O haltet ein, liebster Gemahl, vollendet den entsezlichen Gedanken nicht! Diese auf ewig eurer Liebe geheiligte Brust, ist keiner Verrätherey fähig. Der Fluch falle auf den Tag, der mich in die Arme eines andern Mannes legen wird! Nur diejenige heyrathet den zweyten Mann, die den ersten ermordet hat—
Hamlet.
Wurmsaamen, Wurmsaamen!
Herzogin. Die Betrachtungen, wodurch man sich zur zweyten Ehe bewegen läßt, sind niederträchtiges Interesse, niemals Liebe. Mir würde es seyn, ich stösse allemal den Dolch in meines ersten Mannes Herz, so oft mich der zweyte küßte.
Herzog. Ich zweifle nicht, daß alles was ihr izt sagt, euer wahrer Ernst ist: Aber wie oft brechen wir was wir uns selbst versprochen haben! Unsre Vorsäze sind den zu frühzeitigen Früchten gleich, die zwar eine Zeit lang fest am Baume steken, aber zulezt faulen, und dann ungeschüttelt fallen. Wir vergessen nichts leichter zu bezahlen, als was wir uns selbst schuldig sind; und es ist natürlich, daß Vorsäze, die wir aus Leidenschaft fassen, zugleich mit ihrer Ursache aufhören. Übermaaß in Vergnügen und Schmerz reibt sich allezeit selber auf; und es ist billig, daß in einer Welt, die nicht für immer gemacht ist, Schmerz und Lust ihr Ziel haben. Es ist gar nichts befremdliches darinn, wenn unsre Liebe mit unsern Umständen sich ändert, und es ist noch immer eine unausgemachte Frage, ob die Liebe das Glük, oder das Glük die Liebe leite. Ihr seht, wenn ein Grosser fällt, so fliehen seine Günstlinge, und der Arme, der emporkommt, macht seine Feinde zu Freunden; wie hingegen derjenige, der in der Noth einen hohlen Freund auf die Probe sezen will, sich geradezu einen Feind macht. Um also zum Schluß dessen was ich angefangen habe zu kommen, so däucht mich, unsre Wünsche und unsre Umstände durchkreuzen einander so oft, daß unsre Vorsäze selten in unsrer Gewalt bleiben; unsre Gedanken sind unser, aber nicht ihre Ausführung. Denke also immer, meine Liebe, daß du keinen zweyten Gemahl nehmen wollest, aber laß diese Gedanken sterben, sobald dein erster Mann gestorben ist.
Herzogin. O! dann gebe mir weder die Erde Nahrung, noch der Himmel Licht! Dann komme bey Tag und bey Nacht weder Freude in mein Herz noch Ruhe auf meine Auglieder! Elender sey mein Leben als das Leben des büssenden Einsiedlers, ein fortdaurender Tod; jeder meiner Wünsche begegne dem was ihm am meisten entgegen ist, und ewige Qual verfolge mich hier und dort, wenn ich aus einer Wittwe, jemals wieder eine Vermählte werde.
Hamlet.
Wenn sie diese Schwüre bricht—
Herzog.
Das sind grosse Schwüre! Meine Geliebteste, verlaß mich izt eine
Weile; meine Geister werden matt; ich will versuchen, ob ich
schlafen kan—
(Er entschläft.)
Herzogin.
Ruhe sanft, und niemals, niemals komme Unglük zwischen uns beyde!
(Sie geht ab.)
Hamlet (zur Königin.)
Gnädige Frau, wie gefällt euch dieses Stük?
Königin.
Mich däucht, die Dame verspricht zu viel.
Hamlet.
O, wir werden sehen, wie sie ihr Wort halten wird.
König.
Kennt ihr den Inhalt des Stüks? Ist nichts anstössiges darinn?
Hamlet.
Nein, gar nichts; es ist alles nur Spaß; sie vergiften nicht im
Ernst; auf der Welt nichts anstössiges.
König.
Wie nennt sich das Stük?
Hamlet. Die (Maus-Falle;)—In der That, in einem figürlichen Verstande, vermuthlich—Das Stük ist die Vorstellung eines Mords der in Wien begegnet ist; Gonzago ist des Herzogs Name, seine Gemahlin heißt Baptista; ihr werdet gleich sehen, daß es ein schelmisches Stük Arbeit ist; aber was thut das uns? Eure Majestät und andre, die ein gutes Gewissen haben, geht es nichts an; der mag sich krazen, den es jukt; wir haben eine glatte Haut. (Lucianus tritt auf.)
Das ist einer, Namens Lucianus, ein Neffe des Herzogs.
Ophelia.
Man kan den Chor mit euch ersparen, Gnädiger Herr.
Hamlet.**
—Nun, fang einmal an, Mörder. Hör auf, deine verteufelte
Gesichter zu schneiden, und fang an. Komm, der krächzende Rabe
schreyt um Rache.
{ed.-** Hier hat man zwey Scherz-Reden Hamlets weglassen müssen, wovon die erste dem Übersezer unverständlich, und die andre eine zweydeutige Zote ist.}
Lucianus Schwarze Gedanken; willige Hände; schnellwürkendes Gift, und gelegne Zeit—Alles stimmt zusammen, und kein Mensch ist da, der mich sehen könnte. Ergiesse, du fatale Mixtur, aus mitternächtlichen Kräutern gezogen, und dreyfach mit Hecates Zauber- Fluch geschwängert, ergiesse deine verderbliche Natur und magische Eigenschaft, und mach' einem mir verhaßten Leben ein plözliches Ende!
(Er gießt dem schlaffenden Herzog das Gift in die Ohren.)
Hamlet
(zum Könige.)
Er vergiftet ihn in seinem Garten, um Herr von seinem Vermögen zu werden; sein Nam' ist Gonzago; die Historie davon ist im Druk, sie ist im besten Toscanischen geschrieben. Sogleich werdet ihr sehen, wie der Mörder auch die Liebe von Gonzago's Gemahlin gewinnt—
Ophelia.
Der König steht auf.
Hamlet.
Wie, von einem blinden Lermen erschrekt?
Königin.
Was fehlt meinem Gemahl?
Polonius.
Hört auf zu spielen!
König.
Gebt mir Licht. Weg! weg!
Alle.
Lichter, Lichter, Lichter!
(Sie gehen in Verwirrung ab.)
Siebende Scene.
(Hamlet und Horatio bleiben.)
Hamlet.
Laßt weinen den verwundten Hirsch,
Der unverlezte scherzt:
Denn billig wacht die Missethat
Indem die Unschuld schläft. Würde das, Herr, (wenn alles andre
fehlschlüge) und ein Wald von Federn auf dem Hut, und ein paar
ungeheure Rosen auf meinen gestreiften Schuhen, mir nicht einen
Plaz unter einen Kuppel von Comödianten verschaffen?
Horatio.
Ich mache mit, wenn's dazu kommt.
Hamlet.
O mein guter Horatio, ich wollte des Geists Wort für zehntausend
Thaler annehmen. Hast du's gesehen?
Horatio.
Nur gar zu wohl, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Wie die Rede vom Vergiften war?
Horatio. Ich hab' es sehr wol beobachtet. (Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
Hamlet. He! holla! kommt, spielt uns eins auf. Kommt, wo sind die Flöten? Wenn die Comödie dem König nicht gefällt, nun, so gefällt sie ihm eben nicht, und er muß wissen warum. Kommt, spielt auf, sag ich.
Güldenstern.
Mein Gnädiger Prinz, erlaubet mir ein Wort mit euch zu reden—
Hamlet.
Eine ganze Historie, Herr.
Güldenstern.
Der König, mein Herr—
Hamlet.
So, mein Herr, was giebt's von ihm?
Güldenstern. Hat sich in sein Cabinet verschlossen, und befindet sich ausserordentlich übel—
Hamlet.
Vielleicht von zu vielem Wein?
Güldenstern.
Nein, Gnädiger Herr, von Galle—
Hamlet. Eure gewöhnliche Weisheit hat euch nicht wohl gerathen, mein Herr, da sie euch zu mir gewiesen hat; zum Doctor hättet ihr gehen sollen; ich kan hier nichts; denn wenn ich ihm auch ein Purgier-Mittel eingeben wollte, so möcht' es ihm leicht noch mehr Galle machen.
Güldenstern.
Gnädiger Herr, höret mich an, anstatt durch solche seltsame
Absprünge meinem Vortrag auszuweichen.
Hamlet.
Ich will stehen bleiben, Herr—Sprecht!
Güldenstern. Die Königin, eure Frau Mutter, schikt mich in grössester Betrübniß ihres Herzens zu euch.
Hamlet.
Ihr seyd willkommen.
Güldenstern. Nein, Gnädiger Herr, dieses Compliment ist hier ausser seinem Plaz.
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