Kennt Ihr den Grund?

ERSTER TOTENGRÄBER. Freilich, dänischer Grund und Boden. Ich bin hier seit dreißig Jahren Totengräber gewesen, in jungen und alten Tagen.

HAMLET. Wie lange liegt wohl einer in der Erde, eh' er verfault?

ERSTER TOTENGRÄBER. Mein' Treu', wenn er nicht schon vor dem Tode verfault ist (wie wir denn heutzutage viele lustsieche Leichen haben, die kaum bis zum Hineinlegen halten), so dauert er Euch ein acht bis neun Jahr aus; ein Lohgerber neun Jahre.

HAMLET. Warum der länger als ein andrer?

ERSTER TOTENGRÄBER. Ei, Herr, sein Gewerbe gerbt ihm das Fell so, daß er eine lange Zeit das Wasser abhält, und das Wasser richtet so 'ne Blitzleiche verteufelt zu Grunde. Hier ist ein Schädel, der Euch dreiundzwanzig Jahre in der Erde gelegen hat.

HAMLET. Wem gehört er?

ERSTER TOTENGRÄBER. Einem unklugen Blitzkerl. Wer denkt Ihr, daß es war?

HAMLET. Ja, ich weiß nicht.

ERSTER TOTENGRÄBER. Das Wetter über den unklugen Schalk! Er goß mir einmal eine Flasche Rheinwein über den Kopf. Dieser Schädel da war Yoricks Schädel, des Königs Spaßmacher.

HAMLET. Dieser? Nimmt den Schädel.

ERSTER TOTENGRÄBER. Ja ja, eben der.

HAMLET. Ach, armer Yorick! – Ich kannte ihn, Horatio: ein Bursche von unendlichem Humor, voll von den herrlichsten Einfällen. Er hat mich tausendmal auf dem Rücken getragen, und jetzt, wie schaudert meiner Einbildungskraft davor! mir wird ganz übel. Hier hingen diese Lippen, die ich geküßt habe, ich weiß nicht wie oft. Wo sind nun deine Schwänke? deine Sprünge? deine Lieder, deine Blitze von Lustigkeit, wobei die ganze Tafel in Lachen ausbrach? Ist jetzt keiner da, der sich über dein eignes Grinsen aufhielte? Alles weggeschrumpft? Nun begib dich in die Kammer der gnädigen Frau, und sage ihr, wenn sie auch einen Finger dick auflegt: so 'n Gesicht muß sie endlich bekommen; mach' sie damit zu lachen! – Sei so gut, Horatio, sage mir dies eine!

HORATIO. Und was, mein Prinz?

HAMLET. Glaubst du, daß Alexander in der Erde solchergestalt aussah!

HORATIO. Gerade so.

HAMLET. Und so roch! pah! Wirft den Schädel hin.

HORATIO. Gerade so, mein Prinz.

HAMLET. Zu was für schnöden Bestimmungen wir kommen, Horatio! Warum sollte die Einbildungskraft nicht den edlen Staub Alexanders verfolgen können, bis sie ihn findet, wo er ein Spundloch verstopft?

HORATIO. Die Dinge so betrachten, hieße sie allzugenau betrachten.

HAMLET. Nein, wahrhaftig, im geringsten nicht. Man könnte ihm bescheiden genug dahin folgen, und sich immer von der Wahrscheinlichkeit führen lassen. Zum Beispiel so: Alexander starb, Alexander ward begraben, Alexander verwandelte sich in Staub; der Staub ist Erde; aus Erde machen wir Lehm: und warum sollte man nicht mit dem Lehm, worein er verwandelt ward, ein Bierfaß stopfen können?

Der große Cäsar, tot und Lehm geworden,

Verstopft ein Loch wohl vor dem rauhen Norden.

O daß die Erde, der die Welt gebebt,

Vor Wind und Wetter eine Wand verklebt!

Doch still! doch still! Beiseit! Hier kommt der König!

 

Priester u.s.w.