Kommt, meine Kutsche! Gute Nacht, Damen! gute Nacht, süße Damen! gute Nacht! gute Nacht! Ab.
KÖNIG. Folgt auf dem Fuß ihr doch: bewacht sie recht!
Horatio ab.
Oh, dies ist Gift des tiefen Grams: es quillt
Aus ihres Vaters Tod. Und seht nun an,
O Gertrud! Gertrud! wenn die Leiden kommen,
So kommen sie wie einzle Späher nicht,
Nein, in Geschwadern. Ihr Vater umgebracht;
Fort Euer Sohn, er selbst der wüste Stifter
Gerechten eignen Banns; das Volk verschlämmt,
Schädlich und trüb im Wähnen und Vermuten
Vom Tod des redlichen Polonius;
Und töricht war's von uns, so unterm Husch
Ihn zu bestatten; dann dies arme Kind,
Getrennt von sich und ihrem edlen Urteil,
Ohn' welches wir nur Bilder sind, nur Tiere.
Zuletzt, was mehr als alles in sich schließt:
Ihr Bruder ist von Frankreich insgeheim
Zurückgekehrt, nährt sich mit seinem Staunen,
Hält sich in Wolken, und ermangelt nicht
Der Ohrenbläser, um ihn anzustecken
Mit gift'gen Reden von des Vaters Tod;
Wobei Verlegenheit, an Vorwand arm,
Sich nicht entblöden wird, uns zu verklagen
Von Ohr zu Ohr. O liebste Gertrud, dies
Gibt wie ein Traubenschuß an vielen Stellen
Mir überflüss'gen Tod.
Lärm hinter der Szene.
KÖNIGIN.
O weh! was für ein Lärm?
Ein Edelmann kommt.
KÖNIG.
Herbei! Wo sind die Schweizer? Laßt die Tür bewachen!
Was gibt es draußen?
EDELMANN.
Rettet Euch, mein Fürst:
Der Ozean, entwachsend seinem Saum,
Verschlingt die Nied'rung ungestümer nicht,
Als an der Spitze eines Meuterhaufens
Laertes Eure Diener übermannt.
Der Pöbel nennt ihn Herrn, und gleich als finge
Die Welt erst an, als wär' das Altertum
Vergessen, und Gewohnheit nicht bekannt,
Die Stützen und Bekräft'ger jedes Worts,
Schrein sie: »Erwählen wir! Laertes werde König!«
Und Mützen, Hände, Zungen tragen's jubelnd
Bis an die Wolken: »König sei Laertes!
Laertes König!«
KÖNIGIN.
Sie schlagen lustig an auf falscher Fährte.
Verkehrt gespürt, ihr falschen Dänenhunde!
Lärm hinter der Szene.
KÖNIG.
Die Türen sind gesprengt.
Laertes kommt bewaffnet. Dänen hinter ihm.
LAERTES.
Wo ist denn dieser König? – Herrn, bleibt draußen!
DÄNEN.
Nein, laßt uns mit herein!
LAERTES.
Ich bitt', erlaubt mir!
DÄNEN.
Gut, wie Ihr wollt.
Sie ziehen sich hinter die Tür zurück.
LAERTES.
Dank euch! Besetzt die Tür! –
Du schnöder König, gib mir meinen Vater!
KÖNIGIN.
Guter Laertes, ruhig!
LAERTES.
Der Tropfe Bluts, der ruhig ist, erklärt
Für Bastard mich; schilt Hahnrei meinen Vater,
Brandmarkt die Metze meiner treuen Mutter
Hier zwischen ihre reinen keuschen Brau'n.
KÖNIG.
Was ist der Grund, Laertes, daß dein Aufstand
So riesenmäßig aussieht? – Laßt ihn, Gertrud,
Befürchtet nichts für unsere Person:
Denn solche Göttlichkeit schirmt einen König:
Verrat, der nur erblickt, was er gewollt,
Steht ab von seinem Willen. – Sag, Laertes,
Was bist du so entrüstet? – Gertrud, laßt ihn! –
Sprich, junger Mann!
LAERTES.
Wo ist mein Vater?
KÖNIG.
Tot.
KÖNIGIN.
Doch nicht durch ihn.
KÖNIG.
Laßt ihn nur satt sich fragen!
LAERTES.
Wie kam er um? Ich lasse mich nicht äffen.
Zur Hölle, Treu'! Zum ärgsten Teufel, Eide!
Gewissen, Frömmigkeit, zum tiefsten Schlund!
Ich trotze der Verdammnis; so weit kam's:
Ich schlage beide Welten in die Schanze,
Mag kommen, was da kommt! Nur Rache will ich
Vollauf für meinen Vater.
KÖNIG.
Wer wird Euch hindern?
LAERTES.
Mein Wille, nicht der ganzen Welt Gebot:
Und meine Mittel will ich so verwalten,
Daß wenig weit soll reichen.
KÖNIG.
Hört, Laertes,
Wenn Ihr von Eures teuren Vaters Tod
Das Sichre wissen wollt: ist's Eurer Rache Schluß,
Als Sieger in dem Spiel, so Freund als Feind,
Gewinner und Verlierer fortzureißen?
LAERTES.
Nur seine Feinde.
KÖNIG.
Wollt Ihr sie denn kennen?
LAERTES.
Den Freunden will ich weit die Arme öffnen,
Und wie der Lebensopf'rer Pelikan
Mit meinem Blut sie tränken.
KÖNIG.
So! nun sprecht Ihr
Als guter Sohn und echter Edelmann.
Daß ich an Eures Vaters Tod schuldlos,
Und am empfindlichsten dadurch gekränkt,
Soll Eurem Urteil offen dar sich legen,
Wie Tageslicht dem Aug'.
DÄNEN hinter der Szene.
Laßt sie hinein!
LAERTES.
Was gibt's? was für ein Lärm?
Ophelia kommt, phantastisch mit Kräutern und Blumen geschmückt.
O Hitze, trockne
Mein Hirn auf! Tränen, siebenfach gesalzen,
Brennt meiner Augen Kraft und Tugend aus! –
Bei Gott! dein Wahnsinn soll bezahlt uns werden
Nach dem Gewicht, bis unsre Waagschal' sinkt.
O Maienrose! süßes Kind! Ophelia!
Geliebte Schwester! – Himmel, kann es sein,
Daß eines jungen Mädchens Witz so sterblich
Als eines alten Mannes Leben ist?
Natur ist fein im Lieben: wo sie fein ist,
Da sendet sie ein kostbar Pfand von sich
Dem, was sie liebet, nach.
OPHELIA singt.
Sie trugen ihn auf der Bahre bloß,
Leider! ach leider!
Und manche Trän' fiel in Grabes Schoß –
Fahr' wohl, meine Taube!
LAERTES.
Hätt'st du Vernunft, und mahntest uns zur Rache,
Es könnte so nicht rühren.
OPHELIA. Ihr müßt singen: »'nunter, hinunter! und ruft Ihr ihn 'nunter.« Oh, wie das Rad dazu klingt! Es ist der falsche Verwalter, der seines Herrn Tochter stahl.
LAERTES. Dies Nichts ist mehr als Etwas.
OPHELIA. Das ist Vergißmeinnicht, das ist zum Andenken: ich bitte Euch, liebes Herz, gedenkt meiner! und da ist Rosmarin, das ist für die Treue.
LAERTES. Ein Sinnspruch im Wahnsinn: Treue und Andenken bezeichnet.
OPHELIA. Da ist Fenchel für Euch und Aglei – da ist Raute für Euch, und hier ist welche für mich. – Ihr könnt Eure Raute mit einem Abzeichen tragen. – Da ist Maßlieb –, ich wollte Euch ein paar Veilchen geben, aber sie welkten alle, da mein Vater starb. – Sie sagen, er nahm ein gutes Ende. –
Singt.
Dem traut lieb Fränzel ist all meine Lust –
LAERTES.
Schwermut und Trauer, Leid, die Hölle selbst
Macht sie zur Anmut und zur Artigkeit.
OPHELIA singt.
Und kommt er nicht mehr zurück?
Und kommt er nicht mehr zurück?
Er ist tot! o weh!
In dein Todesbett geh,
Er kommt ja nimmer zurück.
Sein Bart war so weiß wie Schnee,
Sein Haupt dem Flachse gleich:
Er ist hin, er ist hin,
Und kein Leid bringt Gewinn;
Gott helf' ihm ins Himmelreich!
Und allen Christenseelen, darum bet' ich. Gott sei mit Euch! Ab.
LAERTES.
Seht Ihr das? O Gott!
KÖNIG.
Laertes, ich muß Euren Gram besprechen;
Versagt mir nicht mein Recht! Entfernt Euch nur,
Wählt die Verständigsten von Euren Freunden,
Und laßt sie richten zwischen Euch und mir:
Wenn sie zunächst uns, oder mittelbar,
Dabei betroffen finden, wollen wir
Reich, Krone, Leben, was nur unser heißt,
Euch zur Vergütung geben; doch wo nicht,
So seid zufrieden, uns Geduld zu leihn;
Wir wollen dann, vereint mit Eurer Seele,
Sie zu befried'gen trachten.
LAERTES.
Ja, so sei's!
Die Todesart, die heimliche Bestattung –
Kein Schwert, noch Wappen über seiner Gruft,
Kein hoher Brauch, noch förmliches Gepräng' –
Sie rufen laut vom Himmel bis zur Erde,
Daß ich's zur Frage ziehn muß.
KÖNIG.
Gut, das sollt Ihr,
Und wo die Schuld ist, mag das Strafbeil fallen.
Ich bitt' Euch, folget mir!
Alle ab.
Sechste Szene.
Ein andres Zimmer im Schlosse
Horatio und ein Diener treten auf.
HORATIO.
Was sind's für Leute, die mich sprechen wollen?
DIENER.
Matrosen, Herr; sie haben, wie sie sagen,
Euch Briefe zu bestellen.
HORATIO.
Laßt sie vor!
Diener ab.
Ich wüßte nicht, von welchem Teil der Welt
Ein Gruß mir käme, als vom Prinzen Hamlet.
Matrosen kommen.
ERSTER MATROSE.
Gott segn' Euch, Herr!
HORATIO.
Dich segn' er ebenfalls!
ERSTER MATROSE. Das wird er, Herr, so es ihm gefällt. Hier ist ein Brief für Euch, Herr; er kommt von dem Gesandten, der nach England reisen sollte, wenn Euer Name anders Horatio ist; wie man mich versichert.
HORATIO liest.
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