kommen in Prozession; die Leiche der Ophelia; Laertes und Leidtragende folgen ihr; der König, die Königin, ihr Gefolge u.s.w.

 

Die Königin, der Hof: wem folgen sie?

Und mit so unvollständ'gen Fei'rlichkeiten?

Ein Zeichen, daß die Leiche, der sie folgen,

Verzweiflungsvolle Hand an sich gelegt.

Sie war von Stande: lauern wir ein Weilchen,

Und geben acht!

 

Zieht sich mit Horatio zurück.

 

LAERTES.

Was für Gebräuche sonst?

HAMLET.

Das ist Laertes,

Ein edler junger Mann. Gebt acht!

LAERTES.

Was für Gebräuche sonst?

ERSTER PRIESTER.

Wir dehnten ihr Begräbnis aus, so weit

Die Vollmacht reicht: ihr Tod war zweifelhaft,

Und wenn kein Machtgebot die Ordnung hemmte,

So hätte sie in ungeweihtem Grund

Bis zur Gerichtstrommete wohnen müssen.

Statt christlicher Gebete sollten Scherben

Und Kieselstein' auf sie geworfen werden.

Hier gönnt man ihr doch ihren Mädchenkranz

Und das Bestreun mit jungfräulichen Blumen,

Geläut' und Grabstätt'.

LAERTES.

So darf nichts mehr geschehn?

PRIESTER.

Nichts mehr geschehn.

Wir würden ja der Toten Dienst entweihn,

Wenn wir ein Requiem und Ruh' ihr sängen,

Wie fromm verschiednen Seelen.

LAERTES.

Legt sie in den Grund,

Und ihrer schönen, unbefleckten Hülle

Entsprießen Veilchen! – Ich sag' dir, harter Priester,

Ein Engel am Thron wird meine Schwester sein,

Derweil du heulend liegst.

HAMLET.

Was? die schöne Ophelia?

KÖNIGIN Blumen streuend.

Der Süßen Süßes: Lebe wohl! – Ich hoffte,

Du solltest meines Hamlets Gattin sein.

Dein Brautbett, dacht' ich, süßes Kind, zu schmücken,

Nicht zu bestreun dein Grab.

LAERTES.

Oh, dreifach Wehe

Treff' zehnmal dreifach das verfluchte Haupt,

Des Untat deiner sinnigen Vernunft

Dich hat beraubt! – Laßt noch die Erde weg,

Bis ich sie nochmals in die Arme fasse.

 

Springt in das Grab.

 

Nun häuft den Staub auf Lebende und Tote,

Bis ihr die Fläche habt zum Berg gemacht,

Hoch über Pelion und das blaue Haupt

Des wolkigen Olympus.

HAMLET hervortretend.

Wer ist der, des Gram

So voll Emphase tönt? Des Spruch des Wehes

Der Sterne Lauf beschwört und macht sie stillstehn

Wie schreckbefangne Hörer? – Dies bin ich,

Hamlet der Däne!

 

Springt in das Grab.

 

LAERTES.

Dem Teufel deine Seele!

 

Ringt mit ihm.

 

HAMLET.

Du betest schlecht.

Ich bitt' dich, laß die Hand von meiner Gurgel:

Denn ob ich schon nicht jäh und heftig bin,

So ist doch was Gefährliches in mir,

Das ich zu scheun dir rate. Weg die Hand!

KÖNIG.

Reißt sie doch von einander!

KÖNIGIN.

Hamlet! Hamlet!

ALLE.

Ihr Herren –

HORATIO.

Bester Herr, seid ruhig!

 

Einige vom Gefolge bringen sie aus einander, und sie kommen aus dem Grabe heraus.

 

HAMLET.

Ja, diese Sache fecht' ich aus mit ihm,

So lang' bis meine Augenlider sinken.

KÖNIGIN.

O mein Sohn! welche Sache?

HAMLET.

Ich liebt' Ophelien: vierzigtausend Brüder

Mit ihrem ganzen Maß von Liebe hätten

Nicht meine Summ' erreicht. – Was willst du für sie tun?

KÖNIG.

Er ist verrückt, Laertes.

KÖNIGIN.

Um Gottes willen, laßt ihn!

HAMLET.

Beim Element, sag, was du tun willst:

Willst weinen? fechten? fasten? dich zerreißen?

Willst Essig trinken? Krokodile essen?

Ich tu's. – Kommst du zu winseln her?

Springst, um mir Trotz zu bieten, in ihr Grab?

Laß dich mit ihr begraben, ich will's auch;

Und schwatzest du von Bergen, laß auf uns

Millionen Hufen werfen, bis der Boden,

Die Scheitel an der glüh'nden Zone sengend,

Den Ossa macht zur Warze. – Prahlst du groß,

Ich kann's so gut wie du.

KÖNIGIN.

Dies ist bloß Wahnsinn:

So tobt der Anfall eine Weil' in ihm,

Doch gleich, geduldig wie das Taubenweibchen,

Wann sie ihr goldnes Paar hat ausgebrütet,

Senkt seine Ruh' die Flügel.

HAMLET.

Hört doch, Herr!

Was ist der Grund, daß Ihr mir so begegnet?

Ich liebt' Euch immer: doch es macht nichts aus;

Laßt Herkuln selber nach Vermögen tun,

Die Katze maut, der Hund will doch nicht ruhn.

 

Ab.

 

KÖNIG.

Ich bitte dich, Horatio, geh ihm nach!

 

Horatio ab.

 

Laertes, unser gestriges Gespräch

Muß die Geduld Euch stärken. – Gute Gertrud,

Setzt eine Wache über Euren Sohn!

Dies Grab soll ein lebendig Denkmal haben.

Bald werden wir der Ruhe Stunde sehn,

So lang' muß alles mit Geduld geschehn.

Alle ab.

 

 

Zweite Szene.

Ein Saal im Schlosse.

Hamlet und Horatio treten auf.

 

HAMLET.

Hievon genug; nun komm' ich auf das andre.

Erinnert Ihr Euch jedes Umstands noch?

HORATIO.

Erinnern, gnäd'ger Herr?

HAMLET.

In meiner Brust war eine Art von Kampf,

Der mich nicht schlafen ließ; mich dünkt', ich läge

Noch schlimmer als im Stock die Meuter. Rasch –

Und Dank dem raschen Mute! – Laßt uns einsehn,

Daß Unbesonnenheit uns manchmal dient,

Wenn tiefe Plane scheitern; und das lehr' uns,

Daß eine Gottheit unsre Zwecke formt,

Wie wir sie auch entwerfen.

HORATIO.

Sehr gewiß.

HAMLET.

Aus meinem Schlafgemach,

Den Schiffermantel um mich her geworfen,

Tappt' ich herum nach ihnen, fand sie glücklich,

Griff ihr Paket, und zog mich schließlich wieder

Zurück in die Kajüte; meine Furcht

Vergaß die Höflichkeit, und dreist erbrach

Ich ihren höchsten Auftrag. Hier, Horatio,

Fand ich ein königliches Bubenstück:

Ein streng Geheiß, gespickt mit vielen Gründen,

Betreffend Dänmarks Heil und Englands auch,

Und, heida! solch ein Spuk, wenn ich entkäme –

Daß gleich auf Sicht, ohn' alle Zögerung,

Auch nicht so lang', um nur das Beil zu schärfen,

Das Haupt mir abgeschlagen werden sollte.

HORATIO.

Ist's möglich?

HAMLET.

Hier ist der Auftrag: lies ihn nur bei Muße!

Doch willst du hören, wie ich nun verfuhr?

HORATIO.

Ja, ich ersuch' Euch drum.

HAMLET.

So rings umstrickt mit Bübereien, fing,

Eh' ich noch den Prolog dazu gehalten,

Mein Kopf das Spiel schon an. Ich setzte mich,

Sann einen Auftrag aus, schrieb ihn ins Reine.

Ich hielt es einst, wie unsre großen Herrn,

Für niedrig, schön zu schreiben, und bemühte

Mich sehr, es zu verlernen; aber jetzt

Tat es mir Ritterdienste. Willst du wissen,

Was meine Schrift enthielt?

HORATIO.

Ja, bester Herr.

HAMLET.

Die ernstlichste Beschwörung von dem König,

Wofern ihm England treu die Lehnspflicht hielte,

Wofern ihr Bund blühn sollte wie die Palme,

Wofern der Fried' in seinem Ährenkranz

Stets beider Freundschaft bindend sollte stehn,

Und manchem wichtigen »Wofern« der Art –

Wann er den Inhalt dieser Schrift ersehn,

Möcht' er ohn' alles fernere Bedenken

Die Überbringer schnell zum Tode fördern,

Selbst ohne Frist zum Beichten.

HORATIO.

Wie wurde dies versiegelt?

HAMLET.

Auch darin war des Himmels Vorsicht wach.

Ich hatt' im Beutel meines Vaters Petschaft,

Das dieses dän'schen Siegels Muster war.

Ich faltete den Brief dem andern gleich,

Dann unterschrieb ich, drückte drauf das Siegel,

Legt' ihn ab seinen Ort; der Wechselbalg

Ward nicht erkannt. Am nächsten Tage nun

War unser Seegefecht, und was dem folgte,

Das weißt du schon.

HORATIO.

Und Güldenstern und Rosenkranz gehn drauf.

HAMLET.

Ei, Freund, sie buhlten ja um dies Geschäft;

Sie rühren mein Gewissen nicht: ihr Fall

Entspringt aus ihrer eignen Einmischung.

's ist mißlich, wenn die schlechtere Natur

Sich zwischen die entbrannten Degenspitzen

Von mächt'gen Gegnern stellt.

HORATIO.

Was für ein König!

HAMLET.

Was dünkt dir, liegt's mir jetzo nah genug?

Der meinen König totschlug, meine Mutter

Zur Hure machte; zwischen die Erwählung

Und meine Hoffnungen sich eingedrängt;

Die Angel warf nach meinem eignen Leben

Mit solcher Hinterlist: ist's nicht vollkommen billig,

Mit diesem Arme dem den Lohn zu geben?

Und ist es nicht Verdammnis, diesen Krebs

An unserm Fleisch noch länger nagen lassen?

HORATIO.

Ihm muß von England bald gemeldet werden,

Wie dort der Ausgang des Geschäftes ist.

HAMLET.

Bald wird's geschehn: die Zwischenzeit ist mein;

Ein Menschenleben ist, als zählt man eins.

Doch ich bin sehr bekümmert, Freund Horatio,

Daß mit Laertes ich mich selbst vergaß:

Denn in dem Bilde seiner Sache seh' ich

Der meinen Gegenstück. Ich schätz' ihn gern:

Doch wirklich, seines Schmerzes Prahlerei

Empörte mich zu wilder Leidenschaft.

HORATIO.

Still doch! wer kommt?

 

Osrick kommt.

 

OSRICK. Willkommen Eurer Hoheit hier in Dänmark!

HAMLET. Ich dank' Euch ergebenst, Herr. – Kennst du diese Mücke?

HORATIO. Nein, bester Herr.

HAMLET. Um so besser ist für dein Heil gesorgt, denn es ist ein Laster, ihn zu kennen. Er besitzt viel und fruchtbares Land: wenn ein Tier Fürst der Tiere ist, so wird seine Krippe neben des Königs Gedeck stehn. Er ist eine Elster, aber, wie ich dir sage, mit weitläuftigen Besitzungen von Kot gesegnet.

OSRICK.