sein Kleid,
Tät auf die Kammertür,
Ließ ein die Maid, die als 'ne Maid
Ging nimmer mehr herfür.
KÖNIG. Holde Ophelia!
OPHELIA. Fürwahr, ohne Schwur, ich will ein Ende machen:
Singt.
Bei unsrer Frau und Sankt Kathrin!
O pfui! was soll das sein?
Ein junger Mann tut's, wenn er kann,
Beim Himmel, 's ist nicht fein.
Sie sprach: Eh' Ihr gescherzt mit mir,
Gelobt Ihr mich zu frein.
Er antwortet:
Ich bräch's auch nicht, beim Sonnenlicht!
Wärst du nicht kommen herein.
KÖNIG. Wie lang' ist sie schon so?
OPHELIA. Ich hoffe, alles wird gut gehn. Wir müssen geduldig sein: aber ich kann nicht umhin zu weinen, wenn ich denke, daß sie ihn in den kalten Boden gelegt haben. Mein Bruder soll davon wissen, und so dank' ich Euch für Euren guten Rat.
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