Mit Fragen war er sehr frey, aber überaus zurükhaltend, wenn er auf die unsrigen antworten sollte.

Königin.
Schluget ihr ihm keinen Zeitvertreib vor?

Rosenkranz. Gnädigste Frau, es begegnete von ungefehr, daß wir unterwegs auf eine Schauspieler-Gesellschaft stiessen; von dieser sagten wir ihm, und es schien, als ob er eine Art von Freude darüber hätte: Sie befinden sich würklich bey Hofe, und (wie ich glaube,) haben sie bereits Befehl, diese Nacht vor ihm zu spielen.

Polonius. Es ist nichts gewissers, und er ersucht Eure Majestäten, Zuschauer dabey abzugeben.

König. Von Herzen gern, es erfreut mich ungemein, zu hören, daß er so gut disponiert ist. Erhaltet ihn bey dieser Laune, meine guten Freunde, und seyd darauf bedacht, daß er immer mehr Geschmak an dergleichen Zeitvertreib finde.

Rosenkranz.
Wir wollen nichts ermangeln lassen, Gnädigster Herr.

(Sie gehen ab.)

König. Liebste Gertrude, verlaßt ihr uns auch; wir haben heimliche Anstalten gemacht, daß Hamlet hieher komme, damit er Ophelien, als ob es von ungefehr geschähe, hier antreffe. Ihr Vater und ich wollen einen solchen Plaz nehmen, daß wir, ungesehn, Zeugen von allem was zwischen ihnen vorgehen wird, seyn, und also durch uns selbst urtheilen können, ob die Liebe die Ursache seines Trübsinns ist oder nicht.

Königin. Ich gehorche euch; und an meinem Theil, Ophelia, wünsch' ich, daß eure Reizungen die glükliche Ursach von Hamlets Zustande seyn mögen: Denn das würde mir Hoffnung machen, daß eure Tugend ihn, zu euer beyder Ehre, wieder auf den rechten Weg bringen würde.

Ophelia.
Gnädigste Frau, ich wünsch' es so.

(Die Königin geht ab.)

Polonius. Ophelia, geht ihr hier auf und ab—Gnädigster Herr, wenn es beliebig ist, wollen wir uns hier verbergen—

(Zu Ophelia.)

Thut, als ob ihr in diesem Buche leset; damit das Ansehn einer geistlichen Übung eure Einsamkeit beschönige. Es begegnet nur gar zu oft, daß wir mit der andächtigsten Mine und der frömmsten Gebehrde an dem Teufel selbst saugen.

König (vor sich.) Das ist nur gar zu wahr. Was für einen scharfen Geissel-Streich giebt diese Rede meinem Gewissen! Die Wangen einer Hure durch Kunst mit betrügerischen Rosen bemahlt, sind nicht häßlicher unter ihrer Schminke, als meine That unter der schönen Larve meiner Worte— O schwere Bürde!

Polonius.
Ich hör' ihn kommen; wir wollen uns entfernen, Gnädigster Herr.

(Alle, bis auf Ophelia gehen ab.)

Zweyte Scene.
(Hamlet tritt auf, mit sich selbst redend.)

Hamlet. Seyn oder nicht seyn—Das ist die Frage—Ob es einem edeln Geist anständiger ist, sich den Beleidigungen des Glüks geduldig zu unterwerfen, oder seinen Anfällen entgegen zu stehen, und durch einen herzhaften Streich sie auf einmal zu endigen? Was ist sterben?—Schlafen—das ist alles—und durch einen guten Schlaf sich auf immer vom Kopfweh und allen andern Plagen, wovon unser Fleisch Erbe ist, zu erledigen, ist ja eine Glükseligkeit, die man einem andächtiglich zubeten sollte—Sterben—Schlafen—Doch vielleicht ist es was mehr—wie wenn es träumen wäre?—Da stekt der Haken—Was nach dem irdischen Getümmel in diesem langen Schlaf des Todes für Träume folgen können, das ist es, was uns stuzen machen muß. Wenn das nicht wäre, wer würde die Mißhandlungen und Staupen- Schläge der Zeit, die Gewaltthätigkeiten des Unterdrükers, die verächtlichen Kränkungen des Stolzen, die Quaal verschmähter Liebe, die Schicanen der Justiz, den Übermuth der Grossen, ertragen, oder welcher Mann von Verdienst würde sich von einem Elenden, dessen Geburt oder Glük seinen ganzen Werth ausmacht, mit Füssen stossen lassen, wenn ihm frey stühnde, mit einem armen kleinen Federmesser sich Ruhe zu verschaffen? Welcher Taglöhner würde unter Ächzen und Schwizen ein mühseliges Leben fortschleppen wollen?—Wenn die Furcht vor etwas nach dem Tode—wenn dieses unbekannte Land, aus dem noch kein Reisender zurük gekommen ist, unsern Willen nicht betäubte, und uns riehte, lieber die Übel zu leiden, die wir kennen, als uns freywillig in andre zu stürzen, die uns desto furchtbarer scheinen, weil sie uns unbekannt sind. Und so macht das Gewissen uns alle zu Memmen; so entnervet ein blosser Gedanke die Stärke des natürlichen Abscheues vor Schmerz und Elend, und die grössesten Thaten, die wichtigsten Entwürfe werden durch diese einzige Betrachtung in ihrem Lauf gehemmt, und von der Ausführung zurükgeschrekt—Aber sachte!—wie? Die schöne Ophelia?—Nymphe, erinnre dich aller meiner Sünden in deinem Gebete.

Ophelia. Mein Gnädiger Prinz, wie habt ihr euch diese vielen Tage über befunden?

Hamlet.
Ich danke euch demüthigst; wohl—

Ophelia. Gnädiger Herr, ich habe verschiedne Sachen zum Andenken von euch, die ich euch gerne zurükgegeben hätte; ich bitte euer Gnaden, sie bey dieser Gelegenheit zurük zu nehmen.

Hamlet.
Ich? ich wißte nicht, daß ich euch jemals was gegeben hätte.

Ophelia. Ihr wißt es gar wohl, Gnädiger Herr, und daß ihr eure Geschenke mit Worten, von so süssem Athem zusammengesezt, begleitet habt, daß sie dadurch einen noch grössern Werth erhielten. Da sich dieser Parfüm verlohren hat, so nehmt sie wieder zurük. Geschenke verliehren für ein edles Gemüth ihren Werth, wenn das Herz des Gebers geändert ist.

Hamlet.
Ha, ha! Seyd ihr tugendhaft?

Ophelia.
Gnädiger Herr—

Hamlet.
Seyd ihr schön?

Ophelia.
Was sollen diese Fragen bedeuten?

Hamlet.
Das will ich euch sagen. Wenn ihr tugendhaft und schön seyd, so
soll eure Tugend nicht zugeben, daß man eurer Schönheit
Schmeicheleyen vorschwaze.

Ophelia. Machen Schönheit und Tugend nicht eine gute Gesellschaft mit einander aus, Gnädiger Herr?

Hamlet. Nicht die beste; denn es wird allemal der Schönheit leichter seyn, die Tugend in eine Kupplerin zu verwandeln, als der Tugend, die Schönheit sich ähnlich zu machen. Das war ehmals ein paradoxer Saz, aber in unsern Tagen ist seine Wahrheit unstreitig—Es war eine Zeit, da ich euch liebte.

Ophelia.
In der That; Gnädiger Herr, ihr machtet mich's glauben.

Hamlet.
Ihr hättet mir nicht glauben sollen. Denn Tugend kan sich unserm
alten Stamme nie so gut einpfropfen, daß wir nicht noch immer einen
Geschmak von ihm behalten sollten. Ich liebte euch nicht.

Ophelia.
Desto schlimmer, daß ich so betrogen wurde.

Hamlet. Geh in ein Nonnenkloster. Warum wolltest du eine Mutter von Sündern werden? Ich bin selbst keiner von den Schlimmsten; und doch könnt' ich mich solcher Dinge anklagen, daß es besser wäre, meine Mutter hätte mich nicht zur Welt gebracht. Ich bin sehr stolz, rachgierig, ehrsüchtig, zu mehr Sünden aufgelegt, als ich Gedanken habe sie zu namsen, Einbildungs-Kraft sie auszubilden, und Zeit sie zu vollbringen. Wozu sollen solche Bursche, wie ich bin, zwischen Himmel und Erde herumkriechen? Wir sind alle ausgemachte Taugenichts; traue keinem von uns—Geh in ein Nonnen-Kloster—Wo ist euer Vater?

Ophelia.
Zu Hause, Gnädiger Herr.

Hamlet. Laß die Thür hinter ihm zuschliessen, damit er den Narren nirgends als in seinem eignen Hause spielen könne—Adieu.

Ophelia.
O hilf ihm, Gütiger Himmel!

Hamlet.